Anleitungen Physikalisches Grundpraktikum für Physiker/innen Teil I

Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Mechanik
Elektrizitätslehre
Radioaktivität
SS 2015
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
24.4.15
Inhalt
• Akustik
• Drehbewegungen
• Mechanische Schwingungen
• Reversionspendel
• Mechanischer Kreisel
• Mechanik der Flüssigkeiten
• Alternative Energiequellen
• Gleichstrom
• Wechselstrom
• Magnetismus
• Elektronik
• Hall-Effekt
• Bestimmung der spezifischen Elementarladung e/m
• Radioaktivität
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Akustik
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
Akustik
Stoffgebiet:
Schwingungslehre
Transversale, longitudinale, stehende Wellen
Interferenz
Resonanz
Reflexionsgesetze
Schallausbreitung in Gasen und Festk¨
orpern
Schallmeßgr¨oßen
Eigenschwingungen von St¨aben
Elastizit¨atsmodul
Ideale und reale Gase
Adiabatische Zustands¨anderungen
Akustische Messungen
Phasen- und Gruppengeschwindigkeit
Dispersion
Piezoelektrizit¨at, piezoelektrische Schallgeber
Phasengitter, Amplitudengitter
Optischer Brechungsindex
Lorentz-Lorenz-Beziehung
AKUSTIK
2
Fragen:
1. Geben Sie eine Definition
a) einer Schwingung,
b) einer Welle
2. Was versteht man unter dem Polarisationszustand einer Welle?
3. Geben Sie die Gleichung f¨
ur den Dopplereffekt bei kleiner Geschwindigkeit der Quelle an.
4. Geben Sie die Definition der Gr¨oßen
a) (Momentan-) Phase einer Welle und
b) Phasendifferenz zweier Wellen am Beispiel von ebenen Sinus-Wellen.
5. Wann erfolgt die Reflexion einer Welle
a) mit
b) ohne Phasensprung?
6.
a) Was versteht man unter der Schallst¨arke (Schallintensit¨at) einer Schallwelle; in welchen
Einheiten (Internationales Einheitensystem und cgs-System) mißt man sie?
b) Wie h¨angt die Lautst¨arke mit der Schallst¨arke zusammen; in welchen Einheiten mißt
man sie?
7. Was geschieht, wenn eine ebene Welle auf ein Liniengitter (Amplitudengitter) bzw. ein
Phasengitter trifft?
8. Wodurch unterscheidet sich der Debye-Sears-Versuch von dem vorliegenden Versuch?
9. Wie unterscheidet sich die Gruppengeschwindigkeit einer Welle in einem dispersionsfreien
Medium von deren Phasengeschwindigkeit? (Begr¨
undung)
10. Was versteht man unter piezoelektrischem Effekt?
AKUSTIK
3
Grundlagen
Es gibt Wellen, die an materielle Medien gebunden sind (z.B. elastische Wellen, Schallwellen),
und Wellen, die sich sowohl in materiellen Medien, als auch ohne sie ausbreiten k¨onnen (z.B. elektromagnetische Wellen). Wir wollen im folgenden eindimensionale Wellen untersuchen, die an
ein materielles Medium gebunden sind. Als Welle bezeichnet man die r¨aumliche Ausbreitung eines Schwingungszustandes in einem System vieler untereinander gekoppelter schwingungsf¨ahiger
Gebilde.
Eine ebene, unged¨ampfte Welle, die sich in einer Richtung ausbreitet (eindimensionale Welle),
beschreibt in differentieller Form die Wellengleichung:
2
∂2ξ
2 ∂ ξ
=
c
∂t2
∂x2
(1)
Dabei bedeuten:
ξ
t
x
c
=
=
=
=
Amplitude der Verschiebung
Zeit
Abstand vom willk¨
urlich gew¨ahlten Anfangspunkt
Geschwindigkeit, mit der die Verschiebung wandert
Eine allgemeine L¨osung dieser partiellen Differentialgleichung ist die Funktion
ξ = A f (x + ct) + B f (x − ct)
(2)
wobei f eine zweimal nach x und t differenzierbare Funktion ist. Die Welle kann longitudinal
oder transversal sein. Im longitudinalen Fall erfolgt die Auslenkung in Ausbreitungsrichtung,
bei der transversalen Welle senkrecht dazu. Der einfachste Spezialfall der ebenen Welle ist die
harmonische Welle:
ξ = A sin[k (x + ct)]
ξ = A sin[k (x − ct)]
(3)
k = Wellenzahl = 2π/λ
Das negative bzw. positive Vorzeichen steht bei Ausbreitung in positive bzw. negative x-Richtung.
Im folgenden soll o.B.d.A. das negative Vorzeichen gelten. Andere Schreibweisen sind:
x
ξ = A sin ω t −
mit ω = 2πν
(4)
c
oder
ξ = A sin 2π
t
x
−
T
λ
(5)
mit der Schwingungsdauer T = 2π/ω, ν = Frequenz, λ = Wellenl¨ange
Jede beliebige Welle kann nach dem Theorem von Fourier durch eine Summe von Sinus-Wellen
beschrieben werden (Fourieranalyse). An einem festen Ort x = x0 kann die Gleichung (4) als
Gleichung einer Schwingung angesehen werden, deren Phasenkonstante ϕ0 = −ω x0 /c ist. An
einem benachbarten Ort ist die Phasenkonstante eine andere, und man kann nun den Nachbarort
x1 suchen, an dem die Phasenkonstante sich um 2π von ϕ0 unterscheidet, d.h. sich der Sinus
reproduziert. Dort erfolgt dann die Schwingung wieder in gleicher Phase wie am Ort x0 . Setzen
wir also
2πν
2πν
x1 −
x0 = 2π
c
c
AKUSTIK
4
dann erhalten wir x1 − x0 = c/ν und diese charakteristische L¨ange x1 − x0 bezeichnet man als
Wellenl¨ange λ. Es gilt die als Dispersionsrelation bezeichnete Beziehung:
λν = c
(6)
oder
ω
=c
k
wobei k = 2π/λ die Wellenzahl ist. Zwei um λ voneinander entfernte Orte der unged¨ampften
Welle haben zu allen Zeiten gleiche Schwingungszust¨ande. λ beschreibt also die Periodizit¨at der
r¨aumlichen Ausbreitung, wie die Schwingungsdauer T die zeitliche Periodizit¨at beschreibt.
Die stehende Welle
F¨
ur alle Wellen gilt das Reflexionsgesetz und das Superpositionsgesetz. Beide Gesetze sollen nun
an einem Beispiel angewendet werden, um den Begriff der stehenden Welle einzuf¨
uhren. Vor einer
Wand werde eine ebene Welle erzeugt. Diese l¨auft gegen die Wand, wird dort reflektiert, l¨auft
¨
zur¨
uck und u
dieser Wellenz¨
uge
¨berlagert dabei die hinlaufende Welle. Die aus der Uberlagerung
resultierende Welle kann man mit Hilfe des Superpositionsgesetzes zeichnerisch oder rechnerisch
konstruieren. Die resultierende Welle zweier entgegengesetzt laufender Wellen
t
x
ξ1 = A sin 2π
−
T
λ
(7)
t
x
ξ2 = A sin 2π
+
T
λ
kann mit Hilfe des Additionstheorems
sin α + sin β = 2 sin
berechnet werden:
ξres = 2A cos
α+β
2
2πx
λ
cos
α−β
2
sin
2πt
T
(8)
Glg. (8) kann man auch schreiben:
∗
ξres = A sin
2πt
T
Dies stellt die Gleichung einer Schwingung mit r¨aumlich variierender Amplitude
A∗ = 2A cos(2πx/λ) dar.
Es treten also ortsfeste Schwingungsknoten und Schwingungsb¨auche auf. Diejenigen Stellen, an
denen sich die Verschiebungen durch Superpositionen wegheben (Knoten), liegen r¨aumlich fest,
und dort ist die resultierende Amplitude stets Null. An den Orten der B¨auche addieren sich
dagegen die Verschiebungen so, daß die resultierende Amplitude A∗ dort stets maximal ist.
Wegen der festen Lage der Knoten und B¨auche nennt man die Glg. (8) eine stehende Welle.
Amplitudenmaxima und -minima folgen im Abstand λ/4 aufeinander. Eigentlich ist die stehende Welle keine Welle, wie wir sie zuvor kennengelernt haben, da sich die Momentanamplituden
nicht mehr r¨aumlich ausbreiten. Sie stellt vielmehr eine Vielzahl von Schwingungen dar, deren
Maximalamplituden sich r¨aumlich periodisch ¨andern.
AKUSTIK
5
Schallwellen
Wegen der elastischen Eigenschaften von Materie k¨onnen sich in ihr periodische Auslenkungen
von Atomen oder Molek¨
ulen als elastische Wellen r¨aumlich ausbreiten. Sind die Wellenl¨angen
groß gegen die mittleren Atomabst¨ande, so nennt man die elastischen Wellen Schallwellen“. Im
”
Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen sind sie also an Materie gebunden, und ihre Eigenschaften werden durch die elastischen Materialkonstanten (E-Modul, Kompressibilit¨at), sowie
Druck und Dichte bestimmt. In Gasen und Fl¨
ussigkeiten existieren nur longitudinale Schallwellen, in Festk¨orpern auch transversale. Longitudinale und transversale Schallwellen haben im allgemeinen verschiedene Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von
Schallwellen im H¨orbereich ist praktisch unabh¨angig von der Wellenl¨ange, wenn die Schallintensit¨at nicht zu groß wird.
F¨
ur die longitudinale Welle im Festk¨orper gilt:
s
E
clong =
(9a)
ρ
E = Elastizit¨atsmodul, ρ = Dichte
F¨
ur die transversale Welle im Festk¨orper gilt:
s
ctrans =
G
ρ
(9b)
G = Torsionsmodul
F¨
ur die longitudinale Welle in Gasen und Fl¨
ussigkeiten gilt:
s
r
cp p
K
clong =
=
ρ
cv ρ
(9c)
K = Kompressionsmodul
In Gasen ist K gegeben durch
K=p
cp
cv
(10)
c
wobei p = Druck, cvp = Adiabatenexponent, cp , cv = spezifische W¨armekapazit¨aten bei konstantem Druck bzw. Volumen bedeuten.
K ist der adiabatische Wert, da die bei den lokalen Kompressionen und Verd¨
unnungen auftretende Temperatur¨anderung w¨ahrend der Schallausbreitung in Gasen ber¨
ucksichtigt werden
¨
muß, und diese Anderungen
so rasch erfolgen, daß sie adiabatisch sind. Aus der Temperaturabh¨angigkeit von p und ρ folgt in der N¨aherung des idealen Gases die Temperaturabh¨angigkeit
von c:
√
(11)
ct = c0 1 + α t
α
t
c0
= kubischer Ausdehnungskoeffizient des Gases
= Temperatur in ◦ C
= Geschwindigkeit bei 0◦ C
AKUSTIK
6
Die Schallgeschwindigkeit c kann auf verschiedene Arten gemessen werden:
1. Dopplereffekt
2. Laufzeitmessungen
3. Resonanzversuche, wobei die Parameter λ und ν zu bestimmen sind
Am einfachsten lassen sich in der Akustik Resonanzversuche durchf¨
uhren. Auch mit Schallwellen kann man stehende Wellen an einer reflektierenden Wand erzeugen. L¨auft die Welle statt
dessen in ein an einem Ende geschlossenes Rohr, so bilden sich in dem Gasvolumen ebenfalls
stehende Wellen, allerdings nur, wenn die L¨ange des Rohres ein ungerades Vielfaches der ViertelWellenl¨ange betr¨agt. Dann liegt ein Schwingungsknoten am geschlossenen und ein Bauch am
offenen Rohrende. In diesem Fall koppelt die stehende Welle optimal an die Schallwelle außerhalb des Rohres an, d.h. sie wird stets im richtigen Takt u
urde
¨berlagert, und die Amplitude w¨
ins Unendliche wachsen, wenn sie nicht durch D¨ampfungsprozesse begrenzt w¨are. Wenn sich eine
stehende Welle bildet, tritt also Resonanz auf.
Die Bedingung f¨
ur die stehende Welle im einseitig geschlossenen Rohr lautet:
l = (2n + 1)
λ
4
(12)
wobei l = Rohrl¨ange und n ∈ N0
Der Abstand zwischen benachbarten B¨auchen ist gleich
der halben Wellenl¨ange. Die stehende Welle kann man
als Eigenschwingung der ganzen Lufts¨aule im Rohr ansehen. Die Eigenschwingung f¨
ur n = 0 nennt man auch
die Grundschwingung; n =1, 2, 3 ... bezeichnen die
1., 2., 3., ... Oberschwingung.
Im beiderseitig abgeschlossenen Rohr k¨onnen stehende Wellen und damit Resonanzen entstehen, wenn an
beiden Enden Schwingungsknoten liegen. Die entsprechende Bedingung lautet dann:
l = (n + 1)
λ
2
(13)
Dieselbe Bedingung, Glg. (13), gilt f¨
ur stehende Wellen auf einem festen Stab; dort allerdings
stellen die Enden keine feste Begrenzung dar, die Amplitudenknoten bedingen. Vielmehr liegen
dort im Resonanzfall Amplitudenb¨auche.
AKUSTIK
7
Versuch: Klanganalyse Quinckesches Rohr
Zur Messung von λ und cLuft dient in diesem Versuch das Quinckesche Resonanzrohr. Es besteht aus einem offenen, unten durch einen
Wasserspiegel abgeschlossenen Glasrohr. Die H¨ohe der Lufts¨aule in
diesem Rohr kann durch Heben oder Senken eines mit ihm kommunizierenden Wasserbeh¨alters stetig ver¨andert werden. Mittels eines
¨
u
des Rohres angebrachten Lautsprechers kann die
¨ber der Offnung
Lufts¨aule zu erzwungenen Schwingungen angeregt werden. Resonanz
tritt ein, wenn die Glg. (12) f¨
ur stehende Wellen erf¨
ullt ist. Dann
wird der Ton durch die mitschwingende Lufts¨aule maximal verst¨arkt.
Hebt oder senkt man den Wasserspiegel, so sind Resonanzen mit der
H¨ormuschel deutlich zu erkennen, wenn die Bedingung, Glg. (12), f¨
ur
die Grundschwingung oder eine der Oberschwingungen erf¨
ullt ist. Die
zugeh¨orige L¨ange l der Lufts¨aule wird an der L¨angenskala des Rohres
abgelesen.
Aufgabe 1:
Man bestimme den Wert der Schallgeschwindigkeit ct in Luft bei Zimmertemperatur durch Messung von λ der stehenden Wellen im Quincke-Rohr und bestimme den Gr¨oßtfehler, der durch
den Meßfehler in λ und die Ungenauigkeit der Ablesung von ν bedingt ist.
Messung:
Das Rohr wird zun¨achst fast ganz mit Wasser gef¨
ullt. Dann erzeugt man mit dem Tongenerator
einen Sinuston von 700 Hz (mit ±15 Hz Genauigkeit). Der Wasserspiegel wird nun langsam
gesenkt, wobei man st¨andig auf die Ver¨anderung der Lautst¨arke des Tones achte. Es sind alle
Resonanzstellen durch je f¨
unfmaliges Heben und Senken des Wasserspiegels zu bestimmen
(n = 0, 1, 2). Aus den je 10 Meßwerten f¨
ur die H¨ohe der Lufts¨aule bilde man den Mittelwert f¨
ur
λ sowie den Gaußfehler des Mittelwerts.
Aufgabe 2:
Man berechne aus dem gemessenen Wert von ct mittels Glg. (11) den Wert von c0 . Mit diesem
Wert berechne man die Frequenz des Grundtons und des ersten Obertons einer 3 m langen a)
einseitig offenen, b) beidseitig offenen Orgelpfeife.
Aufgabe 3:
Man f¨
uhre mit dem Quincke-Rohr eine Klanganalyse durch.
Messung:
Der Klanggenerator liefert einen aus drei Sinust¨onen bestehenden Klang. Verbinden Sie den
Lautsprecher mit dem Generator. Diese Schaltung bleibt w¨ahrend der ganzen Messung unver¨andert. Durch Aufsuchen der Resonanzen im Quincke-Rohr werden dann die in dem Klang
enthaltenen Wellenl¨angen λ1 , λ2 und λ3 der T¨one bestimmt. Dazu hebt und senkt man den
Wasserspiegel je f¨
unf mal, notiert die H¨ohen aller h¨orbaren T¨one und bildet Mittelwerte. Man
ordne die Resonatorl¨angen in einer Tabelle nach ihrer Gr¨oße. Nach Glg. (12) unterscheiden sich
bei gleicher Frequenz die Resonatorl¨angen f¨
ur die Oberschwingungen von denen der Grundschwingung um die Faktoren (2n + 1), n ∈ N. Man kann entscheiden, welcher Wellenl¨ange eine
Resonanz zuzuordnen ist, wenn man folgendermaßen verf¨ahrt: Ordnen Sie dem kleinsten Meß-
AKUSTIK
8
wert die Grundschwingung des h¨ochsten Tones zu. Suchen Sie in Ihrer Tabelle nach Meßwerten,
die sich von der Grundschwingung um den Faktor (2n + 1) unterscheiden (Wegen der Meßfehler
werden diese Faktoren nicht genau auftreten). Von den noch verbleibenden Meßwerten ordnen
Sie wieder den kleinsten der Grundschwingung des mittleren Tones zu und suchen wieder in der
Tabelle nach den Vielfachen (2n + 1). Auf gleiche Weise verf¨ahrt man mit dem tiefsten Ton.
ACHTUNG: Es k¨
onnen doppelte Resonanzstellen vorhanden sein.
Man gebe
a) die Wellenl¨angen λ1 , λ2 und λ3 (gemittelt aus den Werten von Grund- und Oberschwingungen)
b) die Verh¨altnisse der Wellenl¨angen λ1 /λ2 , λ2 /λ3 , λ1 /λ3
c) die Namen der drei Tonintervalle an (dazu runde man gegebenenfalls die Verh¨altnisse zu
einfachen Br¨
uchen).
Versuch: Ausbreitungsgeschwindigkeit Ultraschall
Aufgabe 1:
Bestimmen Sie die Schall-Phasengeschwindigkeit von H2 O und Glyzerin durch Zentralprojektion
eines stehenden Ultraschallfeldes.
Meßmethode:
In einer quaderf¨ormigen Glask¨
uvette mit der auszumessenden Fl¨
ussigkeit wird mit einer piezoelektrischen Ultraschallquelle ein Feld stehender Wellen erzeugt. Dazu wird die Schallquelle
einige Millimeter in die Fl¨
ussigkeit eingetaucht, so daß die Fl¨
ussigkeit zum Schwingen angeregt wird. Die (fast) ebenen Schallwellen werden nach Durchlaufen der Fl¨
ussigkeit an dem gegen¨
uberliegenden K¨
uvettenboden (teilweise) reflektiert, und so bildet sich ein stehendes Wellenfeld aus, in welchem ortsfeste Knoten und B¨auche abwechseln. F¨
ur den vorliegenden Versuch
sind die Schalldruckamplituden wichtig; sie bewirken eine periodische Dichtefluktuation in der
Fl¨
ussigkeit, und diese wiederum verursachen entsprechende Schwankungen des optischen Brechungsindexes, der entsprechend der Lorentz-Lorenz-Formel mit der Dichte verkn¨
upft ist.
So entsteht in der Fl¨
ussigkeit eine periodische Modulation des Brechungsindexes:
an den Fl¨achen der Druckknoten ist ∆n = 0
an den Fl¨achen der Druckb¨auche variiert n mit der maximalen Amplitude ∆n(t) = ∆n0 sin(ωt).
Strahlt man senkrecht zur Schallwellenrichtung Licht ein, so wirkt diese Struktur wie ein
Fl¨achengitter. Dieses Gitter bezeichnet man auch als Phasengitter, bei dem bei gleichm¨aßiger
Durchl¨assigkeit der Brechungsindex des Systems periodisch ver¨andert wird, wodurch wegen der
unterschiedlich optischen Wegl¨ange s = n d durchgehende optische Wellen periodisch in ihrer
Phase moduliert werden.
In unserem Versuch gilt λoptisch λSchall , so daß Beugungseffekte vernachl¨assigbar sind. Erst
wenn λoptisch vergleichbar mit λSchall ist, l¨aßt sich die Schallwellenl¨ange durch Beugung am Phasengitter (Debye-Sears-Methode) bestimmen.
Obwohl die Beugung vernachl¨assigbar ist, beeinflußt die Gitterstruktur das durchgehende Licht
auf mehrfache Weise. In der Fl¨
ussigkeit wechseln Streifen mit n = n0 = constant (Verhalten an
den Knoten) und Streifen mit ¨ortlich stark variierendem Brechungsindex n = n0 +∆n0 (x) sin(ωt)
sich ab. Letztere k¨onnen als Zylinderlinsen angesehen werden, wobei die Variation der optischen
Schichtdicke durch ein Material gleicher Dicke mit sich o¨rtlich ver¨anderndem Brechungsindex
AKUSTIK
9
bewirkt wird, im Gegensatz zu u
¨blichen Linsen mit gleichem Brechungsindex aber variierter
Dicke. Durch die zus¨atzliche, zeitlich periodische Variation des Brechungsindexes wechseln mit
der Frequenz ω zerstreuende und sammelnde Wirkung der Linsen.
Wie in Abb. 1 gezeigt, soll nun aus einem Brennpunkt kommend (schwach) divergentes Licht
in die K¨
uvette eingestrahlt werden. In den Druckknoten (Schwingungsb¨auchen) gehen TeilLichtb¨
undel bis auf eine Parallelversetzung weitgehend ungest¨ort durch die K¨
uvette hindurch.
In den Bereichen mit ¨ortlich stark variierendem Brechungsindex hingegen werden sie infolge der
Brechung und auch Reflexion gesammelt oder gestreut.
h<
Abbildung 1:
Auf einem weit entfernten Bildschirm bewirkt dies im zeitlichen Mittel eine ¨ortlich periodische
Modulation des auftreffenden Lichtes, d.h. ein das in der Fl¨
ussigkeit stehende Schallwellenfeld
durch Zentralprojektion wiedergebende Streifenmuster, wobei die zus¨atzliche, zeitliche Modulation vom Auge nicht mehr aufgel¨ost wird und so gemittelt wird (die Schallfrequenz liegt weit
u
¨ber dem Wert der maximalen Zeitaufl¨osung des menschlichen Auges von etwa νmax = 25 Hz).
Aus diesem Streifenmuster l¨aßt sich die Periodizit¨atsl¨ange des stehenden Wellenfeldes und damit
die Schallwellenl¨ange bestimmen; da u
¨ber die Zeitabh¨angigkeit, d.h. die Dynamik des Vorgangs
gemittelt wird, handelt es sich um eine statische Meßmethode.
Versuchsdurchfu
¨ hrung und Auswertung
Es ist die Schallgeschwindigkeit von H2 O und Glyzerin zu bestimmen. Die Fl¨
ussigkeiten befinden sich in zwei K¨
uvetten (da Glyzerin hygroskopisch ist, soll sie Glyzerink¨
uvette so lange wie
m¨oglich zugedeckt bleiben). Als Schallquelle dient ein Ultraschallgenerator der festen Frequenz
ν = 800 kHz (Einstellung am Generator: Sinus-Betrieb). Lichtquelle ist ein He-Ne-Laser (Vorsicht! Nie in den direkten Strahl sehen!), dessen Strahlung durch eine Sammellinse mit
f = 50 mm in einem Brennpunkt gesammelt und danach divergent wird. Hinter der K¨
uvette
befindet sich der Schirm.
Abb. 2 gibt die Versuchsanordnung und die sie beschreibenden Koordinaten an. Nimmt man
an, die K¨
uvette sei im Vergleich zur Strecke s sehr d¨
unn, kann man die Parallelversetzung der
Teil-Lichtb¨
undel beim Durchgang durch die K¨
uvette vernachl¨assigen und ein eindeutiges s (in
der Mittenebene der K¨
uvette) festlegen.
Dann liefert der Strahlensatz als Schallwellenl¨ange:
λ = 2a
s1
d
s1
=2
s1 + s2
N − 1 s1 + s2
(1)
wobei N die Zahl der Helligkeitsmaxima auf der Strecke d des Schirmes und a der Abstand
zweier benachbarter Maxima bedeuten. (Bitte nachrechnen!). F¨
ur ein bestimmtes N sind d und
AKUSTIK
10
Schirm
Küvette
Linse
a
d
f
s1
s2
s1=s1+f
Abbildung 2:
s1 zu messen, s2 ist im Versuchsaufbau fest vorgegeben mit 700 mm. Zur Erh¨ohung der Meßgenauigkeit wird die Messung bei beiden Fl¨
ussigkeiten mit f¨
unf unterschiedlichen Strecken s1
zwischen 300 mm und 500 mm durchgef¨
uhrt (s1 und s2 sind immer bezogen auf die Mittenebene
der K¨
uvette). Aus dem Mittelwert λ und der bekannten Generatorfrequenz (800 kHz ± 5 kHz)
wird dann die Schall-Phasen-geschwindigkeit c ermittelt. Geben Sie die aus den Messungen folgenden absoluten und relativen Fehler von c an.
Aufgabe 2:
Bestimmen Sie die Schall-Phasengeschwindigkeit von H2 O aus einer Wegl¨angenmessung einer
laufenden Ultraschallwelle.
Meßmethode:
Dazu wird der Schallsender an einer Schmalseite der mit H2 O gef¨
ullten K¨
uvette angelegt und
mit dem Sinussignal von 800 kHz gespeist. Die Kopplung zwischen Quelle und Glaswand wird
durch einen Tropfen Glyzerin verbessert; die Quelle sollte so gleichm¨aßig wie m¨oglich an die
Wand angepresst werden. In die Fl¨
ussigkeit wird nun ein piezoelektrischer Schallaufnehmer
eingetaucht, dessen Abstand vom Sender durch eine auf 1/100 mm ablesbare Feinverstellung
ver¨andert werden kann. Dessen, mit der Schallfrequenz variierendes Signal wird zusammen mit
dem Schallgebersignal auf dem Schirm eines Zwei-Kanal-Oszilloskops sichtbar gemacht (Lassen
Sie sich seine Bedienung von dem Assistenten zeigen!). Hier soll die laufende Schallwelle beobachtet werden. Um die Ausbildung stehender Wellen in der K¨
uvette zu verhindern, wird daher
vor die gegen¨
uberliegende reflektierende K¨
uvettenwand ein schalld¨ampfender Wellensumpf aus
Schaumgummi gestellt. Diese dynamische Methode liefert das zeitliche Verhalten der Schallwelle
auf dem Oszilloskop-Bild
A(x, t) = A0 sin(ωt + ϕ)
(2)
Die Phasenkonstante ϕ ergibt sich dabei zu
ϕ = kx + ϕ0
(3)
wobei k = 2π/λ und ϕ0 = die (unbekannte und unwichtige) Anfangsphase am Ort x = 0 sind.
Verschiebt man nun den Empf¨anger um die Strecke ∆x, so verschiebt sich entsprechend sein Oszilloskopbild in der Horizontalen um die Phasendifferenz ∆ϕ = k ∆x Auf diese Weise kann man
das raum-zeitliche Verhalten der laufenden Welle vollst¨andig erfassen. Verschiebt man speziell
den Empf¨anger so weit, daß
∆ϕ = 2π m (m = 1, 2, ...)
(4)
AKUSTIK
11
ist, so ist die Messung von ∆ϕ besonders einfach (Wieso?). Als Referenzsignal dient das vom
Schallgeber direkt in den zweiten Kanal des Oszilloskops eingespeiste Signal der selben Frequenz.
Versuchsdurchfu
¨ hrung und Auswertung
Zur Messung startet man bei einem x1 , bei dem Schallsignal und Referenzsignal (modulo 2π)
phasengleich sind. Dann verschiebt man den Empf¨anger um m · 2π mit m = 1, 2, ... , 25 und
liest zu jedem m die zugeh¨orige Verschiebung ∆x an der Drehspindel ab.
Durch die Punkte der graphischen Darstellung ∆x(m) legt man dann eine Ausgleichsgerade
(wenn ihr Taschenrechner kann, k¨onnen Sie diese auch damit ermitteln), aus deren Steigung
sich der Mittelwert der Wellenl¨ange λ ergibt (berechnen Sie deren Zusammenhang selbst!).
Im Prinzip liefert das Oszilloskopbild (bei richtiger Kalibrierung) auch die zugeh¨orige Schallfrequenz, die Sie ben¨otigen, um aus λ die Schall-Phasengeschwindigkeit c zu ermitteln (Wie?).
Da aber die Frequenz des Senders zu ν = 800 kHz ± 5 kHz bekannt ist, er¨
ubrigt sich dies hier.
Geben Sie die aus λ folgende Schall-Phasengeschwindigkeit von Wasser und dessen Meßgenauigkeit an.
Aufgabe 3:
Bestimmen Sie die Schall-Gruppengeschwindigkeit aus einer Laufzeit-Messung eines Schallimpulses.
Meßmethode:
¨
Wellengruppen, Wellenpakete, Wellenpulse, die aus einer Uberlagerung
mehrerer oder vieler
monochromatischer Wellen benachbarter Frequenzen entstehen (denken Sie an die Schwebungseffekte zweier unterschiedlicher Stimmgabeln!) ver¨andern im allgemeinen ihre Form mit der
Ausbreitungszeit. Dies geschieht, wenn die Phasengeschwindigkeiten cp der die Wellengruppe
aufbauenden, monochromatischen Wellen unterschiedlich sind, d.h. cp = cp (ν), das Ausbreitungsmedium also Dispersion zeigt, dcp /dν 6= 0.
Dann breitet sich das Amplitudenmaximum der Wellengruppe mit einer anderen Geschwindigkeit aus, als die (mittlere) Phasengeschwindigkeit cp der die Gruppe aufbauenden, monochromatischen Wellen, n¨amlich mit der Gruppengeschwindigkeit cg .
Es gilt cp = ω/k und cg = dω/dk. Der Zusammenhang zwischen beiden ist gegeben durch
cg = cp + ν
dcp
dcp
= cp − λ
dν
dλ
(5)
F¨
ur einen periodisch wiederkehrenden Wellenpuls (der aus einer endlichen Zahl von Wellen
unterschiedlicher Frequenz zusammengesetzt ist) sind die Beschreibungsgr¨oßen neben der Gruppengeschwindigkeit cg der zeitliche und r¨aumliche Pulsabstand (gemessen am Pulsmaximum),
die Pulsfolgefrequenz νPuls und der Pulsabstand λPuls .
Zur Messung von cg wird die Anordnung der Aufgabe 2 verwendet, wobei der Schallgenerator
auf Pulsbetrieb umgeschaltet wird. Der Puls wird aus mehreren Frequenzen nahe der Grundfrequenz von 800 kHz aufgebaut und die Pulsfolgefrequenz ist daher wesentlich kleiner. Das
Oszilloskop wird durch den Puls am Generatorausgang getriggert, so daß ein stehendes Bild des
Pulses entsteht (das eine sehr unregelm¨aßige Form hat; f¨
ur Messungen beziehen Sie sich stets
auf das Amplitudenmaximum!)
Verschiebt man nun den Schallempf¨anger ¨ortlich um ∆xE , so ¨andert sich der Zeitpunkt des Eintreffens des Pulses und, da die horizontale Achse des Oszilloskops die Zeitachse ist, verschiebt sich
das Bild des Pulses l¨angs dieser Achse um ∆x0 . Kennt man den Kalibrierungsfaktor der Zeitablenkung des Oszilloskops, so erh¨alt man direkt die zur Ortsverschiebung ∆x des Empf¨angers
geh¨orende Zeitablenkung ∆t und durch Division direkt die Schall-Gruppengeschwindigkeit cg .
AKUSTIK
12
Versuchsdurchfu
¨ hrung und Auswertung:
Verschieben Sie den Empf¨anger in Schritten von 5 mm um insgesamt 35 mm, und notieren Sie
zu jedem ∆xE die zugeh¨orige Verschiebung ∆x0 des Pulsmaximums auf dem Oszilloskopschirm.
Tragen Sie die beiden Verschiebungen ∆xE und ∆x0 in einer Graphik gegeneinander auf, legen
Sie eine Bestgerade durch die Punkte, und entnehmen Sie ihr die mittlere Steigung η = dxE /dx0 .
Kalibrieren Sie nun die Zeitablenkung des Oszilloskops im Sinusbetrieb des Generators. Dazu
legen Sie bei unver¨anderter Einstellung der Zeitbasis des Oszilloskops die Referenzspannung der
Frequenz ν = 800 kHz ± 5 kHz des Schallgenerators an den zweiten Kanal und bestimmen Sie
die Anzahl N Perioden im Intervall x.
Der Kalibrierungsfaktor t∗ ergibt sich dann zu:
t∗ =
NT
x
T = Schwingungsdauer
(6)
Diese Zeitkalibrierung ist dann sinnvoll, wenn damit eine gr¨oßere Genauigkeit erzielt wird als die
Genauigkeit der Zeitbasis des Oszilloskops betr¨agt. Ansonsten l¨aßt sich direkt die Einstellung
der Zeitbasis als Kalibrierungsfaktor u
¨bernehmen.
Die Gruppengeschwindigkeit cg bestimmen Sie dann aus
cg =
η
t∗
(7)
Ermitteln Sie die Meßgenauigkeit des Resultats.
Aufgabe 4:
Vergleichen Sie die Meßergebnisse von cp und cg aus den Aufgaben 2 und 3 f¨
ur Wasser unter
Ber¨
ucksichtigung ihrer Meßgenauigkeiten.
Liegt ein relevanter Unterschied vor? Welche Folgerungen bez¨
uglich der Dispersion von Schall
in Wasser lassen sich daraus ziehen (Begr¨
undung!)?
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Drehbewegungen
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
DREHBEWEGUNGEN
Stoffgebiet:
Dynamik starrer Körper
Energie-, Impulserhaltungssatz
D'Alembertsches Prinzip
Zwangskräfte
Drehbewegung fester Körper
Drehmoment
Trägheitsmoment
Richtmoment
Trägheitskraft
Zentripetalkraft, Zentrifugalkraft
Corioliskraft
Kreisel
Elastischer, unelastischer Stoß
DB 2
DREHBEWEGUNGEN
Fragen:
1. Wie sind Drehmoment und Drehimpuls definiert?
2. Wie lautet die Definition des Trägheitsmomentes?
3. Was besagt der Steinersche Satz?
4. Was versteht man unter den Hauptträgheitsachsen eines Körpers? Was
sind freie Achsen?
5. Was versteht man unter dem Gewicht eines beschleunigten Körpers?
x =const.)
( &&
6. Was besagt der Drehimpulserhaltungssatz?
experimentell beweisen?
7. Wie sind Zentripetalunterscheiden sie sich?
und
Wie
Zentrifugalkraft
läßt
er
sich
definiert?
Wie
8. In welche Energieformen wird die potentielle Energie eines Körpers,
der eine schiefe Ebene hinunterrollt, umgewandelt? Wie sind diese
Energien definiert?
9. Warum ist der Quotient E trans /E rot beim Maxwellschen Fallrad
während eines Falles konstant?
10. Welche Kräfte wirken auf einen Satelliten, der die Erde umläuft?
Wann ist seine Umlaufbahn stabil?
11. Berechnen Sie die Bewegungsgleichung (7) von Teil B durch
Differenzieren des für eine Höhe x aufzustellenden Energiesatzes.
12. Verifizieren Sie Gl.(6) von Teil B.
13. Neben dem d'Alembertschen Prinzip sind weitere allgemeine
Prinzipien der Mechanik formuliert worden. Geben Sie zwei davon
an.
DREHBEWEGUNGEN
DB 3
Grundlagen:
Um von den Gesetzen der fortschreitenden Bewegung zur denen der
Drehbewegung zu gelangen, setzt man anstelle von Kraft F, Masse m,
r
r
r
Wegstrecke s ,r Geschwindigkeit v und Beschleunigung a die Größen
Drehmoment M , Trägheitsmoment J, Winkel ϕ , Winkelgeschwindigkeit
r
r
dϕ
d 2ϕ
und Winkelbeschleunigung 2 .
dt
dt
Geradlinige Bewegung (Translation)
Formel
Weg
Geschwindigkeit
Beschleunigung
Masse
Kraft
Impuls
r 1r 2 r r
s = 2 at + vt + s0
r
r ds r
v=
= &s
dt
r
r
r dv d 2 s r
=
= &&s
a=
dt dt 2
m
r
r
r dp
F = m⋅a =
r
r dt
p = m⋅v
Einheit
m
ms -1
ms -2
kg
N
Ns
Kreisbewegung (Rotation)
Formel
Winkel
Winkelgeschwindigkeit
Winkelbeschleunigung
Trägheitsmoment
Drehmoment
r
r 1 dω 2 r r
ϕ=
t + ωt + ϕ 0
2 dt
r dϕ r
ω=
= ϕ&
dt
r
r
dω d 2 ϕ r
&&
= 2 =ϕ
dt
dt
J = ∫ r 2 dm
r
r
r
dω dL
D = J⋅
=
dt
dt
Einheit
rad
rad s - 1
rad s - 2
kg m2
Nm
r
r
L = J ⋅ω
Nm s
Drehimpuls
Im folgenden sollen Drehungen um eine feste Achse betrachtet werden.
DB 4
DREHBEWEGUNGEN
Die der Bewegungsgleichung bei einer Translation K = ms&& analoge
Gleichung für Drehbewegungen lautet demnach
&&
D = J ⋅ϕ
(1)
D
J
&&
ϕ
: Betrag des Drehmomentes
: Trägheitsmoment
: Betrag der Winkelbeschleunigung
Wirkt ein zeitlich konstantes
Winkelbeschleunigung
&& =
ϕ
(2)
Drehmoment,
so
ist
auch
die
D
= const.
J
Durch zweimalige Integration läßt sich aus (2) der in der Zeit t
zurückgelegte Winkel ϕ ermitteln.
(3)
ϕ=
1 2
&& t + ϕ& 0 t + ϕ 0
ϕ
2
ϕ& 0 : Anfangswinkelgeschwindigkeit
ϕ 0 : Anfangswinkel (zur Zeit t=0)
Es seien für das folgende ϕ& 0 =0 und ϕ 0 =0.
Kennt man die Zahl n der in der Zeit t zurückgelegten Umdrehungen,
&& berechnen.
ϕ = n ⋅ 2 π , so kann man aus (3) die Winkelbeschleunigung ϕ
Damit läßt sich aus (1) das Trägheitsmoment J bestimmen, wenn D
bekannt ist.
Bei einem Teil der Versuche wird das konstante Drehmoment durch
Gewichtskräfte erzeugt, die über ein Seil tangential an einer an einem
r
Drehkörper befestigten Kreisscheibe , d.h. senkrecht zum Radiusvektor r
angreifen. Dann gilt (siehe Abb.):
D = m⋅g⋅r
(4)
DREHBEWEGUNGEN
DB 5
m : Masse der Gewichtsstücke
g : Erdbeschleunigung
r : Radius des Rades
Das Trägheitsmoment eines starren Körpers
läßt sich durch Integration der Gleichung
S
r
dJ = r 2 dm
90°
(5)
dm : Massenelement
r
: Abstand des Massenelementes
von der Drehachse
mg
bestimmen.
Verläuft die Drehachse nicht durch den Schwerpunkt des Körpers, so läßt
sich das Trägheitsmoment um die Achse A aus dem Trägheitsmoment J s
um die dazu parallele Achse durch den Schwerpunkt nach dem
Steinerschen Satz berechnen:
J A = JS + M ⋅ a 2
Js
M
a
Versuch A:
(6)
: Trägheitsmoment um die Schwerpunktsachse
: Gesamtmasse des Körpers
: Abstand Schwerpunktachse zur Drehachse
Drehtisch
Aufgabe:
Man bestimme
a) das Trägheitsmoment des leeren Drehtisches und
b) das Trägheitsmoment des Drehtisches, der mit Gewichten in verschiedenen Abständen von der Drehachse belastet wird.
DB 6
DREHBEWEGUNGEN
Zusatzmassen
a
Drehscheibe
Lichtschranke
mit Stoppuhr
Antriebsscheibe
r
Drehachse
mg
Messung:
In Aufgabe a) erzeuge man gemäß Gleichung (4) durch
3 verschiedene Massen m=100g, 200g und 300g und zwei verschiedene
Radien der Antriebsscheibe von 2,5cm und 3,5cm sechs verschiedene
&& aus Gleichung
Drehmomente und bestimme die Winkelbeschleunigung ϕ
(3) für jeweils 3 Umdrehungen (ϕ = 6 π ). Die Zeit t für 3 Umdrehungen
messe man jeweils 3 mal und nehme den Mittelwert.
&& ) graphisch auf und entnehme daraus das
Man trage die Funktion D = f (ϕ
Trägheitsmoment J des Drehtisches (Fehlerrechnung !).
In Aufgabe b) überprüfe man die Gültigkeit des Steinerschen Satzes auf
folgende Weise: Auf dem Drehtisch sind symmetrisch zur Achse in
verschiedenen Abständen a je zwei Löcher gebohrt. Man stecke die zwei
Gewichte mit ihren Stiften auf dem Drehtisch in jeweils zwei
zusammengehörende Löcher und bestimme dann nacheinander für alle
Abstände a von der Drehachse das Trägheitsmoment des Tisches mit
Gewichten. Die verschiedenen Trägheitsmomente messe man wie in
Aufgabe a) mit dem durch m=200g und r=2,5cm gegebenen Drehmoment.
Von den so erhaltenen Gesamtträgheitsmomenten J ges von Tisch und
Gewichten ziehe man dann das in Aufgabe a) gemessene
Trägheitsmoment des Drehtisches J T und die Trägheitsmomente der
Gewichte J s bezüglich ihrer zur Drehachse parallelen Achse durch ihren
Schwerpunkt ab. Letzteres berechnet man aus der Masse M und dem
Radius R der Gewichte gemäß:
DREHBEWEGUNGEN
DB 7
JS =
1
M R2
2
(7)
da
die
Gewichtskörper
Zylinderform
haben.
Die
Differenz
2
J ges − (J T + 2 ⋅ J S ) trage man als Funktion von a graphisch auf.
Wie können Sie aus dieser Kurve die Gültigkeit des Steinerschen Satzes
nachprüfen?
Zusatzaufgabe:
Man berechne die Rotationsenergie des unbelasteten Drehtisches nach
Durchlaufen von 3 Umdrehungen bei m = 200g und r = 2,5cm.
Versuch B:
Maxwellsches Fallrad
Grundlagen:
Das Maxwellsche Fallrad ist eine
Metallscheibe, die senkrecht an zwei
an ihrer Achse befestigten Fäden
hängt. Wickelt man diese Fäden auf
und läßt dann das Rad fallen, so
spulen sie sich ab, und neben der
Translationsbewegung entsteht eine
Rotationsbewegung des Rades.
Das Maxwellsche Fallrad stellt ein
Anwendungsbeispiel des d'Alembertschen Prinzips dar, das besagt:
∑ Ki − ∑ Zi −
i
m ⋅ &&
x=0
(1)
i
wobei K i die von außen an einem Körper angreifenden Kräfte, Z i die
x die d'Alembertsche Trägheitskraft bedeuten.
Zwangskräfte und m ⋅ &&
DB 8
DREHBEWEGUNGEN
(m=Masse, &&
x=Beschleunigung des Körpers). Durch Hinzufügen der
Trägheitskraft erhält man so auch für den Fall beschleunigter Bewegungen
eine Gleichgewichtsbedingung für die Kräfte. Beim Maxwellschen Fallrad
vereinfacht sich Gl.(1) zu :
(2)
m ⋅ g − Z − m ⋅ &&
x =0
wobei Z die Zwangskraft durch die Kopplung der Rotations- an die
Translationsbewegung und mg die Schwerkraft darstellen. Gl(2) bedeutet
also eine Zerlegung der Bewegung des Rades in die Translation und die
dadurch erzwungene Rotation um die zur Drehachse parallele
Schwerpunktsachse. Letztere wird durch das Drehmoment
(3)
&& = Z ⋅ r
D = J0 ⋅ ϕ
bewirkt, wobei J 0 das Trägheitsmoment bezüglich der zur Drehachse
&&
ϕ
die
parallelen
Schwerpunktsachse
des
Rades
ist,
und
Winkelbeschleunigung bedeutet.
Die geometrische Zwangsbedingung, die beide Bewegungen verknüpft, ist
(4)
dx = r dϕ
Zur Vereinfachung denke man sich die Gesamtmasse von Rad und Achse
bei gleichbleibendem Trägheitsmoment in einem Ring konzentriert. Dieser
habe den Radius R; dann ergibt sich:
(5)
J0 = m ⋅ R2
Mit (3) und (4) folgt die Zwangskraft
(6)
J
Z = 20 ⋅ &&
x
r
und mit (2) und (5) erhält man als vollständige Bewegungsgleichung:
R2
&& ⋅ (1 + 2 ) = 0
mg − mx
r
(7)
DREHBEWEGUNGEN
DB 9
Anmerkung:
Bei dem einfachen Problem des Fallrades läßt sich Gl.(7) kontrollieren,
indem man auf die Zerlegung in Translation und erzwungene Rotation
verzichtet und mit Hilfe des Steinerschen Satzes das Trägheitsmoment
bezüglich der momentanen Drehachse bildet:
J A = m ⋅ (R 2 + r 2 )
(8)
Die am Schwerpunkt angreifende Schwerkraft verursacht das Drehmoment
&&
DS = m ⋅ g ⋅ r = J A ⋅ ϕ
(8')
und mit (8) und (4) folgt direkt Gl.(7). Es ist zu erwähnen, daß der Vorteil
der allgemeinen Formulierung der Gl.(1) in schwierigeren Problemen
deutlicher wird.
Das Rad fällt, bis die Fäden abgewickelt sind. In der letzten
Viertelumdrehung bevor das Rad seine tiefste Lage erreicht hat, greift der
Faden nicht mehr tangential an der Achse an, und statt (4) erhält man als
Zwangsbedingung (Fig.2):
x* = r ⋅ sin ϕ
(8'')
Bei ϕ=90° greift der Faden senkrecht
an, und das durch ihn bewirkte
Drehmoment ist Null. Translationsund
Rotations-bewegung
sind
entkoppelt.
Setzt
man
völlig
ϕ
x* unelastische Fäden voraus, so wird, da
die Fäden an der Achse befestigt sind,
in diesem Augenblick durch den
erfolgenden Ruck die kinetische
Energie der Translation E trans vom
Faden verschluckt, der Impuls ändert
Fig.: 2
sein Vorzeichen, die Fäden spulen sich
infolge der verbleibenden Rotationsenergie E rot wieder auf, das Rad
steigt in die Höhe, und nach der ersten Viertelumdrehung gilt wieder (4).
DB 10
DREHBEWEGUNGEN
Mit Hilfe des Energiesatzes läßt sich die Steighöhe ermitteln. Während
des Falles gilt :
(9)
E pot + E trans + E rot = const
( E pot = potentielle Energie). Das Rad sei in der Höhe h 1 losgelassen
worden. Eine Viertelumdrehung vor dem unteren Umkehrpunkt sei die
Höhe h 2 erreicht; dort gilt:
(10)
mg (h1 − h 2 ) =
1
1
mx& 20 + J 0 ϕ& 20
2
2
Im Idealfall völlig unelastischer Fäden geht 12 mx& 2 an die Fäden verloren.
Während der anschließenden Aufwärtsbewegung wird E rot in E pot
umgewandelt, und das Rad steigt bis h 3 :
(11)
mg (h 3 − h 2 ) =
1
J 0 ϕ& 20
2
Man kann, wenn man h 1 , h 2 und h 3 kennt, das konstante Verhältnis von
Translations- zu Rotationsenergie während des Falles bestimmen. Ebenso
&&
x
zur
kann
man
das
Verhältnis
von
Fallbeschleunigung
Erdbeschleunigung g ermitteln, das sich aus (7) ergibt zu:
(12)
&&
x
R 2 −1
= (1 + 2 )
g
r
Anmerkung:
Völlig unelastische Fäden sind im vorliegenden Versuch nicht zu
realisieren, so daß ein erheblicher systematischer Fehler auftritt.
Aufgabe 1:
Wie groß ist
E trans
am unteren Umkehrpunkt ?
E rot
DREHBEWEGUNGEN
DB 11
Messung :
a) Dazu bestimme man h 1 , h 2 und h 3 und, da sie in Teil b benötigt wird,
die Fallzeit t, jeweils als Mittelwert aus 20 Messungen. Den Quotienten
bestimme man mit Hilfe von Gleichung (10) und (11).
b) aus Fallstrecke und Fallzeit bestimme man E trans am unteren Umkehrpunkt. Mit Gleichung (10) berechne man E rot .
c) Man begründe das unterschiedliche Ergebnis.
Aufgabe 2:
a) Wie groß ist
&&
x
?
g
b) Wie verhält sich E trans des Fallrades zu E *trans beim während der
gleichen Zeit frei fallenden Rad ?
c) Wie verhält sich E trans zu E **
trans beim die gleiche Strecke frei
fallenden Rad?
Messung :
Man bestimme &&
x des Fallrades aus Fallzeit und Fallstrecke, wobei zu
beachten ist, daß &&
x=const.
Aufgabe 3:
Man berechne aus den Ergebnissen der Aufgabe 2 den Trägheitsradius R
und das Trägheitsmoment des Fallrades (m = 380g).
Messung :
Den Radius messe man an 10 verschiedenen Stellen mit der
Mikrometerschraube. (Vorsicht ! Mikrometerschraube nur am äußersten
Ende drehen !)
Aufgabe 4:
Man bestimme mit Hilfe des d'Alembertschen Prinzips die an einem frei
fallenden Körper angreifende Kraft (Fallbeschleunigung = g).
DB 12
DREHBEWEGUNGEN
Aufgabe 5:
Untersuchen Sie das Gewicht des fallenden Rades. Wie groß ist es, wenn
das Rad ruht, fällt und steigt ?
Durchführung:
1. Zuerst ist die als Waagebalken ausgebildete Halterung des Rades zu
lockern (der Assistent zeigt es Ihnen).
2. Durch Gegengewichte ist der Zeigerausschlag der Waage für das
ruhende Rad auf Null einzustellen.
3. Dann wird der Faden aufgerollt und das Rad fallen gelassen. Sie
beobachten einen Zeigerausschlag. Bevor der untere Umkehrpunkt
erreicht ist, müssen Sie wegen des dort entstehenden Rucks den
Waagebalken festhalten.
4. Bei der anschließenden Aufwärtsbewegung des Rades ist wiederum ein
Ausschlag des Zeigers zu beobachten.
Aufgabe 6:
Berechnen Sie das Gewicht für die drei Fälle der Aufgabe 5 mit Hilfe des
d'Alembertschen Prinzips und des Resultates von Aufgabe 2.
Versuch C
Drehbewegungsgerät nach Jordanhill
Grundlagen :
In diesem Versuch wird ein Luftkissentisch benutzt, über dem eine
Drehscheibe ( ∅ = 298mm, m = 960g) schwebt und mit nur sehr geringer
Reibung frei rotieren kann. Für die Aufgaben 1 und 2 wird die Scheibe
durch konstant wirkende Kräfte angetrieben, die durch Gewichtskörper
erzeugt werden. Für Aufgabe 3 läßt sich die Scheibe mit einem Motor mit
konstanter Umlaufgeschwindigkeit antreiben. Zum Antrieb für die
Aufgaben 1 und 2 wird der Träger mit der Dreifach-Antriebsscheibe auf
die Drehscheibe aufgeschraubt. (Verwenden Sie die kurzen , keinesfalls
die langen Schrauben!). Das Luftkissen wird mittels eines Gebläses
erzeugt, das über einen Schlauch mit dem Lufteinlaßstutzen des
Drehtisches verbunden wird. Die Drehtischfläche wird zunächst mit einem
Tuch entstaubt. Nach Einschalten des Gebläses wird die Scheibe auf den
kleinen Metallstift in der Mitte der Matrizenfläche gelegt.
