Seite 1 von 20 Bezirkskonferenz Kassel Borken/Hessen Referat anlässlich der Bezirkskonferenz des Bezirks Kassel 18. April 2015 Egbert Biermann Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG Bergbau, Chemie, Energie https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 2 von 20 - Es gilt das gesprochene Wort - https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 3 von 20 Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Bürgermeister Heßler, zunächst möchte ich mich für die Einladung zu Eurer Bezirkskonferenz ganz herzlich bedanken. Der heutige Vormittag hat wieder einmal deutlich gemacht, wie lebendig und kreativ die Arbeit unserer Bezirke gestaltet wird. Die Schwerpunkte der Arbeit verändern sich im Laufe der Zeit weil der Wandel der Gesellschaft die Aufgaben unserer Organisation beeinflusst und unsere Arbeit die gesellschaftlichen Verhältnisse verändert. So bunt und vielfältig ist auch die 125jährige Lebensgeschichte der IG Bergbau, Chemie, Energie und ihrer Vorläuferorganisationen wie IG Chemie, Papier, Keramik, IG Bergbau und Energie sowie die Gewerkschaft Leder. Die Gründung des Fabrikarbeiterverbandes im Jahr 1890 als Vorläufer der IGCPK war für die damalige Zeit eine kleine gewerkschaftliche Revolution. Hatten die damals bestehenden Gewerkschaften eine lange berufsständische Tradition, wurde der Fabrikarbeiterverband gebildet, um erstmals die Anliegen der un- und angelernten Arbeiter zu vertreten; zwei Jahre später wendete sich die Organisation auch den un- und angelernten Arbeiterinnen zu. Der Blick in die Geschichte belegt, dass die Gewerkschaftsbewegung eine nachhaltig wirkende Organisation ist. Ihre Gründer haben auf Beständigkeit und Wandel gesetzt. Dies ermöglichte, Reformprojekte Schritt für Schritt zu verwirklichen. Tarifautonomie, Mitbestimmung und Sozialstaat sind die sichtbaren Zeichen gewerkschaftlicher Programmatik. Mit diesen „Instrumenten“ die Lebens- und Arbeitswirklichkeit zu verbessern ist nach wie vor unsere Aufgabe. Wir wollen die Zukunft nachhaltig gestalten. Für uns bedeutet dies, das Spannungsverhältnis aller drei Dimensionen https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 4 von 20 der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – gleichberechtigt und gleichgewichtig bei den Reformen zu berücksichtigen, damit für Mensch und Umwelt das bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Dafür streitet die IG BCE in Gegenwart und Zukunft. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ihr wisst, unser Organisationsbereich umfasst die unterschiedlichsten Industriebereiche – beispielsweise die Bergbau-, Chemie-, Glas-, Papier-, Kunststoff- oder Lederindustrie, die Energiewirtschaft. Unsere Mitglieder befassen sich mit der Herstellung von Medikamenten, Reifen jeglicher Art oder der Kupfer- und Aluminium- oder Kaliproduktion, um nur einige aufzuzählen. In all diesen sehr unterschiedlichen Wirtschaftszweigen, die aber häufig im Rahmen von Wertschöpfungsketten zusammenwirken, findet man die IG BCE, die mit verantwortlichen Kolleginnen und Kollegen diese Arbeitswelt gestaltet. Unser Auftrag lautet: „Gute Arbeit“ schaffen. Dazu gehört aber auch, dafür einzutreten, dass Arbeitsplätze nicht durch politische Entscheidungen gefährdet werden. Ohne die Arbeitnehmerbewegung wäre die Welt, wäre Europa, wäre Deutschland ärmer. Wichtige Errungenschaften der Demokratiebewegung wie zum Beispiel das gleiche Wahlrecht für alle hätten sicherlich länger zur Durchsetzung benötigt. Das Pendant zur Demokratie in Staat und Gesellschaft ist die Mitbestimmung des Betriebsrates und der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat. Diese betriebliche und unternehmensbezogene „Demokratie“ ist dank der Gewerkschaften politisches Allgemeingut der Bundesrepublik Deutschland geworden. Und das war nicht einfach. Vor 95 Jahren trat am 4. Februar 1920 das Betriebsrätegesetz in Kraft. Die betriebliche Mitbestimmung wurde erheblich verbessert, auch wenn nicht alle Wünsche der Gewerkschaften umgesetzt wurden. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 5 von 20 Und damals gab es noch drei Bünde von Richtungsgewerkschaften – den ADGB für die freiheitlich-sozialistische Richtung, den DGB als Dach der christlichen Gewerkschaften und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine mit einer liberalen Ausrichtung. Maßgeblich trugen die christlich-sozialen Gewerkschafter und der ADGB zur Durchsetzung dieses Gesetzes und damit zum Beginn einer Mitbestimmungskultur bei, die aber erst nach dem 2. Weltkrieg immer breiter und erfolgreicher wurde. Selten wird berichtet, dass ein von allen Bergarbeitergewerkschaften gemeinsam geführter Streik, an dem sich über 200.000 Bergleute beteiligten, im Jahr 1905 – also vor 110 Jahren die Preußische Regierung und schließlich das Abgeordnetenhaus dazu veranlasste Arbeiterausschüsse gesetzlich festzulegen. Der Leiter der von den Streikenden gewählten siebenköpfigen Kommission war Johann Effert, ein Funktionär der christlichen Bergarbeitergewerkschaft. Die Regelungen im Berggesetz trugen zu einem besseren Verständnis der Mitbestimmungsidee bei. Dies sorgte auch für einen Verständigungsprozess zwischen den Gewerkschaftsrichtungen. Wichtig war, dass damit eine betriebliche Mitbestimmung geschaffen werden konnte, die mit den Gewerkschaften und nicht gegen diese arbeitete. Auf den Punkt wurde dies vom christlichen Gewerkschafter und Zentrumsabgeordneten Franz Erhardt gebracht. Er beschrieb das Verhältnis wie folgt: Die Betriebsräte seien die Hände, „deren sich die Gewerkschaften bedienen, um ihre Aufgaben vollständig durchführen zu können. Umgekehrt bedeuten die Betriebsräte nichts ohne den Schutz der Gewerkschaften“. Eine auch heute noch gültige Beschreibung. Deshalb wollen wir diese Errungenschaften sichern und innerhalb der Europäischen Union verbreiten. Aber auch ein weiteres Feld gewerkschaftlicher Arbeit, nämlich die Tarifpolitik, ist Kern unseres Auftrags. Dass Einkommen und Arbeitsbedingungen nicht mehr individuell https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 6 von 20 zwischen dem abhängig Beschäftigten und seinem Arbeitgeber ausgehandelt, sondern durch kollektive Verträge festgelegt werden, sind eine gemeinsame Errungenschaft, die es gerade in heutiger Zeit zu festigen gilt. Die Tarifautonomie wurde auch durch harte Kämpfe Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts errungen. Bei einigen Streiks oder sonstigen Kampfmaßnahmen um Tarifverträge wurden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sogar von Soldaten oder Polizisten erschossen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die in der Weimarer Republik durchgesetzte Tarifautonomie zuerst geachtet und schrittweise fortentwickelt. Erst der neoliberale Mainstream ab Mitte des 20. Jahrhunderts hat vor allem auf der Arbeitgeberseite die tarifvertragliche Gestaltung von Arbeitsbedingungen in Misskredit gebracht. Dass Arbeitgeberverbände die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (oder kurz OT-Mitgliedschaft) ermöglichen, ist hierfür das eklatanteste Beispiel. Für unsereins ist es eigentlich undenkbar, dass man eine Einrichtung schafft, die einen selbst überflüssig macht. Nichts anderes ist aber die Zulassung der OT-Mitgliedschaft von Arbeitgeberverbänden, denn letztlich lösen sie sich dadurch selbst auf. Ein Verband, der nur noch von Unternehmen ohne Tarifbindung gebildet wird, erfüllt seine Aufgabe „Arbeitsbedingungen zu gestalten“ nicht mehr und hat seinen Daseinszweck eigentlich verfehlt. Doch diese