DREHBEWEGUNGEN
DB 13
Achtung:
Achten Sie darauf, daß das Gebläse eingeschaltet ist, bevor eine
Bewegung der Scheibe angeregt wird !
Abstand a
r
Antriebsräder
Umlenkrolle
Zusatzmassen
Massekörper
Antriebs- m
rad
Lichtschranke
mit Digitaluhr
Luftstrom aus Luftkanälen
Motor
Drehachse
Aufgabe 1:
Bestimmen Sie das Trägheitsmoment der Scheibe. Erzeugen Sie dazu
gemäß Gleichung (4) der Anleitung durch 3 verschiedene Massen (m=10g,
20g und 30g) und zwei verschiedene Radien der Antriebsscheibe (r=3cm
und r=2cm) sechs verschiedene Drehmomente und bestimmen Sie die
&& aus Gl.(3) für je 2 Umdrehungen ( ϕ = 4 π ). Bei
Winkelbeschleunigung ϕ
jeder Einstellung messe man die Zeit für 2 Umdrehungen jeweils 3 mal
und nehme den Mittelwert. Die Zeitnahme erfolgt mittels einer
Lichtschranke, die mit einer Digitaluhr gekoppelt ist. Zunächst wird der
an dem Antriebsscheibenträger angebrachte Metallstreifen in den
Lichtstrahl gebracht und die Uhr durch Drücken des 'Reset'-Knopfes in die
Nullstellung gebracht. (Läuft die Uhr danach sofort los, so ist der
Lichtstrahl der Lichtschranke nicht richtig abgedeckt).
Die Scheibe wird mit Hilfe des am Drehtisch befestigten Reibrades in
dieser Stellung festgehalten. Nach Wegziehen des Reibrades beginnt die
Scheibe sich zu drehen, der Lichtstrahl wird freigegeben, und die Uhr
startet. Nach 2 Umläufen stoppt die Uhr automatisch und gibt die
benötigte Zeit an.
&& ) graphisch auf und entnehmen Sie daraus das
Tragen Sie die Funktion D(ϕ
Trägheitsmoment J der Drehscheibe (Fehlerrechnung!). Vergleichen Sie
mit dem theoretischen Wert.
DB 14
DREHBEWEGUNGEN
Aufgabe 2:
Überprüfen Sie den Steinerschen Satz. Dazu stecken Sie die beiden
Zusatzmassen (M=250g) auf die vorgesehenen Stifte auf dem Träger. Man
messe die Abstände a von der Drehachse . Bestimmen Sie wie in Aufgabe
1 das Trägheitsmoment von Scheibe und Zusatzmassen J ges mit r = 3cm
und m = 10g sowie m = 20g. Von J ges ziehe man das Trägheitsmoment
der Scheibe J S sowie das Trägheitsmoment der Zusatzgewichte, J G , ab.
Dabei ist J G = 12 MR 2 wegen der Zylinderform der Zusatzmassen
(R = 15 mm).
Die Differenz J ges − (J S + 2 J G ) trage man gegen a 2 graphisch auf. Wie
kann man anhand dieser Kurve die Gültigkeit des Steinerschen Satzes
überprüfen (Begründung!) ?
Aufgabe 3:
Messen Sie die an einem Probekörper angreifende Zentrifugalkraft.
Anstelle des Trägers mit den Antriebsscheiben schraube man nun die
Schiene mit dem Rollwagen auf die Drehscheibe. In den Wagen lege man
den Metallquader. Der Wagen ist mit einem Feder-Dynamometer
(Federwaage) verbunden. Dann verbindet man das Reibrad mit der
Drehscheibe, die dadurch mittels eines Elektromotors mit variierbarer
Drehgeschwindigkeit angetrieben werden kann. Die Drehgeschwindigkeit
wird mit der Motorspannung geregelt, die am Netzgerät durch ein Grobund ein Feinpotentiometer einstellbar ist. Der Motor darf mit maximal 6V
Gleichspannung betrieben werden. Die Auslenkung des FederDynamometers bedingt, daß der Abstand des Metallkörpers von der
Drehachse nicht konstant ist, sondern mit steigender Drehfrequenz
zunimmt. Daher muß dieser Abstand bei jeder Drehfrequenz neu bestimmt
werden. Das geschieht, indem man zu dem Abstand zwischen Drehachse
und Metallquader-Mitte in Ruhelage die jeweils an der Federwaage
ablesbare Federverlängerung addiert.
Die Zentrifugalkraft FZ sowie die Auslenkung der Feder können direkt an
der Federwaage abgelesen werden. Bestimmen Sie die Umlauffrequenz
der Scheibe für FZ = 0.5N, 1.0N, 1.5N, 2.0N, 2.5N und 3.0N und den
entsprechenden Umlaufradius der Probemasse. Die Auslenkung x der
Feder pro Teilstrich ist am Arbeitsplatz angegeben, der Abstand d vom
Schwerpunkt des Wagens zur Drehachse ohne Auslenkung der Feder
DREHBEWEGUNGEN
DB 15
beträgt 80mm. Bestimmen Sie ω aus der Zeit, die die Scheibe für 5
Umläufe benötigt. Diese wird mit der Digitaluhr gemessen, indem Sie zum
Start der Zeitmessung den 'Reset'-Knopf drücken.
F
Tragen Sie Z gegen ω 2 graphisch auf.
x+d
Welche Form hat die so erhaltene Kurve? - Welche Form sollte sie
theoretisch haben? Führen Sie die Berechnung selbst durch.
Bestimmen Sie schließlich die Masse von Wagen und Metallblock aus
Ihrer Meßkurve.
Vorsicht:
Ist der Elektromotor eingeschaltet, darf nicht versucht werden, die
Scheibe mit der Hand im Uhrzeigersinn zu drehen!
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Mechanische Schwingungen
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
Mechanische Schwingungen
Stoffgebiet:
Harmonische Schwingungen
Freie und erzwungene Schwingungen
von Massepunkten und ausgedehnten Systemen
Resonanzen
Drehschwingungen
Ged¨ampfte Schwingungen
Schwebungen
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
2
Fragen:
1. Wie funktioniert die Wirbelstrombremse?
2. Zeichnen Sie den Frequenzgang der in der Bewegung des Pohl-Rades gespeicherten Energie.
Die sich ergebende Kurve (Energiespektrum) bezeichnet man als Lorentz- oder
Dispersionskurve.
Hinweis: Die Energie l¨aßt sich einfach berechnen, wenn man ber¨
ucksichtigt, daß beim
Pendel allgemein f¨
ur die Zeitmittelwerte der Energie gilt:
Gesamtenergie t = 2 · Kinetische Energie t
Kinetische Energie =
1
· J · φ˙ 2
2
und
J: Tr¨agheitsmoment
˙ Wie muß
3. Der Reibungsterm in der Bewegungsgleichung (1) in Teil A hat die Form κ · φ.
bei Luftreibung dabei die Str¨omung beschaffen sein?
4. Was versteht man unter Schwingfall, aperiodischem Grenzfall und Kriechfall bei der
ged¨ampften Schwingung?
5. Wieso wird die Zeigerbewegung eines analogen Meßinstrumentes normalerweise auf den
aperiodischen Grenzfall eingestellt?
6. Was versteht man unter R¨
uckkopplung? Erl¨autern Sie den Begriff am Beispiel der
ged¨ampften Schwingung.
7. L¨aßt man auf einen schwach ged¨ampften Schwinger der Eigenfrequenz ω0 eine Erregerkraft
der Frequenz ω ≈ ω0 wirken, so sieht man zun¨achst eine Schwebung. Wie erkl¨art sich der
Vorgang?
8.
a) Wodurch zeichnen sich die Eigenschwingungen eines Systems gekoppelter Pendel
bez¨
uglich der Schwebung gegen¨
uber allen anderen m¨oglichen Schwingungsformen aus?
b) Wieviele Eigenschwingungen hat ein System von N gekoppelten Pendeln?
9. Nennen Sie Beispiele f¨
ur gekoppelte, schwingungsf¨ahige Gebilde aus verschiedenen Bereichen der Physik.
10. In einem System vieler gekoppelter Oszillatoren k¨onnen sich Wellen ausbreiten. Welcher
Zusammenhang besteht zwischen den Eigenschwingungen des Systems und den im System
m¨oglichen stehenden Wellen?
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
3
Teil A: Erzwungene Schwingungen: Pohlsches Rad
Drehpendel
Achse A
Dämpfung
Netzgerät
Anregung
MagnetSpule
Über- Motor Motorsetzung
Steuerung
Grundlagen:
Das Pohl’sche Rad ist ein Drehpendel und besteht aus einer um die Achse A drehbar gelagerten
Messingscheibe, die durch eine Spiralfeder in einer stabilen Gleichgewichtslage gehalten wird.
Nach einer Auslenkung φ0 schwingt die Scheibe mit einer durch die Mechanik bedingten Reibung
frei um diese Gleichgewichtsachse und kehrt fr¨
uher oder sp¨ater, je nach Gr¨oße der Reibung, in
diese zur¨
uck.
Mittels eines Exzentermechanismus kann zus¨atzlich der ¨außere Halterungspunkt der Spiralfeder
um kleine Betr¨age ε verschoben werden. Damit wird es m¨oglich, ein harmonisch mit der Zeit
variierendes Drehmoment auf die Scheibe einwirken zu lassen.
W¨ahlt man die Auslenkung ε des Spiralfederhalterungspunktes hinreichend klein, so darf das
R¨
uckstellmoment der Spiralfeder in erster N¨aherung als konstant angesehen werden.
Unter der Einwirkung dieses ¨außeren Drehmomentes vollf¨
uhrt das Pohl’sche Rad erzwungene
Schwingungen und erlaubt eine experimentelle Untersuchung derselben.
Zum Antrieb dient ein Schrittmotor, dessen Umlauffrequenz digital geregelt wird. (Der Vorteil
dieses Motors ist, daß die Frequenz in einem weiten Bereich von der Belastung unbeeinflußt
bleibt, die sich in der Umgebung der Resonanz des Pohl-Rades stark ¨andert.)
Das Drehpendel kann unterschiedlich stark ged¨ampft werden, und zwar mittels einer Wirbelstrombremse. Sie funktioniert so, daß die Messingscheibe im Luftspalt eines Elektromagneten
l¨auft, dessen Magnetfeld durch den Spulenstrom ver¨andert werden kann.
Die Bewegungsgleichung des Pohl’schen Rades hat in komplexer Schreibweise die folgende Gestalt:
J φ¨ + κφ˙ + Di φ = Da eiωt
(1)
J: Tr¨agheitsmoment der Messingscheibe um die Drehachse A
κ: Reibungskonstante
Di : Direktionsmoment der Spiralfeder
Da : Amplitude des ¨außeren Drehmomentes
ω: Frequenz des ¨
außeren Drehmomentes
oder nach Division durch J
φ¨ + ρφ˙ + ω02 φ = da eiωt
(2)
Eine spezielle L¨osung dieser inhomogenen, linearen Differentialgleichung zweiter Ordnung wird
mit dem folgenden Ansatz gefunden:
˜ = φ0 ei(ωt+δ) = φ˜0 eiωt
φ(t)
(3)
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
4
Diese L¨osung beschreibt die station¨are Schwingung, d.h. die Scheibe oszilliert mit der Frequenz
ω des von außen einwirkenden Drehmomentes, allerdings mit einer Phasenverschiebung δ. Aus
der Gleichung (2) und (3) erh¨alt man
φ˜0 =
ω02
da
= φ0 eiδ
− ω 2 + iωρ
(4)
Aufgel¨ost nach Betrag und Phasenwinkel dieser komplexen Gr¨oße ergibt sich schließlich
da
|φ˜0 | = φ0 = p
(ω02
tan δ =
(5)
− ω 2 )2 + ω 2 ρ2
−ωρ
− ω2
(6)
ω02
Die Funktion
φ0 = φ0 (ω) der Gleichung (5) beschreibt eine Resonanzkurve, deren Maximum bei
q
2
ωRes = ω02 − ρ2 liegt (Skizze). Gleichung (6) gibt die Phasenverschiebung zwischen erregender
und erzwungener Schwingung an.
N0
D1
D2
D3
T0
D1
*
T
D2
D3
- B /2
-B
Abbildung 2: Amplituden- und Phasenverschiebungsspektrum der erzwungenen Schwingung
bei unterschiedlicher D¨ampfung (ρ1 < ρ2 < ρ3 )
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
5
Versuchsdurchfu
¨ hrung:
Aufgabe 1:
Man ermittle die Eigenfrequenz des unged¨ampften Pohlschen Rades. Dazu messe man die Zeit
f¨
ur je 5 freie Schwingungen mehrmals und mittele.
Aufgabe 2:
Man ermittele die Eigenfrequenz des ged¨ampften Pohlschen Rades. Dazu lege man eine Spannung von 9V an die Spule der Wirbelstrombremse und verfahre wie in Aufgabe 1.
Aufgabe 3:
Man nehme die Resonanzkurve des unged¨ampften Drehpendels auf, indem man, bei niedriger
Erregerfrequenz beginnend, die sich nach der Einschwingzeit einstellenden Amplituden des Pohlschen Rades mißt (Das Abwarten des station¨aren Zustandes bei jeder Erregerfrequenz ist hierbei
wichtig!). Die Erregerfrequenz wird durch zweimaliges Stoppen der Zeit f¨
ur je 10 Uml¨aufe der
Exzenterscheibe ermittelt. Gleichzeitig beobachte man die Phasendifferenz δ und skizziere ihren
Frequenzgang qualitativ unter der Resonanzkurve. Man zeichne die Resonanzkurve ausnahms¨
weise schon w¨ahrend der Versuchsdurchf¨
uhrung, um einen Uberblick
u
¨ber die erforderliche Wahl
der Erregerfrequenz zu erhalten. Die Dichte der Meßpunkte soll vern¨
unftig gew¨ahlt werden, d.h.
groß im Resonanzbereich, klein weit außerhalb.
Aufgabe 4:
Man f¨
uhre Aufgabe 3 f¨
ur das ged¨ampfte Drehpendel durch. Dazu lege man wieder eine Spannung
von 9V an die Spule der Wirbelstrombremse.
Aufgabe 5:
Man pr¨
ufe, ob der Ansatz f¨
ur die D¨ampfung, Glg. (1), berechtigt ist. Dazu kontrolliere man, ob
f¨
ur das Verh¨altnis zweier aufeinanderfolgender Amplituden des frei schwingenden, ged¨ampften
Rades die Beziehung gilt:
φ0 (t)
= const.
φ0 (t + T )
wobei T die Schwingungsdauer ist.
Dazu trage man die aufeinanderfolgenden Maximalauslenkungen (bei eingeschalteter D¨ampfung)
logarithmisch gegen die Zeit auf. Wenn Glg. (1) g¨
ultig ist, ergibt sich eine Gerade. Aus ihrer
Steigung sind D¨ampfungskonstante und logarithmisches Dekrement zu bestimmen.
Die D¨ampfungskonstante ρ ist nun in unterschiedlicher Form in Ihren Meßdaten enthalten:
a) im logarithmischen Dektrement,
b) in der Frequenzverschiebung des Resonanzmaximums ω0 − ωRes ,
c) in der Breite der gemessenen Resonanzkurve.
Berechnen Sie die daraus folgenden Werte von ρ. Versuchen Sie abzusch¨atzen, welcher dieser
Werte der zuverl¨assigste und welcher der ungenaueste ist.
Hinweis: Wenn die D¨ampfung klein ist, ρ ω0 , so l¨aßt sich die Halbwertsbreite der Resonanzkurve leicht berechnen, wenn man die N¨aherung
ρ2
2
2 2
2 2
2
2
2
ω0 − ωH + ωH ρ ≈ 2 ω0 ω0 − ωH +
2
verwendet. (Wie kommt man auf diese Beziehung?)
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
6
Teil B: Gekoppelte Pendel
Grundlagen:
Lager
KopplungsFederring
Netzgerät
PendelHalterung
220V~
Gegeben seien zwei gleiche, nebeneinander aufgeh¨angte Schwerependel (Masse m,
Tr¨agheitsmoment J bez¨
uglich der Drehachse, Abstand Schwerpunkt-Drehachse = l0 ), die durch
eine auf Zug und Druck gleichartig elastische Feder der Richtgr¨oße Df miteinander gekoppelt
sind (siehe Abbildung). Lenkt man die Pendel um kleine Winkel α1 und α2 aus ihrer Ruhelage
aus, so wirken auf jedes von ihnen zwei r¨
ucktreibende Drehmomente. Diese ergeben sich f¨
ur
hinreichend kleine αi (i = 1, 2) zu:
−mg l0 αi = −D0 αi
(1)
(durch die Schwerkraft bedingt), sowie
−Df l2 (α2 − α1 ) = −D+ (α2 − α1 )
(2)
(von der Kopplung der Feder herr¨
uhrend), wobei
D+ = Df l2
(3)
abgek¨
urzt wurde. (Man beachte die unterschiedlichen Bedeutungen der verschiedenen D’s!)
l ist der Abstand zwischen Angriffspunkt der Feder und dem Aufh¨angepunkt des Pendels. Aus der
¨
Bedingung der Gleichheit der Summe der r¨
ucktreibenden Momente mit der zeitlichen Anderung
des Drehimpulses folgen die Bewegungsgleichungen f¨
ur die gekoppelten Pendel:
J α¨1 = −D0 α1 − D+ (α1 − α2 )
(4)
J α¨2 = −D0 α2 − D+ (α2 − α1 )
(4’)
Setzt man α1 − α2 = ψ1 und α1 + α2 = ψ2 , so erh¨alt man die allgemeine L¨osung
ψ1 = A1 cos(ω1 t) + B1 sin(ω1 t)
(5)
ψ2 = A2 cos(ω2 t) + B2 sin(ω2 t)
(5’)
mit
ω12 = ω02 +
2D+
J
(6)
und
ω2 = ω0
(7)
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
7
wobei
r
D0
(8)
J
die Eigenfrequenz des ungekoppelten Pendels bedeutet. A1 , A2 , B1 , B2 ergeben sich aus den
Anfangsbedingungen. Man unterscheidet folgende F¨alle:
ω0 =
1. Bei gleichsinniger Auslenkung mit den Anfangsbedingungen (t = 0)
α1 (0) = α2 (0) = α0 ;
α˙ 1 (0) = α˙ 2 (0) = 0
ergibt sich aus (5) und (5’) f¨
ur die Pendelbewegung
α1 = α0 cos(ω2 t)
(9)
α2 = α0 cos(ω2 t)
(9’)
Die Kopplung der Pendel spielt also keine Rolle. Jedes Pendel schwingt mit seiner Eigenfrequenz.
2. Bei gegensinniger Auslenkung mit den Anfangsbedingungen
α2 (0) = −α0 ;
α1 (0) = α0 ;
α˙ 1 (0) = α˙ 2 (0) = 0
erh¨alt man aus (5) und (5’)
α1 = α0 cos(ω1 t)
(10)
α2 = −α0 cos(ω1 t)
(10’)
Hier schwingen beide Pendel mit der gleichen Frequenz ω1 , die nach (6) gr¨oßer als die
Eigenfrequenz ω0 der ungekoppelten Pendel ist.
3. Die Schwebung realisiert man mit den Anfangsbedingungen
α1 (0) = α0 ;
α2 (0) = 0;
α˙ 1 (0) = α˙ 2 (0) = 0
und sie wird beschrieben durch die Gleichungen
(ω1 + ω2 )t
(ω1 − ω2 )t
· cos
α1 = α0 cos
2
2
(ω1 − ω2 )t
(ω1 + ω2 )t
· sin
α2 = α0 sin
2
2
(11)
(11’)
+
F¨
ur den Fall hinreichend kleiner Kopplung ( DJ ω02 ) folgt aus (6) und (7) in N¨aherung
ω1 + ω2 = 2ω0
und
ω1 − ω2 =
D+
= ωS
Jω0
(Schwebungsfrequenz).
Dadurch gehen die Gleichungen (11) und (11’) u
¨ber in:
ωS t
α1 = α0 cos
· cos(ω0 t)
2
ωS t
α2 = α0 sin
· sin(ω0 t)
2
(12)
(13)
(14)
(14’)
MECHANISCHE SCHWINGUNGEN
8
Wegen (13) und (3) erh¨alt man in diesem Fall die Schwebungsfrequenz
Df
l2 = f l2
ωS =
Jω0
(15)
Der Kopplungsgrad k beider Pendel ist definiert durch
k=
D+
D0 + D+
(16)
F¨
ur schwache Kopplung ergibt sich wegen (8) und (13)
k=
ωS
ω0 + ωS
(17)
Aufgabe 1:
Man leite aus der allgemeinen L¨osung (5) und (5’) der Bewegungsgleichung gekoppelter Pendel
die speziellen L¨osungen der F¨alle 1) bis 3) durch Ber¨
ucksichtigung der entsprechenden Anfangsbedingungen ab. Man benutze beim Fall 3) die Additionstheoreme der trigonometrischen
Funktionen.
Aufgabe 2:
Man bestimme die Frequenzen ω0 und ω1 bei gleichsinniger bzw. gegensinniger Schwingung.
Messung:
ω0 = ω2 und ω1 sind u
¨ber je 50 Schwingungen je 5 mal zu messen. Der Angriffspunkt der Feder
soll etwa bei l0 /2 liegen. Die Auslenkung der Pendel soll etwa α0 = 5◦ betragen. Sie soll bei
beiden Pendeln m¨oglichst gleich sein, um Schwebungen zu vermeiden.
Aufgabe 3:
Man messe die Schwebungsfrequenz ωS (Fall 3) in Abh¨angigkeit von l, stelle die Funktion f (l2 )
graphisch dar und vergleiche deren Verlauf mit dem nach Gleichung (15) zu erwartenden. ωS ist
jeweils durch Messung u
¨ber 5 Schwebungen zu bestimmen.
Aufgabe 4:
Man ermittele den Kopplungsgrad k in Abh¨angigkeit von l und stelle k = k(l) graphisch dar.
Durchf¨
uhrung:
Die beiden Pendel sind schneidengelagert; sie k¨onnen zur Realisierung der Anfangsbedingungen
mit Kupferlitze-Dr¨ahten an den Pendelhalterungen befestigt werden. Durch einen Stromstoß
aus einem Leistungs-Trafo (Vorsicht: Prim¨
arspannung 220V! ) wird die Pendelbewegung ausgel¨ost. Die Schwingungs- bzw. Schwebungsdauern werden mit einer Stoppuhr gemessen. Zur
¨
VerAnderung
der Kopplung werden beide Halter des Federringes um gleiche Strecken verschoben.
1 VERSUCHSBESCHREIBUNG
1
Ergänzungsblatt zum Versuch
Mechanische Schwingungen,
Drehpendel (Pohl’sches Rad) und
chaotische Bewegung1
1 Versuchsbeschreibung
Der Versuch wird — wie in der Hauptanleitung beschrieben — unter Verwendung des Pohl’schen Rades
durchgeführt. Das System ist in Abb. 1 dargestellt. Hierbei handelt es sich um ein schwingungsfähiges
System, bestehend aus einer Drehscheibe und einer Spiral- oder Schneckenfeder (2c), welche für Auslenkungen aus der Ruhelage die rücktreibenden Kraft erzeugt, die als Drehmoment/Rückstellmoment
am Pendelkörper (2) angreift. Der metallische Pendelkörper läuft durch die Pohlschuhe eines Elektromagneten (4). Nach dem Prinzip der Wirbelstrombremse lassen sich somit durch verschiedene Ströme
ID in den Magnetspulen verschiedene Reibungskonstanten κ bzw. Dämpfungskoeffizienten ρ realisieren.
Das Schwingungssystem ist wegen Lager- und Luftreibung natürlich auch bei ID = 0 nicht ungedämpft
(Dämpfungskoeffizient ρ > 0), was zu einer zeitlich nicht konstanten Amplitude führt. Änderungen zur
Versuchsdurchführung ergeben sich nur durch die nunmehr computergestützte Meßwertaufnahme und
-auswertung. Der Drehwinkel φ(t) wird über ein kleines Speichenrad mit eingebauter Lichtschranke in
eine zu φ(t) proportionale Weglänge x(t) umgewandelt, welche die Meßgröße darstellt. Zusammen mit
bzw. v(t) = dx(t)
der Zeitbasis des Computers können somit auch die Winkelgeschwindigkeit φ˙ = dφ(t)
dt
dt
bestimmt und aufgetragen werden. Das System ist mit einem Erregermotor (5) versehen, der es erlaubt,
auf das System ein zeitlich periodisches äußeres Drehmoment wirken zu lassen. Das Drehmoment wird
über den Motor mit Exzenterscheibe (3e) erzeugt und über die Schubstange (3d) und den Errerger (3)
auf die Schneckenfeder übertragen.
1
Anmerkungen und Fragen zur Anleitung bitte an: [email protected]
Abbildung 1: Versuchsaufbau Pohl’sches Rad
(d) Buchsen für Versorgungsspannung
(c) Meßbuchsen für Erregerspannung
(b) Grobeinstallung für Erregerspannung
(a) Feineinstellung für Erregerspannung
5. Erregermotor
(a) Anschlußbuchsen
4. Elektromagnet für Wirbelstrombremse
(e) Antriebsrad mit Exzenter
(d) Schubstange
(c) Schraube
(b) Schlitz
(a) Zeiger für Phasenlage
3. Erreger
(c) Schneckenfeder
(b) Zeiger für Phasenlage
(a) Zeiger für Auslenkung
2. Pendelkörper
1. Skalenring
1 VERSUCHSBESCHREIBUNG
2
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
2
3
Versuchsdurchführung
Für das Gesamtsystem läßt sich — ähnlich der Kräftebilanz zur Beschleunigung eines Massepunktes —
¨
¨
eine Drehmomentbilanz aufstellen. Das Drehmoment J φ(t),
welches zur Winkelbeschleunigung φ(t)
des Pendelkorpers führt, ergibt sich als Summe aller an ihm angreifenden Drehmomente. Diese Drehmomentbilanz:
¨
J φ(t)
³
| {z }
beschleunigendes´
Drehmoment
=
˙
−κφ(t)
+Da eiωt
| {z }
´
³
´³
³
externes
dämpfendes ´
rückstellendes
Drehmoment Drehmoment (Feder) Drehmoment (Motor)
| {z }
−Di φ(t)
|
{z
}
(1)
führt zur normierten Darstellung der Differentialgleichung (DGL), vgl. Teil A Gl. (2)
¨ + ρφ(t)
˙ + ω 2 φ = da eiωt
φ(t)
0
.
(2)
2.1 Das harmonische Drehpendel ohne externen Antrieb
Hierbei wird der externe Motor nicht benutzt (da = 0 in Gl.(2)). Betrachtet wird also zunächst das
System mit der linearen homogenen DGL
¨ + ρφ(t)
˙ + ω 2 φ(t) = 0
φ(t)
0
.
(3)
Diese DGL mit konstanten Koeffizienten führt mit dem Ansatz φ(t) = A · eλt durch Einsetzen in Gl.
(3)auf die charakteristische Gleichung
q
Die Lösungen λ1,2 = −ρ/2 ±
sinnvolle Unterscheidungen:
a)
b)
c)
λ2 + ρλ + ω02 = 0
.
(4)
ρ2 /4 − ω02 ergeben je nach Wert des Radikanten drei physikalisch
ρ2 /4 < ω02
ρ2 /4 > ω02
ρ2 /4 = ω02
(gedämpfte Schwingung)
(Kriechfall)
(aperiodischer Grenzfall)
˙
Vorbereitungsaufgabe: Mit den Anfangsbedingungen φ(t = 0) = φ0 und φ(0)
= 0 sind die Lösungen φ(t) der drei “Schwingungsmodi” herzuleiten.
Bemerkung: Die Position des ruhenden Motors ist durch Drehen des Antriebsrades so einzustellen,
daß das Drehpendel bei 0◦ steht. Wegen nicht-verschwindender Lager- und Luftreibung und nicht zuletzt auch durch Energiedissipation durch den Meßaufnehmer ist eine ungedämpfte Schwingung nicht
wirklich zu beobachten (ρ > 0), d.h. die Amplitude der Schwingung wird trotz ID =0 A mit der Zeit abnehmen. Ausgehend vom “ungedämpften” harmonischen Pendel (mit Dämpfungsstrom ID =0 A) lassen
sich mit dem Versuchsaufbau je nach Dämpfungsstärke die drei weiteren Schwingungsmodi des nicht
extern angetriebenen Drehpendels wie folgt experimentell beobachten:
2.1.1 Gedämpfte harmonische Schwingung
Hier sollen für drei verschiedene Dämpfungsstärken unterhalb des aperiodischen Grenzfalls gedämpfte
harmonische Schwingungen erzeugt und als Meßkurve x(t) aufgenommen werden (Vorschlag: ID = 0.3,
0.6 und 1.0 A). Nehmen Sie die Kurven x(t) mit der Cassy-Software auf. Lassen Sie sich vom Assistenten die Möglichkeiten der Kurvenanpassung (nichtlinearer 4-Parameter-Fit, least-squares fit) innerhalb
des Programms zeigen, führen Sie diese für die 4-parametrige Funktion x(t) = A·e−B·t sin(360·C·t+D)
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
4
durch und tragen Sie die angepaßten Parameter in die Ausdrucke ein. Machen Sie sich mit Hilfe der Vorbereitungsaufgabe aus Abschnitt 2.1 die Bedeutung der 4 Fitparameter (A . . . D) klar. Die Auswertung
des logarithmischen Dekrements (Bestimmung der Dämpfungskonstanten) kann nun direkt aus den Daten (φ(t)-Kurven) erfolgen und mit dem Anpassungsparameter B der Fit-Funktion verglichen werden.
2.1.2
Aperiodischer Grenzfall
Durch weitere Erhöhung der Dämpfung im Vergleich zur gedämpften harmonischen Schwingung in
2.1.1 (Erhöhung des Stromes ID oberhalb 1 A im Elektromagneten der Wirbelstrombremse) läßt sich der
aperiodische Grenzfall realisieren. Hier findet gerade keine Schwingung mehr statt (es kann allerdings
— je nach Anfangsbedingung — ein Unter- oder Überschwinger mit asymptotischer Annäherung an die
t-Achse beobachtet werden). Ändern Sie mit Hilfe des Betreuers das Fit-Modell auf die neue Fitfunktion
x(t) = (A · t + C)e−B·t und führen sie wie in 2.1.1 die Kurvenanpassung durch.
2.1.3 Kriechfall (Überdämpfung)
Oberhalb 1.5 A Dämpfungsstrom ergibt sich die Lösung der Schwingungsgleichung als einfache Exponentialfunktion ohne Unterschwinger, was man als Kriechfall oder überdämpfte Schwingung bezeichnet.
Ändern Sie mit Hilfe des Betreuers das Fit-Modell auf diese allgemeine Lösung x(t) = (A · e−D·t + C ·
eD·t )e−B·t und führen sie wie in 2.1.1 die Kurvenanpassung durch.
2.2 Der gedämpfte harmonische Oszillator
mit periodischem Antrieb — Resonanzphänomene
Durch Erhöhung der am Motor angelegten Gleichspannung U kann dessen Drehfrequenz und damit die
Antriebsfrequenz ω für das Drehpendel geändert werden. Es ist die Resonanzkurve φ0 (ω) (das heißt
die Amplitude der Schwingung in Abhängigkeit von der Antriebsfrequenz ω) aufzunehmen. Hierbei ist
als Dämpfungsstrom ID zur Vermeidung zu hoher Amplituden in der Nähe der Resonanz ID ≈0.3 A
zu wählen. Bei zu schwacher Dämpfung kann das Schwungrad beschädigt werden, zudem entstehen
durch große Amplituden Nichtlinearitäten in der Federkraft (Abweichungen vom Hook’schen Gesetz)!
Zur Änderung der Antriebsfrequenz des Pendels wird die Antriebsspannung des Motors verändert (die
Linearität der Motorfrequenz mit der angelegten Spannung ist zu überprüfen). Um ausreichend dichte
Frequenzpunkte im Bereich der Resonanzfrequenz zu erhalten, sollten für den Motor mindestens 5, 6,
7. . .8 in 0.2 V Schritten, 8.5, 9.0, 10 und 11 V als Antriebsspannung gewählt werden. Es ist unbedingt
darauf zu achten, daß die Bestimmung der Frequenz und der Amplitude (durch Kurvenanpassung) nach
erfolgter Änderung der Antriebsfrequenz im eingeschwungenen Zustand (Frequenz=Antriebsfrequenz ω
und zeitlich konstante Amplitude φ0 (ω)) stattfinden. Dies ist durch Beobachtung der Entwicklung des
Schwingungsverlaufes vor der Messung über mindestens 40-50 Schwingungsperioden auf dem Bildschirm zu überprüfen. Frequenz und Amplitude können ähnlich wie in 2.1.1 über einen 4-Parameterfit
x(t) = A · sin(Bt + C) + D im eingeschwungenen Zustand bestimmt werden.
Aufgabe: Die Resonanzkurve φ0 (ω) soll für ID ≈0.3 A aufgenommen werden. Überprüfen Sie hierbei auch die in der Anleitung hergeleitete Phasenbeziehung (Phasendifferenz δ) zwischen der Erregerphase (z.b. Markierung bei (3e) in Abb. 1) und der Schwingungsphase des Pendelkörpers für die drei
Antriebsfälle ω ¿ ω0 , ω ≈ ω0 sowie ω À ω0 . Passen Sie mit Hilfe des Betreuers die Parameter der in
Teil A Gl. (5) angegebenen Funktion an Ihre Daten an und ermitteln Sie aus dem Fit der Resonanzkurve
die Dämpfungskonstante.
Frage: Wie verhält sich das Maximum der Resonanzkurve bei Erhöhung der Dämpfung?
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
5
2.3
Demonstrationsversuch
Phasenraumdarstellung, Fixpunkte und Chaotische Schwingungen
2.3.1
Phasenraumdarstellung der Pendelbewegung im harmonischen Potential: stabiler Fixpunkt
Der Begriff des harmonischen Oszillators geht darauf zurück, daß für φ(t), der Lösung der Diffe¨ + Di φ(t) = 0 für eine dämpfungsfreie Bewegung in einem quadratirentialgleichung (DGL) J φ(t)
1
schen Potential (Epot = 2 Di φ2 ) welches aus dem linearen Kraftgesetz folgt, gilt: φ(t) ∝ eiωt , d.h.
die Lösung besteht aus Linearkombinationen von sin und cos-Funktionen. Insbesondere gilt für die˙ leicht zeigen läßt:
ses System die Energieerhaltung,
wasi sich durch Multiplizieren der DGL mit φ.
h
˙ = 0 ⇒ 1 d J φ˙ 2 + Di φ2 = 0 ⇒ 1 J φ˙ 2 + 1 Di φ2 = Erot + Epot = Eges = const.
J φ˙ φ¨ + Di φφ
2 dt
2
2
Bisher ist die Bewegung des Drehpendels als Funktion φ(t) oder — über den Meßaufnehmer in eine
Weglänge übersetzt — als Funktion x(t) beschrieben worden. In einer anderen Darstellung wird die Zeit
t nur noch als impliziter Parameter der Bewegung benutzt und man trägt nunmehr die Geschwindigkeit x˙
bzw. Winkelgeschwindigkeit φ˙ als Funktion des Winkels φ bzw. Ortes x auf, während die Zeit sozusagen
“im Hintergrund mitläuft”. Für eine ungedämpfte harmonische Schwingung (ohne Antrieb) kann man
˙
sich das Aussehen der Funktionen φ(φ)
bzw. x(x)
˙
leicht herleiten. Die Gleichung der Energieerhaltung
(zeitlich konstante Gesamtenergie) für dieses System (siehe oben) , d.h. im
Falle unserer
Drehbewegung
³ ´2
³ ´2
Epot + Erot = 21 Di φ2 + 21 J φ˙ 2 = Eges = const. steht in Analogie zu xa + yb = 1 , der Ellipsengleichung. Für den harmonischen Oszillator ohne Dämpfung ergibt sich für das Drehpendel in der
˙
Phasenraumdarstellung φ(φ)
somit eine Ellipse mit
φ2 (t)
2Eges
Di
+
φ˙ 2 (t)
2Eges
J
=1
.
(5)
Im Gegensatz hierzu ergibt das Vorhandensein eines nicht verschwindenden Dämpfungsterms in der
˙ für die Phasenraumtrajektorie eine Spirale, die für t → ∞ auf den Punkt (φ =
DGL (hier z.B. ∝ φ)
0, φ˙ = 0) zuläuft. Ein Punkt (φ = 0, φ˙ = 0) in einem 2D-Phasenraum wird als Fixpunkt bezeichnet. Er
ist zudem stabil, da kleine Störungen in φ oder φ˙ (z.B. Anstoßen des Pendels aus der Ruhelage) mit der
Zeit verschwinden, und das System wieder auf (0, 0) relaxiert.
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
6
dφ/dt
c)
dφ/dt
b)
0.15
0.15
a)
Eges =Epot+Ekin
E
dx/dt
pot
0.1
0.1
Ekin
0.05
0.05
Epot
-1.5
-φ0
-0.5
0
φx
0.5
φ0
1.5
Abbildung 2: Bewegung des eindimensionalen harmonischen Oszillators: quadratisches Potential (a),
Phasenraumdarstellung im ungedämpften Fall (b) (Ellipse, siehe Gl. (5), ρ = 0 in Gl. (2)) und im
gedämpften Fall (c) ρ > 0
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
7
Abbildung 3: Anbringen der beiden Gewichte am Schwungrad zur Erzeugung zweier neuer Ruhelagen
(siehe Doppelmuldenpotential in Abb. 4(a).
In 2.3.2 wird ein System beschrieben, welches neben zwei stabilen auch einen instabilen Fixpunkt
besitzt.
Aufgabe: Lassen Sie sich vom Betreuer zeigen, wie man mit Hilfe des Programms eine Phasenraum˙
darstellung φ(φ)
der Drehpendel-Bewegung der drei unter 2.1 beschriebenen Lösungen der Bewegungsgeichung erzeugt.
2.3.2 Einführung des anharmonischen Doppelmuldenpotentials: instabile Fixpunkte
Setzt man gemäß Abb. 3 zwei Gewichte an die Schwungscheibe des Drehpendels an, so ist die Einstellung des Drehpendels bei φ = 0 nicht mehr stabil, d.h. das Pendel wird entweder nach +φ oder −φ
kippen und dort (bei vorhandener Dämpfung) letztlich in einen von zwei neuen, stabilen Fixpunkten
des Phasenraumes bei (+φ1 , 0) oder (−φ2 , 0) spiralförmig einlaufen (siehe Abb. 4(c)). Als Modell für
die potentielle Energie dieses Systems kann in guter Näherung ein Doppelmuldenpotential der Form
Epot = −aφ2 + bφ4 angenommen werden (siehe Abbildung 4).
Aufgabe: Realisieren Sie die in Abb. 4(c) numerisch simulierten Phasenraumtrajektorien für verschiedene Dämpfungsstärken!
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
8
d φ/dt
c)
φ
d φ/dt
b)
φ
0.06
0.06
a)
Eges= Epot+ Ekin
Epot
0.04
0.04
Ekin
0.02
0.02
Epot
0
-1.5
0
-1
−φ2
-0.5
0
φx
0.5
φ1
1
1.5
Abbildung 4: Eindimensionale Bewegung im nicht-harmonischen Potential (nach Anbringen der Zusatzgewichte gemäß Abbildung 3). (a) Darstellung des Doppelmuldenpotentials des Systems (offene Kreise)
und Modellfit mit Epot = −aφ2 + bφ4 , a = 0.0705, b = 0.0699. (b) Phasenraumdarstellung mit Trajektorien im ungedämpften Fall mit Separatrix (breite Linie) und den stabilen Fixpunkten ((φ1 , 0) und
(−φ2 , 0)). (c) Einteilung des Phasenraumes in (ρ > 0) in (φ1 , 0)- oder (−φ2 , 0)-terminierte Trajektorien.
Breite Linie in (c): Trennung der Einzugsbereiche der beiden stabilen Fixpunkte.
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
(a)
(b)
(c)
9
stabile, leicht anharmonische Schwingung um (φ1 , 0) oder (−φ2 , 0)
(ω ¿ ωc , ω À ωc )
Stabile Orbits mit Periodenverdopplung ggü. (a) um (φ1 , 0) oder (−φ2 , 0)
(ω ≤ ωc )
(ω > ωc )
chaotisches, nicht-deterministisches Verhalten
Tabelle 1: Die verschiedenen Schwingungsmodi des gedämpften, periodisch getriebenen Pendels im
Doppelmuldenpotential
2.3.3 Gedämpftes, periodisch getriebenes Pendel im Doppelmuldenpotential
Ähnlich wie im Fall des quadratischen Potentials (Abschnitt 2.2) lassen wir nun ein periodisches externes
Drehmoment (Amplitude Da ) an dem mit Gewichten versehenen Drehpendel (siehe Abb. 3) angreifen.
Bei der — im Versuch fest eingestellten — konstanten Amplitude (feste Einstellung der Einstellschraube (3c) in Abb. 1) des angreifenden Drehmomentes und konstanter Reibung (ρ > 0, ID ≈ 0.23A)
läßt sich das Verhalten des Drehpendels beim Durchfahren der Antriebsfrequenz ω von kleinen Werten
ausgehend im wesentlichen in drei Kategorien einteilen (siehe Tabelle 1) — insbesondere läßt sich ein
Übergang zu chaotischem Verhalten des Pendels oberhalb einer Frequenz ωc beobachten: In (b) kann
bei langsamer Erhöhung der Frequenz nach der Periodenverdopplung auch eine Periodenvervierfachung
usw. beobachtet werden. Die (z.T. mehrfache) Verdopplung der Periode ist ein Anzeichen für den bevorstehenden Übergang der Pendelbewegung von stabilem zu chaotischem Verhalten. Nach dieser noch
stabilen/deterministischen Bewegung führt eine weitere Erhöhung der Frequenz zu chaotischem Verhalten (c): es kann nicht mehr vorhergesagt werden, wann das Pendel von einem auf den anderen Attraktor
wechselt. Wird die Frequenz nach erreichen von (c) immer weiter erhöht, so führt der beschriebene
“Weg ins Chaos” in umgekehrter Reihenfolge wieder vom chaotischen Verhalten über (b) zurück zur in
(a) beschriebenen Situation.
Aufgabe: Präparieren Sie die Startbedingungen für das Drehpendel zu ID ≈ 0.23A (Multimeter)
und im Fixpunkt (φ = φ1 , φ˙ = 0). Starten sie den Motor mit kleinen Frequenzen und realisieren sie die
verschiedenen Situationen in Tabelle 1 wie in Abbildung 5 und bestimmen Sie ωc .
2 VERSUCHSDURCHFÜHRUNG
10
ID = 0.23 A, Umot = 5.24 V
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c)
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dx/dt
0.1
ID = 0.23 A, Umot = 5.15 V
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Periodenverdopplung
(nach Bifurkation)
-0.1
a)
dx/dt
0.1
ID = 0.23 A, Umot = 6.3 V
ID = 0.23 A, Umot = 7.3 V
0
-0.1
-0.2
stabile Orbits
-0.1
0
0.1
0.2
x(t)
Abbildung 5: Gemessene Phasenraumdarstellung x(x)
˙
der eindimensionalen Bewegung im anharmonischen Potential mit periodischem Antrieb und Dämpfung: Übergang von stabilen Orbits mit kleinen
Amplituden (in (a)) zur chaotischen Bewegung (c) über Periodenverdopplung (nach Bifurkation) in (b).
Bewegung in stabilen Orbits um einen der Fixpunkte für ω À ωc (aquivalent zu ω ¿ ωc )) in (a) mit harmonischer Näherung (Ellipsen) für sehr kleine Amplituden. Anm.: es wurde bei konstanter Dämpfung
nur die Antriebsfrequenz ω (∝ Umot Motorspannung) geändert.
Reversionspendel - Grundpraktikum Physik der
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1/4
Reversionspendel
Das Reversionspendel ist ein Musterbeispiel für die Planung und Optimierung eines experimentellen Aufbaus
um mögliche Fehlerquellen zu eliminieren. Der Pendelaufbau und die trickreiche Messung gestatten es,
auftretende Schwierigkeiten aufgrund der endlichen Ausdehnung von Pendel und Pendelkörper zu eliminieren
und so die Gleichungen auf die des mathematischen Pendels zurückzuführen.
1 Lernziele
•
•
•
•
Abhängigkeit der Periodendauer bei Pendelschwingungen von der maximalen Auslenkamplitude ϕ0
Trägheitsmoment I bei ausgedehnten Körpern und der Steiner’sche Satz
mathematisches versus physikalisches Pendel
Bestimmung der lokalen Fallbeschleunigung aus der Periodendauer der Pendelschwingung
2 Experimenteller Aufbau
• Reversionspendel bestehend aus dem Pendelstab, fester Masse M2 und einer beweglichen Masse
M1 , siehe Abschnitt 8 Zusatzmaterial
• Lichtschranke mit Präzisionszeitmesser
• Maßband mit einer Genauigkeit von 1 mm
3 Messungen
a) Bestimmen Sie die Abhängigkeit der Periodendauer To ( ϕ0 ) des Pendels für verschiedene Auslenkungen ϕ0 . Dieses für die Stellung x = 50 cm der beweglichen Masse M1 zwischen den Schneiden
und der festen Masse M2 oben, siehe Abschnitt 8.
b) Nehmen Sie für verschiedene Positionen x der Masse M1 zwischen den Schneiden die Periodendauer
To,u ( x ) auf, jeweils eine Versuchsreihe mit der beweglichen Masse oben beziehungsweise unten.
Bestimmen Sie aus der grafischen Darstellung die ungefähren Positionen x1,2 der Schnittpunkte
der Kurven To ( x ) und Tu ( x ).
c) Bestimmen Sie zusätzliche Messpunkte in der Umgebung von x1,2 , um die Genauigkeit der
Schnittpunkte mit den zugehörigen Periodendauern T1,2 zu erhöhen.
4 Versuchsdurchführung
zu 3a) Stellen Sie sicher, dass die feste Masse M2 sich oben befindet und sich die bewegliche Masse
auf x = 50 cm befindet. Lenken Sie das Pendel vorsichtig in seiner Schwingungsebene aus: die
maximale Auslenkung ϕ0 darf 10 ° nicht überschreiten. Durch Druck auf Start am Zeitmesser
wird kontinuierlich die Periodendauer aus zwei Durchgängen durch die Lichtschranke ausgegeben.
Ermitteln Sie die Periodendauern für mindestens 8 verschiedene maximale Auslenkwinkel.
zu 3b) Die zylindrische Masse M1 hat einen Radius von 5 cm. Somit können Sie deren Position aus
dem Abstand Schneidenhalterung–Oberkante Masse auf ±1 mm genau bestimmen. Einen Punkt
haben Sie bereits erfasst. Nehmen Sie für mindestens 9 weitere, gleichmäßig verteilte Positionen
die zugehörige Periodendauer To ( x ) auf, wobei die maximale Auslenkung circa 3 ° betragen soll.
Drehen Sie danach das Pendel vorsichtig um, so dass sich die kleine, feste Masse M2 unten
befindet. Achten Sie auf die scharfen Schneiden und das sich die obere wirklich sicher in der
Mitte der Kerbe befinden. Bestimmen Sie ebenfalls für 10 Positionen x die Periodendauer Tu ( x ),
ebenfalls mit ϕ0 = 3 °. Tragen Sie beide Datenreihen in einem Diagramm als Punktdiagramm
(Scatter-Plot) auf und führen Sie eine Regression mit einem Polynom 3. Grades durch. Die
Abszissenwerte x1,2 der Schnittpunkte werden für die nächste Aufgabenstellung benötigt. In Origin®
gibt es die Möglichkeit sich die Koordinaten der Cursorposition ausgeben zu lassen.
zu 3c) Die feste Pendelmasse befindet sich noch immer unten. Nehmen Sie für 5 weitere Positionen um
x1 und 5 Positionen um x2 die Periodendauer Tu ( x ) auf. Drehen Sie das Pendel erneut um und
bestimmen Sie analog weitere Periodendauern To ( x ) um die Punkte um x1 und x2 . Bestimmen
Reversionspendel - Grundpraktikum Physik der
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2/4
Sie die Massenposition x auf mindestens 1 mm genau.
5 Auswertungen
Zur Auswertung stehen Computer mit der Software Origin® zur Verfügung.
a) Periodendauer T ( ϕ0 ): Tragen Sie T ( ϕ0 ) auf und extrapolieren Sie T ( ϕ0 = 0). In einer weiteren
Abbildung tragen Sie mit diesem Wert die dimensionslose Größe T ( ϕ0 )/T ( ϕ0 = 0) Ihrer Messwerte
und zusätzlich die theoretische Kurve bis zur quadratischen Ordnung auf, siehe Vorbereitung. Der
ermittelte Wert für T ( ϕ0 = 0) und Ihre berechnete Periodendauer aus der Versuchsvorbereitung
sollen im Diagramm vermerkt werden. Diskutieren Sie mögliche systematischen Abweichungen.
b) Bestimmung von T1,2 : Bestimmen Sie die Periodendauern T1 und T2 der Schnittpunkte grafisch
aus Ihren Messungen mit dem Auslenkwinkel von ϕ0 = 3 °. Die Zeiten T1 und T2 sollten recht
gut übereinstimmen.
Schätzen Sie aus Ihrer Abbildung die Messungenauigkeit u( T ) ab.
c) g-Bestimmung: Zur exakten g-Berechnung aus der Periodendauer h T i = 12 ( T1 + T2 ) muss diese
noch mathematisch auf ϕ → 0 korrigiert werden. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass
das Pendel in Luft einen relativen Auftrieb der Größenordnung $Luft /$Pendel ≈ 1.5 · 10−4 erfährt.
Beides wird in der Gleichung (37) in Ref. [1] im Kap. 2.2 berücksichtigt. Berechnen Sie den lokalen
Wert von g aus dem Mittelwert von T1 und T2 .
d) Fehlerrechnung zur g-Bestimmung: Bestimmen Sie nach dem gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz
die Messabweichung u( g) aus Ihrer persönlichen Abschätzung (keine Berechnung) von u( T ),
wobei die einfließende Pendellänge d = 993.9 mm als fehlerfrei angenommen wird.
Vergleichen Sie Ihren g-Wert und dessen Messabweichung u( g) mit mit der Angabe der Physikalisch
Technischen Bundesanstalt für Saarbrücken (siehe Zusatzmaterial).
6 Literatur
In der Referenz [1] im Kap. 2.2 finden Sie eine genaue Beschreibung mit den zugehörigen mathematischen
Ableitungen zum Reversionspendel.
[1]
W. Schenk und F. Kremer (Hrsg.) Physikalisches Praktikum. Springer, 14. Auflage, 2014. url:
http://dx.doi.org/10.1007/978-3-658-00666-2.
[2]
D. Meschede. Gerthsen Physik. Springer, 25. Auflage, 2015. url: http://dx.doi.org/10.1007/9783-662-45977-5.
7 Vorbereitung, Fragen und Berechnungen vor dem Versuchsantritt
• mathematisches versus physikalisches Pendel: Differentialgleichung und Periodendauer für kleine
Auslenkungen
• Was ist die exakte Periodendauer eines mathematischen Pendels als Funktion der maximalen
Auslenkung T ( ϕ0 ), siehe Wikipedia?
• Schwerpunktbestimmung ausgedehnter Körper
• Trägheitsmoment: allgemeine Berechnung, Formelzeichen, Einheit
• Trägheitsmomente einfacher Körper: Zylinder und Quader
• Steiner’scher Satz
• Berechnungen vor der Versuchsdurchführung, siehe auch Zusatzmaterial:
a) Berechnen Sie die Trägheitsmomente durch den Schwerpunkt der Massen M1,2 und des
Stabes MStab , welcher als Quader angesehen wird.
b) Berechnen Sie den Schwerpunkt xS des Pendels mit M1 an x = 50 cm und das Trägheitsmoment des Pendels bezüglich des Aufhängepunktes.
c) Berechnen Sie die zu erwartende Periodendauer des Pendels mit M1 an x = 50 cm.
Reversionspendel - Grundpraktikum Physik der
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3/4
8 Zusatzmaterial
• Die Abmessungen (nicht maßstabgetreu) des verwendeten Reversionspendels in mm.
Die homogenen Massen sind M1 = 1401 ± 2 g , M2 = 1003 ± 2 g , MStab = 1265 ± 2 g.
feste Masse oben
unten
50
250
340
50
1331
16
• Die Bestimmung der lokalen Fallbeschleunigung lässt Rückschlüsse auf mögliche Erzlagerstätten
zu und wird heutzutage sogar vom Weltraum aus durchgeführt.
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4/4
• Die gemessene Fallbeschleunigung g = |~g| setzt sich aus dem lokalen Gravitationsfeld und
der Zentrifugalbeschleunigung zusammen ~g = ~ggravi + ~gzentri . Verringert oder verstärkt die
Zentrifugalbeschleunigung den Betrag der Fallbeschleunigung? Können Sie den Betrag dieser
Korrektur für Saarbrücken berechnen?
• Die lokale Fallbeschleunigung um Saarbrücken ist
siehe bei der Physikalisch Technischen Bundesanstalt
http://www.ptb.de/cartoweb3/SISproject.php
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Mechanischer Kreisel
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
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D ! D Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Mechanik der Flüssigkeiten
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
Version 2 (4/2011)
2
1.
2.
Mechanik der Flüssigkeiten
Themengebiete
•
Aufbau von Flüssigkeiten
•
Molekularkräfte
•
Grenz- und Oberflächen
•
Oberflächenspannung, spezifische Oberflächenenergie
•
Benetzung
•
Kontaktwinkel
•
Oberflächenspannung von Festkörpern
•
Kapillarität
•
Grenzschichten
•
Laminare und turbulente Strömungen
•
Innere Reibung, Viskosität
•
Materialkonstanten von Flüssigkeiten
Einführende Literatur
• P.A. Tipler, G. Mosca, Physik
2. Auflage (Elsevier, München 2004)
Kap. 13.1 – 13.4
• D. Meschede, Gerthsen Physik
24. Auflage (Springer-Verlag, Heidelberg 2010)
Kap. 3.2, 3.3
• H.-J. Eichler,H.-D. Kronfeldt, J. Sahm,
Das Neue Physikalische Grundpraktikum
2. Aufl. (Springer-Verlag, Heidelberg 2006)
Kap. 10
Mechanik der Flüssigkeiten
3.
3
Fragen
1. Erklären Sie die Begriffe Kohäsionskraft und Adhäsionskraft.
2. Erläutern Sie den Zusammenhang zwischen Oberflächenenergie und Oberflächenspannung am Beispiel der Vergrößerung einer Flüssigkeitsoberfläche.
3. Erklären Sie die Bügelmethode zur Messung der Oberflächenspannung und stellen Sie den
Bezug zur Ringmethode her. Warum kann erst kurz vor dem Abreißen der Flüssigkeitslamelle der korrekte Wert der Oberflächenspannung bestimmt werden?
4. Erläutern Sie das Verhalten von Quecksilber in einer Glaskapillaren im Vergleich zum
Verhalten von Wasser und geben Sie eine Begründung für das Phänomen an.
5. Nennen Sie Gründe dafür, warum im Versuchsteil Dynamik des kapillaren Steigens anstatt einer einzigen Kapillaren ein poröser Körper mit sehr vielen nur wenigen Nanometern dicken Kapillarsträngen verwendet wird.
6. Zählen Sie in Abhängigkeit von der Größe des Grenzwinkels die verschiedenen Arten der
Benetzung auf und nennen Sie jeweils ein Beispiel.
7. Beschreiben Sie jeweils ein Messverfahren, um die Dichte der Flüssigkeit sowie der
Stahlkugeln im Versuchsteil „Kugelfallviskosimeter“ zu bestimmen.
8. Erklären Sie warum man einen falschen Messwert für die Viskosität erhält, wenn die Kugel nahe am Gefäßrand des Viskosimeters fällt.
9. Geben Sie das Hagen-Poiseuillesche-Gesetz an und erklären Sie die darin enthaltene Aussage.
10. Erklären Sie den Auftrieb bei Flugzeugen mittels der Bernoullie-Gleichung und erläutern
Sie den Unterschied zum Auftrieb eines ruhenden Holzklotzes im Wasser.
4
Mechanik der Flüssigkeiten
4.
Grundlagen
4.1
Oberflächenenergie und Oberflächenspannung
Betrachtet man den molekularen Aufbau einer Flüssigkeit, so ist zu erkennen, dass ein einzelnes Molekül im Innern gleichmäßig mit Nachbarmolekülen umgeben ist. An der Oberfläche
fehlen hingegen die Nachbarmoleküle im Bereich der Grenzfläche. Somit ergibt sich aus den
Kräften, welche die Moleküle zusammenhalten, eine nach Innen gerichtete resultierende Kraft
an der Oberfläche (Abb. 1). Zur Vergrößerung der Flüssigkeitsoberfläche müssen Moleküle
gegen diese Kraft aus dem Innern an die Oberfläche gebracht werden. Es muss also Arbeit
verrichtet werden, die dann als potentielle Energie in der Oberfläche gespeichert wird. Man
definiert deshalb als spezifische Oberflächenenergie ε:
=
ε
Energiezunahme
∆W
=
Oberflächenvergrößerung ∆A
(1)
Die Oberflächenenergie bezeichnet man auch als Oberflächenspannung σ oder Kapillarkonstante. Mit der Zugkraft FZug und der Länge L auf der Oberfläche, an der diese Kraft angreift,
ergibt sich für die Oberflächenspannung der Zusammenhang
σ= ε=
Abb. 1:
Molekülmodell einer Flüssigkeit.
FZug
2L
(2)
Abb. 2:
Oberflächenvergrößerung einer Flüssigkeitslamelle.
In Abb. 2 ist dieser Zusammenhang am Beispiel einer Flüssigkeitslamelle in einem Drahtrahmen dargestellt. Übt man eine Zugkraft FZug auf den verschiebbaren Bügel der Länge L aus
und lenkt diesen um die Strecke Δs aus, so führt dies zu einer Vergrößerung der Flüssigkeitsoberfläche um 2ΔA. Setzt man in Gl. (1) für die aufgewendete Arbeit ΔW = FZugΔx sowie für
die Vergrößerung der Oberfläche ΔA = 2ΔxL ein, so ergibt sich Gl. (2). Der Faktor 2 berücksichtigt, dass die Lamelle zwei Oberflächen besitzt.
4.2
Benetzung und Kontaktwinkel
Neben der Grenzfläche Flüssigkeit-Gasphase, also der Oberfläche einer Flüssigkeit, existieren
je nach Situation noch weitere Grenzflächen, deren Grenzflächenspannungen relevant für das
Mechanik der Flüssigkeiten
5
Verhalten der Flüssigkeit sind. Betrachtet man Wasser in einem Glasgefäß, so ist zu beobachten, dass die Oberfläche an der Gefäßwand nach oben gekrümmt ist. Gibt man hingegen
Quecksilber in ein Glasgefäß, so weist die Oberfläche eine Krümmung nach unten auf. Der
Grund für die Randkrümmung ist die Ausbildung eines Kräftegleichgewichtes, welches sich
im Grenzpunkt P aus den wirkenden Grenzflächenspannungen auf ein Linienelement der
Oberfläche ergibt. Charakterisiert wird die Krümmung, wie in Abb. 3 dargestellt ist, durch
den Kontaktwinkel φ, der sich im Grenzpunkt P ergibt. Einen Zusammenhang zwischen dem
Kontaktwinkel und den verschiedenen Oberflächenspannungsanteilen σi,j parallel zur Gefäßberandung liefert die Youngsche-Gleichung:
σ fest ,Gas − σ fest , flüssig − σ flüssig ,Gas cos ϕ =
0
(3)
Bei Kontaktwinkeln unter 90° spricht man von Benetzung, während bei Werten von über 90°
keine Benetzung mehr vorliegt. In Abb. 4 sind die entsprechenden Fälle für einen Flüssigkeitstropfen auf einer Oberfläche dargestellt. Im Fall, dass sich ein Winkel von 0° ergibt,
spricht man von vollständiger Benetzung.
σFest,Gas
P
ϕ
σFlüssig,Gas
σFest,Flüssig
P
σFest,Gas
σFlüssig,Gas
ϕ
σFest,Flüssig
benetzend
nichtbenetzend
Abb. 3: Randkrümmung und Kontaktwinkel
Abb. 4: Benetzung einer Oberfläche durch einen Flüssigkeitstropfen.
6
4.3
Mechanik der Flüssigkeiten
Oberflächenspannung von Festkörpern
Abb. 5: In zwei Hälften aufgeteilte Flüssigkeitssäule.
Die Oberflächenspannung eines Festkörpers ist im Gegensatz zu Flüssigkeiten nicht direkt
messbar. Im Folgenden wird ein Modell vorgestellt, das es erlaubt, diese in guter Näherung zu
berechnen, indem der Kontaktwinkel der Benetzung einer Flüssigkeit bekannter Oberflächenspannung auf der Festkörperoberfläche gemessen wird. Betrachtet man, wie in Abb. 5 dargestellt, eine Flüssigkeitssäule, die in zwei Hälften aufgeteilt wurde, so folgt nach Gl. (2) zur
Definition der spez. Oberflächenenergie, dass dazu folgende Arbeit pro Flächenelement verrichtet werden müsste:
∆W
=  Kohäsion
= 2=
ε 2σ FlG
∆A
(4)
Abb. 6: Flächenverhältnisse bei Veränderungen der Kontaktfläche.
Der Faktor 2 ergibt sich dabei aufgrund der entstehenden gleichgroßen Flächen an Ober- und
Unterseite der Teilsäulen. Verändert man die Größe der Kontaktfläche zwischen zwei Stoffen,
wie beispielsweise einem Flüssigkeitstropfen und einer Festkörperoberfläche, so folgt für die
hierzu aufzuwendende Arbeit pro Flächeneinheit:
Mechanik der Flüssigkeiten
7
∆W
=  Adhäsion = σ FlG + σ FG + σ FFl
∆A
(5)
Zur Vergrößerung der Oberflächen von Flüssigkeit und Festkörper muss entsprechend Gl. (2)
Arbeit verrichtet werden. Bei der Verkleinerung der Kontaktfläche wird hingegen Energie
frei. Wie in Abb. 6 dargestellt, ist die Änderung der jeweiligen Fläche bei allen Übergängen
die gleiche. Das Problem ist jedoch, dass diese Gleichung zwei Unbekannte enthält. Zur Bestimmung der notwendigen Arbeit  Adhäsion zur Trennung des Phasenüberganges von Festkörper und Flüssigkeit wurde von, Girifalco und Good [1,2] deshalb ein Modell entwickelt, in
dem diese durch geometrische Mittelung der Werte zur Trennung der einzelnen Phasen
 Kohäsion ,i angenähert wird. Es folgt somit:
=
 Adhäsion
 Kohäsion , Fl +  Kohäsion , F
(6)
Durch Einsetzen der entsprechenden Größen erhält man daraus folgenden Zusammenhang:
σ FFl = σ FlG + σ FG − 2 σ FlG σ FG
(7)
In Verbindung mit der Youngschen Gleichung (3) für den Kontaktwinkel φ ergibt sich:
σ F = σ Fl + σ F − 2 σ Fl σ F + σ Fl cos ϕ
(8)
Aufgelöst nach σFG erhält man schließlich einen entsprechenden Zusammenhang zwischen
dem Kontaktwinkel φ und der Oberflächenspannung σFlG der Flüssigkeit, der keine Unbekannten mehr enthält:
=
σ FG
σ FlG
2
(1 + cos ϕ )
4
(9)
Experimente und theoretische Betrachtungen haben gezeigt, dass dieses Modell für apolare
Stoffe, wie sie im folgenden Versuch verwendet werden, in guter Näherung gilt.
4.4
Kapillarität
Das Emporsteigen von Flüssigkeiten entgegen der Schwerkraft in engen Hohlkörpern, auch
Kapillaren genannt, bezeichnet man als Kapillarwirkung. Neben dem Emporsteigen von Flüssigkeiten, das präziser gesagt Kapillaraszension genannt wird, ist auch der umgekehrte Effekt,
die sogenannte Kapillardepression, also ein Absinken des Flüssigkeitsspiegels in der Kapillaren unter das Niveau der Umgebung zu beobachten. Im Fall vollständiger Benetzung der Kapillaren durch die darin emporsteigende Flüssigkeit lässt sich die resultierende Steighöhe h
durch folgende Betrachtung der Oberflächenenergie bestimmen. Taucht man z.B. eine Glaskapillare in ein Gefäß mit Wasser ein, so benetzt das Wasser die Kapillaroberfläche vollständig. Dies hat zur Folge, dass sich die Wasseroberfläche vergrößert. Die Oberflächenenergie
der Flüssigkeit wird also erhöht. Um diesem energetisch ungünstigen Zustand entgegen zu
wirken, ist eine Verkleinerung der Flüssigkeitsoberfläche notwendig, die sich im Ansteigen
der Flüssigkeit in der Kapillaren äußert.
Mit Hilfe der Dichte ρ sowie der Oberflächenspannung ε der Flüssigkeit, der Erdbeschleunigung g und dem Kapillarradius R ergibt sich aus einer Betrachtung von potentieller und Oberflächenenergie für die Steighöhe h der Flüssigkeit in der Kapillaren:
8
Mechanik der Flüssigkeiten
h=
2ε
ρ Rg
(10)
Abb. 7: Kapillarwirkung
Die Steighöhe der Flüssigkeit in einer Kapillaren ist somit umgekehrt proportional zum Radius. Sehr große Steighöhen in extrem engen Kapillaren erklären sich zudem anschaulich aus
der sehr großen Oberfläche im Innern und der verhältnismäßig kleinen Masse der Flüssigkeit
aufgrund des geringen Volumens, welches die Flüssigkeitssäule einnimmt.
4.5
Strömung und Viskosität
𝑣⃑
Abb 8: Schematischer Aufbau eines Experiments zur Untersuchung von Reibungseffekten in einer Flüssigkeit.
Bei strömenden Flüssigkeiten unterscheidet man turbulente und laminare Strömungen. Turbulenzen können an Hindernissen in einer Strömung entstehen und äußern sich in Form von
Wirbeln. Sie treten ab einer geometriespezifischen Grenzgeschwindigkeit auf und haben einen
dynamischen Strömungswiderstand zur Folge. Zur Vereinfachung der physikalischen Zusammenhänge werden in den Versuchen dieses Praktikums deshalb nur laminare Strömungen
untersucht. In einer laminaren Strömung bewegen sich die einzelnen Schichten der Flüssigkeit
Mechanik der Flüssigkeiten
9
stets parallel zueinander. Dabei wirken zwei Arten von Kräften, sog. Kohäsionskräfte zwischen den Atomen und Molekülen im Innern und sog. Adhäsionskräfte zwischen der Flüssigkeit und denen an ihr angrenzenden Körpern.
In Abb. 8 ist der schematische Aufbau eines Experiments zur
R
Untersuchung von Reibungseffekten in einer Flüssigkeit abgebildet. Hierzu wird eine Wanne mit einer „zähflüssigen“ Flüssigkeit
r
wie z.B. Glycerin gefüllt. Ein Teil der Flüssigkeit wird eingefärbt
und eine ebene Glasplatte über die Farbgrenze hinaus senkrecht
von oben eingetaucht. Durch große Adhäsionskräfte haften die
äußeren Flüssigkeitsschichten bei geringen Relativgeschwindigkeiten an der Platte, sodass nur Reibungseffekte innerhalb der
Flüssigkeit auftreten. Zieht man nun die Platte mit konstanter
Geschwindigkeit senkrecht zur Farbgrenze durch die Wanne, so
ist, wie in Abb. 8 dargestellt, eine Verschiebung von gefärbten
Flüssigkeitsschichten in den ungefärbten Bereich zu erkennen. Es
𝑣⃑
findet also ein gewisser Impulsübertrag zwischen benachbarten
Flüssigkeitsschichten statt. Auf den bewegten Körper wirkt also
eine Reibungskraft, die ihn in seiner Bewegung hemmt. Charakterisiert wird diese Reibung durch die Viskosität η, welche ein
Maß für die Zähigkeit einer Flüssigkeit ist. Sie ist für manche Abb. 9:
Stoffe, die sog. Newtonschen Flüssigkeiten, eine temperaturab- Laminare Strömung in
hängige Materialkonstante. Für die nicht-Newtonschen Flüssig- einem Rohrkeiten ist sie zudem abhängig von der auf die Flüssigkeit wirkenden Schubspannung. Das bedeutet, dass diese Stoffe bei Belastung beispielsweise zähflüssiger
(scherverzähend) oder dünnflüssiger (scherentzähend) werden.
Betrachtet man die Strömung einer Flüssigkeit durch ein zylindrisches Rohr, so bewirkt die
zwischen den einzelnen Flüssigkeitsschichten auftretende Reibung eine Geschwindigkeitsverteilung innerhalb der Strömung. Aufgrund der radialen Symmetrie der Anordnung ist diese
nur vom Abstand r von der Zylinderachse abhängig und es gilt
=
v(r )
∆p 2 2
(R − r )
4η l
(11)
Dabei bezeichnet 𝜂 die Viskosität der verwendeten Flüssigkeit sowie l die Länge und R den
Radius des betrachteten Rohrstückes. Aufgrund der Reibungsverluste ist zur Aufrechterhaltung der Strömung stets ein treibender Druckunterschied Δ𝑝 an den Rohrenden notwendig.
Wie in Abb. 9 dargestellt, ergibt sich nach Gl. (11) ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil
innerhalb des Rohres. Für die Volumenstromdichte I = dV/dt , also das pro Zeiteinheit bewegte Volumen innerhalb des Rohres, gilt das Gesetz von Hagen-Poiseuille:
=
I
π R4
∆p
8η l
(12)
Im Versuchsteil „Dynamik des kapillaren Steigens“ wird der Prozess des Aufsteigens einer
Flüssigkeit innerhalb einer Kapillaren untersucht. Betrachtet man eine zylindrische Kapillare,
so gilt für den reibungsbehafteten Volumenstrom während dieses Prozesses das HagenPoiseuillsche Gesetz. Der treibende Druck ist dabei der sogenannte Kapillardruck, der aus der
Oberflächenspannung der Flüssigkeit resultiert:
10
Mechanik der Flüssigkeiten
2σ
∆p=
r
(13)
Betrachtet man die Abhängigkeit des Volumens innerhalb der Kapillaren von der Höhe, so
ergibt sich
V (t ) = Ah(t )
(14)
In Kombination mit dem Hagen-Poiseullischen Gesetz ergibt sich daraus eine Differentialgleichung, deren Lösung einen Zusammenhang zwischen der Zeit und der sich innerhalb der
Kapillaren befindlichen Masse herstellt:
h(t ) = C t
(15)
Im Versuchsteil „Kugelfall-Viskosimeter“ wird es Ihre Aufgabe sein, die Viskosität einer
unbekannten Flüssigkeit nach der Kugelfallmethode zu bestimmen. Dabei wird eine Kugel in
einer senkrecht aufgestellten, mit Flüssigkeit gefüllten Glasröhre fallen gelassen. Der beschleunigenden Schwerkraft wirkt dabei die mit der Fallgeschwindigkeit anwachsende Reibungskraft der Flüssigkeit entgegen. Bei einer charakteristischen Grenzgeschwindigkeit vGrenz
tritt schließlich ein Kräftegleichgewicht ein, und die Kugel bewegt sich gleichförmig weiter.
Durch eine Messung der Grenzgeschwindigkeit vGrenz kann mit Hilfe des geltenden Reibungsgesetzes schließlich die Viskosität berechnet werden. Für die laminare Umströmung einer
Kugel gilt das Reibungsgesetz nach Stokes:
FR = 6πη rv
(16)
Dabei bezeichnet v die Relativgeschwindigkeit von Kugel und Flüssigkeit, η die Viskosität
der Flüssigkeit und r den Radius der Kugel. Es ist zu beachten, dass diese Gleichung nur unter
der Voraussetzung gilt, dass der Radius r der Kugel klein im Verhältnis zum Radius der verwendeten Röhre ist und keine Wirbelbildung auftritt. Im Falle des Kräftegleichgewichtes gilt
schließlich für die Viskosität
2r 2 ( ρ Kugel − ρ Flüssigkeit )
(17)
η=
9vGrenz
Mechanik der Flüssigkeiten
5.
Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung
5.1
Oberflächenspannung
11
Aufgabe:
Bestimmen Sie mit Hilfe der Abreißmethode die Oberflächenspannung von Wasser. Gehen
Sie dabei wie im folgenden Abschnitt beschrieben vor.
Durchführung:
Die Oberflächenspannung wird in diesem Versuch aus der maximalen Kraft berechnet, welche die Oberfläche in Form einer Flüssigkeitslamelle aufnehmen kann. Hierzu wird durch
einen Bügel bzw. einen Ring eine entsprechende Lamelle erzeugt und mit Hilfe eines CASSY-Computermesssystems mit Präzisionskraftsensor die wirkende Kraft gemessen (Abb. 10
und 11). Vor Versuchsbeginn ist zu prüfen, ob das große Becherglas auf dem Hubtisch mit
ausreichend Wasser gefüllt ist. Ist zu wenig Wasser vorhanden, so kann Luft in den Schlauch
eindringen, der zum Absenken des Flüssigkeitsspiegels dient, und dieser muss aufwendig neu
befüllt werden.
Hängen Sie zunächst den Lenard-Bügel am Kraftsensor auf. Der Bügel darf hierbei nur an der
Aufhängung am oberen Ende angefasst werden. Es ist des Weiteren darauf zu achten, dass
keine allzu großen Kräfte auf den Kraftsensor ausgeübt werden, weil dieser dadurch beschädigt werden kann.
Kraftsensor
Schlauchöffnung
Ablassventil
Bügel
Ring
Abb. 10: Versuchsaufbau Oberflächenspannung.
Starten Sie dann das Programm CASSY Lab 2. Es erscheint das in Abb. 12 dargestellte Fenster. Ändern Sie die Einstellungen des Kraftsensors entsprechend der Abbildung. Tarieren Sie
schließlich den Sensor auf die aktuelle Nullstellung. Danach starten Sie die Messung mit einem Klick auf das Stoppuhr-Symbol des Fensters. Ist dies geschehen, so ist zunächst etwa 30
sec lang eine Nulllinie aufzunehmen. Erst danach darf das Ablassventil am Schlauch geöffnet
werden, wodurch ein langsames und kontinuierliches Absinken des Flüssigkeitsspiegels beginnt. Sobald der dünne Draht des Bügels die Wasseroberfläche durchdringt, bildet sich eine
12
Mechanik der Flüssigkeiten
Lamelle aus und die Kraft auf den Bügel steigt an. Ist die Lamelle abgerissen, so ist die Messung durch einen erneuten Klick auf das Stoppuhr-Symbol zu beenden. Das Ablassventil
muss nach Ende der Messung sofort wieder geschlossen werden, damit der Pegel kein zu
niedriges Niveau erreicht. Die Messdaten können nun abgespeichert werden. Die Messung ist
insgesamt fünfmal zu wiederholen. Danach folgen 5 Messungen mit dem Ring nach der gleichen Methode.
FHalt.
FObfl.
Abb. 11:
Abb. 12:
Schematische Darstellung der Bügelmetho- Einstellungen des Kraftsensors in CASSY Lab 2.
de.
Bestimmen Sie zunächst die Nullposition der Messapparatur, indem Sie den Mittelwert der
aufgenommenen Nulllinie am Anfang der Messung bilden. Falls Sie hierzu CASSY Lab verwenden, steht Ihnen ein entsprechender Eintrag im Menü Graph zur Verfügung, welcher die
Nullposition als Linie direkt im Graphen einzeichnet. Lesen Sie anschließend den maximalen
Wert der gemessenen Kraft aus dem Graphen ab und errechnen Sie anhand der Nullposition
schließlich die real wirkende Kraft. Bilden Sie abschließend den Mittelwert aller Einzelkräfte
und berechnen Sie damit nach Gl. (2) den Wert für die Oberflächenspannung. Führen Sie diese Schritte für Ring und Bügel getrennt durch. Die Länge des Bügels beträgt 63,5 mm, der
Umfang des Rings 61 mm.
Mechanik der Flüssigkeiten
5.2
13
Kapillarwirkung
Aufgabe:
Bestimmen Sie die spezifische Oberflächenenergie von Wasser, indem Sie die Steighöhe der
Flüssigkeit in Kapillaren unterschiedlichen Durchmessers untersuchen. Gehen Sie hierzu nach
der im Folgenden beschriebenen Methode vor.
Durchführung:
Zur Bestimmung der Steighöhe in einer Kapillaren wird die in Abb. 13 dargestellte Apparatur
verwendet. Zunächst ist hierzu das am Laborplatz bereitgestellte Becherglas mit destilliertem
Wasser zu füllen. Zur Messung der Höhe des Wasserspiegels im Becherglas wird die an der
Kapillarhalterung befestigte Schraubspindel bis zur Wasseroberfläche abgesenkt. Dieses
Messverfahren ist notwendig, weil aufgrund der Krümmung der Flüssigkeitsoberfläche am
Becherglasrand keine direkte Messung von der Seite möglich ist. Um einen korrekten Messwert zu erhalten, wird die Spindel so eingestellt, dass sich ihre untere Spitze und das in der
Wasseroberfläche entstehende Spiegelbild gerade berühren. Nun ist das Messfernrohr so einzustellen, dass die obere Spitze der Spindel sich mit dem horizontalen Faden der Optik deckt.
Die entsprechende Höhe h1 können Sie nun an der höhenverstellbaren Halterung des Messfernrohres ablesen. Die Messung ist insgesamt dreimal zu wiederholen.
Abb. 13: Versuchsaufbau Kapillarwirkung.
Im nächsten Schritt ist zunächst eine der vorhandenen Kapillare mit destilliertem Wasser zu
spülen. Stellen Sie die Kapillare zum Entleeren mit der unteren Öffnung auf ein Stück saugfähiges Papier und geben Sie dann solange kurze Luftstöße in das obere Ende bis sie vollständig
entleert ist. Nun wird die Kapillare in die Halterung der Experimentierplattform eingesetzt.
Die Höhe der Halterung ist entsprechend der Länge der verwendeten Kapillaren so einzustellen, dass diese etwa 1 cm in die Flüssigkeit eingetaucht ist. Nach dem Einsetzen der Kapillaren ist zu warten, bis sich der Flüssigkeitspegel im Innern auf eine feste Position eingestellt
hat. Stellen Sie nun das Messfernrohr so ein, dass der untere Rand des sich bildenden Menis-
14
Mechanik der Flüssigkeiten
kus in der Kapillaren auf Höhe der horizontalen Linie der Optik liegt. An der Skala der Aufhängung des Messfernrohres kann nun die relative Steighöhe h2 der Flüssigkeit abgelesen
werden. Notieren sie neben der Höhe auch den entsprechenden Kapillardurchmesser. Die Kapillare ist nach jeder Messung zu entnehmen und nach dem oben beschriebenen Verfahren zu
entleeren. Die Messung wird mit jeder der vorhandenen Kapillaren insgesamt fünfmal wiederholt.
5.3
Dynamik des kapillaren Steigens
Aufgabe:
In diesem Versuchsteil sollen Sie das Zeitgesetz (Gl. (15)) für das kapillare Steigen experimentell bestätigen. Führen Sie hierzu nach der im Folgenden beschriebenen Methode Untersuchungen an porösen Körpern durch.
Durchführung:
Entnehmen Sie zunächst die Vycorglas-Probe aus dem Aufbewahrungsbehälter und versiegeln Sie die Seitenwände mit Klebestreifen. Dies verhindert einen Flüssigkeitsaustausch mit
der Umgebung über die Seitenwände. Die Probe darf aus demselben Grund nur mit Handschuhen angefasst werden. Ansonsten können Flüssigkeit bzw. Fette von den Händen in die
Probe gelangen und diese verunreinigen. Hängen Sie die Probe anschließend an der dafür
vorgesehenen Halterung mittig und senkrecht auf.
Abb. 14: Versuchsaufbau zur Dynamik des kapillaren Steigens.
Befüllen Sie nun das kleine Glasschälchen mit destilliertem Wasser und stellen Sie es vorsichtig auf den Hubtisch in der Waage. Bevor Sie die Probenaufhängung im nächsten Schritt
auf den Teller der Waage stellen, muss der Hubtisch ganz nach unten gedreht werden. Die
Probe darf vor Beginn der Messung auf keinen Fall mit der Flüssigkeit in Berührung kom-
Mechanik der Flüssigkeiten
15
men. Des Weiteren muss vermieden werden, dass Flüssigkeit in der Waage verschüttet oder
der Teller der Waage zu stark belastet wird.
Auf dem Display der Waage sollte nun automatisch das Gewicht der Probe angezeigt werden.
Wird hingegen das aktuelle Datum angezeigt, so ist die Waage zunächst am Frontpanel einzuschalten. Ist die Waage bereit, so kann die Messsoftware gestartet werden. Öffnen Sie dazu
am Rechner des Laborplatzes das Messprogramm-Waage. Folgen Sie den Anweisungen des
Programmes. Zunächst werden Sie aufgefordert die Waage zu tarieren. Ist dies geschehen, so
erscheint im Display der Waage zuerst die Anzeige „BEREIT“ und dann das Nettogewicht
„0,000 g“. Als Nächstes werden Sie von der Software aufgefordert, die Probe so lange an die
Flüssigkeitsoberfläche anzunähern, bis sie diese gerade berührt. Am sprunghaften Ansteigen
des angezeigten Gewichtes lässt sich erkennen, dass der Kontakt zwischen Probe und Flüssigkeit hergestellt ist. Drehen sie den Hubtisch hierbei sehr langsam nach oben, weil es sonst
passieren kann, dass die Probe zu tief eingetaucht wird. Der dadurch entstehende Auftrieb
äußert sich in Form eines negativen Gewichtes. Sie können in diesem Fall die Messung zwar
fortsetzen, müssen den Fehler in der Auswertung jedoch entsprechend behandeln. Ist die Probe vollständig gefüllt, so ist die Messung mittels des STOP-Buttons der Messsoftware zu beenden. Nach Beendigung der Messung werden die Messdaten zunächst als Textdatei und dann
als Origin-Projekt automatisch abgespeichert. Benennen Sie die Dateien entsprechend der
verwendeten Probe um.
Zur Auswertung dieses Versuchsteils wird Origin verwendet. Öffnen Sie zunächst die zur
Messung gehörende Origin-Projektdatei. Zunächst muss der relevante Teil der Messdaten
selektiert werden. Hierzu werden nur die Werte zwischen den konstanten Anfangs- und Endwerten der Messung markiert und in ein neues Worksheet kopiert. Formatieren Sie die Werte
der ersten Spalte so, dass sie wieder bei 0 beginnen. Plotten Sie nun den entsprechenden Graphen und führen Sie einen Fit der gesuchten Funktion (Nonlinear-Curve-Fit, Power, Allometric2) durch. Als Nächstes wird eine doppelt logarithmische Auftragung durchgeführt. Legen
Sie hierzu zwei neue Spalten an und transformieren die ursprünglichen Werte in eine logarithmische Skala. Plotten Sie den entsprechenden Graphen und führen Sie einen Linear-Fit
durch. Als letztes sind die Messdaten gegen t aufzutragen, um den Vorfaktor C zu bestimmen. Legen Sie hierzu erneut eine Spalte an und führen Sie die entsprechende Transformation
durch. Plotten Sie den entsprechenden Graphen und führen Sie einen Linear-Fit durch. Alle
Graphen sowie die relevanten Faktoren, die daraus abgelesen werden können, sind dem Versuchsprotokoll hinzuzufügen.
5.4
Dynamik des kapillaren Steigens
Aufgabe:
In diesem Versuchsteil ist eine statische Kontaktwinkelmessung zur Untersuchung des Benetzungsverhaltens verschiedener Oberflächen durchzuführen sowie eine dynamische Messung
zur Bestimmung der Oberflächenspannung eines Festkörpers.
Durchführung:
Zur Beobachtung des Kontaktwinkels wird in diesem Versuchsteil eine Mikroskopkamera
verwendet. Mit Hilfe einer speziellen Software können die damit aufgenommenen Bilder am
PC ausgewertet werden. Starten Sie zunächst die Aufnahmesoftware am PC des Laborplatzes.
Ein Livebild der Kamera wird nun am PC angezeigt. Während des gesamten Versuchsteils
sind Handschuhe zu tragen!
Statische Messung:
Setzen Sie die mit Milli-Q-Wasser gefüllte Spritze in die Dosiereinheit ein und positionieren
Sie die Kanüle in der entsprechenden Halterung der Experimentierplattform. Entfernen Sie
16
Mechanik der Flüssigkeiten
die Schutzkappe der Kanüle und erzeugen Sie einen Tropfen an deren Spitze. Setzen Sie anschließend eine Oberflächenprobe in die entsprechende Halterung vor der Kamera ein. Nähern Sie die Kanüle nun mittels der Höhenverstellung an die Probe an und lassen Sie den
Tropfen auf die Oberfläche ab. Dabei ist darauf zu achten, dass die Oberflächenprobe nicht
mit der Kanüle berührt wird und der Tropfen möglichst mittig im Bild sitzt. Fokussieren Sie
anschließend die Kamera auf den Tropfen um ein scharfes Bild der Tropfenkontur zu erhalten. Speichern Sie das angezeigte Bild ab. Verfahren Sie nach dieser Vorgehensweise für jede
der vorhandenen Proben indem Sie an mindestens 3 unterschiedlichen Stellen Tropfen auf der
Oberfläche positionieren. Aufgrund des auf der Probe liegenden Tropfens nennt man diese
Art der Kontaktwinkelbestimmung Sessile-Drop-Verfahren.
Abb. 15: Versuchsaufbau zur Messung des Kontaktwinkels.
Dynamische Messung:
Anstatt an vielen verschiedenen Stellen einer Oberfläche einzelne Tropfen abzusetzen, ist die
kontinuierliche Vergrößerung des Tropfens eine weitere weit verbreitete Messmethode zur
Erfassung einer aussagefähigen Anzahl von Messwerten. Setzen Sie für diesen Teil des Experimentes die mit Hexadekan gefüllte Spritze in die Dosiereinheit sowie die dazugehörige Kanüle in die entsprechende Halterung ein. Im Umgang mit Hexadekan ist das entsprechende
Sicherheitsdatenblatt zu beachten. Setzen Sie nun die mit Teflon beschichtete Siliziumprobe
in die Probenhalterung ein und nähern Sie die Kanüle der Oberfläche an. Um die Einflüsse
der Kanüle auf die Form des Tropfens gering zu halten, ist ein möglichst geringer Abstand zu
wählen. Die Kanüle darf die Oberfläche jedoch zu keinem Zeitpunkt berühren. Erzeugen Sie
zuerst einen kleinen runden Tropfen und speichern Sie das entsprechende Bild ab. Vergrößern
Sie den Tropfen durch eine halbe Umdrehung an der Dosiereinheit und speichern Sie ein wei-
Mechanik der Flüssigkeiten
17
teres Bild. Wiederholen Sie diesen Vorgang etwa zehn Mal und verkleinern Sie den Tropfen
anschließend nach demselben Schema. Bleibt der Tropfen währenddessen an einer Stelle der
Oberfläche hängen, so spricht man von Pinning-Effekten, die aus Unregelmäßigkeiten der
Oberfläche resultieren. Treten diese Effekte häufiger während ihrer Messung auf, so ist diese
an anderer Stelle der Probe zu wiederholen. Führen Sie die Messung insgesamt zwei Mal
durch. Nach Beendigung der Messung sind Spritze und Kanüle wieder im Aufbewahrungsgefäß luftdicht zu lagern.
Bestimmen Sie mit Hilfe der Analysesoftware der Kamera für jedes aufgenommene Bild den
rechten und linken Kontaktwinkel. Berechnen Sie daraus für jedes Bild den mittleren Kontaktwinkel. Für die statisch gemessenen Werte ist schließlich der mittlere Kontaktwinkel jeder
Probe durch Mittelwertbildung der Einzelmessungen zu bestimmen.
Die Werte der dynamischen Messung sind graphisch gegen das Volumen des Tropfens aufzutragen, das aus dem jeweiligen Messschritt geschlussfolgert werden kann. Durch Mittelwertbildung über die Winkel der Ausdehnung ist schließlich nach Gl. (9) die Oberflächenspannung des Festkörpers nach dem Model von Good und Girifalco zu berechnen und mit dem
Literaturwert zu vergleichen.
5.5
Kugelfall-Viskosimeter
Aufgabe:
Es liegen mehrere Stahlkugeln für diesen Versuchsteil bereit. Bestimmen Sie zunächst mit
Hilfe einer Mikrometerschraube den Durchmesser jeder einzelnen Kugel. Messen Sie den
Durchmesser jeder Kugel mehrmals, wobei die Kugeln, um einen repräsentativen Wert zu
erhalten, vor jeder Messung etwas zu verdrehen sind. Messen Sie nun die Länge der Fallstrecke zwischen den Markierungen auf der Röhre mit Hilfe eines Maßbandes aus und notieren
Sie den Wert für die Auswertung. Schließen Sie danach das obere Kugelventil und geben Sie
eine Kugel in den Glastrichter am oberen Ende der Viskosimeter-Röhre. Nehmen Sie die bereitliegende Stoppuhr zur Hand und beobachten Sie die obere Markierung auf der Röhre.
Achten Sie dabei, um einen Parallaxenfehler zu vermeiden, darauf, dass der vordere und der
hintere Teil der Markierung während der Beobachtung stets deckungsgleich sind. Ihr Partner
beobachtet entsprechend die untere Markierung. Wenn Sie bereit sind, öffnen Sie das obere
Kugelventil und starten Sie beim Passieren der oberen Markierung durch die Kugel die
Stoppuhr. Stoppen Sie die Uhr, wenn Ihr Partner anzeigt, dass die Kugel die untere Markierung passiert hat. Notieren Sie die Zeit und entnehmen Sie die Kugel über das untere Kugelventil. Dabei ist darauf zu achten, dass ein Auffanggefäß unter der Auslassöffnung steht, um
die mit der Kugel austretende Flüssigkeit aufzufangen. Entnehmen Sie die Kugel aus dem
Auffanggefäß und schütten Sie die ausgetretene Flüssigkeit bei geöffnetem oberen Ventil über
den Trichter zurück in die Röhre. Wiederholen Sie die Messung insgesamt fünf mal. Anschließend verfahren Sie mit den restlichen Kugeln in analoger Weise.
Zur Auswertung des Versuches ist zunächst für jede Kugel der mittlere Durchmesser zu berechnen. Danach wird die mittlere Fallgeschwindigkeit aus den gemessenen Fallzeiten berechnet und schließlich nach Gl. (17) die Viskosität der Flüssigkeit für jede Kugel bestimmt.
Bestimmen Sie abschließend die mittlere Viskosität der Flüssigkeit und führen Sie eine
Fehlerrechnung nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz durch.
•
•
Dichte der Stahlkugeln:
Dichte des Öls:
ρKugel = 7,9×103 kgm-3 ± 0,5%
ρÖl = 8,9×102 kgm-3 ± 2%
18
Mechanik der Flüssigkeiten
Abb. 16: Versuchsaufbau Kugelfall-Viskosimeter.
Literatur
[1]
L.A. Girifalco and R.J. Good, A theory for estimation of surface and interfacial energies. I Derivation and application to interfacial tension, J. Phys. Chem. 61 (1957) 904
[2]
R.J. Good and L.A. Girifalco, A theory for estimation of surface and interfacial energies. III estimation of surface energies of solids from contact angle data, J. Phys. Chem.
64 (1960) 561
Geräteliste
•
•
•
•
•
•
•
Sensor-CASSY mit Kraftsensor
Lenard-Bügel und Noüy-Ring
Waage Mettler-Toledo NewClassic MS
Mikroskopkamera DigiMicro Scale
Kanülen und Dosiereinheit
Kugelfallviskosimeter
PC
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Alternative Energiequellen
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
ALTERNATIVE
ENERGIEQUELLEN
Version: 19.03.01
Themengebiet
Solarzelle
{
{
{
{
{
Halbleiter
Bandermodell und Fermi-Verteilung
Diode
Gleichstrom
Wechselwirkung mit Licht, Photometrie, optische Strahlung
Brennstozelle
{
{
{
{
{
Katalyse
Elektrolyse
Elektronenleitung, Ionenleitung
Elektroden, Grenzachen
Wirkungsgrade
Alternative Energiequellen
1
1 VORBEREITUNG
Vorbereitung
1.1 Literatur:
Wolfgang Demtroder: Experimentalphysik 2
Elektrizitat und Optik; Springer Lehrbuch 1995
{ Kapitel 2.8.5 S. 70
Gerthsen-Kneser-Vogel: Physik
16.Auage (1989)
{ Kapitel 8.1, 12.3, 14.3, 14.4
C. Kittel: Einfuhrung in die Festkorperphysik
Munchen, 1980
{ Kapitel 6,7,8
1.2 Fragen:
1. Erklaren Sie den Unterschied zwischen Isolatoren, Halbleitern und Leitern anhand
des Bandermodells. Welcher Statistik unterliegen Elektronen? Was versteht man
unter Fermienergie bzw. Ferminiveau? Erklaren Sie damit die prinzipiellen Unterschiede bzgl. der Leitfahigkeit von Halbleitern und Metallen.
2. Erlautern Sie die Begrie Eigenleitung, Storstellenleitung, Dotierung, Akzeptor,
Donator, Raumladungszone, . . . . Erklaren Sie die physikalischen Eigenschaften
eines p-n-U bergangs. Verwenden Sei dazu u.a. das Energiebanderschema. Nennen
Sie Beispiele aus der Technik.
3. Skizzieren Sie den prinzipiellen Aufbau einer Solarzelle und erklaren sie ihre Wirkungsweise. Welche Materialien verwendet man und warum. Wie unterscheidet
sich die Kennlinie einer Solarzelle von der einer Diode? Leiten Sie die zur Solarzellenkennlinie gehorige Gleichung her.
4. Erklaren Sie den grundlegenden Unterschied zwischen Strahlungsfeldgroen und
photometrischen Groen?
5. Skizzieren Sie die spektrale Strahlungsdichte @B=@() der Sonne und einer Gluhlampe. Tragen Sie die spektrale Empndlichkeit des menschlichen Auges sowie
diejenigen von Germanium und Silizium mit in die Grak ein.
II
Alternative Energiequellen
6. Was versteht man unter Tandemsolarzellen und wie sind sie aufgebaut?
7. Skizzieren Sie den Aufbau einer Brennstozelle und erklaren Sie ihre Wirkungsweise.
8. Skizzieren und erklaren Sie die Kennlinie I(U) eines Elektrolyseurs. Was versteht
man unter der chemischen Bindungsenergie und der elektrochemischen Spannungsreihe?
9. Skizzieren Sie die Kennlinie U(I) einer Brennstozelle. In welche Bereiche lat sie
sich zerlegen und welche physikalischen Eekte dominieren diese Bereiche?
10. Nennen Sie die dominierenden Eekte, die den Wirkungsgrad sowohl fur Solarzelle,
als auch fur Brennstozelle/Elektrolyseur mageblich bestimmen.
2
Theoretische Grundlagen
2.1 Solarzelle
2.1.1 Aufbau und Wirkungsweise einer Solarzelle
Eine Solarzelle dient der direkten Umwandlung von Lichtenergie in elektrische Energie.
Idealerweise sollte eine Solarzelle folgende Bedingungen erfullen:
Die Zelle soll Licht absorbieren und in freie Ladungstrager unwandeln.
Sie sollte auf das angebotene Lichtspektrum optimiert sein, um bestmogliche Lichtausbeute zu gewahrleisten.
Sie soll einen geeigneten Mechanismus besitzen, die erzeugten Ladungstrager auch
zu trennen.
Zum Aufbau von Solarzellen benutzt man geeignete Halbleiter, die durch Dotierung
manipuliert werden, um den geforderten Trennungsmechanismus zu erzielen. Unter Dotierung versteht man den gezielten Einbau von Fremdatomen, in der Regel 3- bzw. 5wertige Elemente (Akzeptoren, z. B. Indium bzw. Donatoren, z. B. Phosphor) wobei das
Halbleitermaterial selbst in der Regel 4-wertig ist (z.B. Silizium). Die Folge einer solchen Dotierung ist, da sich das thermische Gleichgewicht der Elektronen und damit das
Ferminiveau im Halbleiter anhebt (n-Dotierung) oder absenkt (p-Dotierung).
III
Alternative Energiequellen
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Bringt man nun einen n- und einen p-dotierten Halbleiter in (innigen) Kontakt, so diffundieren Elektronen nahe der Grenzschicht vom n-Gebiet in das p-Gebiet, wodurch eine
Raumladungszone entsteht. Im n-Gebiet bleiben die positiven Donator-Rumpfe, im pGebiet die negativen Akzeptor-Rumpfe zuruck, beide ortsfest. Es entsteht ein elektrisches
Feld, das weitere Diusion verhindert. Die dadurch entstandene Potentialdierenz wird
Diusionsspannung UD genannt. Sie ist materialabhangig und entspricht der Dierenz der beiden zugrundeliegenden Ferminiveaus. Durch diese Potentialdierenz werden
die Energiebander verbogen, da das Ferminiveau des Systems sowohl im p- als auch im
n-Gebiet auf gleicher Hohe liegen mu.
 bergangs.
Abbildung 1: Raumladungszone und Potentialverlauf eines p-n-U
Fallt Licht genugender Energie auf einen Halbleiter, so entstehen Elektron-Loch-Paare,
die normalerweise in kurzester Zeit wieder rekombinieren. Erzeugt Licht nun aber freie
 bergangs, so konnen die gebildeten ElektronLadungstrager in der Nahe dieses p-n-U
Loch-Paare durch die Raumladungszone getrennt werden.
In der Technik diundiert man in ein mindestens 200m dickes p-Substrat eine sehr
dunne (0:3 0:5m) n-Schicht ein. Diese liegt auf der lichtzugewandten Seite, wird in
kammartiger Struktur kontaktiert und in der Regel zusatzlich mit einer antireektierenden
Schicht bedampft. Die lichtabgewandte p-Schicht wird gewohnlich auf der Ruckseite mit
Metall als Elektrode bedampft.
2.1.2 Kennlinie einer Solarzelle
 bergang einer Halbleiterdiode treAn einem unbeleuchteten, unbeschalteten p-n-U
ten folgende Strome auf:
Diusionsstrom I , der mit der Wahrscheinlichkeit exp ( eU =k T ) Locher (p)
vom p- ins n-Gebiet transportiert, also abhangig von der Potentialschwelle U ist.
Dp
D
B
D
IV
Feldstrom I aufgrund der Raumladungszone. Locher, die in die Nahe der Raumladungszone gelangen, werden vom n-Gebiet ins p-Gebiet gezogen.
Fp
Alternative Energiequellen
2.1. Solarzelle
Gleiches gilt fur die Elektronen (n) im Leitungsband und die resultierenden partiellen Strome I bzw. I , aber mit umgekehrtem Vorzeichen.
Fn
Dn
In obigem Fall ist der Gesamtstrom Null, der Diusionsstrom und der Feldstrom kompensieren sich. Auerdem sind im stationaren Fall die Locherstrome I( ) gleich den
jeweiligen Elektronenstromen I( ) .
D;F p
D;F n
IF
p;n
=I
(1)
Dp;n
Beleuchtet man nun den p-n-U bergang, so erhoht sich aufgrund der zusatzlich erzeugten Elektron-Loch-Paare der Feldstrom I , und das Gleichgewicht aus (1) verschiebt
sich, so da zwei prinzipielle Falle unterschieden werden mussen:
Fn;p
1. Ist die Diode kurzgeschlossen, so bleibt der Diusionsstrom I
gleich, da sich

die Potentialschwelle zunachst nicht andert. Der Uberschu an Feldstrom durch
die zusatzlichen freien Ladungstrager iet in Form des sogennannten Photostroms
I ab.
Dn;p
K
IF
n;p
IGes
!I
Fn;p
=I +I
F
+I
K
(2)
Kn;p
ID
=I
(3)
K
2. Im Leerlauall erzeugt das eingestrahlte Licht eine Spannung. Es mu dann
namlich I = 0 und somit
I =I +I
(4)
Ges
D
F
K
gelten. Eine Erhohung von I bedingt aber eine verminderte Potentialschwelle und
somit eine Spannung U0 .
D
Im Fall eines beliebigen Verbrauchers an der beleuchteten Solarzelle wird sich also ein
Photostrom I < I und eine Spannung U < U0 an der Zelle einstellen.
Die Kennlinie der Solarzelle ergibt sich also aus derjenigen der idealen Diode, sowie dem
Anteil durch den Photostrom I :
K
K
( )=I
IS olar U
Diode
( ) =
IDiode U
(U )
(
IK
(
IR exp eU=kB T
mit
) 1)
(5)
(6)
Wobei die Groe I proportional ist zu der Ladungstragerkonzentration, der Diusionslange der Ladungstrager sowie deren inverser Lebensdauer. Unter Diusionslange
versteht man die mittlere freie Wegstrecke bis zu der Rekombination der Ladungstrager,
R
V
Alternative Energiequellen
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
die Lebensdauer ist durch die mittlere Zeitspanne deniert, in der die Ladungstrager frei
sind.
Als Ersatzschaltbild einer Solarzelle ergibt sich somit:
Abbildung 2: Ersatzschaltbild einer Solarzelle: R ist ein auerer Lastwiderstand, I der
durch Licht erzeugte Photostrom (als Stromquelle symbolisiert). Dieser addiert sich mit
dem Diodenstrom (die Dierenz von Diusions- und Feldstrom) zum Gesamtstrom I .
L
K
ges
Um der Solarzelle maximale Leistung zu entnehmen, mu man denjenigen Punkt auf
der Kennlinie nden, der das Produkt P(U ) = U I maximiert. Dies entspricht dem
gunstigsten Arbeitspunkt der Solarzelle, d.h. dem Punkt, bei dem die Solarzelle die
grote Leistung abgibt. Dieser Punkt ist allerdings von der Strahlungsintensitat abhangig.
Man deniert den sogenannten Fullfaktor
Ges
FF
IK
U0
=
:
:
IP
UP
IK U0
max
max
mit
(7)
Kurzschlussstrom
Leerlaufspannung.
der bei guten Solarzellen und denierter Einstrahlungsintensitat ca. 0.8 betragt, bei
schlechteren Strahlungsbedingungen jedoch abnimmt.
Ziel dieses Versuches ist es, einen Kreislauf zu demonstrieren, der die mit okologischen
Mitteln (in diesem Fall der Solarzelle) gewonnene Energie einem Verbraucher zufuhrt.
Da dieser Verbraucher i.d.R. ortlich getrennt vom Energieerzeuger fungiert, ist es in der
Praxis unabdingbar, diese Energie in transportfahiger Weise zu speichert. Zunehmend
von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Wasserstowirtschaft, in der der Energietrager H2 als transportfahiges chemisches Speichermedium genutzt wird. Dieser
Energietrager kann im Verbraucher mit O2 (zu 16% in Luft enthalten) in der sogenannten
Knallgasreaktion zu Wasser oxidieren und die gespeicherte Energie wieder freisetzen.
Seinerseits erzeugt wird H2 mittels Elektrolyse, bei der z.B. durch Solarenergie oder andere alternative Energieformen Wasser in Wassersto und Sauersto umgewandelt wird.
VI
2.2. Brennstozelle und Elektrolyseur
Alternative Energiequellen
Abbildung 3: Kennlinie einer Solarzelle.
Die Katalyse, d.h. die kontrollierte Oxidation von Wassersto geschieht in der sogenannten Brennstozelle, die den Umkehrprozess bzgl. der im Elektrolyseur ablaufenden
Elektrolyse darstellt.
2.2 Brennstozelle und Elektrolyseur
2.2.1 Allgemeine Wirkungsweise der Brennstozelle
Brennstozellen sind hocheÆziente elektrochemische Stromerzeuger. Sie haben gegenuber konventionellen Stromerzeugern ein viel einfacheres Funktionsprinzip: Die direkte katalytische Umwandlung des chemischen Energietragers in elektrische Energie, im
Gegensatz zu beispielsweise konventionellen Kraftwerken,\ in denen der Umweg uber
"
Warme und mechanische Energie zu einem wesentlich schlechteren Wirkungsgrad fuhrt.
Das Grundprinzip der Brennstozelle ist die direkte Stromerzeugung aus einem Brennsto (z. B. Wassersto) und einem Oxidant (z. B. Sauersto) in einem elektrochemischen Prozess. Die Zelle besteht aus zwei Elektroden und dem Elektrolyten. Die Anode
wird mit dem Brennsto und die Kathode mit dem Oxidanten versorgt, der Elektrolyt
verbindet die beiden Elektroden miteinander. Er ermoglicht Ionentransport und ist gleichzeitig fur Elektronen ein Isolator. An der Anode wird der Brennsto oxidiert. Die dabei
abgegebenen Elektronen ieen uber einen aueren Stromkreis zur Kathode. Hier wird
der Oxidant durch Elektronenaufnahme reduziert. Durch den Elektronenuss kann im
aueren Stromkreis Arbeit verrichtet werden. Der Ladungstransport in der Brennstozelle wird durch Ionenbewegung im Elektrolyten realisiert.
Eine Brennstozelle liefert also wie Batterie und Akkumulator Energie aus einem elektrochemischen Prozess. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei der BrennVII
Alternative Energiequellen
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
stozelle die Elektroden selbst nicht umgewandelt werden, die Brennstozelle also nicht
entladen werden kann. Sie ist vielmehr auf die externe Zufuhr von Brennsto angewiesen.
Abbildung 4: Schematisches Funktionsprinzip und grundlegender Aufbau einer Brennstozelle.
2.2.2 Funktionsprinzip der PEM Brennstozelle
Die hier vorliegende Brennstozelle ist in der Polymerelektrolyt-Membran-Technologie
ausgefuhrt. Der Begri PEM bezieht sich auf die protonenleitende Polymerfolie, die als
Elektrolyt dient und bedeutet Proton-Exchange-Membrane,\ im Gegensatz zu z.B. al"
kalischen Brennstozellen (6% Kalilauge).
Die PEM-Brennstozelle wird mit Wassersto und Sauersto betrieben. Die elektrochemische Umwandlung ist also praktisch der Umkehrprozess der Wasserelektrolyse im
Elektrolyseur. Die an der Anode unter Abgabe von Elektronen oxidierten Wasserstoionen diundieren durch die ionenleitende Polymerelektrolytmembran (Elektrolyt) zur
Kathode, wo sie mit Sauersto und den aus dem elektrischen Leiter zuruckgefuhrten
VIII
Alternative Energiequellen
2.2. Brennstozelle und Elektrolyseur
Elektronen zu Wasser reagieren.
Anode :
O2
+
2
! 4H + 4e Oxidation
! 2H O
Reduktion
! 2H O
G = 237KJ=mol
+
2
+ 4H + 4e
Gesamtreaktion : 2H + O
Kathode
:
2H
2
2
2
(8)
(bei 25Æ C )
Die theoretisch erreichbare Maximalspannung einer Einzelzelle ergibt sich aus den thermodynamischen Daten der Reaktion von Wassersto und Sauersto zu Wasser. Der
Wert fur eine Einzelzelle betragt unter Standardbedingungen
U0
= zFG = 1:23V
(9)
Dabei ist F die Faradaykonstante. Sie gibt die pro Mol eines einwertigen Ions abgegebene Ladung an und betragt 96484 C . z bezeichnet die Zahl der Elektronen, die zur
Abscheidung eines Teilchens an der Elektrode ausgetauscht werden. Im Betrieb kommt es
 berspannungen), z. B. durch Reaktionshemmungen, Innenbei Stromuss zu Verlusten (U
widerstande oder eine ungenugende Gasdiusion. Dies fuhrt in der Praxis zu niedrigeren
Zellspannungen. Sie betragen in der Regel fur die Einzelzelle 0:4 0:9V.
Das Herzstuck einer PEM-Brennstozelle ist die Membran-Elektroden-Einheit. Die Membran wird dabei mit fein verteiltem Platinkatalysator beschichtet (etwa 0:1 0:5mg
Platin pro cm2 ). Die so beschichteten Membranen werden anschlieend mit porosen
Kohlenstoelektroden in der Brennstozelle verpresst. Dabei entsteht ein elektrischer
Kontakt.
Die Polymerelektrolytmembran reicht durch den Anpressdruck teilweise in die porosen
Elektrodenstrukturen hinein, es bildet sich eine Grenzache Gas/Katalysator/Elektrolyt
aus. Der Katalysator mu sowohl zum Gas als auch zu den Protonen-Leitern (Polymerelektrolytmembran) und den Elektronen-Leitern (Elektroden) Kontakt haben. An diesen
Stellen laufen die elektrochemischen Reaktionen ab (Abb. 5 rechts).
In der Reaktion werden Wassersto und Sauersto katalytisch umgesetzt, die Elektroden werden selbst nicht verandert. Die Platin-Teilchen wirken dabei als katalytische
Zentren, die umso wirksamer sind, desto groer ihre Oberache ist.
Die Elektrolytmembran selbst arbeitet wie ein Ionentauscher. Die Protonen der in
der Membran enthaltenen Sauregruppen sind beweglich. Ist die Membran feucht, so
transportiert sie Protonen zwischen Anode und Kathode. Der elektrische Kontakt erfolgt uber Stromableiter, in diesem Fall spezielle Edelstahllochbleche. Die Stromableiter
mussen auch bei groen Brennstozellen den Gastransport und den Wasserabtransport
gewahrleisten, d. h. gas- und ussigkeitsdurchlassig sein. Der Strom einer Brennstozelle
ist proportional zur Flache der Elektroden und erreicht Werte von bis zu 2A=cm2 .
IX
Alternative Energiequellen
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
Abbildung 5: Schnitt durch eine (Polymerelektrolyt-)Membran-Elektroden-Einheit unter
Verdeutlichung der bei der Brennstozellenreaktion ablaufenden Prozesse.
2.2.3 Spannungs-Strom-Kennlinie einer Brennstozelle
In Abb. 6 ist die Spannungs-Strom-Kennlinie der Brennstozelle schematisch dargestellt.
Sie besteht aus 3 Bereichen, die typisch fur elektrochemische Kennlinien sind.
U0 ist die thermodynamisch maximal erreichbare Spannung, die eine Brennstozelle liefern kann. Dieser Wert ergibt sich aus der elektrochemischen Spannungsreihe H2 =H3 O+
==H2 O=O2 und betragt 1:23V . Die tatsachliche Zellspannung liegt wie gesagt stets
darunter. Die Dierenz zwischen gemessener und theoretischer Zellspannung bezeichnet
 berspannung. Die Groe der U berspannung ist das entscheidende Merkmal
man als U
fur die Leistungsfahigkeit und Gute einer Brennstozelle. Sie setzt sich aus verschiednen Beitragen zusammen, deren Groe in Abhangigkeit vom Stromu den Verlauf der
Kennlinie bestimmt. Die Einzelbeitrage sind:
1. Durchtrittsuberspannung - Einu des Katalysators
Bei kleinen Stromen und bei Spannungen nahe der thermodynamischen Spannung
bestimmen die katalytischen Vorgange an den Elektroden den Verlauf der Kennlinie. Dieser Verlauf ist in Abb. 6 durch einen exponentiellen Anstieg des Stromes
mit der U berspannung gekennzeichnet. Entscheidend fur die Hohe des Stroms ist
die Geschwindigkeit der katalytischen Umsetzung der Gase H2 und O2 , d. h. die Geschwindigkeit, mit der die Elektronen durch die Grenzache Platin/Elektrolyt/Gas
X
2.2. Brennstozelle und Elektrolyseur
Alternative Energiequellen
Abbildung 6: Spannungs-Strom-Kennlinie einer Brennstozelle eingeteilt in die drei Bereiche Katalyse, Innenwiderstand und Transport der Reaktanten.
 berspannung
hindurchtreten (in Abb. 5 rechts dargestellt). Die damit verbundene U
bezeichnet man als Durchtrittsuberspannung. Die Groe der Oberache des Katalysators bestimmt somit mageblich die Gesamthohe des erreichbaren Stroms.
2. Innenwiderstand - Einu des Aufbaus der Zelle
Jede Brennstozelle hat einen Innenwiderstand (Elektrolyt, Stromableiter, innerer
Aufbau, externe Verkabelung,. . . ), der sich bei hoheren Stromen zunehmend bemerkbar macht. Die Spannungs-Strom-Kennlinie ist in diesem Fall linear, d. h. die
Spannungsabnahme ist proportional der Stromerhohung. Dieser Widerstand mu
gerade bei groen Brennstozellen gering gehalten werden, da es sonst zu groen
Leistungseinbuen kommt.
3. Diusionsuberspannung - Einu des Stotransportes
Bei hoheren Stromen wird der Antransport der Gase durch die porose Elektrodenstruktor bestimmt (Abb. 5 Mitte). Eine Diusionsuberspannung tritt dann auf,
wenn die Gase am Katalysator schneller verbraucht werden, als sie dorthin diundieren konnen. Typisches Indiz fur das Auftreten einer Diusionsuberspannung ist
das Abknicken\der Spannungs-Strom-Kennlinie nach unten. Die Spannung der
"
Brennstozelle wird mit zunehmendem Strom dann sehr schnell kleiner, die Zelle
verhungert.\
"
XI
Alternative Energiequellen
2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
 berspannungsbeitrage zu
Ziel jeder Brennstozellenentwicklung ist es also, diese drei U
minimieren. Dies erreicht man durch bessere Elektrokatalysatoren, gut leitende Materialien und Kontakte, sowie durch Optimierung der Elektrodenstrukturen und der Gasfuhrungen.
2.3 Der Umkehrprozess - Elektrolyse
Der Umkehrprozess, also die Erzeugung von chemischer Energie aus elektrischer Energie
geschieht im Elektrolyseur. Dieser ist im Prinzip wieder eine Brennstozelle, jedoch
umgekehrt betrieben: Dazu wird dem System, statt es mit Brennsto zu versorgen, das
Endprodukt angeboten. Dieses wird unter Stromzufuhr elektrolysiert und zu Brennsto
umgewandelt.
Abbildung 7: Strom-Spannungs-Kennlinie eines Elektrolyseurs.
Die Strom-Spannungs-Kennlinie des Elektrolyseprozesses sieht wie folgt aus: Unterhalb
einer gewissen Spannung iet uberhaupt kein Elektrolysestrom, da die notwendige Zersetzungsspannung (im H2 O-Fall U0 = 1:23V ) nicht erreicht wird. Die bei Spannungen
U U0 entstehenden Gase werden von den Elektroden zunachst adsorbiert, es entsteht
eine galvanische Zelle. Diese galvanische Zelle hat eine bestimmte Zellspannung (Polarisationsspannung), die einen Strom bewirkt. Dieser innere Strom wirkt dem Elektrolysestrom entgegen. Erhoht man die auere Spannung, wird mehr Gas adsorbiert. Ab
einem bestimmten Punkt erreicht der Gasdruck an den Elektroden den Wert des aueren Luftdrucks, und an den Elektroden beginnen Gasblasen aufzusteigen. Oberhalb von
1:23V fuhrt eine weitere Steigerung der aueren Spannung dann zu einer kontinuierlichen
Gasentwicklung mit einem steilen exponentiellen Anstieg der Stromstarke.
XII
Alternative Energiequellen
3
Experiment
Solarzelle
Aufgabe 1:
Messen Sie den Kurzschlussstrom einer Solarzelle in Abhangigkeit vom Abstand a der Lichtquelle. In wieweit beeinussen Kontaktwiderstande etc. das
Meergebnis? Tragen Sie ln(I ) gegen ln(a) auf und bestimmen Sie die
Steigung. Vergleichen Sie ihren Wert mit dem theoretisch zu erwartenden.
K
Aufgabe 2:
Nehmen Sie I (U )-Kennlinien einer Solarzelle auf. Bestimmen Sie dazu zuerst die Diodenkennlinie einer unbestrahlten Solarzelle. Wiederholen Sie die
Messung danach fur eine bestrahlte Solarzelle und mindestens zwei verschiedene Abstande zur Lichtquelle. Erklaren Sie die Verschiebung des Stromes
I (U ) mit zunehmender Bestrahlung. Bestimmen Sie aus den Mekurven die
Leistung P (U ). Wann gibt die Solarzelle die maximale Leistung ab? Wie
gro ist bei P
ihr Innenwiderstand? Bestimmen Sie den Fullfaktor.
max
Elektrolyseur & Brennstozelle
Achtung!!!
Der Strom am Elektrolyseur darf niemals 1A uberschreiten. Das entspricht einer Eingangsspannung von ca. 1.9V.
Unbedingt POLUNG der Gerate beachten!
Sie haben es mit hochentzundlichem Knallgas zu tun, also Vorsicht!
Aufgabe 3:
Messen Sie die Kennlinie des Elektrolyseurs, indem Sie die Spannung zwi nderung
schen 0 und ca. 1.75V variieren (I < 1A). Beobachten Sie bei A
der Spannung stets die Variation des Stromes, um stationares Verhalten der
Zelle zu gewahrleisten.
Aufgabe 4:
Bestimmen Sie den Wirkungsgrad des Elektrolyseurs, indem Sie die erzeugte
Gasmenge pro Zeit bestimmen. Stellen Sie dazu am Netzgerat einen konstanten Strom (ca. 500mA) ein und messen Sie das entstandene Wasserstovolumen in Abhangigkeit der Zeit. Dazu mussen Sie mittels der Absperrventile
die Gasabfuhr zur Brennstozelle unterbrechen.
XIII
Alternative Energiequellen
3 EXPERIMENT
Aufgabe 5:
Sie bestimmen nun den von den Randbedingungen abhangigen Wirkungsgrad des Kreislaufs Elektrolyseur-Brennstozelle. Dazu versorgen Sie den
Elektrolyseur mit dem in Aufgabe 4 angelegten Strom und bestimmen die
Eingangsleistung. Nun legen Sie einen variablen Lastwiderstand an die Ausgangsseite der Brennstozelle.
Zuerst messen Sie den stationaren Wirkungsgrad. Dazu warten Sie bei festem
Lastwiderstand solange, bis sich stationares Verhalten eingestellt hat, und
bestimmen dann die Ausgangsleistung.
Nun messen Sie das Verhalten unter nicht stationaren Bedingungen. Dazu
variieren Sie den Lastwiderstand in moglichst aquidistanten und kurzen Zeitintervallen von groen zu kleinen und wieder zu groen Werten. Warten Sie
vor Messbeginn und bei groen Widerstanden zunachst das stationare Gleichgewicht ab. Erklaren Sie, wieso es zum Auftreten einer Hysterese kommt.
Widerstand R liegt zwischen 0 und 3 Ohm (R = 0:1
).
Aufgabe 6:
Bestimmen Sie den Wirkungsgrad des Gesamtsystems Solarzelle-ElektrolysezelleBrennstozelle fue einen an die Brennstozelle optimal angepaten Verbraucher.
Ausstattung
Rechner, Power-CASSY, Sensor-CASSY
Solarzelle
Lampe
Elektrolyseur
Brennstozelle
Variabler Widerstand 0:1
Luxmeter
XIV
10
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Fachrichtungen der Physik
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Gleichstrom
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
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Telefon: 0681/302-58198
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Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: p2H [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
GL 2
Gleichstrom
1. Stoffgebiet
- Stationäre Ströme und Spannungen
- Elektrische Netzwerke
- Kirchhoff'sche Regeln
- Spannungsquellen
- Gleichstrommeßwerke
- Ersatzschaltbilder
- Elektrische Leistung
- Energieumwandlung
2. Literatur
- Gerthsen-C. ,Meschede, D.
Physik
21. Auflage, Springer-Verlag, 2002
- Bergmann-Schäfer
Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 2, Elektromagnetismus
8. Auflage, W. de Gruyter-Verlag, 1999
- CASSY Anleitung ((Auszug) Leybold-Didaktik)
Gleichstrom
GL 3
3. Fragen
1.
Wie sind Strom und Spannung definiert? Man leite das Ohmsche Gesetz aus der
G
G
differentiellen Form j = σ ⋅ E her.
2.
Wie ändert sich ein metallischer Widerstand, wie ein Halbleiterwiderstand mit der
Temperatur? Wie sieht die Kennlinie einer Glühbirne, eines NTC’s oder PTC’s aus?
3.
Welche Wirkungen des elektrischen Stromes können zur Messung der Stromstärke
herangezogen werden und wie sind diese Größen mit der Stromstärke verknüpft? Wie
nennt man die entsprechenden Meßgeräte?
4.
Welche Anforderungen werden an ein ideales Strommeßgerät bezüglich seines
Innenwiderstandes gestellt? Erläutern Sie anhand einer Schaltskizze, wie ein
Strommeßgerät in den Schaltkreis eingefügt wird. Überlegen Sie sich wie die obigen
Anforderungen durch das Power/Sensor Cassys erfüllt wird.
5.
Welche Anforderungen werden an einen idealen Spannungsmesser bezüglich seines
Innenwiderstandes gestellt? Welche Spannungsmeßgeräte kennen Sie und welches von
diesen kommt dem idealen am nächsten? Wie wird die Spannung an einem Widerstand
gemessen (Schaltskizze!)? Wie sieht das Ganze beim Power/ Sensor Cassy aus?
6.
Was versteht man unter elektrischer Arbeit und elektrischer Leistung? Wie sind diese
mit Strom, Spannung und Widerstand verknüpft? Wie läßt sich elektrische Energie in
Wärme, Licht, mechanische Energie und in chemische Energie umwandeln (Beispiele)?
7.
Wie kann man Gleichspannung erzeugen? Welche Gleichspannungsquellen kennen Sie?
8.
Was versteht man unter dem inneren Widerstand einer Spannungsquelle, z.B. eines
galvanischen Elementes?
9.
Man formuliere die Knoten- und die Maschenregel (1. und 2. Kirchhoff'sches Gesetz)
und gebe je ein Beispiel an.
10.
Wie groß muß man den Widerstand Ra eines Verbrauchers wählen, um aus einer
Spannungsquelle mit dem Innenwiderstand Ri
a) die größtmögliche Spannung,
b) den größtmöglichen Strom,
c) die größtmögliche Leistung zu entnehmen?
GL 4
Gleichstrom
4. Grundlagen
G
Wird an einem Stoff ein elektrisches Feld E angelegt, fließt ein Strom
(1)
G
G
j = σ⋅E ,
wobei j die Stromdichte und σ die Leitfähigkeit sind.
Die Leitfähigkeit σ hängt mikroskopisch betrachtet von der Ladung e der freien
Ladungsträger, deren Anzahl n sowie deren Beweglichkeit μ im Kristallgitter ab:
(2)
σ = e⋅ n⋅μ .
In einem Metall sind freie Ladungsträger stets vorhanden; in einem Halbleiter werden sie
durch thermische Energie erzeugt, d.h. die Leitfähigkeit eines Halbleiters wächst stark mit der
Temperatur. Aus obiger Gleichung läßt sich leicht das bekannte Ohmsche Gesetz für einen
homogenen Leiter, dessen Widerstand R nicht von der Spannung abhängt, herleiten:
(3)
U = R⋅I,
wobei I der elektrische Strom durch den Leiter und U der Spannungsabfall längs des Leiters
sind.
Sind Spannung und Strom nicht von der Zeit abhängig, spricht man von Gleichspannung. Die
im Widerstand erzeugte elektrische Leistung ist
(4)
U2
.
P = U⋅ I = R⋅ I =
R
2
Diese wird im Widerstand R komplett in Wärme umgewandelt.
Elektrische Energie hat den Vorteil, daß sie sich mit hohem Wirkungsgrad in andere
Energiearten umwandeln läßt und einfach und umweltfreundlich zu transportieren ist. Ein
entscheidender Nachteil ist die geringe Speichermöglichkeit (Akku, Pumpspeicherwerk).
Nachstehend sind die wichtigsten Energieumwandlungs-möglichkeiten aufgeführt:
Gleichstrom
Umwand mechan. Energie
lung von
mittels
Dynamo,
Mikrofon,
Reibungselektrizi
tät
GL 5
Wärme
Licht
Seebeck-Eff.
Photozelle,
(indirekt: KKW, (Solarzelle)
Kernreaktor)
chemischer
Energie
Galvanisches
Element,
Brennstoffzelle
in elektrische Energie.
Umwandlung von elektrischer. Energie
mittels
Elektromotor,
Lautsprecher
in
mechan. Energie
Joule'sche
Wärme,
Peltiereffekt
Wärme
Leuchtstoffröhre
(indirekt:
Glühbirne)
Licht
Elektrolyse
chemische
Energie
Die Messung eines elektrischen Stromes geschieht durch geeignete Ausnutzung seiner
Wirkungen, z.B. durch Messung einer bei Elektrolyse abgeschiedenen Stoffmenge, durch
Messung der Temperaturerhöhung infolge Joule'scher Wärme (Thermokreuz, HitzdrahtAmpèremeter), durch seine magnetischen Wirkungen (Drehspulinstrumente) oder durch
elektronische Verstärkung und anschließende Digitalisierung der an einem
Präzisionswiderstand abfallenden Spannung. Bei der letztgenannten Methode verwendet man
ein (leicht abzulesendes) Digitalmultimeter mit einem Operationsverstärker (sehr hoher
Eingangswiderstand von 100 MΩ und mehr) und einem Analog-Digital-Wandler (hohe
Auflösung und Geschwindigkeit siehe hierzu das Kapitel über AD/DA Wandler). Zur
Funktion eines Drehspulmeßwerks sei auf die Literatur bzw. auf den Versuch "Magnetismus"
(Teil: Galvanometer) verwiesen. Wir wollen uns im folgenden auf die Schaltung von
Meßinstrumenten in Stromkreisen beschränken. Das Meßwerk eines Drehspulinstruments
liefert einen dem hindurchfließenden Strom proportionalen Ausschlag. Der
Maximalausschlag ist die Grundkonstante Im. Als Amperemeter muß das Instrument direkt in
den Stromkreis geschaltet werden. Es ist zu berücksichtigen, daß jedes Meßwerk einen von
Null verschiedenen Innenwiderstand (Grundkonstante Ri) besitzt und somit selbst den zu
messenden Strom beeinflußt.
GL 6
Gleichstrom
Meßbereichserweiterung:
Ri
U
R
I
Abb. 1: Stromkreis mit Meßwerk
Durch Änderung des Innenwiderstandes läßt sich der Meßbereich des Ampèremeters
erweitern. Schaltet man parallel zum Ampèremeter nochmals den Widerstand Rp= Ri, so fließt
durch das Meßwerk nur noch der halbe Strom; d.h. mit dem Parallelwiderstand Ri kann man
maximal die Stromstärke 2 ⋅ I m messen.
Allgemein ergibt sich für eine Erweiterung des Meßbereichs um den Faktor n für
den Parallelwiderstand:
(5)
Rp =
1
⋅ Ri
n−1
(Strommessung-Meßbereichserweiterung).
Rp
Ri
U
R
Abb. 2: Meßbereichserweiterung des Amperemeters
Gleichstrom
GL 7
Als Voltmeter wird das Instrument in den Nebenschluß gelegt (Abb. 3).
Rv
R
U
Ri
Abb. 3: Meßbereichserweiterung des Voltmeters
Die Maximalspannung, die das Meßwerk messen kann, ergibt sich aus den Grundkonstanten
zu
(6)
Um = R i ⋅ I m .
Da jetzt ein Strom durch den Nebenschluß fließt, werden die Verhältnisse im Hauptkreis
ebenfalls verändert. Man beachte, daß bei Messung von Strom und Spannung mit
Drehspulinstrumenten die zu messenden Ströme und Spannungen beeinflußt werden. Um bei
Messung von Strom und Spannung die Verhältnisse im Kreis nicht wesentlich zu verändern,
muß der Innenwiderstand des Amperemeters klein gegen die Kreiswiderstände sein. Der
Innenwiderstand des Voltmeters soll andererseits sehr groß sein.
Schaltet man beim Voltmeter den Widerstand RV in Serie zu, so wird der Meßbereich um den
Faktor
(7)
n=
Rv + Ri
Ri
(Spannungsmessung-Meßbereichserweiterung)
größer.
Mißt man mit einem Voltmeter die Klemmenspannung Uk einer Batterie, so ist folgendes zu
beachten: Durch den inneren Widerstand RB der Batterie und den Widerstand Ri des
Voltmeters entsteht ein Spannungsteiler.
GL 8
Gleichstrom
S
RB
Batterie
Ri
R
V
A
Uk
U0
Abb. 4: Klemmenspannung Uk und Leerlaufspannung U0 einer Batterie
Dann ist
(8)
U0 = Uk + I ⋅ R B ,
d.h. die Klemmenspannung Uk = U0 − I ⋅ R B ist kleiner als die Leerlaufspannung U0 (auch
Urspannung, früher elektromotorische Kraft (EMK) genannt). Ist aber Ri sehr groß, so wird
der Strom vernachlässigbar klein und Uk ≈ U 0 .
Schließt man in Abb. 4 den Schalter S und mißt mit dem Ampèremeter den Strom, der über R
fließt, so ist der innere Widerstand RB bestimmt durch
(9)
RB =
U0 − Uk
.
I
Betrachtet man die Leistungsaufnahme im Verbraucher R (Pel =U k ⋅ I ) , so stellt man fest, daß
bei
(10)
R = Ri
die Batterie die maximale Leistung abgibt (Leistungs-Anpassung).
Gleichstrom
GL 9
Einschaltvorgänge
Viele elektronische Schaltungen benötigen nach dem Einschalten eine kurze Zeit, bis sie
einen stationären Zustand erreicht haben. Diese Einschalt- bzw. Einschwingzeiten sind auf
die Eingangsimpedanz (ohmscher, kapazitiver und induktiver Widerstand) der Schaltung
zurückzuführen.
Wie sich nun eine Kapazität verhält, wenn man eine Spannung anlegt, soll im folgenden an
einem einfachen Beispiel untersucht werden. Dazu betrachte man folgende Schaltung:
C
RS
CASSY
C = 2.69 μ F
U0 = 39.4 V
RS = Eingangswiderstand
des CASSY‘s
U0
Abb. 5: Meßaufbau zur Bestimmung des Ein- und Ausschaltvorgangs
Nach der Maschenregel gilt
(11)
U0 =
Q( t )
+ RS ⋅ I ( t ) .
C
Daraus folgt
(12)
I ( t ) = I ( 0) ⋅ e− t / RS C .
Leiten Sie die Gleichungen (11) und (12) her.
Für die Spannung am Widerstand RS ergibt sich dann:
(13)
UR S ( t ) = URS ( 0) ⋅ e− t / RS C .
Welche Spannung UC(t) am Kondensator ergibt sich daraus?
GL 10
Gleichstrom
5. Versuchsdurchführung
Leiten Sie die Gleichungen (5), (7) und (10) her.
Aufgabe 1: Kennlinien
Bestimmen Sie die Kennlinie eines ohmschen Widerstands, einer Glühlampe, eines NTC
sowie eines PTC Widerstands.
Aufgabe 2: Innenwiderstand einer Spannungsquelle
Aufgabe 2.1:
a) Man bestimme den Innenwiderstand und die Leerlaufspannung U0 der Batterie ohne
Zusatzwiderstand für verschiedene Lastwiderstände R = 10, 20, 30, 40, 50, 60 Ω. Messen Sie
die Klemmenspannung Uk an R, berechnen Sie daraus den Strom I und tragen Sie die
Meßpunkte in einem Uk=Uk(I)-Diagramm auf. Aus der Steigung und dem y-Achsenabschnitt
der Bestgeraden erhält man nach Gleichung (8) U0 und RB .
b) Bestimmen Sie ebenso den Innenwiderstand und die Leerlaufspannung der Batterie mit
Zusatzwiderstand.
c) Wie groß sind die Kurzschlußströme der Batterie für a) und b)?
Vorsicht: Drücken Sie den Taster stets nur kurzzeitig, um die Batterie nicht zu sehr zu
belasten!
Aufgabe 2.2:
Die Anpassung eines Verbrauchers R an die Spannungsquelle ist experimentell zu
bestimmen: Es wird die Batterie mit dem größten Innenwiderstand (Aufgabe 2.1b)) benutzt.
Der Lastwiderstand R wird zwischen 10 kΩ und 0 Ω variiert.
Man zeichne die Funktion P = P(R).
Gleichstrom
GL 11
Aufgabe 3: Einschaltvorgänge
Aufgabe 3.1:
Mit Hilfe des Cassy‘s, welches so geschaltet wird, daß sein Eingangswiderstand den
Widerstand RS darstellt, realisiere man die in Abb. 5 angegebene Schaltung und nehme die
URS ( t ) -Kennlinie für den Lade- und Entladevorgang auf.
Aufgabe 3.2:
Aus Gleichung (13) folgt:
(14)
ln URS ( t ) = −
1
⋅ t + ln URS ( 0)
RS C
Man trage ln URS ( t ) gegen t auf und bestimme aus der Steigung den Eingangswiderstand RS des Cassy’s und vergleiche diesen mit der technischen Spezifikation. Aus
dem Achsenabschnitt berechne man mittels Interpolation den Einschaltstrom
I(0) = URS ( 0) / RS .
Aufgabe 3.3:
Die folgende Abbildung stellt eine zu Abb. 5 analoge Schaltung für einen Einschaltvorgang
mit einer Induktivität L dar.
L
L = Induktivität
RL= 280 Ω (Ohmscher
Widerstand
der Spule)
R = 20 Ω (Vorwiderstand)
RL
R
RS
CASSY
U0
Abb. 7: Messung des Einschaltvorgangs (Induktivität)
Aus Aufgabe 3.2 geht hervor, daß RS>>R ist; daher kann RS vernachlässigt werden.
Berechnen Sie aus der Maschenregel den Verlauf der Spannung UR(t) für den
Einschaltvorgang!
Hinweis: RL+ R = R' bildet einen Spannungsteiler. Man berechne zuerst UR'(t) und mit Hilfe
des Teilverhältnisses dann UR(t).
Wie groß muß die Induktivität L sein, wenn UR(t) nach 2 Sekunden auf den Wert
UR ( t = 2 s) = UR ( 0) ⋅ (1 − 1 / e) angestiegen ist?
GL 12
Gleichstrom
Aufgabe 3.4:
Skizzieren Sie den Verlauf der Spannungen UL(t) bzw. UC(t) an der Spule bzw. am
Kondensator als Funktion des Rechtecksignals in Abb. 8.
U
U0
t
Abb. 8: An RC- bzw. RL-Serienschaltung angelegtes Rechtecksignal
Was stellt man fest, wenn man UC(t) bzw. UL(t) und die jeweils dazugehörige Funktion UR(t)
addiert (grafisch) ?
6. Versuchsausstattung
- 1 Batterie mit umschaltbarem Innenwiderstand und Taster
- 1 Widerstandsdekade 0. . . 111 Ω
- 1 Widerstandsdekade oder 1 veränderlicher Widerstand 0 . . . 10 kΩ
- 1 Schaltbrett mit 3 Widerständen
- 1 Schaltbrett mit Netzteil, Kondensator und Umschalter
- CASSY Lab
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Wechselstrom
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Herbert Wolf
Zimmer: 1.13, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-2038
2H
Version 3 (4/2013 MD)
WS 2
Wechselstrom
1. Stoffgebiet
- Komplexe Darstellung von Wechselspannungen und -strömen
- Komplexe Widerstände (Zeigerdiagramme)
- Wechselstromnetzwerke
- Elektrische. Resonanzen
- Wechselstromleistung
- Freie Ladungsträger
2. Literatur
- H. Vogel
Gerthsen Physik
22., neu berarb. Aufl. 2004, Springer-Verlag
- Bergmann/Schäfer
Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 2: Elektromagnetismus
8. Auflage 1999, Walter de Gruyter
Wechselstrom
WS 3
3. Fragen
1. Welche Kräfte wirken auf ein Elektron, das sich in einem elektrischen Feld bewegt? Welche auf ein ruhendes und ein bewegtes geladenes Teilchen in einem magnetischen Feld?
Welche kinetische Energie gewinnt es beim Durchlaufen der Felder?
2. Wie kann man mit dem Oszillografen den zeitlichen Verlauf von Spannungen messen.
Welche Modifikationen müssen am Oszilloskop erfolgen um Ströme messen zu können?
Wie realisiert man solche Messungen mit dem Cassy Lab.
3. Wie kann man Wechselspannungen bzw. -ströme erzeugen? Durch welche physikalischen
Größen sind sie bestimmt? Wie ist der Effektivwert Ueff einer Wechselspannung U(t) definiert? Berechnen Sie als Beispiel Ueff der in Abb. 1 gegebenen Sägezahnspannung!
Abbildung 1 : Sägezahnspannung
4. Erläutern Sie elektrische Wirk-, Blind- und Scheinleistung anhand der beiden in Aufgabe
1 gegebenen Schaltkreise. Wozu können diese Schaltungen verwendet werden?.
5. Skizzieren Sie Impedanz Z( ω ) und Phasenverschiebung ϕ bei Serien- und Parallelresonanz als Funktion der Kreisfrequenz. Zu welchen Zwecken werden solche Schaltkreise
gebraucht?
6. Leiten Sie aus der Parameterdarstellung x = x 0 ⋅ sin(ωt ) , y = y 0 ⋅ sin(ωt + ϕ ) die Ellipsengleichung
x2
y2
x y
+
−
2
⋅
⋅
⋅ cos ϕ − sin 2 ϕ = 0
2
2
x
y
x0 y0
0
0
explizit her.
7. Bestimmen Sie aus den gegebenen Werten Uxo, Uyo, a und b von Aufgabe 1 die Impedanz
|Z( ω )|, den Phasenwinkel ϕ sowie die Wirkleistung Pw an R?
WS 4
Wechselstrom
8. Berechnen Sie die Impedanz Z( ω ) des Netzwerkes aus Aufgabe 2. Vernachlässigen Sie
dabei R (da R<< R1 ). Berechnen Sie ferner jeweils Z'=Re(Z) und Z''= Im(Z) für die 3 Ext1
remalfälle ω → 0 , ω =
und ω → ∞ und tragen Sie die 3 Punkte in der komplexen
R2C ⋅
Ebene (|Z''| als Funkion von |Z'|) auf. Welcher Teil einer geschlossenen Kurve (Ortskurve), wird durch die Punkte beschrieben?
9. Berechnen Sie das sogenannte Übertragungsverhältnis Ua/Ue der drei Netzwerke aus Aufgabe 4. Ermitteln Sie Nullstellen, Polstellen und Asymptoten und skizzieren Sie die Funktionen!
Speziell: Welche Werte für ω erhält man für die Polstellen mit C=1 µ F und L=13mH?
10. Berechnen Sie das Übertragungsverhältnis Ua/Ue des in Ab. 2 dargestellten Vierpols und
diskutieren Sie den Verlauf in Abhängigkeit von ω . Berechnen Sie die Breite ∆ω des Bereiches mit U 2 = U1 / 2 gilt! Wovon hängt ∆ω ab und wozu kann diese Schaltung
eingesetzt werden?
Abbildung 2: Vierpol
4. Grundlagen
4.1 Aufbau und Funktionsweise eines Zweistrahloszillografen
Abbildung 3:Schnittbild einer Oszillografenröhre
1) Kathodenheizung
2) Kathode
3) Fokussiereinrichtung
4) Anode
5) Y-Ablenkplatten
6) X-Ablenkplatten
7) Nachbeschleuniger
8) Leuchtschirm
Wechselstrom
WS 5
Abbildung 4:Blockschaltbild des Oszillografen
und zeitlicher Verlauf der Spannnung
U1:
T:
Eingangssignal (hervorgehoben gezeichnet: Signal, das auf dem
Bildschrim erscheint)
Strahllaufzeit von Bildschirmrand zu Bildschirmrand
Moderne Oszillografen bestehen aus mehreren Baugruppen, deren Bedeutung kurz erläutert
werden soll:
Um sich den Aufbau der Oszillografenröhre und den zeitlichen Verlauf der verschiedenen
Spannungen zu verdeutlichen, betrachte man Abb. 3 und Abb. 4.
1) Der Kern eines Oszillografen ist die Oszillografenröhre. Aus einer geheizten Kathode treten Elektronen aus und bilden eine Raumladungszone um die Kathode. Aus dieser Raum-
WS 6
Wechselstrom
ladungszone werden die Elektronen durch ein elektrisches Feld zur Anode hin beschleunigt und durch eine Fokussiereinrichtung zu einem dünnen Strahl gebündelt. Dieser
Strahl passiert eine Bohrung in der Anode und gelangt in das Ablenksystem. Das Ablenksystem besteht aus zwei um 90° gegeneinander versetzte Plattenkondensatoren. Dort wird
der Strahl in jedem Kondensator jeweils um einen Winkel α abgelenkt, zum einen in xRichtung, zum anderen in y-Richtung.
(1)
UA:
l:
UB:
d:
Es gilt: tan α =
UA ⋅l
.
2 ⋅U B ⋅ d
Ablenkspannung an der jeweiligen Kondensatorplatte.
Länge der Bahn innerhalb der Kondensatorplatten.
Beschleunigungsspannung zwischen Anode und Kathode.
Abstand der jeweiligen Ablenkplatten.
Moderne Zweistrahloszillografen besitzen entweder zwei getrennte Elektronenstrahlquellen und zwei Ablenkeinheiten, oder die Ablenkeinheit wird abwechselnd den beiden Signalquellen "zugeteilt". Durch die Trägheit des Auges erscheinen dann die beiden Signale
als stehende Bilder. Nachdem der Strahl die Ablenkeinheit passiert hat, werden die Elektronen durch eine zweite Anode nachbeschleunigt, wodurch die Auflösung des Bildes verbessert wird. Am Ende treffen sie auf dem Leuchtschirm der Röhre auf.
Zum Betrieb der Heizung, der Anode, des Nachbeschleunigers und der Fokussiereinrichtung sind eine Reihe von Baugruppen vorhanden, auf die hier nicht weiter eingegangen
werden soll.
2) Die an den Eingängen anliegenden Spannungssignale werden zunächst von einem einstellbaren Vorverstärker verstärkt. Zusätzlich wird ihnen eine Gleichspannung (sogenannter Offset) überlagert. Damit läßt sich die Lage der Signale auf dem Bildschirm verändern. Wünscht man einen X-Y-Betrieb, so wird ein Spannungssignal an den YAblenkkondensator gelegt, das andere an den X-Ablenkkondensator.
3) Will man den Oszillografen im x-t-Betrieb nutzen, so wird an den Y-Ablenkkondensator
ein verstärktes Spannungseingangssignal gelegt. Um ein stehendes Bild zu erhalten, benötigt man ein zweites Signal, das dieselbe Frequenz oder ein Vielfaches der Frequenz des
Eingangssignales besitzt. Dieses Signal liefert der Triggeroszillator (Trigger). Überschreitet das Signal eine einstellbare Amplitude (Trigger-Level) innerhalb einer bestimmten
Zeit (die von der Zeitbasis vorgegeben wird), so erzeugt der Triggeroszillator einen kurzen Synchronisationspuls. (Triggerimpuls)
4) Sobald der Triggerimpuls U 2 am Eingang U 3 der Zeitbasis erscheint, beginnt diese, die
Spannung am X-Ablenkkondensator linear mit der Zeit zu erhöhen. Die Steigung dieser
Sägezahnspannung ist einstellbar und ergibt den Zeitmaßstab auf der x-Achse. Hat die
Sägezahnspannung eine bestimmte Amplitude erreicht (d.h. etwa den rechten Bildschirmrand), so geht sie auf null zurück, der Strahl wird dunkelgetastet und läuft unsichtbar zum
linken Bildschirmrand zurück. Der Triggeroszillator wird freigegeben und erreicht das
Eingangssignal wieder den Trigger-Level, wird die Zeitbasis von neuem getriggert.
Dadurch wird gewährleistet, daß auf dem Oszillografenbildschirm immer ein stehendes
Bild erscheint, da altes und neues Bild auf dem Bildschirm immer übereinanderliegen.
Wechselstrom
WS 7
Durch die Trägheit des Auges erscheint dann auf dem Bildschirm eine durchgehende Linie.
Im Experiment wird die Kombination Power / Sensor – CASSY verwendet mit digitalem
Input / Output. Der Computermonitor stellt ebenfalls eine Braun’sche Röhre dar. Das zum
Oszilloskop Gesagte ist wichtig, da es immer noch zur Standardausrüstung im Labor gehört,
und gerade für hohe Frequenzen Vorteile gegenüber digitalen Systemen mit sich bringt. Im
Übrigen werden auch in anderen Teilen des Grundpraktikums Oszilloskope eingesetzt (Akkustik, Transistor, Digitalelektronik, Franck–Hertz).
4.2 Wechselstromrechnung
Bei Wechselstromkreisen gibt es außer ohm'schen Widerständen sogenannte Blindwiderstände, die als Speicher für elektromagnetische Energie dienen und diese mit einer Phasenverschiebung von 90° an die Stromquelle zurückgeben. Mit Hilfe komplexer Zahlen läßt sich die
Wirkung dieser Blindwiderstände formal durch ein ohm'sches Gesetz beschreiben. Somit lassen sich selbst komplexe Netzwerke aus Blind- und Wirkwiderständen mit Hilfe der Kirchhoff'schen Regeln berechnen.
Man trifft folgende Zuordnung:
(2)
(3)
(4)
ohm'scher Widerstand Rω = R
induktiver Widerstand RL= i ω L
1
i
kapazitiver Widerstand R C =
=−
ωC
iωC
Der resultierende komplexe Widerstand eines solchen Netzwerkes ist im allgemeinen eine
komplexe Funktion der Kreisfrequenz ω und wird als Impedanz Z( ω ) bezeichnet.
Legt man an eine Impedanz eine sinusförmige Wechselspannung der Amplitude Uo an, so
fließt durch die Impedanz ein ebenfalls sinusförmiger Wechselstrom, der um einen Phasenwinkel ϕ gegen die Spannung verschoben ist.
Teilen wir die Impedanz Z in einen Realteil Z'=Re(Z) und einen Imaginärteil Z''=Im(Z) auf, so
daß Z = Z′+ i ⋅ Z′ ′ , gelten folgende Beziehungen:
(5)
(U 0 / I 0 )2 = Z′ 2 + Z′ ′ 2 , tan ϕ = Z′ ′ / Z′
(6)
Z′ = U 0 / I 0 ⋅ cosϕ , Z′ ′ = U 0 / I 0 ⋅ sin ϕ
Die mittlere elektrischeLeistung, die in einer solchen Impedanz umgesetzt wird, ergibt sich
bei sinusförmigen Wechselspannungen zu :
T
(7)
1
P = ⋅ ∫ U( t ) ⋅ I( t ) ⋅ dt = U eff ⋅ I eff ⋅ cosϕ
T 0
Die Effektivwerte der sinusförmigen Ströme und Spannungen sind:
I eff = I 0 / 2 ; U eff = U 0 / 2
WS 8
Wechselstrom
4.3 Dämpfung und Pegel
Neben der Darstellung der Größen U, I und Z in ihren physikalischen Einheiten sind auch
Darstellungen üblich, bei denen nur Verhältnisse von Größen angegeben werden. Diese Verhältnisse sind dimensionslose Größen, jedoch wird durch eine Bezeichnung gekennzeichnet,
auf welche Weise das Verhältnis gebildet wurde. Die Größe im Nenner ist die Bezugsgröße.
Ist diese Größe nicht normiert, spricht man von Pegel. Man definiert:
Leistungsdämpfung:
Spannungsdämpfung:
v = 10 log P1/P2,
v = 20 log U1/U2,
Einheit: dB,
Einheit: dB.
Bei Pegelangaben (in Form von Spannungen) ist ein absoluter Bezugspunkt von 0.775V (= 0
dBm) üblich. Bei allen derartigen absoluten Pegelangaben wird ein Zusatz "m" an die dBAngabe angehängt. Das "m" rührt daher, daß bei einem Lastwiderstand von 600 Ω ein Leistungsabfall von P2 = 1 mW gerade eine Spannung von 0.775V erfordert. Der Wert für den
Lastwiderstand von 600 Ω hat historische Ursprünge.
4.4 Darstellung komplexer Funktionen
Betrachten wir eine komplexe Funktion Z( ω ), so sind verschiedene Darstellungsmethoden
üblich:
1)
2)
3)
Ortskurve (Zeigerdiagramm)
Wir schreiben die Impedanz als Z = Z'+ i Z'' und tragen Z' auf der x-Achse ab, Z'' auf
der y-Achse. Die Frequenz ist dabei der Parameter, durch dessen Änderung man eine
geschlossene Kurve erhält.
Frequenzgang
Wir schreiben die Impedanz als Z = Z ⋅ e iϕ ; Z ist der Betrag der Impedanz, also die
Wurzel aus der Summe der Quadrate von Real- und Imaginärteil. Aufgetragen werden
in dieser Darstellung Z und ϕ als Funktion der Kreisfrequenz.
Bode-Plot
Beim Bode-Plot werden die Dämpfung und der Phasenwinkel einer Größe als Funktion von log( ω ), dem Zehnerlogarithmus der Kreisfrequenz, aufgetragen. Man verwendet zur grafischen Darstellung meist eine semilogarithmische. Darstellung.
Welche Auftragungsart man wählt, hängt vom jeweiligen Problem ab, jedoch ist eine logarithmische Auftragung empfehlenswert, wenn eine Größe im betrachteten Bereich sich stark
ändert.
4.5 Messungen mit dem Zweistrahloszillografen und CASSY
Legt man an die Eingänge eines Zweistrahloszillografen oder CASSY zwei sinusförmige
Spannungen mit den Scheitelwerten U1 und U2, der Kreisfrequenz ω 1 und ω 2, die um den
Winkel ϕ zeitlich gegeneinander verschoben sind, so lassen sich diese Größen direkt gemäß
Abb. 5 vom Oszillografenschirm ablesen.
Dazu beachtet man zunächst, daß Zeitbasis und Eingangsverstärkung geeicht sind und liest die
entsprechenden Strecken auf dem Bildschirm ab.
Wechselstrom
WS 9
2π ⋅ l1
, die anderen Größen
l2
durch Multiplikation mit den entsprechenden Faktoren. Zu beachten ist vorallem, daß der
Nullpunkt beider Kurven bekannt ist und auf dem Bildschirm übereinander liegt.
Den Phasenwinkel ϕ im Bogenmaß erhält man dann als ϕ =
Abbildung 5: Messung mit dem Zweistrahloszillografen
Bemerkungen:
Im Gegensatz zum Oszillographen fallen beim Cassy Lab die Eichung weg.
Die Auswertemethode ist jedoch identisch.
4.6 Messungen nach der Ellipsenmethode (Oszilloskop / CASSY)
Legt man an die Eingänge eines X-Y-Oszillografen oder an die entsprechenden Eingänge des
Power/ Sensor Cassys zwei Spannungen mit dem zeitlichen Verlauf
U x ( t ) = U x 0 ⋅ sin(ωt ) und U y ( t ) = U y 0 ⋅ sin(ωt + ϕ ) ,
so entsteht aus der Überlagerung dieser Spannungen auf dem Bildschirm eine Ellipse. Rechnerisch erhält man diese Ellipse, indem man in den obigen Gleichungen die Zeit eliminiert.
U 2x
U 2y
Ux Uy
+
−
2
⋅
⋅
⋅ cos ϕ − sin 2 ϕ = 0
2
2
Ux0 Uy0
Ux
Uy
0
0
Aus dieser Ellipse lassen sich die Amplituden U x 0 , U y 0 und der Phasenwinkel ϕ bestimmen. Zunächst legt man auf dem Oszillografenschirm ein Koordinatensystem fest und eicht
die Achsen. Hierbei wähle man die Koordinatenachsen so,daß die Ellipse den Bildschirm
möglichst ausfüllt, um mögliche Ablesefehler klein zu halten. Dann bestimmt man die
Amplituden U x 0 und U y 0 aus der maximalen X- bzw. Y-Ablenkung. Den Phasenwinkel
kann man aus den Schnittpunkten a und b der Ellipse mit den Achsen bestimmen (vgl. Frage 8
und Abb.6).
WS 10
Wechselstrom
Abbildung 6: Messung nach der Ellipsenmethode
Zur Bestimmung von ω schaltet man den Oszillografen in den x-t-Betrieb und liest die Periodendauer T auf der x-Achse ab.
2π
.
Es gilt folgende Beziehung: ω =
T
Überlegen Sie sich die Schaltung mit dem Sensor / Power Cassy!
5. Versuchsdurchführung
Aufgabe 1:
Gegeben sind zwei Wechselstromwiderstände in Form der Serienschaltung eines Widerstandes R und eines Kondensators C bzw. einer Spule L:
Abbildung 7: RC- und RL- Serienkreis (R=100 Ω, C=1µF, L=13 mH)
Messen Sie nach der Ellipsenmethode U x 0 , U y 0 , a und b für mindestens 20 verschiedene
Frequenzen zwischen 100 Hz und 4 kHz.
Berechnen Sie daraus die Impedanz |Z| und den Phasenwinkel ϕ (siehe Frage 8).
Zeichnen Sie den Frequenzgang (|Z| bzw. ϕ als Funktion der Kreisfrequenz ω ).
Bestimmen Sie den Pegel der im Widerstand umgesetzten Wirkleistung und tragen Sie ihn als
Funktion der Kreisfrequenz ω in der gleichen Grafik auf. Verwenden Sie am besten drei verschiedene Farben!
Wechselstrom
Hinweis:
WS 11
Pegel v= 10 ⋅ l o g
Pw
1 mW
mit Pw = U eff ⋅ I eff ⋅ cos ϕ =
Ux0
2
⋅
Uy0
2 ⋅R
⋅ cos ϕ
Aufgabe 2:
Gegeben ist ein Netzwerk der folgenden Form, wobei R1, R2 und C unbekannt sind. (R dient
lediglich der Strommessung und kann wegen R<<R1 vernachlässigt werden.)
Abbildung 8: Unbekanntes Netzwerk (R= 100 Ω)
Messen Sie Ux und Uy sowie den Phasenwinkel ϕ für Frequenzen von 20 Hz bis 2.5 kHz (von
20 Hz bis 200 Hz in 20-Hz- Schritten, von 200 Hz bis 1 kHz in 200-Hz-Schritten und von 1
kHz bis 2.5 kHz in 500-Hz-Schritten.) Achten Sie auf die korrekte Messung von ϕ , da die
Winkel nur sehr klein sind.
Tragen Sie |Z''| = |Im(Z( ω ))| als Funktion von |Z'| = |Re(Z( ω ))| - komplexe Ebenendarstellung
- auf und bestimmen Sie durch Extrapolation ( ω → 0 und ω → ∞ ) R1 und R2 sowie die Relaxationsfrequenz ω 1 und daraus C. (Vgl. Frage 9, R kann wieder vernachlässigt werden!)
Aufgabe 3:
Realisieren Sie einen Frequenz-Durchlassfilter (Abb. 9), bei dem U 2 / U1 = 1 ist, bei einer
Frequenz von etwa f=500 Hz und dessen Frequenzbreite ∆ω ca. 1000 Hz beträgt. Messen Sie
den von Ihnen gebaute Filter aus.
Abbildung 9: Vierpol
WS 12
Wechselstrom
Aufgabe 4:
Abbildung 10: Tief-, Band und Hochpaß (C= 1µF, L= 13mH)
Berechnen Sie für die gezeigten Vierpole das Übertragungsverhältnis |Ua/Ue| sowie die Phasenverschiebung zwischen beiden Spannungen als Funktion der Frequenz.
(Hinweis: In vielen Büchern zum Thema Elektronik / E-Technik werden solche Schaltungen
unter dem Stichwort „Vierpoltheorie“, „Kettenschaltungen von Vierpolen“ behandelt.)
6. Versuchsausstattung
- 1 Sensor CASSY
- 1 Power-CASSY
- 1 Oszilloskop
- 1 Schaltbrett mit Kondensatoren, Widerständen und Spulen
- Computer
- Drucker
- CASSY® Lab
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Magnetismus
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
Dr. Herbert Wolf
Zimmer: 1.13, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-2038
2H
Version 2 (5/2013 HK, MD)
2
Magnetismus
Ziel des Versuchs
Einführung in die Grundlagen der Erzeugung von Magnetfeldern und deren Messung durch
eine Probespule (Pick-up-Spule). Transformatoren werden in allen Bereichen der Elektrotechnik eingesetzt. Ziel des Versuchs ist es, die grundlegenden Eigenschaften der Spannungsund Stromtransformation kennenzulernen.
1.
Fragen
1. Was sind Dia-, Para- und Ferromagnetismus?
2. Welche Kräfte wirken auf ein Elektron, das sich in einem magnetischen Feld bewegt? In
welche Richtung wird es abgelenkt und welche Energie gewinnt es dabei?


3. Wie sind die magnetische Feldstärke H , die magnetische Flussdichte B und der magnetische Fluss Φ miteinander verknüpft? Welche Einheiten haben sie?

4. Wie berechnen Sie aus der gegebenen Messgröße I die magnetische
Feldstärke
und aus
H

Uind den magnetischen Fluss Φ und die magnetische Flussdichte B ? Wie lässt sich µ0 mit
den errechneten Größen darstellen? (Hinweis: Gln. (2), (4), (5), (8) und(9))
5. Zeichnen Sie das Ersatzschaltbild einer Spule, die an eine Spannungsquelle angeschlossen
ist. Leiten Sie aus der Maschenregel die Formel für den Ausschaltvorgang her.
6. Wie transformieren sich beim Transformator Wechselspannungen und Wechselströme?
Wie verhält sich der Transformator gegenüber einer Gleichspannung?
7. Was versteht man unter dem Innenwiderstand eines Instrumentes?
8. Diskutieren Sie die Energieverhältnisse auf der Primär- und Sekundärseite eines idealen
Transformators. Was versteht man unter einem Wirkungsgrad?
9. Nennen Sie drei Beispiele für Magnetfelder in der Technik.
2.
Einführende Literatur
• D. Meschede, Gerthsen Physik
24. Auflage (Springer-Verlag, Heidelberg 2010)
Kap. 7.7 -7.9
•
W. Demtröder, Experimentalphysik 2 Elektrizität und Optik
6. Auflage (Springer-Verlag, Heidelberg 2013)
Kap. 3 – 5
Magnetismus
3
3.
Grundlagen
3.1
Eigenschaften von Magnetfeldern
Nach der 1. Maxwell’schen Gleichung erzeugt jeder elektrische Strom ein Magnetfeld:
 
 
∫ jd A = ∫ Hds
(1)
A


Dabei ist j die durch die Fläche dA hindurch tretende Stromdichte und H das Magnetfeld

längs des Linienstückes ds . Die Einheit von H ist A/m. Mit dem Magnetfeld H ist die materialabhängige Induktionsflussdichte verknüpft:


(2)
B = µµ0 H
µ ist die magnetische Permeabilität, µ0 = 1/(ε0c2) = 1.2566×10-6 Vs/Am ist die Induktionskonstante. Für dia- und paramagnetische Stoffe ist µ ≈ 1, für ferromagnetische Stoffe ist µ >>
1 und feldabhängig. Dann gilt:
 
  
(3)
B=
H
µ0 H + M H
( )
( )
Dieser
  Zusammenhang spiegelt sich in dem Auftreten einer magnetischen Hystereseschleife
B ( H ) wider.
Die 2. Maxwell’sche Gleichung liefert nun den Zusammenhang mit der durch eine magnetische Flussänderung induzierten Spannung Uind:

U ind = −Φ
(4)
Die für die Induktion relevante Größe ist der magnetische (Induktions-)Fluss
Φ. Er ist defi
niert durch die eine Fläche durchsetzende Induktionsflussdichte B
 
(5)
Φ =∫Bd A
A
Man kann also elektrische Spannung erzeugen, indem man das Magnetfeld ändert oder indem
man die Fläche ändert, die das Magnetfeld durchsetzt (z.B. Elektromotor).
Schließlich erzeugt ein Magnetfeld (genauer eine Induktionsflussdichte) eine Kraft (Lorentzkraft) auf eine bewegte Ladung (d.h. einen elektrischen Strom). Auf ein Elektron wirkt die
Kraft

 
(6)
F=
−ev × B

bzw. auf jedes Längenelement dl eines stromdurchflossenen Leiters die Kraft
 

(7)
=
F Idl × B
Dieser Effekt wird in Drehspulinstrumenten ausgenutzt. Eine Leiterschleife erfährt eine Lorentzkraft, wenn sie sich in einem Magnetfeld befindet und von einem Strom I durchflossen
wird. Das erzeugte Drehmoment auf die Leiterschleife ist auch bei kleinsten Strömen gut
messbar. Drehspulmesswerke gelten auch heute noch als hochempfindliche Instrumente,
wenn sie auch wegen ihrer Anfälligkeit gegen unsachgemäßen Gebrauch kaum noch benutzt
werden.
3.2
Transformator
Bei Transformatoren macht man sich die Eigenschaft zunutze, dass ein Wechselstrom durch
eine Spule (Primärspule) ein zeitlich veränderliches Magnetfeld und damit eine Induktions-
4
Magnetismus
spannung erzeugt. Bringt man eine zweite Spule (Sekundärspule) in das Feld der ersten, so
 zu
wird in ihr ebenfalls eine Spannung induziert. Um eine größtmögliche Flussänderung Φ
erreichen, wählt man ein ferromagnetisches Material, das eine hohe Permeabilität µ besitzt.
Dieses bringt man als Kern in die Spule, da dort das B-Feld am größten ist. Die zweite Spule
setzt man ebenfalls auf diesen Kern (s. Titelbild).
Es soll zunächst der unbelastete Transformator betrachtet werden. Legt man bei offener Sekundärseite an die Primärwicklung eine Spannung U1 (t ) = U1 sin(ωt ) an, dann gilt:
B (t ) = µµ0
n1
I (t )
l
Φ1 (t ) =
B(t ) A
mit: n1 :
l:
A:
(8)
(9)
Windungszahl
Länge der Spule
Fläche einer Windung (Beachte: eine Spule hat n Windungen!)
Infolge dieses Flusses wird in der Primärspule die Spannung
 1(t )
U ind (t ) = −n1 Φ
(10)
induziert. Aus der Maschenregel folgt für die Eingangsseite des unbelasteten Transformators
 1(t )
U1 + U ind (t=
) 0 bzw. U=
n1 Φ
1
(11)
Mit den Gln. (8), (9) und (11) ergibt sich für den Strom I1 also
I1 (t ) = −
U1
cos(ωt )
ω L1
(12)
n12
A
l
(13)
wobei L1 die Induktivität der Spule ist:
L1 = µµ0
Beim idealen Transformator ohne Last sind Strom und Spannung um 90° phasenverschoben
und die Leistungsentnahme ist Null, da
=
Peff
1
=
U (t ) I (t )dt 0
2∫
(14)
Die Flussänderung induziert aber auch in der Sekundärspule mit n2 Windungen eine Spannung
 1(t )
U 2 (t ) = −n2 Φ
(15)
Die Spannungen am unbelasteten Transformator verhalten sich also wie
U1
n
= − 1
U2
n2
(16)
Betreibt man den Transformator jetzt sekundärseitig mit einer Last, so fließt ein Sekundärstrom I2 = U2/RL, der nun seinerseits wieder einen magnetischen Fluss Φ2 im Eisenkern zur
Folge hat. Dieser ist zu dem von I1 erzeugten Fluss um 90° phasenverschoben. Er überlagert
sich mit Φ1 zu dem Gesamtfluss Φ = Φ1 + Φ2, der eine Phasenverschiebung 0 < ∆ϕ < 90°
gegenüber der Eingangsspannung U1 hat. Es fließt ein Wirkstrom und es gilt
Magnetismus
5
1
Peff = U1 I12 + I 22 cos(ϕ − ∆ϕ ) mit tan(∆ϕ ) = Φ 2 / Φ1
2
(17)
Zur quantitativen Beschreibung des idealen Transformators mit beliebiger Last der Impedanz
Z geht man wie folgt vor: Man definiert sich eine gegenseitige Induktivität L12. Diese beschreibt den Einfluss der einen Spule auf die andere. Dazu führt man den Kopplungsgrad
=
k
L12
L1 L2
mit 0 < k < 1
(18)
U1 =iω L1 I1 + iω L12 I 2 + Re I1
(19)
U2 =
ZI 2 =
−iω L12 I1 − iω L2 I 2
(20)
ein. Damit gilt
Dieses Gleichungssystem muss dann für die jeweilige Impedanz Z bzw. die Eingangswiderstände Re berechnet werden. In der Realität kommt noch ein (nichtlinearer) Anteil des Kerns
sowie Verluste durch Streufelder und Wirbelströme hinzu. Setzt man den Kopplungsgrad k =
1 und L1 = L2 = L, dann sieht man, dass sich der im unbelasteten Fall allein durch die Primärseite fließende Strom jetzt auf Primär- und Sekundärseite verteilt und für das Verhältnis I1/I2
gilt
I1
Z
=
−1
I 2 iω L
(21)
Des Weiteren sind die Spannungen auf beiden Seiten betragsgleich, haben aber umgekehrte
Vorzeichen. Allgemein gilt für die Spannungen auf Primär- und Sekundärseite
U2
L12
= −
2
U1
L1 − iω (k − 1) L1 L2 / Z
(22)
Die Wirkleistung auf der Primärseite ist beim idealen Transformator gerade so bemessen, dass
sie die sekundäre Belastung ausgleicht
U1eff I1eff cos(ϕ1 ) = U 2 eff I 2 eff cos(ϕ 2 )
(23)
mit ϕ1 , ϕ2 der Phasenverschiebung auf der Primär- bzw. Sekundärseite. Schließt man die Sekundärseite eines Transformators kurz, wird die Belastung sehr groß und es gilt
I1 n2
=
I 2 n1
(24)
6
Magnetismus
4.
Versuchsdurchführung
4.1
Induktionsspule
Aufgabe 1:
Messen Sie den zeitlichen Verlauf des Stromes I(t) durch die Feldspule. Legen Sie dazu eine
asymmetrische Rechteckspannung mit 20 Hz (U0 = 3 V) an die Spule und zeichnen sowohl
U(t) als auch I(t) auf. Schätzen Sie das Verhältnis L/R ab, indem Sie den Verlauf von I(t)
auswerten und mit dem theoretischen Verlauf (Ein- und Ausschaltvorgang) vergleichen.
Aufgabe 2:
Messen Sie nun den zeitlichen Verlauf der induzierten Spannung Uind in der Pick-up-Spule,
die sich im Inneren der Feldspule befindet. Bestimmen Sie daraus den magnetischen Fluss Φ
in der Pick-up-Spule.
Aufgabe 3:
Bestimmen Sie die magnetische Induktionskonstante µ0. Durch den magnetischen Fluss Φ
können Sie B(H) berechnen und gegen H auftragen. Aus der Steigung können Sie dann µ0
bestimmen.
Daten der Spulen:
Feldspule: Länge l = 20 cm, n1 = 1145 Windungen
Pick-up-Spule: Querschnittsfläche A = 3.37 cm2, n2 = 3000 Windungen
4.2
Transformator
Aufgabe 4:
Messen Sie die Hystereseschleife des Weicheisenkerns eines Transformators, indem Sie den
magnetischen Fluss Φ in der Sekundärseite in Abhängigkeit des durch die Primärseite fließenden Stromes I auftragen.
Legen Sie dazu eine Dreieckspannung U1 von 7 V und einer Frequenz von 0.1 Hz an die Primärseite des Transformators. Messen Sie die in der Sekundärseite induzierte Spannung U2
und berechnen daraus den magnetischen Fluss Φ. Tragen Sie diesen gegen den durch die Primärseite fließenden Strom I auf.
Erhöhen Sie nun die Frequenz der Dreieckspannung bis 10 Hz und fügen Sie diese Messungen unter dem Punkt „Neue Messreihe anhängen„ in denselben Graphen ein. Erklären Sie
qualitativ, warum sich die Fläche der Hystereseschleife ändert. Beachten Sie während Ihrer
Messung die Messzeit und das Messintervall!
Aufgabe 5:
Bestimmen Sie die Zusammenhänge von Primärstrom I1 und Sekundärstrom I2, sowie von
Primär- und Sekundärspannung U1 bzw. U2 eines Transformators im Leerlauf. Speisen Sie
dazu in die Primärseite eine Sinusspannung mit 50 Hz (U0 = 7 V) ein und tragen jeweils I
bzw. U gegeneinander auf.
Magnetismus
7
Aufgabe 6:
Wirkungsgrad eines Transformators. Messen Sie die Energie auf Primär- und Sekundärseite
in Abhängigkeit der Last an der Sekundärseite (0 Ω – 200 Ω). Bestimmen Sie hieraus den
lastabhängigen Wirkungsgrad des Transformators.
Speisen Sie dazu in die Primärseite eine Sinusspannung mit 50 Hz (U0 = 7 V) ein. Tragen Sie
den Wirkungsgrad gegen den Lastwiderstand auf und schätzen Sie den Innenwiderstand des
Transformators ab.
Daten des Transformators:
Primärseite: 1000 Windungen, Sekundärseite: 500 Windungen
4.3 Geräteliste
•
•
•
•
•
•
Feldspule mit Pick-up-Spule
Transformator
2 Drehwiderstände 0 Ω – 100 Ω
Sensor-CASSY
Power-CASSY
PC
8
Magnetismus
5.
Anhang: CASSY Lab 2 Tutorial
5.1
Einstellungen Darstellungen
Abbildung links:
•
Wenn eine Darstellung nicht ausreicht, können durch Neu weitere erzeugt werden, die mit
ihrem Namen in die Darstellungsseiten einsortiert werden. Dort kann dann mit der Maus
bequem zwischen den verschiedenen Darstellungen umgeschaltet werden.
•
Neue Kurve hinzufügen erstellt eine neue Kurve in der aktuellen Darstellung.
Abbildung rechts:
•
Neu erstellt eine neue Kurve in der aktuellen Darstellung. Es können beliebig viele Kurven in einer Darstellung definiert werden.
•
Jede Messgröße kann frei auf die x- oder die y-Achse gelegt und im Bedarfsfall dabei
noch umgerechnet (x2, 1/x, 1/x2, log x) werden. Für die x-Achse sind drei weitere Größen
vordefiniert: n (Tabellenzeile), t (Zeit), f (Frequenz für FFT).
•
Wenn mehr als eine y-Achse dargestellt wird, kann die sichtbare y-Achsenskalierung im
Diagramm durch einen entsprechend bezeichneten Button umgeschaltet werden.
•
Üblicherweise bekommen alle Kurven automatisch dieselbe x-Achse. Wird dies nicht gewünscht, kann x-Achse für alle Kurven dieser Darstellung ausgeschaltet werden.
•
Der Stil jeder Kurve kann hier individuell geändert werden. Dazu gehören auch die Farbe
der Kurve und die Farbe ihrer Auswertungen.
Magnetismus
5.2
9
Einstellungen Rechner
Einige Größen können nicht direkt mit CASSY gemessen
werden und liegen deshalb nicht als CASSY-Kanal vor.
Wenn solche Größen trotzdem in einer Tabelle oder in einem Diagramm angezeigt werden sollen, müssen die Größen hier definiert werden.
Neu legt dazu einen neuen Datensatz an, beginnend mit dem
Namen dieser Größe. Die neue Größe muss ein Symbol erhalten, unter dem sie angesprochen werden kann. Dieses
Symbol sollte aus möglichst wenigen, aber aussagekräftigen
Buchstaben bestehen und darf auch aus einem &-Zeichen
gefolgt von einem Buchstaben bestehen. Es wird dann der
entsprechende griechische Buchstabe angezeigt (z.B. &j=φ,
&h=η). Außerdem sind die vorgeschlagenen Werte für den
Messbereich und die Achsenskalierung, sowie die Anzahl
der signifikanten Nachkommastellen den individuellen Erfordernissen anzupassen. Der Wert bei Dezimalen ist hier
auf 9 zu erhöhen.
5.2.1 Formel und Integral
Abhängig von bereits bekannten Größen lässt sich über eine mathematische Formel eine neue
Messgröße definieren. Die bekannten Größen werden dabei von CASSY Lab 2 über ihre
Symbole angesprochen, die in der angezeigten Liste aufgeführt sind. Die eigentliche Formel
wird unter Beachtung der korrekten Formelschreibweise eingegeben.
Für das zeitliche Integral muss lediglich der zu transformierende Kanal ausgewählt werden
Die vollständige Anleitung zu CASSY Lab 2 finden Sie unter
http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/scripts/CASSY_Lab_2_Handbuch.pdf
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Elektronik
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
Version 1 (5/2009)
EL 2
Elektronik
1. Stoffgebiet
•
•
•
•
•
•
•
Widerstand, Kapazität
Auf- und Entladung eines Kondensators, RC-Kreis
Transistoren (npn, pnp)
Verstärker
Oszillator-Schaltung
Aufbau und Test einses einfachen Schaltkreises
Richtiges Löten von Schaltungen
2. Literatur
•
Einführung mit Projekten vergleichbar zu diesem Versuch:
D. Cutcher
Electronic Circuits for the Evil Genius
McGraw-Hill, 2004, ISBN: 0071448810
•
E. Hering, K. Bressler, J. Gutekunst
Elektronik für Ingenieure und Naturwissenschaftler
5. aktualisierte Aufl., 2005, Springer, ISBN: 3-540-24309-7
On-line innerhalb der Universität des Saarlandes:
http://www.springerlink.com/content/978-3-540-24309-0
•
U. Tietze, C. Schenk
Halbleiter-Schaltungstechnik
12. Aufl., 2002, Springer, ISBN: 3-540-42849-6
•
Vorlesung Elektronik für Physiker
Universität Kiel
http://www.ieap.uni-kiel.de/plasma/ag-piel/elektronik/
•
Richtiges Löten mit dem Lötkolben
AGVS Sektion Berner Oberland
http://www.agvs-beo.ch/cmsfiles/loeten_am.pdf
•
Datenblätter der benutzten Bauelemente
und weitere Links zum Thema
http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/Physiker_I_BA.htm
Elektronik
EL 3
3. Ziel des Versuchs
Um die Grundlagen einer einfachen elektronischen Schaltung zu verstehen, soll in diesem
Versuch ein Klangerzeuger gebastelt werden. Diese Schaltung besteht aus nur drei verschiedenen Bauteiltypen: Widerständen, Kondensatoren und Transistoren. Wenn man diese richtig
verschaltet, kann man damit Töne erzeugen.
Die Schaltung soll zunächst auf einem Steckbrett („Breadboard“) aufgebaut und getestet werden. Wenn sie funktioniert kann sie auf eine Lochrasterplatine gelötet, in ein Gehäuse eingebaut und mit nach Hause genommen werden.
4. Bauelemente
Widerstände
Jeder von uns kennt wohl den Widerstand morgens aus dem Bett aufzustehen um zur Uni
oder Arbeit zu gehen. Beim elektrischen Widerstand ist es ganz ähnlich, es fällt dem Strom
schwer durch Drähte und Bauelemente zu fließen. Die Ladungsträger (Elektronen) stoßen bei
der Bewegung durch das Material mit Gitteratomen und werden so in ihrem Fluss gestört.
Diesen Effekt nennt man Widerstand. Neben den klassischen Widerständen, die aus Metalloder Kohleschichten bestehen, haben alle elektronischen Bauelemente einen Widerstandswert, der Einfluss auf Spannungen und Ströme in Schaltungen nimmt.
Abb. 1: Kohleschicht- und Metallschicht-Widerstände mit festen Werten (rechts)
und ihr Schaltsymbol (links).
Abb:2: Widerstand R mit angelegter Spannung U (links) und seine I-U-Kennlinie
(rechts).
In unserem Versuch werden uns verschiedene Arten von Widerständen begegnen. Festwiderstände (Abb. 1), die wie der Name schon sagt einen festen Widerstandswert besitzen, regelbare Widerstände (Potentiometer, kurz: Poti) deren Widerstandswert verändert werden kann und
EL 4
Elektronik
lichtempfindliche Widerstände, deren Widerstandswert von der einfallenden Lichtintensität
abhängt.
Festwiderstände sind lineare Widerstände. Lineare Widerstände werden auch Ohmsche Widerstände genannt. Sie haben eine lineare I-U-Kennlinie. Strom und Spannung sind zueinander proportional. Das bedeutet, wenn die Spannung U ansteigt, dann steigt auch die Stromstärke I dazu proportional an. Steigt der Strom steigt dazu linear der Spannungsabfall am Widerstand. Zur Berechnung gilt das Ohmsche Gesetz U = RI.
In der Elektronik spielen Widerstände eine große Rolle. Meistens werden sie dazu verwendet
um den Strom, der in ein Bauteil fließt, zu begrenzen. In unserem Versuch werden sie auch
dazu verwendet eine Spannung in einem bestimmten Verhältnis zu teilen. Dies nennt man
Spannungsteiler. Ein Spannungsteiler besteht im einfachsten Fall aus zwei Widerständen, an
denen sich die angelegte Gesamtspannung in zwei Teilspannungen aufteilt (Abb. 2):
Rges= R1 + R2
= Rges I ⇒ =
U ges
I
U1 =
U2 =
U ges
R1 + R2
R1U ges
R1 + R2
R2U ges
R1 + R2
Abb.2:
Spannungsteiler mit
zwei Widerständen.
Wie man leicht sieht, sind U1 und U2 gleich groß, also gerade die Hälfte der Gesamtspannung,
wenn R1 und R2 gleich groß gewählt werden.
Der Widerstandswert ist bei jedem Kohle- oder Metallschichtwiderstand über einen Farbcode
abzulesen. Um den Wert zu ermitteln, benötigt man eine Schlüsseltabelle (Abb. 3). Die ersten
3 Ringe werden zusammengenommen und ergeben eine Zahl, welche mit dem Multiplikator
(4. Ring) multipliziert werden. Das Ergebnis ist der Widerstand in Ohm (Ω). Der 5.Ring gibt
die Toleranz des Widerstandswertes an. Bei „fetten“ Widerständen für hohen Stromfluss und
bei Potentiometern sind die Widerstandswerte in Zahlen aufgedruckt.
Elektronik
Abb. 3: Farbkodierung der Widerstandswerte von Kohle- und Metallschichtwiderständen.
EL 5
EL 6
Elektronik
Fotowiderstand - LDR
Ein Fotowiderstand ist ein Halbleiter, dessen Widerstandswert lichtabhängig ist. Er wird auch
LDR (Light Dependent Resistor) genannt. Fallen Photonen auf das lichtempfindliche Halbleitermaterial, dann werden Elektronen in das Leitungsband des Kristalls angeregt. Der LDR
wird leitfähiger, d. h. sein Widerstandswert wird kleiner. Je mehr Licht auf das Bauteil fällt,
desto kleiner wird der Widerstand und desto größer wird der elektrische Strom durch den Fotowiderstand. Abb. 4 zeigt die typische Kennlinie eines Fotowiderstands.
Widerstand (Ω)
10
10
10
10
10
1
10
10
10
10
Beleuchtungsstärke (Lux)
Abb. 4: Kennlinie eines Fotowiderstands: Widerstand als Funktion der Beleuchtungsstärke.
Dies können wir nutzen, um die Frequenz unseres Oszillators zu verändern, da wir mit der
Größe des Widerstands die Ladezeit des Kondensators in unserer Schaltung beeinflussen können.
Kondensatoren
Kondensatoren (Abb. 5) sind Bauelemente, die elektrische Ladungen bzw. elektrische Energie
speichern können. Die einfachste Form eines Kondensators besteht aus zwei gegenüberliegenden Metallplatten. Dazwischen befindet sich ein Dielektrikum, welches keine elektrische
Verbindung zwischen den Metallplatten zulässt. Das Dielektrikum ist als Isolator zu verstehen. Legt man an einen Kondensator eine Spannung an, so entsteht zwischen den beiden metallischen Platten ein elektrisches Feld. Eine Platte nimmt positive, die andere Platte negative
Ladungsträger auf. Die Verteilung der Ladungsträger ist auf beiden Seiten gleich groß.
Abb. 5: Kondensator (rechts) und sein Schaltsymbol (links).
Elektronik
EL 7
Für einen Plattenkondensator mit Platten der Fläche A im Abstand d, zwischen denen sich ein
Isolator mit der Dielektrizitätszahl εr befindet ergibt sich eine Kapazität von
C = ε 0ε r
A
d
Ladevorgang eines Kondensators:
Im Einschaltaugenblick springt der Strom von Null auf den Maximalwert I0 (Abb. 6). Ab diesem Augenblick fällt der Strom exponentiell ab:
I (t ) = I 0 e
−
t
RC
Abb. 6: Aufladevorgang eines Kondensators in einem RC-Kreis.
Die Spannungsquelle zieht die Elektronen der oberen Kondensatorfläche an und drückt sie auf
die untere Kondensatorfläche. Bei diesem Vorgang wird der Kondensator aufgeladen. Die
Verschiebung der Elektronen ist der Ladestrom, der sehr hoch ist. Je länger der Ladevorgang
dauert, desto weniger Strom fließt. Die Elektronen auf der oberen Fläche werden weniger.
Während der Strom in Richtung Null sinkt, steigt die Spannung von Null auf den Maximalwert. Hat die Kondensatorspannung UC die Ladespannung Uges erreicht, fließt kein Strom
mehr und der Kondensatorwiderstand ist unendlich groß. Der Kondensator wirkt dann als
Sperre für den Gleichstrom.
Entladevorgang eines Kondensators
Abb. 7: Entladevorgang eines Kondensators in einem RC-Kreis.
Der Kondensator wirkt wie eine Spannungsquelle mit einem geringen Innenwiderstand. Ab
dem Entladezeitpunkt sinkt die Spannung vom Maximalwert auf Null ab. Der Strom wechselt
EL 8
Elektronik
seine Flussrichtung (Polarität) und sinkt vom Maximalwert auf Null ab. Er fließt also in entgegengesetzter Richtung zum Ladestrom. Die Spannung UC verhält sich wie der Strom. Sie
sinkt vom Maximalwert auf Null.
I (t ) = − I 0 e
−
t
RC
Zum Berechnen der Lade- bzw. Entladezeit des Kondensators wird der Wert des Widerstands,
über den der Kondensator geladen wird, benötigt. Die angelegte Spannung hat dabei keinen
Einfluss auf die Ladezeit. Die Aufladung erfolgt umso schneller, je kleiner die Kapazität des
Kondensators C und je kleiner der Widerstand R ist. Die Ladezeit ist nur von der Größe des
Kondensators C und des Widerstandes R abhängig. Das Produkt aus C und R wird als Zeitkonstante τ bezeichnet:
τ = RC
Die Frequenz unseres Oszillators f ist gerade das inverse der Zeitkonstanten τ.
Wir können über die Wahl von Widerstand und Kondensator die Tonhöhe der ausgegebenen
Schwingung festlegen. Da Kondensatoren feste Kapazitäten haben, können wir durch veränderbare Widerstände wie Potis oder lichtempfindliche Widerstände die Tonhöhe beeinflussen.
Transistoren
Transistoren bieten die Möglichkeit, mit einem kleinen Basisstrom einen erheblich größeren
Kollektorstrom zu steuern. Dies können wir uns leicht durch das links in Abb. 8 gezeigte
Wassermodell vorstellen. Ein kleiner Strom von B nach E öffnet das kleine Tor, wodurch
über den Seilzug das Haupttor geöffnet wird, so dass ein großer Strom von C nach E fließen
kann. Die Anschlüsse eines Transistors heißen Basis (B), Emitter (E) und Kollektor (C).
Abb. 8: Wassermodell eines Transistors (lins), sein Schaltsymbol (Mitte) und eine
typische Bauform (rechts).
Mit einem Transistor ist man in der Lage aus einem kleinen Strom einen großen zu erzeugen.
Der Transistor ist also ein Verstärker. Damit ein Transistor durchschaltet muss zwischen Basis und Emitter ein Potentialunterschied (Spannung) von typisch 0,7 V herrschen.
Je nach Dotierungsfolge im Aufbau unterscheidet man zwischen npn (negativ-positiv-negativ)
und pnp-Transistoren (positiv-negativ-positiv). Im Schaltsymbol (Abb. 9) ist der Anschluss
Emitter (E) in beiden Fällen mit einem kleinen Pfeil versehen: Bei einem npn-Transistor zeigt
dieser vom Bauelement weg, beim pnp-Transistor weist er zu dem Bauelement hin. Der Pfeil
beschreibt die elektrische Stromrichtung (Bewegung gedachter positiver Ladungsträger) am
Emitter.
Elektronik
EL 9
Abb. 10: Schaltsymbole für npn- (links) und pnp-Transistoren (rechts).
5. Aufbau eines Impulsgenerators
Wenn wir die Funktion der einzelnen Bauteile verstanden haben, können wir uns der eigentlichen Schaltung widmen. Wir wollen ein Oszillator bauen. Ein Oszillator ist eine Baugruppe
zur Erzeugung von ungedämpften elektrischen Schwingungen (Abb. 11). Aus der über die
Batterie angelegten Gleichspannung von +9 V wird durch die Schaltung eine Wechselspannung erzeugt, die an R4 abgegriffen werden kann. Wenn man statt R4 einen Lautsprecher in
die Schaltung setzt, kann man sich die erzeugte Wechselspannung anhören. Ein Oszillator
enthält immer frequenzbestimmende Bauteile und eine Schaltung zur Erzeugung von Schwingungen.
Abb. 11: Schaltplan des Impulsgenerators.
Frequenzbestimmend sind hier Widerstand R3 und Kondensator, und zur Anregung der
Schwingung dient die Rückkopplung von T2 in die Basis von T1.
Überlegung Sie sich zur Vorbereitung des Versuchs, wie die in Abb. 11 dargestellte Schaltung arbeitet:
•
•
•
Welches Potential liegt an Punkt A, dem Mittelpunkt des Spannungsteilers?
Ändert sich das Potential an Punkt B? Wenn ja wie?
Wann schaltet der Transistor T1?
EL 10
•
•
Elektronik
Was passiert dann mit T2?
Wieso hört man einen Impuls wenn R4 ein Lautsprecher ist?
Aufbau der Schaltung:
Zuerst wollen wir die Schaltung auf einer Steckplatine (Breadboard) aufbauen (Abb. 12).
Abb. 12: Steckplatine (Breadboard) zum testweisen Aufbau elektronischer Schaltungen.
Im Gegensatz zu Leiterplatten werden bei Steckplatinen die Bauteile nicht aufgelötet, sondern
nur gesteckt. Dies ist insbesondere für Versuchsaufbauten vorteilhaft, da die Schaltung durch
einfaches Umstecken geändert werden kann. Wichtig ist die interne Verschaltung eines
Breadboards. Die Anschlüsse der rot und schwarz gezeichneten horizontalen Linien sind miteinander verbunden, ebenso wie die Vertikalen blau markierten Anschlüsse. Dies ist zu beachten und wird am Anfang für einige Verwirrung sorgen. Unsere Oszillatorschaltung kann
auf einem solchen Breadboard beispielsweise wie in Abb. 13 aussehen.
Abb. 13: Aufbau der Oszillatorschaltung auf dem Breadboard.
Elektronik
EL 11
Wenn die auf dem Breadboard aufgebaute Schaltung funktioniert, kann man gezielt die frequenzbestimmenden Bauteile verändern, um einen Frequenzbereich zu finden, der einem gefällt. Nun kann die Schaltung auf eine Lochrasterplatine gelötet werden und in ein Gehäuse
eingebaut werden. Die Gehäuse stehen zur Verfügung und Sie können Ihr Soundmodul nach
eigenem Ermessen fertigbauen und erweitern.
Abb. 14: Soundmodul mit Lautsprecher und Batterie in Gehäuse eingebaut.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Hall-Effekt
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Kontaktadressen der Praktikumsleiter:
PD Dr. Manfred Deicher
Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-58198
1H
PD Dr. Patrick Huber
Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6
e-mail: [email protected]
Telefon: 0681/302-3944
2H
Version 3 (4/2011)
2
Hall-Effekt
1.
Ziel des Versuchs
Bestimmung des spezifischen Widerstands bzw. der spezifischen Leitfähigkeit, der HallKonstanten, der Ladungsträgerdichte und der Beweglichkeit der Ladungsträger für Silber.
2.
Fragen
1. Was versteht man unter einem Elektronengas?
2. Wie ändert sich die elektrische Leitfähigkeit und die Hall-Konstante mit der Temperatur
a) für Metalle?
b) für Halbleiter?
3. Warum ist die Hall-Konstante für Halbleiter oft mehrere Größenordnungen größer als für
Metalle?
4. Warum benutzt man an der Probe extra Kontakte für den Spannungsabgriff und misst
nicht die Spannung direkt an den beiden Stromkontakten?
5. Wozu benötigt man das Potentiometer an der Probe (siehe Abb. 3)?
Hall-Effekt
3.
3
Der Hall-Effekt
Im Jahr 1879 (fast 20 Jahre vor der Entdeckung des Elektrons!) machte E.H. Hall [1] folgende
Beobachtung: Bringt man eine dünne, stromdurchflossene Platte in ein Magnetfeld, so entsteht an zwei symmetrisch gegenüberliegenden Punkten der Platte eine Spannung UH. Abb. 1
zeigt das Prinzip der Messung:
Abb. 1: Prinzip der Versuchsanordnung zur Beobachtung des Hall-Effekts.
Hall beobachtete folgenden Zusammenhang zwischen dem Magnetfeld B, dem Strom I und
dem elektrischen Querfeld:
Abb. 2: Formulierung des Hall-Effekts in der Originalarbeit von E.H. Hall [1].
Die von Hall gefundene Beziehung für die Hall-Spannung UH ist damit:
U H = RH
BI
d
(1)
Die Hall-Konstante RH ist eine Materialkonstante, die durch die Messung der Hall-Spannung
bestimmt wird. Der Hall-Effekt ist einer der wichtigsten Effekte für die Aufklärung der Leitungsmechanismen in Metallen und Halbleitern. Er ermöglicht zusammen mit Leitfähigkeitsmessungen Aussagen über das Vorzeichen der überwiegend am Ladungstransport beteiligten
Ladungsträger, deren Konzentration und Beweglichkeit. Eine andere wichtige Anwendung
des Hall-Effekts ist die Messung von Magnetfeldern. Dabei wird eine Hall-Probe mit bekannter Geometrie und Hall-Konstante zur Messung von UH und damit von B benutzt.
4
Hall-Effekt
4.
Grundlagen
4.1
Hall-Effekt
Eine elektrisch leitende Platte der Breite b und der Dicke d wird homogen von einem Strom I
durchflossen. Gleichzeitig wird senkrecht zur Platte ein Magnetfeld B angelegt. Die Ladungsträger (in Metallen Elektronen mit der Ladung -e) bewegen sich im Leiter mit der Driftge
schwindigkeit v in negativer x-Richtung (Abb. 1). Auf diese Elektronen wirkt in einem Mag
netfeld B die Lorentzkraft

 
(2)
FL =
− e(v × B )
mit dem Betrag
(3)
FL = −evB


Die Elektronen werden senkrecht zu v und B (in negativer y-Richtung) abgelenkt, d.h. quer
zur Stromrichtung werden sich auf einer Seite der Platte mehr Elektronen befinden als auf der
anderen. Dadurch bildet sich zwischen diesen Seiten ein elektrisches Feld aus:
E=
U
b
Dieses Feld wirkt der Elektronenbewegung in y-Richtung entgegen und übt die Kraft


FE = −eE
(4)
(5)
auf die Elektronen aus. FE wird gerade so groß (mit der Hall-Spannung UH), dass die Lorentzkraft kompensiert wird:
U
−evB =
−e H
b
(6)
Der Strom I durch die Platte entspricht der in der Zeit ∆t durch die Querschnittsfläche ( A =
bd) der Platte bewegten Ladung ∆Q mit der Stromdichte j = -nev (n ist die Elektronendichte)
I
∆Q
I
j= =
=
− nev bzw. − ve =
bd bd ∆t
bdn
(7)
Einsetzen von Gleichung (7) in (6) ergibt:
UH = −
1 BI
ne d
(8)
Daraus folgt für die Hall-Konstante (Gleichung (1)):
RH = −
1
ne
(9)
Für elektrische Leiter mit Elektronen als dominierende Ladungsträger ergibt sich ein negatives Vorzeichen für die Hall-Spannung und die Hall-Konstante. Positive Ladungsträger (z.B.
in Halbleitern) ergeben eine positive Hall-Spannung und Hall-Konstante.
Die meisten Metalle haben eine Ladungsträgerdichte in der Größenordnung von 1023 cm-3.
Dies ergibt eine Hall-Konstante in der Größenordnung von 10-11 m3/(As). In Halbleitern ist
die Ladungsträgerkonzentration oft um viele Größenordnungen niedriger, entsprechend ist die
Hall-Effekt
5
Hall-Konstante nach Gleichung (9) viel größer. Was bedeutet dies für die Messung des HallEffekts?
4.2
Beweglichkeit der Ladungsträger
Die Driftgeschwindigkeit v der Ladungsträger in einem elektrischen Leiter ist proportional zur
angelegten Feldstärke:
v = µE
(10)
Die Proportionalitätskonstante µ ist die Beweglichkeit der Ladungsträger.
Für einen Leiter der Länge l gilt
E=
U
l
(11)
U
l
(12)
und damit folgt:
v=µ
Einsetzen in Gleichung (7) ergibt:
I bd µ
=
U
Il
ne ⇒ = µ ne
l
Ubd
(13)
Mit der spezifischen Leitfähigkeit
l 1
l 1
l I
=
=
A R bd R bd U
=
σ
(14)
folgt:
=
µ
σ
= σ RH
ne
 cm 2 
in 

 Vs 
(15)
Durch Messung der spezifischen Leitfähigkeit und der Hall-Konstanten lässt sich die Ladungsträgerbeweglichkeit berechnen.
6
Hall-Effekt
5.
Versuchsdurchführung
5.1
Aufbau
Die Messung der Hall-Spannung wird an einem Silber-Band (Dicke d ≈ 50 µm) durchgeführt.
Abb. 3 zeigt den Aufbau des Halters für das Silber-Band mit den elektrischen Anschlüssen.
Abb. 3: Halter mit Silber-Band zur Messung des Hall-Effekts.
Die mit dem Versuchsaufbau erreichbaren Hall-Spannungen betragen nur wenige µV, deshalb
muss darauf geachtet werden, dass keine Spannungen durch andere Effekte auftreten, die die
Messung verfälschen würden.
Luftzirkulationen bei eingeschaltetem Querstrom können zu beträchtlichen Nullpunktschwankungen führen, da durch Temperaturänderungen an den Messkontakten für die Hall-Spannung
Thermospannungen entstehen können, die im Bereich von µV/K liegen. Deshalb sollte der
Aufbau während der Messung möglichst vor Luftströmungen geschützt werden.
Ein weiteres Problem entsteht dadurch, dass es praktisch nicht möglich ist, die beiden Kontakte für die Messung der Hall-Spannung auf einer Äquipotentialfläche anzuordnen. Durch
diesen Geometriefehler erzeugt der durch die Probe fließende Strom einen Spannungsabfall
zwischen den beiden Kontakten, der eine Hall-Spannung vortäuscht. Diese Spannung ist allerdings auch ohne Magnetfeld vorhanden. Diese Fehlerquelle muss kompensiert werden.
Dazu befinden sich auf einer Seite des Silber-Bandes zwei Anschlüsse, die zu dem gegenüberliegenden symmetrisch angeordnet sind (siehe Abb. 3). An diese zwei Anschlüsse ist ein
Potentiometer angeschlossen, mit dem eine „elektrische Geometriekorrektur“ möglich wird.
Ohne Magnetfeld darf keine Spannung zu messen sein. Bei jeder Änderung des Stroms durch
das Silber-Band muss die „Hall-Spannung“ ohne Magnetfeld mit dem Potentiometer auf UH =
0 V eingestellt werden.
Der das Magnetfeld erzeugende Strom (maximal 8 A) darf nicht abrupt abgeschaltet werden!
Wegen des dabei auftretenden Induktionsspannungsstoßes kann das Stromversorgungsgerät
(und eventuell andere im Stromkreis des Magneten angeschlossene Messgeräte) zerstört werden. Das Magnetfeld ist vor dem Ausschalten oder vor einer Umpolung immer auf Null herunterzuregeln.
Hall-Effekt
7
Das für Spannungsmessungen benutzte Mikrovoltmeter (Keithley DMM 2000) erreicht seine
nominelle Genauigkeit erst nach einer Warmlaufphase. Schalten sie dieses Gerät deshalb sofort zu Beginn des Praktikums ein.
Zur Stromversorgung des Magneten und des Silber-Bandes werden zwei Stromversorgungen
des Typs Agilent E3633A benutzt. Diese Geräte liefern je nach Einstellung 0 A bis 20 A bei
einer maximalen Ausgangsspannung von 8 V oder 0 A bis 10 A bei einer maximalen Ausgangsspannung von 20 V. Die Geräte können (müssen aber nicht) mit LabVIEW über einen
PC eingestellt werden (s. Abb. 4).
Abb. 4: LabVIEW Front Panel zur Einstellung der Stromversorgungsgeräte für
den Magneten bzw. die Hall-Probe.
Der Ausgangsstrom wird über die Einstellung „Current Limit“ eingestellt und durch „Behavior Regulate“ geregelt. Nach Setzen aller Werte den Ausgang „Switch Output on“ freischalten
und die Einstellungen an das Gerät senden.
Für die Einstellungen zur Messung von Gleichspannungen des Multimeters Keithley DMM
2000 kann ebenfalls ein LabVIEW-Programm benutzt werden. Damit ist es insbesondere
möglich, das Gerät zur Mittelwertbildung über eine vorgegebene Anzahl von Einzelmessungen zu benutzen.
Das Magnetfeld wird mit einer Hall-Sonde gemessen, die an ein Sensor-CASSY angeschlossen ist.
5.2
Elektrischer Widerstand des Silber-Bandes
Bestimmen Sie für mehrere Stromstärken (maximaler Strom kurzzeitig 20 A) den elektrischen
Widerstand des Silber-Bandes. Messen Sie möglichst genau die geometrischen Abmessungen
(Länge und Breite, die Dicke beträgt 50 µm) des Silber-Bandes und berechnen Sie den spezifischen Widerstand bzw. die spezifische Leitfähigkeit von Silber.
8
Hall-Effekt
Der elektrische Widerstand des Silber-Bandes ist sehr klein und in der gleichen Größenordnung wie die Widerstände der für die Messung benutzen Zuleitungen. Überlegen Sie sich, wo
Sie geschickterweise den Spannungsabfall über das Silberband abgreifen, um den Widerstandsbeitrag der Zuleitungen zu minimieren. Hinweise finden Sie in [2].
5.3
Eichung des Elektromagneten
Messen Sie mit der Hall-Sonde das Magnetfeld B (welcher Polschuh ist der Nordpol?) des
verwendeten Elektromagneten in Abhängigkeit vom Strom, der durch die Spulen fließt (maximaler Strom 8 A). Führen Sie die Messung sowohl mit zunehmenden als auch mit abnehmenden Strom aus. Stellen sie das Ergebnis in einem Diagramm dar.
Führen Sie außerhalb des Magneten einen Null-Abgleich für das Teslameter durch. Positionieren Sie die Hall-Sonde zwischen den Polschuhen des Magneten möglichst genau an die
Stelle, an der sich später auch der Silber-Streifen für die Messung der Hallspannung befindet.
Zur Erzeugung des Magnetfeldes werden die beiden Magnetspulen in Reihe geschaltet.
5.4
Messung der Hall-Spannung von Silber
Abb. 5: Aufbau für die Messung der Hall-Spannung.
Montieren sie das Silber-Band mit seinem Halter möglichst mittig zwischen die Polschuhe
des Magneten. Achten Sie besonders darauf, dass das Silber-Band die Polschuhe nicht berührt.
Abb. 5 zeigt den Aufbau für diese Messung. Das Silber-Band erwärmt sich bei den hohen
Messströmen und der Widerstand wird langsam größer. Warten Sie für die Messung einige
Minuten ab, bis sich ein konstanter Strom eingestellt hat und Regeln Sie den Strom eventuell
nach.
Vor der Messung muss mit eingestelltem Probenstrom (15 A), aber ohne Magnetfeld, eine
Fehlspannungs-Kompensation durchgeführt werden (s. Abschnitt 4.1).
Erhöhen Sie den Magnetstrom langsam auf 7 A und messen Sie UH. Regeln Sie danach den
Magnetstrom in Schritten von etwa 0,5 A herunter und messen Sie jeweils die Hall-Spannung.
Hall-Effekt
6.
9
Auswertung
• Berechnen Sie aus den Widerstandsmessungen die spezifische Leitfähigkeit von Silber.
• Stellen Sie die Hallspannung UH als Funktion des Magnetfelds B graphisch dar und
passen Sie eine Ausgleichsgerade an die Messwerte an.
• Berechnen Sie aus den Daten der Anpassung die Hall-Konstante RH.
• Berechnen Sie die Ladungsträgerdichte n und die Beweglichkeit der Ladungsträger µ.
• Führen Sie eine Fehlerrechnung für die Hall-Konstante, die Ladungsträgerdichte und
die Beweglichkeit durch.
Genauigkeit der benutzten Geräte:
Magnetfeldsonde:
2% + 0,5% vom Bereichsendwert
Keithley DMM 2000:
0,008% (für DC Messungen)
Agilent E3633A:
Strom:
Spannung:
0,2% + 10 mA
0,05% + 5 mV
„Literaturwerte“ für die elektrischen Eigenschaften von Silber (bei 20 °C) [3]:
Spez. Widerstand bei 0 °C
0,0147 µΩm
Thermokraft bei 20 °C
1,35 µV/K
Hall-Konstante
–9,0×10-11 m3/C
Ladungsträgerdichte
6,9×1028 m-3
Überlegen Sie sich mögliche Ursachen, falls Ihre Messwerte innerhalb des Fehlers nicht mit
diesen Werten übereinstimmen.
7.
Literatur
[1]
E.H. Hall, On a New Action of the Magnet on Electric Currents, American Journal of
Mathematics 2 (1879) 287
(auch unter http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/)
[2]
Eine Einführung in die Messprobleme bei sehr kleinen Spannungen, Strömen und Widerständen:
Low Level Measurements Handbook - Precision DC Current, Voltage, and Resistance
Measurements, 6th Edition (Keithley Instruments, Inc., Cleveland, 2004)
(download unter http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/)
[3]
D.R. Smith and F.R. Fickett, Low-Temperature Properties of Silver, J. Res. Natl. Inst.
Stand. Technol. 100 (1995) 119
10
Hall-Effekt
8.
Geräteliste
•
•
•
•
•
•
•
Halter mit Silber-Band
Elektromagnet
Digitales Multimeter Keithley DMM 2000 (Auflösung 0,1 µV)
Stromversorgung Agilent E3633A mit 0 V bis 8 V, 0 A bis 20 A bzw. 0 V bis 20 V,
0 A bis 10 A
Sensor-CASSY mit Magnetfeldsonde
Standard-Multimeter
Shunt (Nebenwiderstand) 60 A, 60 mV
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Bestimmung der
spezifischen Elementarladung e/m
Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
0H
Stoffgebiet
Freie Elektronen
Elementarladung
Glühemission
Biot-Savartsches Gesetz
Magnetisches Feld
Lorentz-Kraft
Stoßionisation
SPEZIFISCHE ELEKTRONENLADUNG
3
Fragen:
1. Berechnen Sie mit Hilfe des Biot-Savartschen Gesetzes das Magnetfeld eines
Kreisstromes ( I, r ) auf der Symmetrieachse als Funktion des Abstandes x
von der Kreisebene.
2. Zwei gleiche Kreisströme ( I, r ) werden mit gleicher Symmetrieachse (xAchse) so aufgestellt, daß der Abstand ihrer Ebenen gleich a ist. Berechnen
Sie das Magnetfeld auf der x-Achse, und bestimmen Sie den Abstand a der
Kreisströme so, daß das Feld auf der Achse möglichst homogen wird
( ∂2 H ∂x2 = 0).
3. Geben Sie weitere Methoden zur Bestimmung von e/m an.
4. Wie wird ein freies Elektron im elektrischen Feld abgelenkt ?
5. Was versteht man unter einer magnetischen Elektronenlinse ?
6. Was versteht man unter einer Helmholtzspule ?
7. Skizzieren Sie den Aufbau eines Elektronenmikroskops.
8. Unter welchen Bedingungen kommt eine Gasentladung zustande ?
9. Wie groß ist die Massenänderung eines Elektrons, das eine Spannung von
2500 V durchlaufen hat ?
4
SPEZIFISCHE ELEKTRONENLADUNG
Eine besonders anschauliche Methode zur Messung der spezifischen Ladung
e/m (e = Ladung, m = Masse des Elektrons) der Elektronen ist die Bestimmung
aus der Ablenkung eines Fadenstrahls im homogenen Magnetfeld eines
Helmholtz-Spulenpaares.
Grundlagen:
Das Fadenstrahlrohr beruht auf dem Prinzip der Gaskonzentrationsröhre, die,
historisch gesehen, eine Zwischenstufe zwischen dem ursprünglichen
Braunschen
Rohr
und
der
heutigen
Glühkathoden-HochvakuumOszillographenröhre darstellt. Die Wirkungsweise einer Gaskonzentrationsröhre
ist etwa folgende:
Aus einem Strahlerzeugungssystem (bestehend aus der Glühkathode zur
Erzeugung freier Elektronen, der Anode zur Beschleunigung der Elektronen
und dem Wehnelt-Zylinder zur Bündelung des Elektronenstrahls), tritt ein
Elektronenbündel in einen Raum aus, in dem sich ein Edelgas unter einem
Druck der Größenordnung 10−3 - 10−2 hPa befindet. Die Elektronen stoßen mit
den Gasmolekülen zusammen und ionisieren diese. Bei der Rekombination
werden Lichtquanten emittiert, so daß der Weg des Elektronenbündels durch
leuchtende Gasmoleküle sichtbar gemacht wird. Die beim Stoß erzeugten
Sekundärelektronen fliegen aus dem Strahl heraus, während die trägen positiven
Ionen zurückbleiben und wegen ihrer großen Anzahl und ihrer geringen
Geschwindigkeit eine starke positive Raumladung bilden. Unter der Wirkung
dieser Raumladung werden auf die Elektronen radial zur Strahlenachse Kräfte
ausgeübt, die eine Fokussierung der Elektronen zur Folge haben. So kann sich
der Fadenstrahl ausbilden. Der Vorteil einer solchen Gaskonzentrationsröhre
beruht darin, daß keine sichtbehindernde Elektronenoptik zur Bündelung des
Elektronenstrahles erforderlich ist, und daß durch das Vorhandensein von
positiven Ionen die Raumladung, die sich im Hochvakuum vor der Kathode
ausbildet, kompensiert und damit der Elektronenaustritt erleichtert wird.
Als Beschleunigungsspannung wird eine Spannung von 150 - 250 Volt dem
Netzanschlußgerät entnommen.Die für den Betrieb des Rohres erforderlichen
Schutzwiderstände sind in das Rohr eingebaut. Zur Inbetriebnahme des
Fadenstrahlrohres schließt man die für Heizspannung (6.3 Volt),
Anodenspannung und Spannung am Wehneltzylinder vorgesehenen Buchsen
des Fadenstrahlrohres an das Netzgerät an. Die Regelknöpfe für Anoden- und
Wehnelt-Spannung werden vor dem Einschalten des Netzgerätes auf Null
gestellt.
Die Messung der Anodenspannung erfolgt mit Hilfe eines Universal-DrehspulMeßinstrumentes mit den Meßbereichen 300 V oder 1000 V.
SPEZIFISCHE ELEKTRONENLADUNG
5
Um den Fadenstrahl der Wirkung eines homogenen Magnetfeldes aussetzen zu
können, wird das Fadenstrahlrohr auf dem Gestell in die Mitte einer
Helmholtzspulenanordnung gebracht, die ein besonders homogenes Magnetfeld
liefert.
Die Anordnung nach Helmholtz-Gaugain zur Erzeugung homogener
Magnetfelder ist dadurch gekennzeichnet, daß zwei kreisförmige Leiterspulen
mit gleichen Durchmessern, deren Mittelpunkte auf der gemeinsamen Achse im
Abstand ihrer mittleren Spulenradien liegen, von demselben Strom durchflossen
werden. Die vorliegenden Spulen haben je 129 Windungen.
Zur Erregung des Magnetfeldes wird ein gut geglätteter Gleichstrom verwendet,
der dem NGU-Netzgerät entnommen wird. An seinem Meßgerät ist die
Stromstärke abzulesen.
Die magnetische Induktion im inneren Bereich des Helmholtz-Spulensystems
läßt sich aus dem mittleren Spulenradius R, der Windungszahl n und der
Stromstärke I errechnen.
Es ist
 V ⋅ s
µ ⋅ 0.715 ⋅ n
B= 0
⋅I  2 
R
m 
(1)
wobei die magnetische Feldkonstante
µ0 = 1256
⋅ 10−6
.
 V⋅s 
 A ⋅ m 
beträgt.
Ordnet man das Fadenstrahlrohr im Magnetfeld der Helmholtz-Spulen so an,
daß der Fadenstrahl das Strahlerzeugungssystem senkrecht zur
Magnetfeldrichtung verläßt, dann wirkt auf die einzelnen Elektronen des
Strahles die Lorentzkraft mit dem Betrag:
K = e⋅v ⋅B
Diese wirkt senkrecht zur Feldrichtung und zur Bewegungsrichtung. (v =
Geschwindigkeit der Elektronen , B = magnetische Induktion).
Unter der Einwirkung dieser Kraft wird der Fadenstrahl auf einen Kreisbogen
abgelenkt und bei hinreichend starkem Magnetfeld zu einem vollen Kreis mit
dem Radius r gebogen. Die auf die Elektronen wirkende magnetische Kraft K
muß dann gleich der Zentrifugalkraft m v2 r sein:
6
SPEZIFISCHE ELEKTRONENLADUNG
e⋅v⋅B=
mv2
r
Durch Umformung dieser Gleichung erhält man für die Geschwindigkeit v der
Elektronen die Beziehung:
(2)
v=
e
⋅ B⋅ r
m
Aus dem Energiesatz m v 2 / 2 = e U (U = Beschleunigungsspannung der
Elektronen) ergibt sich, wie die Geschwindigkeit der Elektronen von der Größe
der Beschleunigungsspannung U abhängt:
(3)
v = 2⋅
e
⋅U
m
Fügt man die Beziehung (3) in Gleichung (2) ein, so ergibt sich für die
spezifische Ladung der Elektronen
(4)
e
2⋅ U
= 2 2
m r ⋅B
C
 kg 
 V ⋅ s
U: [Volt], r: [Meter], B:  2 
m 
Durch Messung von U, I, R und r läßt sich die spezifische Ladung der
Elektronen ermitteln.
Messung:
Zunächst schaltet man das Magnetfeld ein. Der Spulenstrom soll etwa 1 A
betragen. Dann schaltet man die Heizspannung (6.3 V) ein. Sobald die Kathode
zum Glühen gekommen ist, schaltet man die Anodenspannung von etwa 150 V
ein, wobei der aus dem Strahlerzeugungssystem austretende Fadenstrahl
sichtbar wird. Die Bündelung des Fadenstrahles erfolgt durch die Spannung am
Wehneltzylinder. Durch Variation sowohl der Wehneltspannung als auch der
Anodenspannung, läßt sich eine optimale Schärfe und Helligkeit des Strahles
erreichen. Durch Veränderung des Magnetspulenstromes kann der Durchmesser
des Elektronenstrahl-Kreises variiert werden.
SPEZIFISCHE ELEKTRONENLADUNG
7
Man bestimmt durch wiederholte Messungen den Durchmesser des Vollkreises
für verschiedene feste Werte des Magnetspulenstromes und der
Anodenspannung und errechnet dann unter Verwendung der Formeln (1) und
(4) den Wert der spezifischen Ladung e/m.
Der Durchmesser wird auf folgende Weise bestimmt:
1) Man wählt seine Blickrichtung so, daß der obere Rand des Kreises mit
seinem, durch den hinter der Röhre liegenden Spiegel erzeugten Spiegelbild zur
Deckung kommt (Parallaxenfreiheit) und zeichnet mit dem beigegebenen
Filzstift (keinen Kugelschreiber verwenden!) einen Strich in dieser Höhe auf die
glatte Seite der vor der Röhre aufgestellten Meßplatte aus Plexiglas.
2) Man zeichnet in analoger Weise parallaxenfrei die Höhe des unteren
Kreisrandes auf der Meßplatte ein.
3) Der Abstand beider Markierungen liefert direkt den Kreisdurchmesser 2 r.
Bei der Bestimmung des Durchmessers des zum Vollkreis gebogenen
Fadenstrahles ist zu beachten, daß die Kurve, die der Fadenstrahl beschreibt, in
der Nähe des Strahlerzeugungssystems von der idealen Kreisform abweicht und,
daß die Leuchterscheinung eine endliche Breite hat.
Aufgaben
1.) Für 15 verschiedene Beschleunigungsspannungen U (0...250V) bei
konstantem Magnetfeldstrom I=1.00A, sowie
2.) für 15 verschiedene Magnetfelder ( 0.80A ≤ I ≤ 2.00A ) bei konstanter
Beschleunigungsspannung U=150V ist der Radius der Elektronenkreisbahnen zu messen und damit nach Gln. (1) und (4) e/m zu berechnen.
3.) Man bilde Mittelwert und Gaußschen Fehler und vergleiche mit dem aus
der
Fehlerfortpflanzung ermittelten Fehler.
Bemerkung:
Zur Bestimmung des Fehlers des Kreisbahndurchmessers messe man bei
gleichen Srahldurchmesser 10 mal die Lage des obersten bzw. untersten
Punktes des Bahndurchmessers und dessen Fehler.
Fachrichtungen der Physik
UNIVERSITÄT
DES
SAARLANDES
Physikalisches Grundpraktikum
für Physiker/innen
Teil I
Radioaktivität
WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/
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Dr. Manfred Deicher
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Version 4 (4/2009 MD)
RA 2
Radioaktivität
1. Stoffgebiet
•
Aufbau der Atomkerne
•
Nukleonen
•
(Radio-)Nuklide
•
Zerfallsfamilie
•
Zerfallsgesetz
•
Radioaktive Umwandlungen
•
Radioaktive Strahlung
•
Dosimetrie
•
Natürliche und technische Strahlenbelastung
•
Schwächung von Strahlung
•
Compton-Effekt, Paarbildung, Ionisation
•
Unselbstständige Gasentladung (Geiger-Müller-Zählrohr)
•
Radiolumineszenz (Szintillationszähler), Photomultiplier
2. Literatur
•
P.A. Tipler, G. Mosca, Physik
2. Auflage (Elsevier, München 2004) Kap. 40
•
A.C. Melissinos, J. Napolitano, Experiments in Modern Physics
2. ed. (Academic Press, Amsterdam 2003) p. 295
•
H.-J. Eichler,H.-D. Kronfeldt, J. Sahm, Das Neue Physikalische Grundpraktikum
2. Aufl. (Springer, Berlin 2006) S. 507
•
Strahlenschutzverordnung – StrlSchV
BGBl. I Nr. 38 S. 1714 und BGBl. I Nr. 55 S. 2618
•
Bundesamt für Strahlenschutz, Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung
http://www.bfs.de/bfs/druck/uus
Radioaktivität
RA 3
3. Fragen
1.
Was bedeutet die Angabe 226
88 Ra ..? Was ist ein Isotop? Was versteht man unter einer
radioaktiven Zerfallsfamilie? Geben Sie dafür jeweils ein Beispiel an.
2.
Geben Sie die Masse (SI-Einheiten und atomare Masseneinheiten) und elektrische
Ladung (SI) von Elektron, Positron, Neutrino, Proton und Neutron an.
3.
Zur Strahlungsmessung (Dosimetrie) werden die Größen ,,Aktivität“, ,,Energiedosis“
und ,,Äquivalentdosis“ benutzt. Wie sind diese Größen definiert und in welchen Einheiten werden sie gemessen?
4.
Wie ändert sich die Aktivität eines radioaktiven Präparates mit der Zeit? Was versteht man unter einem ,,radioaktiven Gleichgewicht“?
5.
Definieren Sie die Begriffe ,,(elektronische) Anregung eines Atoms“, ,,Ionisation“
und ,,Rekombination“.
6.
Mit welcher Geschwindigkeit verlässt ein α-Teilchen einen 226Ra-Kern, wenn ihm
dabei infolge der Änderung der Bindungsenergie im Kern eine Energie von 4,7 MeV
mitgegeben wird?
7.
Wieso erfolgt die Schwächung (monoenergetischer) α-Strahlung nicht nach einem
exponentiellen Absorptionsgesetz?
8.
Auf welche Weise wird biologisches Gewebe durch radioaktive Strahlung geschädigt? Wie hoch ist die natürlich auftretende Strahlenbelastung eines Menschen in
Deutschland? Wodurch ist diese bedingt?
9.
Beschreiben Sie den prinzipiellen Aufbau eines Geiger-Müller-Zählers und eines
Szintillationszählers.
10.
Wieso sind mit dem Szintillationszähler energieaufgelöste Messungen möglich, nicht
jedoch mit dem Geiger-Müller-Zähler?
RA 4
Radioaktivität
4. Grundlagen
Atomkerne bestehen aus Nukleonen, den positiv geladenen Protonen (p) und Neutronen (n),
die durch Kernkräfte zusammengehalten werden. Nicht jeder Kern mit einer bestimmten
Kombination von Protonenzahl Z und Neutronenzahl N zu einem Kern mit der Massenzahl A
= N + Z ist in der Natur allerdings realisiert oder im Labor herstellbar. Vielmehr führen nur
ganz bestimmte Kombinationen zu stabilen Kernen, d.h. zu Kernen, die sich ohne äußere Einflüsse im Laufe der Zeit nicht verändern. Aus ihnen und den an sie gebundenen Elektronen ist
unsere materielle Umwelt aufgebaut. Daneben kommen in der Natur instabile Kerne vor (natürliche radioaktive Kerne), und darüber hinaus lassen sich im Labor eine große Zahl instabiler Kerne (künstliche radioaktive Kerne) herstellen. Die instabilen Kerne werden auch Radionuklide genannt. Instabil sind sie bezüglich der Zahl Z und/oder der Zahl N im jeweiligen
Kern. Diese ändern sich im Laufe der Zeit, indem spontan Teilchen und Energie aus dem
Kern emittiert werden (Radioaktivität).
Entspricht eine Kombination (Z,N) nicht der eines stabilen Kernes, so kommt es zu nuklearen
Umwandlungsvorgängen. Ziel für einen Kern ist dabei immer ein möglichst stabiler Bindungszustand, der durch unterschiedliche Umwandlungsarten erreicht werden kann. Ist auch
der durch den Zerfall entstandene Kern selbst instabil, zerfällt dieser seinerseits erneut. Es
entsteht im allgemeinen eine ganze Zerfallskette, die letztlich bei einem stabilen Nuklid endet
(Radioaktive Zerfallsfamilien).
4.1 Radioaktive Zerfallsarten
α-Zerfall
Beim α-Zerfall geht ein Mutterkern mit der Ordnungszahl Z und der Massenzahl A unter
Emission eines 4He-Kerns, des α-Teilchens (Z=2, A=4), in einen Kern mit der Ordnungszahl
Z-2 und der Massenzahl A-4 über (Abb. 1). Der Zerfall lässt sich symbolisch schreiben als
A
Z
X→
A-4
Z-2
Y + 24 He
(1)
Auf beiden Seiten der Gleichung steht die gleiche Anzahl von
Protonen Z und die gleiche Anzahl von Nukleonen A. Dies gilt
für alle radioaktiven Zerfälle. Die Zahl der Nukleonen und die
Gesamtladung müssen erhalten bleiben.
Abb. 1: Der α-Zerfall.
Der α-Zerfall ist nur möglich, wenn die Kernmasse m auf der
linken Seite von Gl. (1) größer ist als die Summe auf der rechten. Zu den Kernmassen kommen im neutralen Atom noch Z
Elektronenmassen m0 hinzu und wir können statt der Kernmassen die Atommassen M(Z,A) = m(Z,A) + Zm0 benutzen.
Mit der Einsteinschen Masse-Energie-Äquivalenz (E = mc2)
ergibt sich für die Zerfallsenergie
Q =  M (Z , A) − M ( Z − 2, A − 4) − M ( 42 He)  c 2
(2)
Nur für den Fall Q > 0 ist ein α-Zerfall möglich. Es zeigt sich, dass nur für Kerne mit A > 150
der α-Zerfall möglich ist.
Da die Energie erhalten bleiben muss, verteilt sich Q als kinetische Energie auf die Zerfallsprodukte.
E kin (α ) + Ekin (Y) = Q
(3)
Radioaktivität
RA 5
Mit dem Impulssatz ergibt sich dann
Ekin (α ) = Q
mY
mY + mα
(4)
Das α-Teilchen erhält also beim Zerfall eine diskrete kinetische Energie, die durch den QWert und die Masse des Mutterkerns bestimmt ist. Die α-Strahlung ist deshalb monochromatisch (Abb. 2).
Abb. 2: Energiespektrum von α-Teilchen.
Wegen ihrer relativ großen Masse und Geschwindigkeit werden α-Teilchen bei der Wechselwirkung mit Materie nur selten wesentlich aus ihrer Bewegungsrichtung abgelenkt. Entlang
ihres Weges erfolgen so lange Energieübertragungsprozesse (Stöße, Ionisation) mit Atomen
oder Molekülen, bis die Bewegungsenergie aufgebraucht ist. Die Länge dieses Weges nennt
man die Reichweite R. Je höher die Anfangsgeschwindigkeit v0 der Teilchen, desto größer ist
R:
R = Av03
(Geigersches Reichweitengesetz)
(5)
Gl. (5) ist eine empirische Formel mit A als einer materialabhängigen Konstanten. In Luft gilt
A ≈ 10-27 cm-2s3, in Blei ist A um den Faktor 1000 kleiner.
β-Zerfall
Unter dem β-Zerfall versteht man die Zerfälle eines Kerns, bei denen die Anzahl der Nukleonen, d.h. die Massenzahl A, konstant bleibt, und die Kernladungszahl Z sich um eine Einheit
ändert. Es gibt drei verschiedene Arten von β-Zerfällen.
Abb. 3: β− (links) und β+-Zerfall (rechts).
Beim β−-Zerfall emittiert der Kern bei der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton ein
Elektron und erhöht seine Kernladungszahl von Z auf Z+1 (Abb. 3 links). Energetisch mög-
RA 6
Radioaktivität
lich ist dieser Prozess, wenn die Masse des Mutterkerns größer ist als die des Tochterkerns
plus eine Elektronenmasse m0. Die Übergangsenergie Q ist die Differenz dieser Massen. Sie
kann in Kernmassen m oder in Atommassen M ausgedrückt werden:
Q = [ m( Z , A) − m ( Z + 1, A) − m0 ] c 2 = [ M ( Z , A) − M ( Z + 1, A) ] c 2
(6)
Beim β +-Zerfall emittiert der Kern bei der Umwandlung eines Protons in ein Neutron ein Positron und erniedrigt seine Kernladungszahl von Z auf Z-1 (Abb. 3 rechts). Das Positron ist
ein „Antielektron“ mit allen Eigenschaften des Elektrons bis auf die positive Ladung. Für
diesen Zerfall muss die Übergangsenergie
Q = [ m( Z , A) − m ( Z − 1, A) − m0 ] c 2 = [ M ( Z , A) − M ( Z − 1, A) − 2 m0 ] c 2
(7)
positiv sein.
Beim Elektroneneinfang (EC, von „electron capture“) fängt sich der Kern ein Elektron aus der
Atomhülle ein und erniedrigt dabei die Kernladungszahl um eine Einheit. Die Übergangsenergie ist durch den Überschuss der Masse des Mutterkerns zuzüglich einer Elektronenmasse
über die Masse des Tochterkerns gegeben.
Q = [ m( Z , A) − m ( Z − 1, A) + m0 ] c 2 = [ M ( Z , A) − M ( Z − 1, A) ] c 2
(8)
Vergleicht man Gl. (8) und Gl. (7), ergibt sich, dass β+ und EC gleichzeitig auftreten können,
wenn das Mutteratom mindestens zwei Elektronenmassen schwerer ist als das Tochteratom.
Abb. 4: Energiespektrum von β-Teilchen.
Misst man die Energie der beim β− oder β+ emittierten Teilchen, stellt man im Unterschied
zum α-Zerfall fest, dass ihre Energien über einen weiten Bereich kontinuierlich verteilt sind,
obwohl Mutter- und Tochteratom einen energetisch wohldefinierten Zustand darstellen (Abb.
4). Nur ganze wenige Teilchen besitzen eine kinetische Energie, die der Übergangsenergie Q
entspricht. Alle anderen Teilchen haben niedrigere Energien. Diese Beobachtung schien die
Energieerhaltung zu verletzen. Deshalb hat Pauli in den 30er Jahren postuliert, dass bei den βZerfällen noch ein weiteres Teilchen emittiert wird, dass ungeladen ist und entweder keine
oder eine sehr kleine Masse besitzt. Er nannte dieses Teilchen Neutrino. Erst viele Jahre später ist es gelungen, die Existenz des Neutrinos nachzuweisen.
Mit dem Neutrino besteht der Endzustand nach dem β-Zerfall aus drei Teilchen, auf die die
Übergangsenergie beliebig verteilt werden kann. Damit können Elektronen oder Positronen
mit Energien zwischen null bis zur Übergangsenergie emittiert werden. Die jeweils zur Übergangsenergie fehlende Energie wird vom Neutrino aufgenommen.
Radioaktivität
RA 7
γ-Zerfall
Der γ-Zerfall tritt in Verbindung mit dem α- und β-Zerfall auf, falls die Übergänge zu einem
angeregten Zustand des Tochterkerns führen. Der Tochterkern gibt dann diese Anregungsenergie durch Emission von γ-Strahlung ab. γ-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung
(Photonen) wie Licht und Röntgenstrahlung. Über die Beziehung E = hv ist die Energie der
Strahlung mit ihrer Frequenz verknüpft. Die Energien dieser Übergänge sind spezifisch für
ein bestimmtes Radionuklid, so dass man aus der Bestimmung der γ-Energien Rückschlüsse
auf die in einer radioaktiven Probe enthaltenen Isotope ziehen kann.
4.2 Radioaktives Zerfallsgesetz
Zu welchem Zeitpunkt ein einzelner Kern eines bestimmten Radionuklides zerfällt, ist nicht
vorhersagbar, da diese Zerfälle rein statistisch ablaufen. Für eine genügend große Anzahl n
von Kernen jedoch lassen sich Aussagen über die Häufigkeit der Zerfälle machen. Die Zahl
dn der sich in einem Präparat im Zeitintervall zwischen t und t+dt umwandelnden Kerne
hängt von der Zahl der Kerne eines Radionuklids ab. Je mehr Kerne vorhanden sind, umso
wahrscheinlicher ist es, dass einer davon zerfällt.
dn = −λ n(t )dt
(9)
λ ist die als Zerfallskonstante bezeichnete Proportionalitätskonstante . Ihr Kehrwert τ = 1/λ
gibt die mittlere Lebensdauer der instabilen Kerne an. Das negative Vorzeichen steht für die
Abnahme der Anzahl der Kerne durch den Zerfall.
Hat man zu einem willkürlich mit t = 0 bezeichnetem Zeitpunkt, von dem aus die Zeit gemessen wird, die Zahl n(0) = n0 der Kerne eines radioaktiven Isotops bestimmt, so ist davon zum
Zeitpunkt t noch die Zahl n(t) übrig. n(t) ergibt sich aus Gl. (9) durch Integration über die Zeit
n(t ) = n0 e − λt = n0 e
−
t
τ
(10)
Üblicherweise verwendet man nicht die mittlere Lebensdauer τ zur Charakterisierung der
Zerfallswahrscheinlichkeit sondern die Halbwertszeit T1/2. Sie gibt die Zeit an, nach der von
einer anfänglichen Zahl n0 eines Radionuklids die Hälfte zerfallen ist.
n(T1 2 ) =
1
n0
2
(11)
Nach Einsetzen in Gl. (10) ergibt sich
T1 2 =
ln 2
= τ ln 2
λ
(12)
Die „Stärke“ eines radioaktiven Präparats, d.h. die mittlere Zahl der Zerfälle pro Zeit, wird als
Aktivität A bezeichnet und in der Einheit Becquerel (Bq) angegeben. 1 Bq entspricht einem
Zerfall pro Sekunde.
In Tab. 1 sind einige Radionuklide zusammengestellt.
Tab. 1: Zerfallsarten und Halbwertszeiten einiger radioaktiver Isotope.
Radionuklid
Zerfallsarten
Halbwertszeit
14
6
C
β−,γ
5730 a
59
26
Fe
β−,γ
44,5 d
RA 8
Radioaktivität
I
β−,γ
8d
Co
β−,γ
5,3 a
131
53
60
27
137
55
Cs
β−,γ
30 a
226
88
Ra
α,β−
1620 a
24
11
Na
β−,γ
0,6 d
22
11
Na
β+,γ
2,6 a
90
38
Sr
β−
28,8 a
32
15
P
β−
14,3 d
239
94
Pu
α,γ
24110 a
241
95
Am
α,γ
432,2 a
4.3 Poisson-Verteilung
Wird der Zerfall eines radioaktiven Präparates beobachtet, so ist leicht zu erkennen, dass dies
kein Vorgang ist, der gleichmäßig von statten geht. Mal zerfallen mehr, mal weniger Kerne,
und nur im zeitlichen Mittel kann dafür ein Wert angeben werden. Ob ein einzelner Kern zerfällt oder nicht, ist ein zufälliges Ereignis, das unbeeinflusst von der Umgebung eines Kerns
eintritt. Der Zerfall eines Kerns hat kausal nichts mit einem vorhergehenden anderen Kernzerfall zu tun. Damit schwankt auch die Anzahl N der vom Messinstrument pro Zeiteinheit registrierten Impulse. Bei genügend großer Anzahl von Messungen ergibt sich eine in Abb. 5
Dargestellte charakteristische Häufigkeitsverteilung, die Poisson-Verteilung.
Abb. 5: Histogramm der Zählratenverteilung beim Radioaktiven Zerfall. Die rote
Linie zeigt die zugehörige Poisson-Verteilung.
Der wahrscheinlichste Wert kann dabei in guter Näherung durch das arithmetische Mittel N
ausgedrückt werden.
Radioaktivität
RA 9
N=
1 n
∑ Ni
n i =1
(13)
Die Genauigkeit einer Messung wird durch die Varianz σ 2 charakterisiert:
σ2 =
2
1 n
Ni − N )
(
∑
n − 1 i =1
(14)
Die Wurzel aus der Varianz, die Standardabweichung σ, ist ein Maß für die Streuung der einzelnen Zählergebnisse um den Mittelwert.
Die in Abb. 5 als durchgezogene eingezeichnete Häufigkeitsverteilung ist die sogenannte
„Poisson-Verteilung“, die praktisch allen Radioaktivitätsmessungen zugrunde liegt. Bei der
Poisson-Verteilung ist die Varianz gleich dem Mittelwert.
σ 2 = N oder σ = N
(15)
Für genügend große Zählergebnisse (Mittelwert N > 20 ) lässt sich die Poisson-Verteilung gut
durch eine Normal- bzw. Gauß-Verteilung (Gl. (16)) annähern. Die Häufigkeit, P(N), mit der
die Ereigniszahl N (Zerfälle pro Intervall) eintritt, ist dann gegeben durch
1 ( N −N ) 

σ

− 
1
P( N ) =
e 2
σ 2π
2
(16)
4.4 Neutronenaktivierung
Neben den Reaktionsprozessen von Atomkernen durch spontane Umwandlung durch α- oder
β-Emission gibt es auch Nuklide, die sich mit spontaner Neutronenemission (n) umwandeln.
Eine Umkehrung der ersten beiden Prozesse ist wegen der starken abstoßenden CoulombWechselwirkung der Teilchen mit dem positiven Atomkern nur möglich, wenn die Teilchen
extrem hohe kinetische Energie mitbringen, wie sie für radioaktive Umwandlungen typisch
sind und auch in Beschleunigungsanlagen erzeugt werden können. Anders verhält es sich mit
n-Umwandlungen. Da Neutronen ungeladen sind, entfallen Coulomb-Wechselwirkungen, so
dass auch langsame n bis zum Kern vordringen können. Nur wenn ihre kinetische Energie
niedrig ist, können sie vom Kern leicht eingefangen werden. Infolge der durch den Einfang
erhöhten Neutronenzahl entstehen dadurch zumeist instabile Nuklide, die weiteren spontanen
Kernprozessen unterworfen sind, insbesondere α- oder β-Zerfällen. Man spricht dann von
„neutroneninduzierter Radioaktivität“ oder „Neutronenaktivierung“ und von künstlicher Radioaktivität, da die radioaktiven Nuklide zumeist nicht in natürlichen radioaktiven Zerfallsreihen und damit auch nicht in der Natur vorkommen. Handelt es sich dabei um sehr schwere
Kerne mit großer Massenzahl, so können diese durch den Einfang von Neutronen in Bruchstücke auseinanderfallen (Kernspaltung). Beispiele für diesen Prozess sind die in Kernreaktoren zur Energiegewinnung ausgenutzte Spaltung von 235U oder 239Pu.
Entstehen durch n-Einfang radioaktive Aktivierungsprodukte, so können diese anhand ihrer
charakteristischen Strahlung und Halbwertszeit identifiziert werden und damit auch der ursprüngliche stabile Kern, der das Neutron eingefangen hat. Technisch wird dieser Prozess zur
Bestimmung von Spurenelementen und Verunreinigungen in Materialien benutzt (Neutronenaktivierungsanalyse (NAA)). Die NAA ist wesentlich empfindlicher als eine chemische Analyse, je nach nachzuweisendem Element und der eingesetzten Neutronenquelle liegt die
Nachweisgrenze zwischen 10-6 g und 10-11 g.
Beim Aktivierungsvorgang werden während der Zeit dt
RA 10
Radioaktivität
dna = adt
(17)
aktive Kerne erzeugt. a ist eine für die Aktivierungswahrscheinlichkeit charakteristische
Konstante. Sie hängt ab von der Anzahl der aktivierbaren Kerne, dem Neutronenstrom (Anzahl einfallender Neutronen pro Querschnittsfläche und Zeit) und der Wahrscheinlichkeit
(dem „Wirkungsquerschnitt“) für die Reaktion des Neutrons mit dem Kern.
In der gleichen Zeit dt zerfallen nach Gl. (9)
dnz = −λ n(t )dt = −
n(t )
dt
τ
(18)
Kerne, wobei n(t) die Anzahl der vorhandenen aktivierten Kerne angibt. λ ist die für den Zerfall charakteristische Zerfallskonstante. Damit erhält man nach der Zeit dt
n(t ) 

dn =  a −
 dt
τ 

(19)
aktivierte Kerne. Nach der gesamten Aktivierungszeit ta ergibt sich die Gesamtzahl der aktivierten Kerne:
t
−a 

N (ta ) = aτ 1 − e τ 


(20)
Mit zunehmendem ta stellt sich ein Gleichgewicht zwischen erzeugten und zerfallenden Kernen ein (siehe Abb. 6). Als Faustregel wird diese Sättigung nach einer Aktivierungsdauer von
größer als der sechsfachen Halbwertszeit des erzeugten Isotops erreicht.
Abb. 6: Anzahl der durch die Aktivierung erzeugten Kerne als Funktion der Zeit.
Zum Zeitpunkt ta wird die Aktivierung beendet.
Nach der Aktivierung wird mit einem Detektor die Zahl der zerfallenen Kerne registriert:
t
− 

N (t ) = N (ta )  1 − e τ 


(21)
Radioaktivität
RA 11
Gemessen wird die Zerfallsrate R zur Zeit t gemittelt über ein Zeitintervall („Gatezeit“) ∆tg.
Durch Differenzieren und Integrieren erhält man
dN
1
R=
=
dt ∆t g
t +∆t g
∫
t
∆t g
′
−
N (ta ) − τt
N (t a ) 
e dt ′ =
1 − e τ
τ
∆t g 
t
 −τt
−
 e = R0 e τ

(22)
Es genügt also, analog zu Gl. (10) die Zerfallsrate R zu messen und eine Exponentialfunktion
anzupassen, um ein Maß für die aktivierten Kerne und die Zerfallskonstante des Isotops zu
erhalten.
Wichtig ist die Wahl einer geeigneten Gatezeit ∆tg. Wählt man ∆tg zu klein, so erhält man
große statistische Fehler für R. Ist hingegen ∆tg zu groß, etwa in der Größe von τ, hängen das
ermittelte τ bzw. λ scheinbar von ∆tg ab und dies führt zu einem systematischen Fehler der
Messung.
Die hier benutzte Neutronenquelle ist ein „Radium-Beryllium-Generator“: 226Ra zerfällt zu
222
Rn unter Emission hochenergetischer α-Teilchen. Ein kleiner Teil der emittierten αTeilchen wird von Beryllium-Kernen eingefangen, wobei ein instabiles C-Isotop entsteht.
Dieses wandelt sich unter Emission eines Neutrons in das stabile Isotop 12C um:
9
4
Be + 24α → 136 C → 126 C + 01n
Dabei entstehen schnelle Neutronen mit einem Energiespektrum von 5 MeV bis 13 MeV.
Diese kinetische Energie ist allerdings viel zu hoch, so dass die Neutronen für die Aktivierung
abgebremst werden müssen, man spricht von Moderation. Dies geschieht durch Paraffin, das
zum größten Teil aus Wasserstoff besteht. Da der Wasserstoffkern eine ähnliche Masse hat
wie ein Neutron und der größte Energieübertrag und damit die größte Verlangsamung bei
Stößen von Teilchen gleicher Masse erfolgt, ist Wasserstoff ein sehr guter Moderator für
Neutronen. Die Neutronen erreichen schließlich thermische Energien von etwa 0,025 eV, dies
entspricht einer Geschwindigkeit von etwa 2200 m/s.
Abb. 7: Aufbau des Radium-Beryllium-Generators zur Erzeugung thermischer Neutronen.
Abb. 7 zeigt den Aufbau der Neutronenquelle. Ein Gemisch von 226Ra (259 Mbq) und 9Be
befindet sich im Zentrum des Stahlbehälters innerhalb einer Bleiabschirmung. Das Blei dient
zur Abschirmung der bei den Prozessen entstehenden α- und γ-Strahlung, so dass die γDosisleistung außerhalb des Behälters unter die gesetzlich zulässige Grenze reduziert wird.
RA 12
Radioaktivität
Der Rest des Stahlbehälters ist zur Moderation der Neutronen mit Paraffin gefüllt, in dem sich
Bohrungen zur Aufnahme der zu aktivierenden Materialien befinden. Die Quelle liefert rund
100 000 langsame Neutronen pro s.
4.5 Wechselwirkung von Strahlung mit Materie
Geladene Teilchen
Bei Stößen von geladenen Teilchen mit Materie dominiert die elektromagnetische Wechselwirkung. Es können verschiedene Prozesse dabei auftreten:
• Inelastische Streuung an Elektronen: Das geladene Teilchen wird dabei abgebremst und
verliert seine kinetische Energie an die Atome oder Moleküle, die dabei angeregt oder ionisiert werden.
• Elastische Streuung an Kernen: Die Teilchen werden bei Annäherung an einen positiv
geladenen Atomkern durch elastische Stöße gestreut und verlieren dabei an den Kern
Rückstoßenergie. Dieser Verlust ist umso kleiner je größer der Massenunterschied der
Stoßpartner ist. Die Häufigkeit dieser Stöße ist wesentlich geringer als die inelastischen
Stöße in der Elektronenhülle.
• Inelastische Streuung an Kernen: In der Häufigkeit vergleichbar mit den elastischen Stößen mit Kernen sind inelastische Prozesse, bei denen ein geladenes Teilchen außer der
durch die Kinematik bedingten Rückstoßenergie noch zusätzlich Energie verliert. Solche
Prozesse sind z.B. die Erzeugung von Bremsstrahlung oder Anregungen des gestoßenen
Kerns.
Geladene Teilchen können in hinreichend ausgedehnter Materie ihre gesamte Energie verlieren. Ihre Reichweite hängt von der Anfangsenergie und dem Bremsvermögen des Materials
ab und kann nur näherungsweise berechnet werden. Eine empirische Formel für die Reichweite von α-Teilchen ist das Geigersches Reichweitengesetz (Gl. (5)).
Falls β+-Teilchen (Positronen) bei einem Zerfall emittiert werden, begegnen die Positronen
entweder bereits in der radioaktiven Probe oder im Detektor innerhalb einiger 100 ps normalerweise einem Elektron. Dies führt zu einer „Materie-Antimaterie“-Vernichtung des Elektrons und des Positrons: e+ + e− → 2γ . Dabei entstehen zwei γ-Quanten mit einer Energie von
je 512 keV. Diese Energie entspricht gerade der Ruhemasse des Elektrons bzw. des Protons.
γ-Strahlung
Im Gegensatz zu geladenen Teilchen ionisiert γ-Strahlung Materie nicht direkt. Sie wird
nachweisbar durch drei Prozesse der elektromagnetischen Wechselwirkung: den Photoeffekt,
die Comptonstreuung und die Paarbildung. Die dabei freigesetzten oder erzeugten Elektronen
und Positronen übernehmen kinetische Energie, die sie durch Ionisierung abgeben. Es sind
also sekundäre Teilchen, die den Nachweis von γ-Strahlung ermöglichen.
Im Unterschied zu geladenen Teilchen verliert γ-Strahlung in Materie Intensität, aber die Photonen, die durchkommen, haben keine Energie verloren. Gegen γ-Strahlung ist keine vollständige Abschirmung möglich, da auch nach großen Schichtdicken noch eine endliche Intensität
vorhanden ist.
Die Abnahme der Intensität elektromagnetischer Strahlung durch Absorption in Materie der
Dicke d wird durch die Beziehung
I = I 0e− µ d
(23)
Radioaktivität
RA 13
beschrieben. Die Größe µ, die die Wahrscheinlichkeit der Absorption beschreibt, hat die Dimension einer reziproken Länge und ist der totale lineare Absorptionskoeffizient.
Die Größe λ=1/µ ist die mittlere freie Weglänge der Strahlung in Materie, d.h. der mittlere
Weg, den ein Photon zurücklegt, bevor es absorbiert wird.
4.6 Strahlenwirkung und Dosis
Auf Strahlung reagieren die verschiedenen in einem Organismus vorhandenen Gewebetypen
unterschiedlich. Besonders strahlenempfindlich sind die Blutbildungsorgane, die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes und der Luftwege, die Keimdrüsen und embryonales Gewebe.
Strahlenexposition bedeutet, das Strahlung im Gewebe absorbiert wird, wodurch es zu Wechselwirkungen auf molekularer Ebene mit dem Körpergewebe kommt. Wenn Strahlung auf
Körperzellen einwirkt, können bösartige Mutationen, wie zum Beispiel Krebs, in der strahlenexponierten Person selbst entstehen. Sind Keimzellen betroffen, so kann es zu Mutationen
oder zur Veränderung der Erbanlagen, der DNS, kommen.
Ionisierende Strahlung kann zelluläre Bestandteile, insbesondere die Erbsubstanz, verändern
oder zerstören. Das ist nicht gleichbedeutend mit einem gesundheitlichen Schaden, denn der
Organismus ist in der Lage, Zellverluste auszugleichen und sie zu reparieren. Allerdings können die natürlichen Abwehr- und Reparatursysteme der Immunabwehr auch in dieser Hinsicht
versagen. Dies ist abhängig von der Höhe der Dosis, der Strahlenart, des Zeitraums der Strahlenexposition und der räumlichen Verteilung der Zellschäden.
Energiedosis
Für die Beurteilung der Wirkung radioaktiver Strahlung wird die Energiedosis D verwendet,
die als absorbierte Strahlungsenergie pro durchstrahlte Masse definiert ist. Die Maßeinheit ist
Gray (Gy) mit 1 Gy = 1 J/kg.
Äquivalentdosis
Die verschiedene biologische Wirksamkeit unterschiedlicher Strahlungsarten wird durch die
Äquivalentdosis H berücksichtigt:
Äquivalentdosis H = Energiedosis D × Qualitätsfaktor Q
Die Äquivalentdosis wird in [H] = 1 Sv = 1 Sievert angegeben. Der Qualitätsfaktor ist 1 für γStrahlung und 20 für α-Strahlung.
Äquivalentdosisleistung
Da Strahlung mit einer bestimmten Dosis über unterschiedliche Zeiträume einwirken kann,
wird noch die Äquivalentdosisleistung benötigt, die Äquivalentdosis pro Bestrahlungsdauer
mit Maßeinheit Sv/h (In Deutschland beträgt die mittlere Äquivalentdosisleistung infolge natürlicher Strahlungsquellen etwa 0,27 μSv/h).
In Tab. 2 sind einige Beispiele für Äquivalentdosen unterschiedlicher Herkunft und ihre möglichen kurzfristigen Wirkungen aufgezählt. Über möglicherweise Jahre oder Jahrzehnte später
auftretende Nachwirkungen sagt diese Tabelle nichts aus.
Tab. 2: Äquivalentdosen verschiedener Herkunft und Wirkungen.
Äquivalentdosis
2 -4 mSv
Herkunft bzw. Wirkung
Jährliche natürliche Strahlenbelastung in Deutschland, bestehend aus
RA 14
Radioaktivität
Höhenstrahlung, Strahlung aus Isotopen in der Erde, der Radonbelastung, der Belastung durch die natürlich entstehenden Isotope 40K und
14
C.
0,1 mSv
Interkontinentalflug
0,2-1 mSv
Röntgenaufnahme der Lunge
ca. 10 mSv
Röntgenaufnahme des Beckens
250-500 mSv
Blutbildveränderungen, die sich wieder zurückbilden
1000-1200 mSv Haarausfall, Übelkeit
4000-5000 mSv LD50, d.h. 50% der betroffenen Personen sterben
7000 mSv
100% der betroffenen Personen sterben innerhalb von 30 Tagen
50000 mSv
100% der betroffenen Personen sterben innerhalb von 5 Tagen
4.7 Nachweis von Strahlung
Die Strahlung, die bei radioaktiven Zerfällen produziert wird, wird vom Menschen mit keinem seiner Sinne wahrgenommen. Zur Messung radioaktiver Strahlung bedarf es technischer
Hilfsmittel. Zwei wichtige Arten von Detektor werden nachfolgend besprochen: das GeigerMüller-Zählrohr und der Szintillationszähler.
Geiger-Müller-Zählrohr
Abb. 8: Schematische Darstellung eines Geiger-Müller-Zählrohres.
Beim Geiger-Muller-Zählrohr (GMZ) (Abb. 8) handelt es sich um ein einseitig offenes, meist
zylindrisches Gefäß. Die offene Seite, das sog. Fenster, ist mit einem für Strahlung möglichst
durchlässigen Material zur Luft hin verschlossen, üblicherweise verwendet man hierfür dünne
Plastikfolien oder Glimmer. Dieses Gefäß ist mit einem leicht ionisierbaren Gas (Zählgas)
unter niedrigem Druck gefüllt. Die Innenseite des Rohres ist elektrisch leitend, sie bildet einen
Pol eines Kondensators (Kathode). Davon isoliert angebracht ist eine Gegenelektrode (Anode), bei zylindrischen Anordnungen befindet sich diese axial innerhalb des Rohres.
An diese Elektrodenanordnung wird nun eine Gleichspannung U0 angelegt. Das System verhält sich wie ein Kondensator: es baut sich auf Grund der Potentialdifferenz zwischen den
beiden Elektroden ein elektrisches Feld auf. Gelangt ein schnelles, elektrisch geladenes Teilchen, z.B. ein β-Teilchen, in das Zählrohr, so entstehen durch Ionisation des Zählgases längs
der Bahn des Teilchens freie Elektronen und positiv geladene Ionen. Die Elektronen werden
aufgrund des elektrischen Feldes in Richtung des Anodendrahtes beschleunigt und können
Radioaktivität
RA 15
durch Stöße weitere Gasmoleküle ionisieren. Die freien Elektronen leiten eine Gasentladung
ein, die jedoch bei geeigneter Wahl der Spannung U0 und einem entsprechend dimensionierten Vorwiderstand R nach etwa 10-5 s selbst erlischt. Bei dieser Gasentladung fließt für kurze
Zeit ein Strom im Zählrohr, der an dem Widerstand R einen Spannungsimpuls verursacht.
Dieser lässt sich elektronisch verstärken und mit einer Zählerschaltung registrieren.
Die ionisierende Wirkung, die die Strahlung hat, ist abhängig von der Energie und der Art der
Strahlung. α-Teilchen etwa besitzen aufgrund ihrer zweifach positiven Ladung eine höhere
Wahrscheinlichkeit für die Ionisation als etwa Elektronen derselben Energie. Dennoch kann
mit einem GMZ keine Aussage zu Art oder Energie der detektierten Teilchen gemacht werden. Das System reagiert ausschließlich darauf, dass es ein Zählereignis gegeben hat, nicht
jedoch auf die Art des Ereignisses.
Nachdem das GMZ einen Zählimpuls produziert hat, dauert es eine gewisse Zeit t*, bis sich
die Spannung auf den Kondensatorelektroden regeneriert hat. Während dieser Zeit ist das
elektrische Feld im Inneren schwächer und es ist nicht mehr garantiert, dass durch Strahlung
entstehende freie Ionen getrennt werden können, bevor sie mit ihrem/ihren Elektron/en rekombinieren. In dieser Zeit muss daher davon ausgegangen werden, dass das Zählrohr blind
ist. t* bezeichnet man als Totzeit. Folgen die Teilchen schneller aufeinander als im Abstand
t*, ist das Zählrohr nicht mehr in der Lage, diese getrennt zu registrieren, und es gibt einen
einzigen Zählimpuls. Je höher daher die aktuelle Zählrate ist, die mit einem GMZ gemessen
wird, umso höher ist die Zahl der Teilchen, die in das Zählrohr eindringen, ohne dass dort für
jedes Teilchen ein einzelner Zählimpuls ausgelöst wird. Um dennoch auch bei höheren Zählraten messen zu können, bedient man sich einer statistischen Korrekturformel, um aus der
gemessenen Zählrate NZ die wahre Zahl von Teilchen im Zählrohr NW zu bestimmen:
NW =
NZ
1 − NZ t∗
(24)
Die hier verwendeten Zählrohre haben eine Totzeit von ca. 100 µs, so dass sie nur für kleine
bis mittlere Zählraten geeignet sind. Sie registrieren α- und β-Strahlung gleichermaßen gut.
Die Zählrohre registrieren auch γ-Strahlung, allerdings erzeugt nur etwa jedes hundertste einfallende Photon ein Ionenpaar, woraus sich eine nur geringe Empfindlichkeit für γ-Strahlung
ergibt.
Szintillationsdetektor
Abb. 9: Schematische Darstellung eines Szintillationsdetektors.
RA 16
Radioaktivität
Die Abnahme der Intensität von γ-Strahlung durch Absorption in Materie wird durch Gl. (23)
beschrieben. Die wesentlichen Prozesse dabei sind der Photoeffekt und der Comptoneffekt,
die durch die Absorption bzw. Streuung der Photonen freie Elektronen im Material erzeugen.
Beim Photoeffekt entspricht die kinetische Energie des Elektrons der Energie des absorbierten
Photons. Diese Elektronen verlieren durch Abbremsung im Material ihre kinetische Energie.
Dabei kommt es zu elektronischen Anregungen oder Ionisation der Atome. Die Zahl der Anregungen ist proportional zur Energie der abgebremsten Elektronen. In bestimmten Materialien (NaI, ZnS, Anthrazen) rekombinieren die angeregten oder ionisierten Atome unter Aussendung von Licht im sichtbaren Bereich. Dieser Prozess heißt Szintillation. Die Zahl dieser
Lichtblitze ist proportional zur Energie der durch das γ-Quant erzeugten freien Elektronen.
Solche Szintillatoren können zur Detektion von radioaktiver Strahlung benutzt werden.
In einem Szintillationsdetektor werden die erzeugten Lichtblitze mit Hilfe eines Sekundärelektronenvervielfachers („Photomultiplier“) in ein messbares elektrisches Signal umgesetzt.
Abb. 9 zeigt den Aufbau eines Szintillationsdetektors, bestehend aus eine mit Tl dotieren NaIKristalls und einem Photomultiplier.
Abb. 10: Aufbau des NaI(Tl)-Gamma-Spektrometers.
Der durchsichtige NaI(Tl)-Kristall wird auf das Fenster des Photomultipliers gesetzt. Auf der
Rückseite dieses Fensters ist die Anode angebracht, die mit einer dünnen Schicht eines Alkalimetalls beschichtet ist. Wird in dem Kristall eine Szintillation ausgelöst, so durchläuft das
erzeugte Licht den Kristall und trifft auf die Anode und löst Elektronen aus dem Alkalimetall
der Anode aus. Die Anode liegt auf dem negativen Potential U0, so dass die Elektronen in
Richtung der 1. Dynode mit dem Potential U0 – ∆U beschleunigt werden und dabei kinetische
Energie gewinnen. Treffen die Elektronen auf die Dynode, reicht ihre kinetische Energie aus,
um pro einfallendem Elektron mehrere weitere Elektronen herauszuschlagen. Dieser Prozess
wird nun über mehrere Dynoden hinweg wiederholt, bis die so erzeugte „Elektronenlawine“
Radioaktivität
RA 17
schließlich die sich auf Erdpotential befindliche Anode erreicht. Dabei kann ein ElektronenVerstärkungsfaktor von bis zu 1011 erreicht werden. Der dabei entstehende Strom- bzw.
Spannungspuls ist proportional zur Energie des ursprünglich absorbierten γ-Quants (oder auch
α- oder β-Teilchens) und kann nun elektronisch verstärkt und analysiert werden.
Anders als ein GMZ ist der Szintillationszähler also in der Lage, die Energie eines einfallenden Teilchens zu bestimmen. Die Totzeit des hier verwendeten Szintillations-Zähler-Systems
beträgt wenige µs, d.h. es können wesentlich höhere Zählraten im Vergleich zum GMZ verarbeitet werden. Da es sich bei dem Detektionsmedium um einen Festkörper handelt, ist aufgrund der höheren Dichte verglichen mit dem Füllgas des GMZ die Wahrscheinlichkeit zur
Detektion von γ-Strahlung wesentlich erhöht.
In Abb. 10 ist der Aufbau des kompletten Szintillations-Spektrometers dargestellt. Die „Photomultiplier Base“ beinhaltet den Spannungsteiler und alle Anschlüsse für den Photomultiplier. Der Spannungsteiler wird über die Hochspannungsversorgung mit einer negativen
Spannung von -1400 V versorgt. Das Ausgangssignal des Photomultipliers wird mit zwei
Verstärkern (Preamplifier und Amplifier) auf eine Signalhöhe im Bereich zwischen 0 V und
10 V verstärkt. Das verstärkte Signal wird dann im „Multichannel Buffer“ mit einem AnalogDigital-Konverter mit einer Auflösung von 13 Bit entsprechend 8192 Spannungsintervallen
digitalisiert und in einem Histogrammspeicher abgespeichert. Dieser Speicher enthält nun das
„Energiespektrum“ der Messung und kann zu einem PC übertragen und analysiert werden.
3
4x10
Photopeak
3
Ereignisse
3x10
Rückstreupeak
3
2x10
Compton-Kante
3
1x10
0
0
200
400
600
800
1000
Energie (keV)
Abb. 11: γ-Spektrum gemessen mit NaI(Tl)-Spektrometer.
Abb. 11 zeigt ein mit diesem Spektrometer aufgenommenes Energiespektrum für ein Radionuklid, das γ-Strahlung mit nur einer Energie (662 keV) aussendet.
Dieses Spektrum zeigt die verschiedenen Komponenten eines Spektrums:
• Der „Photopeak“ entspricht der Energie eines γ-Quants, das vollständig durch Photoeffekt
im Szintillations-Kristall absorbiert wurde. Die Breite des Photopeaks ist durch die Energieauflösung des Szintillations-Detektors gegeben.
• Zwischen der Energie null und der Energie der „Compton-Kante“ sind Ereignisse registriert, bei denen das einfallende γ-Quant durch Compton-Effekt“ gestreut wurde. Die Lage der Compton-Kante hängt von der Energie der γ-Strahlung ab.
RA 18
Radioaktivität
• Der „Rückstreupeak“ wird durch γ-Quanten verursacht, die zunächst ohne jede Wechselwirkung den Szintillations-Kristall durchqueren, dann aber an Material in der Umgebung
des Detektors gestreut werden (Compton-Streuung) und danach im Detektor absorbiert
werden.
Raumwinkel
Betrachtet man ein typisches Experiment zur Radioaktivität, so hat man es in der Regel mit
einer strahlenden Substanz zu tun, die sich in einem definierten Abstand zu einem Detektor
befindet. Jeder Zerfall innerhalb des Präparates löst die Emission eines entsprechenden Teilchens aus, das in zufälliger Richtung vom Präparat ausgesendet wird. Ein Detektor registriert
einfallende Teilchen und die Zählrate lässt Rückschlüsse auf die Aktivität der Probe zu.
Schaut man sich die Verhältnisse genauer an, dann ist es aufgrund der begrenzten Größe der
Detektoröffnung verständlich, dass nur der kleinere Teil aller emittierten Teilchen in den Detektor gelangt und gezählt wird (Abb. 12).
Abb. 12: Beschränkte Sicht eines Detektors. Nur diejenigen Teilchen können registriert werden, die in den grün markierten Winkelbereich emittiert werden.
Um die gesamte Aktivität einer Probe zu messen, müsste man daher die radioaktive Probe in
einen Detektor hineinstellen, der Strahlung unabhängig von der Emissionsrichtung erfasst.
Solche Geräte gibt es, für die meisten Anwendungen sind diese allerdings zu aufwendig oder
zu unhandlich. Wie viel Strahlung von einem Detektor detektiert wird, ist abhängig von der
Größe des Detektorfensters und des Abstandes zwischen diesem und der zu messenden Probe.
Je weiter entfernt sich der Detektor von dem Präparat befindet, umso kleiner erscheint das
Fenster des Detektors, durch das Teilchen einfallen müssen um detektiert zu werden. Da sich
bei größeren Abständen die Zahl der emittierten Teilchen auf eine größere Oberfläche verteilt,
misst der Detektor eine geringere Zählrate.
Um die Detektoreigenschaften ,,Abstand“ und ,,Detektionsfläche“ in nur einer Größe erfassen
zu können, bedient man sich in Analogie zum ebenen Winkel im Bogenmaß des sogenannten
„Raumwinkels“. Betrachtet man den Einheitskreis (Abb. 13), so hat man neben der Angabe
eines Winkels in Grad die Möglichkeit, diesen über die Länge des ausgeschnittenen Kreisbogens zu definieren. Dabei gilt (mit r = 1 im Einheitskreis)
b
θ
θ [°]
=
⇒ b [rad] = 2π
2π r 360°
360°
(25)
Für den räumlichen Fall kann man analog überlegen, welches Flächenstück A einer Kugeloberfläche S mit Radius R (S = 4πR2) von einem Kegel ausgeschnitten wird, dessen Spitze im
Mittelpunkt der Kugel liegt. Analog zu Gl. (25) gilt dann
Radioaktivität
RA 19
Ω A
A
=
bzw. Ω = 2
4π S
R
(26)
Für die Einheitskugel (mit R = 1 ) entspricht der Raumwinkel gerade dem Flächeninhalt des
Stückes der Kugelfläche, die den Schnitt zwischen Raumwinkelbereich und Kugeloberfläche
darstellt. Für kleine Winkel ist die Krümmung dieses Flächenstückes vernachlässigbar, und es
ist näherungsweise zulässig, mit einer ebenen Fläche anstatt einer Kugelkappe zu rechnen.
Analog zu Bogen und Sehne beim Kreis (Abb. 13 links) ersetzt man bei der Kugel die Kugelkappe durch deren Grundseite (siehe Abb. 13).
Abb. 13: Analogie zwischen dem ebenen Winkel im Bogenmaß (links) und dem
Raumwinkel (rechts).
Zur genauen Aktivitätsbestimmung einer Probe muss man neben dem Raumwinkel des Detektors auch die Ansprechwahrscheinlichkeit des Detektors für eine bestimmte Art von Strahlung kennen, d.h. die Wahrscheinlichkeit, dass ein in den Detektor eindringendes Teilchen
überhaupt ein Zählereignis auslöst. Die Ansprechwahrscheinlichkeit variiert insbesondere für
γ-Strahlung stark mit deren Energie und hängt außerdem noch von dem Detektormaterial und
dem Detektorvolumen ab.
RA 20
Radioaktivität
5. Versuchsdurchführung
Die radioaktiven Präparate, die bei diesem Versuch zum Einsatz kommen, besitzen geringe
Aktivitäten und sind für den Unterrichtsgebrauch zugelassen. Trotzdem sollten Sie folgende
Hinweise beachten:
•
Vermeiden Sie es, in die unmittelbare Nähe der Öffnung der Halterung zu kommen,
aus der die Strahlung austritt.
•
Versuchen Sie nicht, die Präparate mit den Fingern oder Gegenständen zu berühren
(Kontaminationsgefahr).
•
Ein- und Ausbau der Präparate in die Halterungen ist Sache der Betreuerin/des Betreuers. Sollte ein Präparatewechsel notwendig werden, informieren Sie sie/ihn.
Sollten Fragen bezüglich des Strahlenschutzes aufkommen, wenden Sie sich bitte an die/den
zuständigen Betreuerin/Betreuer.
Abb. 14: Aufbau für Messungen mit einem Geiger-Müller-Zählrohr.
Für die Versuche 5.1 bis 5.3 wird der in Abb. 14 dargestellte Aufbau benutzt. Das radioaktive
Präparat befindet sich entweder halboffen an der einen Frontseite eines Stabes oder in einem
strahlungsdurchlässigen Gefäß. Diese Präparateträger werden vom Betreuer/in in die Halter
aus Kunststoff eingesetzt. Diese sind auf einer optischen Bank montiert. Einerseits gewährleistet das einen Schutz gegen Umkippen, andererseits kann die angebrachte Skala direkt für
Abstandsmessungen benutzt werden. Durch ein Loch im Halter kann das Präparat Strahlung
nach außerhalb abgeben. Auf einem zweiten Halter ist ein GMZ-Detektor angebracht.
Die sich gegenüberliegenden Stirnseiten der Halter für das Zählrohr wie auch für das radioaktive Präparat definieren beide nicht genau die Position des Zählrohrfensters bzw. der Präparatoberfläche. Die gemessenen Abstände sind daher entsprechend zu korrigieren. Einen schematischen Überblick verschafft dazu Abb. 15.
Nulleffekt
Als Nulleffekt (oder Nullrate bezogen auf die Zeit) wird die Anzahl von Zählimpulsen verstanden, die von der Messapparatur auch ohne Vorhandensein eines radioaktiven Präparats
registriert wird. Sie rührt von den natürlichen und künstlichen radioaktiven Isotopen in unserer Umwelt und der kosmischen Strahlung her. Der Nulleffekt ist im Zeitablauf zufälligen
Radioaktivität
RA 21
Schwankungen unterworfen und hängt vom Ort (geographische Lage und Meereshöhe), dem
Gebäude (Baustoffe, Abschirmung) ab. Der Nulleffekt sollte vor Beginn jeder Messreihe erfasst werden.
Zur Vermeidung von Verfälschungen durch den Nulleffekt ist eventuell eine Korrektur der
gemessenen Zählergebnisse N bzw. der Zählrate Z mit Z = N/T (T: Zähldauer) um den Nulleffekt N0 bzw. die Nullrate Z0 nötig.
5.1 Untersuchung der α-Strahlung von 241Am oder 239Pu
In diesem Versuchsteil sollen die Eigenschaften von α-Strahlung untersucht werden.
Da α-Teilchen feste Materie kaum durchdringen, muss bei dem folgenden Versuch die
Schutzkappe vor dem GMZ-Fenster entfernt werden. Dadurch ist dieses aber nicht mehr vor
mechanischen Beanspruchungen geschützt. Es ist daher darauf zu achten, das Fenster nicht
zu berühren oder sonst irgendwie mechanisch zu belasten. Ein Loch oder Riss hat die Zerstörung des Zählrohres zur Folge (Kosten etwa 350 €).
Abb. 15: Abstandsmaße für Messungen mit einem Geiger-Müller-Zählrohr.
Messung der statistischen Verteilung
Starten sie die Software für die Messwerterfassung „CASSYLab“. Als Messwertquelle wählen sie auf der schematischen Skizze des CASSY, die von dem Programm am Programmstart
angezeigt wird, die Zählrohrbox an. Es stehen Ihnen nun zwei Modi zur Verfügung:
• Messung der Gesamtzahl N der Zählereignisse: jedes Ansprechen des Zählrohres erhöht
den Wert der Größe N um eins. Ein Zurücksetzen auf null muss manuell erfolgen.
• Messung der Zählrate R: es wird die Anzahl der Zählereignisse innerhalb eines Zeitintervalls, z.B. einer Sekunde gezählt. Nach der Erfassung dieses Wertes wird der Wert zurückgesetzt auf null und es wird neu gezählt.
Wechseln sie die Ansicht der CassyLAB-Software in den Modus „Häufigkeitsverteilung“. Für
jede einzelne Messung erhalten Sie hier die Information, wie häufig welcher Messwert innerhalb einer Messreihe vorgekommen ist. Markieren Sie einen maximalen Punkt jeweils in einer
dieser Verteilungen bei kleinem (z.B. bei 12 mm) und bei großem Abstand (25 mm). Bestimmen Sie jeweils mit Hilfe der Software die Poisson-Verteilung zu der Messreihe, indem
Sie nach Auswahl des entsprechenden Menüpunktes die Messwerte ähnlich wie bei der Mittelwertbildung markieren. Die Anzahl der Messwerte, der Mittelwert sowie die Streuung wer-
RA 22
Radioaktivität
den nach der Bestimmung der Verteilung im Textfeld als Standardwert eingetragen und sind
dort abrufbar. Vergleichen Sie die beiden Ergebnisse miteinander.
Bestimmung der Reichweite von α-Strahlung
Wie bereits bei den unterschiedlichen Zerfallsarten ausgeführt wurde, besitzen α-Teilchen,
die durch denselben Zerfallsprozess entstehen, identische kinetische Energien, sie sind monoenergetisch. Da die Wahrscheinlichkeit für Zusammenstöße mit Molekülen der Luft für alle
α-Teilchen ebenfalls identisch ist, ergibt sich daraus eine im Mittel gleiche Entfernung, die
die Teilchen durch Luft zurücklegen können.
Starten sie die Software für die Messwerterfassung „CASSYLab“. Als Messwertquelle wählen sie auf der schematischen Skizze des CASSY, die von dem Programm am Programmstart
angezeigt wird, die Zählrohrbox an. Es stehen Ihnen nun zwei Modi zur Verfügung:
• Messung der Gesamtzahl N der Zählereignisse: jedes Ansprechen des Zählrohres erhöht
den Wert der Größe N um eins. Ein Zurücksetzen auf null muss manuell erfolgen.
• Messung der Zählrate R: es wird die Anzahl der Zählereignisse innerhalb einer Sekunde
gezählt. Nach der Erfassung dieses Wertes wird der Wert zurückgesetzt auf null und es
wird neu gezählt.
Für die hier vorliegende Aufgabe ist der zweite Modus der geeignete. Entfernen Sie die
Schutzkappe vor dem Zählrohrfenster. Präparat und Zählrohr werden nun einander gegenüber
liegend auf der optischen Bank angeordnet. Unter Messparameter stellen Sie eine Messzeit
von 60 s ein. Messen Sie so die Zählrate für einen Abstand von 25 mm. Verkleinern Sie dann
den Abstand millimeterweise bis auf 10 mm. Beachten Sie die geometrischen Verhältnisse
(siehe Abb. 15).
Wie Sie bereits nach der ersten Messung feststellen können, variiert die Zählrate nicht unerheblich, so dass für eine sinnvolle Messung der zeitliche Mittelwert über die 60 s Messzeit
ermittelt werden muss (diese Funktion finden Sie im Kontextmenü der CASSYLabSoftware). Notieren Sie sich diesen zeitlichen Mittelwert und den dazugehörigen Abstand.
Nachdem Sie die Zählrate für alle Abstände bestimmt haben, werten Sie Ihre Ergebnisse direkt aus, indem Sie die Messdaten in der Software ,,Origin“ erfassen. Tragen Sie die Zählrate
gegen den zugehörigen Abstand von Zählrohr und Präparat auf.
In der gemessenen Strahlung sind auch γ-Anteile enthalten, deren Schwächung längs der ausgemessenen Abstände vernachlässigt werden kann. Sie liefern einen abstandsunabhängigen
Untergrund. Ziehen sie diesen Untergrund, den Sie bei großen Entfernungen (oder durch ein
Blatt Papier zwischen Präparat und GMZ) messen können, von ihren Messwerten ab.
Man sollte erwarten, dass bei kleinen Abständen die α-Zählrate praktisch konstant ist (die
Absorption monoenergetischer α-Strahlung erfolgt ja nicht nach einem Exponentialgesetz).
Statt dessen werden Ihre Messwerte eine starke Abnahme zeigen. Dies liegt zum einen daran,
dass nicht die Reichweite in Luft sondern im System ,,Luft/Zählrohrfenster“ gemessen wird.
Längs ihres Weges sinkt die Geschwindigkeit der α-Teilchen, und da nach dem Reichweitengesetz, Gl. (5), auch die Reichweite im Fenster mit v3 abnimmt, sinkt die Durchlässigkeit der
Folie, wodurch bei größerem Abstand die langsamen Teilchen praktisch nicht mehr in das
Zählrohr eindringen können.
Zum anderen ist die Abstandsabhängigkeit Ihrer Messwerte wesentlich durch den mit zunehmenden Abstand verringerten Raumwinkel, aus dem das Zählrohr Strahlung empfängt, bedingt. Berechnen Sie daher für jeden Abstand den Raumwinkel (wobei sie die Quelle als
punktförmig annähern können) und dividieren Sie Ihre Messergebnisse durch diesen Raum-
Radioaktivität
RA 23
winkel. Die so erhaltenen Werte stellen sie grafisch gegen den Abstand dar. Bestimmen Sie
daraus die Reichweite.
5.2 Untersuchung der β-Strahlung von 60Co
Bestimmung der Absorptionsskonstanten von β-Strahlung in Polymeren und Aluminium
In diesem Teil wird das Schwächung von β-Strahlung durch Materie gemessen. Anders als αTeilchen besitzen β-Teilchen aus einem radioaktiven Zerfall in der Regel alle unterschiedliche
kinetische Energien. Daher ist einsichtig, dass die Reichweite von β-Teilchen qualitativ eine
andere ist als bei α-Teilchen. Die Absorption polyenergetischer β-Strahlung folgt annähernd
einem Exponentialgesetz
N ( x) = N (0)e− Kx
(27)
wobei N(0) und N(x) die Zählraten der β-Teilchen vor und hinter einem Absorber der Dicke x
bedeuten. K ist die Absorptions- oder Schwächungskonstante; ihr Kehrwert δ = K−1 wird als
mittlere Reichweite bezeichnet. δ gibt die Absorberdicke an, in der N auf den e-ten Teil von
N(0) abgefallen ist. Ursachen für das (fast) exponentielle Abklingen sind zum einen die verschiedenen Reichweiten der β-Teilchen unterschiedlicher Energie im Strahl und zum anderen
die Ablenkung des β-Teilchen bei Wechselwirkungen mit Absorberatomen aus der geradlinigen Richtung heraus, so dass diese nicht mehr in das Fenster des GMZ einfallen. Aufgrund
der geringen Masse der β-Teilchen passiert das viel häufiger als bei den schweren α-Teilchen,
deren Flugrichtung sich so gut wie nicht ändert.
Co emittiert sowohl β- als auch γ-Strahlung. Die γ-Strahlen werden wesentlich weniger absorbiert als die β-Strahlen. Da die Empfindlichkeit des GMZ für γ-Strahlen wesentlich geringer ist als die für β-Strahlung, stört dieser Anteil die Messung nur in vernachlässigbarem Maße.
60
• Messen Sie die Zählrate bei 2 cm Abstand zwischen Probenhalter und GMZ (Zähldauer:
60 s).
• Wiederholen Sie die Messung, platzieren Sie allerdings vor die Austrittsöffnung des Probenhalters eine oder mehrere Plastikfolien. Durch Kombination mehrerer Folien lassen
sich unterschiedliche Dicken zwischen 0,1 mm und 2 mm realisieren.
• Tragen Sie halblogarithmisch die Anzahl Messereignisse NMess(x) gegen die Dicke der
Absorberschicht x auf und ermitteln Sie daraus die Absorptionskonstante für das Plastikmaterial. Verwenden Sie als Messwert jeweils den Mittelwert aus 3 Einzelmessungen und
geben Sie eine Fehlerabschätzung an.
• Wiederholen sie die Messungen, verwenden Sie als Absorbermaterial nun aber Aluminium (Schichtdicke: 1 mm bis 12 mm).
• Vergleichen Sie qualitativ die aus den Schwächungskonstanten folgenden mittleren
Reichweiten mit den aus dem Versuch 5.1 ermittelten Reichweiten von α-Strahlung. Was
lässt sich daraus bezüglich der Schädlichkeit von β-Strahlung für Organismen folgern?
Wie kann man sich gegen von außen kommende β-Strahlung schützen? Wie dick muss eine Plastik-Abschirmung sein, um die β-Strahlung von 60Co bis auf 0,1% abzuschirmen?
5.3 Neutronenaktivierung von 103Rh
In diesem Versuch wird stabiles 103Rh durch den Einfang thermische Neutronen aktiviert. Für
das Element Rhodium ist 103Rh das einzige stabile Isotop. Durch den Neutroneneinfang werden zwei angeregte Zustände von 104Rh erzeugt, die anschließend zu 99,55% durch β−-Zerfall
zu 104Pd zerfallen (Abb. 16):
RA 24
Radioaktivität
103
45
90%
104
→ 104

45 Rh → 46 Pd + β + ν e
Rh + n 
104i
104
104
 →
45 Rh → 45 Rh + γ → 46 Pd + β + ν e
10%
Abb. 16: Mögliche β-Zerfälle von 104Rh nach Neutroneneinfang (nach R.B. Firestone, Table of Isotopes (8th ed., Wiley-Interscience, New York 1996)).
1200
Zerfallsrate
1000
-λ1t
e
-λ t
e
-λ t
-λ t
e +e
800
2
1
600
2
400
200
0
0
200
400
600
800
Zeit (s)
Abb. 17: Zerfallskurve von 104Rh und 104iRh mit unterschiedlichen Zerfallskonstanten λ2 << λ1.
Der zu 90% erzeugte Zustand von 104Rh zerfällt mit einer Halbwertszeit von 42,3 s, der mit
10% erzeugte isomere Zustand 104iRh zerfällt mit einer Halbwertszeit von 260,4 s durch γZerfall zu 104Pd mit anschließendem β−-Zerfall. Die beiden Zerfälle laufen nebeneinander mit
verschiedenen Halbwertszeiten ab. Der beim Experiment verwendete Strahlungsdetektor kann
auch die von den 104iRh emittierte niedernergetische γ-Strahlung nachweisen. Die Gesamtaktivität der Probe setzt sich additiv aus den beiden Zerfällen zusammen und die Bestimmung
der Halbwertszeiten der beiden Zerfälle ist nur möglich, wenn beide stark genug voneinander
verschieden sind. Für die Zerfälle von 104Rh ist dies in Abb. 17 dargestellt. Nach hinreichend
langer Zeit (etwa 350 s) wird der kurzlebige Zustand praktisch zerfallen sein und die für grö-
Radioaktivität
RA 25
ßere Zeiten beobachteten Zerfälle rühren nur noch von 104iRh her. Ganz stimmt dies allerdings
nicht; denn das aus 104iRh entstandene 104Rh zerfällt weiter zu 104Pd. Allerdings ist die Zerfallsrate der aus 104iRh entstandenen 104Rh-Kerne vernachlässigbar.
Für diese Messungen wird statt des für die vorhergehenden Versuch benutzten Zählrohrs mit
Fenster auf der Vorderseite ein zylinderförmiges Zählrohr mit dünner Glaswand benutzt, über
das die aktivierten röhrenförmigen Metallzylinder geschoben werden.
• Bestimmen Sie den Nulleffekt (Untergrund) des Zählrohres. Der Nulleffekt sollte mit
kleinem statistischen Fehler, d.h. hinreichend langer Messzeit bestimmt werden.
• Schätzen Sie eine sinnvolle Aktivierungsdauer zum Erreichen der Sättigunsaktivierung ab.
• Bereiten Sie im Programm CASSY Lab die Messung vor. Welche Gatezeit (s. Gl. (22)) ist
für die Halbwertszeit von 104Rh sinnvoll?
• Senken Sie die Rh-Probe mit Hilfe der Probenhalterung in eines der am nächsten Zur Mitte der Neutronenquelle gelegenen Löcher. Messen Sie die Aktivierungsdauer mit einer
Stoppuhr.
• Nach der Aktivierung nehmen Sie die Probe heraus und stülpen sie möglichst schnell
(vorsichtig und mit Schutzhandschuhen) über das Zählrohr und starten Sie die Messung.
Zur Auswertung:
• Übertragen Sie Ihre Messungen in das Programm Origin.
• Ziehen Sie den Nulleffekt (bezogen auf die von Ihnen gewählte Gatezeit) von den Messwerten ab.
• Schätzen Sie ab, nach welcher Zeit nach Bestrahlungsende praktisch nur noch das Isotop
104i
Rh vorliegt. Von diesem Zeitpunkt an verwendet Sie die Messpunkte für eine Anpassung (Fit) nach Gl. (22) zur Bestimmung der Halbwertszeit von 104iRh.
• Mit diesem Ergebnis extrapolieren Sie die Zerfallskurve von 104iRh zurück bis zum Messbeginn und subtrahieren diese Kurve von den Messwerten. Damit erhalten Sie die Zerfallskurve für 104Rh.
• Mit der so erhaltenen Zerfallskurve führen Sie ein Anpassung (Fit) nach Gl. (22) durch
und bestimmen die kürzere Halbwertszeit von 104Rh.
• Alternativ können Sie auch ausgehend von Gl. (22) eine Gleichung aufstellen, die beide
Zerfälle beinhaltet und die ursprünglichen (auf den Untergrund korrigierten) Messwerte
zur gleichzeitigen Bestimmung beider Halbwertszeiten anpassen.
5.4 Gamma-Spektroskopie
Zur Messung von Energiespektren der γ-Strahlung steht ein Gamma-Spektrometer zur Verfügung, das im Abschnitt 4.7 beschrieben ist.
Eichung der Energieskala des Gamma-Spektrometers
• Lassen Sie sich vom Betreuer die beiden Präparate 22Na und 137Cs vor den Szintillatorkristall einbauen. Stellen Sie den Zähler ca. 5 cm von den Proben entfernt auf.
• Stellen Sie sicher, dass folgende Einstellungen der Geräte vorliegen:
o Die Hochspannungsversorgung der Photomultiplier-Röhre ist auf -1400 V eingestellt.
o Die Eingangskapazität des Vorverstärkers ist auf 0 pF eingestellt.
RA 26
Radioaktivität
o Der Hauptschalter ganz rechts für die Elektronik des Szintillationszählers in dem
Einschubgehäuse ist eingeschaltet.
• Starten sie über die Verknüpfung auf dem Desktop die Software ,,MAESTRO for Windows“. Mit dieser Software spricht man die Messgeräte für diesen Versuch an.
• Nach dem Öffnen des Programmes sehen Sie gewöhnlich ein Messfenster, das mit
,,Buffer“ betitelt ist. Es handelt sich dabei um die graphische Darstellung der Messwerte,
wie sie lokal auf dem Mess-PC in einem Zwischenspeicher liegen. Zu Beginn des Versuchs sollte dieses Fenster leer sein. Ist dies nicht der Fall, so klicken Sie rechts auf das
Innere des Fensters und wählen Sie ,,Clear“, um den Inhalt zu löschen.
• Klicken Sie im Menü ,,View“ auf ,,Detector/Buffer“, und zwar so oft, bis Sie zwei Messfenster geöffnet haben:
o Ein Fenster, welches mit ,,Buffer“ überschrieben ist, und
o ein Fenster, welches mit ,,MCB“ überschrieben ist. Dieses zeigt Ihnen den aktuellen Inhalt des Speichers des Spektrometers.
• Aktivieren Sie durch einen Linksklick dort hinein das Fenster ,,MCB“. Durch einen Klick
auf die Schaltfläche ,,Start Acquisition“ (grüner Kreis mit Aufschrift Go) starten Sie dann
die Messung.
Jede Spalte innerhalb des Fensters repräsentiert einen von insgesamt 8192 Kanälen, zu deren
gleichzeitiger Aufnahme das Spektrometer fähig ist. Jedes Zählereignis wird hinsichtlich der
Energie in eine der 8192 Kanäle einsortiert. Die in die Höhe wachsenden, türkisfarbenen Balken repräsentieren die Häufigkeit, mit der Ereignisse in dieses Raster einsortiert werden. Je
höher, umso mehr Ereignisse werden innerhalb dieses Energiebereiches registriert.
Zunächst besitzt das Spektrometer keine Energieeichung, weil die Lage eines Signals von der
Detektorelektronik von zu vielen Variablen abhängt, z.B. von den frei einzustellenden Verstärkerempfindlichkeiten. Daher muss das Spektrometer geeicht werden. Indem gut erkennbare Linien von bekannten γ-Übergängen als Fixpunkte mit ihrer Energie dem Mess-PC mitgeteilt werden, kann das Spektrometer danach auch die Energie von γ-Strahlung einer unbekannten Probe bestimmen.
Bei den hier verwendeten Eichlinien handelt es sich um intensive und damit gut identifizierbare γ-Übergänge von 22Na mit 1274 keV und von 137Cs mit 661 keV Energie.
• Lassen Sie die Messung etwa 10 Minuten lang laufen, bis Sie ein sauberes Spektrum in
dem Messfenster des Detektors sehen. Beenden Sie dann die Aufnahme von Daten durch
Klick auf ,,Stop acquisition“.
• Bei der stärksten Linie („Peak“) in diesem Spektrum handelt es sich um die 661 keV-Linie
von 137Cs. Platzieren Sie den Cursor auf das Zentrum dieses Peaks. Wählen Sie aus dem
Menü ,,ROI (Region of Interest)“ den Punkt ,,Mark Peak“. Markieren Sie dann den gesamten Peak per Linksklick und Halten mit dem erscheinenden Kasten.
• Aus dem Menü ,,Calculate“ wählen Sie dann den Punkt ,,Calibration“ aus. Wenn der von
Ihnen ausgewählte Peak für das Programm gut erkennbar ist, fragt sie das Programm nach
der Energie. Geben Sie für die stärkste Linie im Spektrum eine Energie von 661 keV an.
• Wiederholen Sie den Vorgang für die weiter rechts gelegene 22Na-Linie. Geben Sie dafür
eine Energie von 1274 keV an. Ab zwei definierten Stützstellen kann das Programm näherungsweise die Energie der anderen Kanäle berechnen. Durch Hinzufügen weiterer Stellen
kann diese Eichung verbessert werden.
Radioaktivität
RA 27
• Rechtsklicken Sie auf das Spektrum und wählen Sie die Option ,,Copy to Buffer“. Der
aktuelle Inhalt des Detektormessfensters erscheint daraufhin in einem Bufferfenster, d.h.
ist in den Speicher des PC übertragen, wo sie das Spektrum weiter bearbeiten und speichern können. Verwenden Sie zum Abspeichern das Integer-CHN-Format.
Messung des γ-Energiespektrums von 60Co
Mit der geeichten Apparatur kann man nun weitere Messungen vornehmen und Spektren anderer Radionuklide aufnehmen. Das Verfahren ist ähnlich leistungsfähig wie die Bestimmung
von Spektrallinien im sichtbaren elektromagnetischen Spektrum, d.h. die Lage und die Intensität der γ-Spektrallinien sind so spezifisch für ein Radionuklid wie atomare Emissions-Linien
für ein bestimmtes Element. Anhand der Energie der Spektrallinien kann man also identifizieren, welche Nuklide in einer Probe vorhanden sind.
• Löschen Sie den Inhalt des Detektor-Messfensters (Rechtsklick - Clear).
• Positionieren Sie das 60Co-Präparat knapp vor den Detektor und starten Sie die Messung.
Warten Sie ca. 10 Minuten, bis Sie ein sauberes Spektrum vorliegen haben.
• Beenden Sie dann die Messung. Speichern Sie das Spektrum analog zur Eichung ebenfalls
im Integer-CHN-Format ab.
Um einen genauen Energiewert für die γ-Linien zu bekommen, sollten Sie die einzelnen Linien mit einer Gauß-Kurve annähern und deren Zentrum bestimmen, dessen Wert dann gerade
die Energie der Spektrallinie ist.
Die Bestimmung der Lage der Peaks bewerkstelligen Sie mit Hilfe des Programmes Origin.
Dazu ist eine Import-Makro erstellt worden, die Sie in Origin mit ,,File - Import... - ORTEC
Maestro Data“ aufrufen. Nach Angabe ihrer Datei erzeugt das Makro eine graphische Darstellung Ihrer Messergebnisse. Mit Hilfe des ,,Select range of data “-Tools in der Werkzeugleiste
links in Fenster können sie knapp links und rechts des zu untersuchenden Peaks jeweils eine
Markierung setzen. Unter dem Menüpunkt „Analysis“ finden Sie die Funktion ,,Fit Gaussian“, die Ihnen eine Gausskurve an den zwischen den Markierungen liegenden Peak anpasst.
Die im Ergebnisfenster xc genannte Größe ist dann die Position des Peak.
RA 28
Radioaktivität
6. Zerfalls-Diagramme der radioaktiven Isotope
… und hier das wirklich komplizierte (und nicht mal vollständige) Zerfalls-Diagramm von
241
Am:
Alle Energieangaben sind in „keV“.
Quelle: R.B. Firestone, Table of Isotopes (8th ed., Wiley-Interscience, New York 1996).