weitreichende Konsequenz ihres Handelns scheint kaum einem Verbandvertreter der Arbeitgeber bewusst zu sein. Gerade die Tarifautonomie ist aktuell wieder in der Diskussion. Weil das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Tarifeinheit aufgegeben hat, ist nun der Gesetzgeber gefordert, eine Regelung vorzusehen, die eine Überschneidung unterschiedlicher tarifvertraglicher Regelungen verhindert, aber gleichzeitig das Streikrecht der Gewerkschaften unangetastet lässt. Nach unserer Auffassung erfüllt der von der Bundesregierung durch https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 7 von 20 Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vorgelegte Gesetzentwurf zur Tarifeinheit diese Voraussetzung. Letztlich wird das sichergestellt, was mehr als 50 Jahre aufgrund der BAG-Rechtsprechung galt: Überschneiden sich zwei Tarifverträge konkurrierender Organisationen, die für die gleiche Tätigkeit unterschiedliche Einkommens- oder Arbeitsbedingungen festlegen, so gilt der speziellere Tarifvertrag, der in der Regel auch von der Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossen wurde. Gerade deshalb gibt es den Begriff des Anschlusstarifvertrages. Das sind all jene Verträge, die eine Gewerkschaft abschließt, die sich in der Minderheitenposition befindet. Sie sind inhaltsgleich mit dem Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft. Diese Verträge werden durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgrund des Nachzeichnungsrechts der Minderheitengewerkschaft erhalten. So werden sowohl Dumping – als auch überfordernde – Tarifverträge, die von Beschäftigten in Schlüsselpositionen organisierenden Gewerkschaften abgeschlossen werden, unmöglich gemacht. Denn Konkurrenz von Beschäftigungsgruppen innerhalb einer Belegschaft entsolidarisiert. Dass Starke und Schwache zusammenstehen ist eine stark verankerte Werthaltung der Gewerkschaften. Wenn Solidarität aber durch kleinere egoistischere Gruppeninteressen innerhalb einer Belegschaft unmöglich zu werden droht, ist der Gesetzgeber gefordert – wie zum Beispiel durch die Verabschiedung eines Gesetzes zur Tarifeinheit. Denn diese Solidarität bildet die Grundlage für unser sehr erfolgreiches System der Sozialpartnerschaft, dass Deutschland hervorragend durch die Krise gebracht hat. Hier Ausführungen zur Tarifrunde Chemie einfügen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 8 von 20 die IG BCE ist eine Industriegewerkschaft. Wir organisieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Rohstoffindustrien wie aber auch der überwiegenden Zahl energieintensiver Unternehmen. Dennoch – oder gerade deshalb – haben wir mit unseren Arbeitgeberverbänden in der Chemieindustrie die Nachhaltigkeitsinitiative 3“ „Chemie angestoßen. Wir möchten Nachhaltigkeit in der Industrie und der Arbeitswelt erreichen. Doch dies schaffen wir nicht durch einen Niedergang der Industrie; ganz im Gegenteil: nur durch technischen Fortschritt bewältigen wir die Megaprobleme unserer Zeit und können damit auch soziale Innovationen für die Menschen bewirken. Daher engagieren wir uns in der Nachhaltigkeitsfrage mit dem klaren Bewusstsein, dass nur die Ausgewogenheit der sozialen, ökonomischen und ökologischen Dimension den Fortschritt für eine gute Zukunft erzeugt. Um die Balance zwischen industrieller Produktion und der Schonung der Umwelt herzustellen, bedarf es einer sachlichen Auseinandersetzung, um zu Lösungen zu gelangen. Das fällt so manchem etwas schwer – Ihr wisst wovon ich spreche, nämlich dem Kalibergbau. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere – nicht ganz einfache – Aufgabe, eine lebenswerte Zukunft sicher zu stellen und auf der anderen Seite Menschen in Lohn und Brot zu halten, damit sie überhaupt in der Lage sind, ein lebenswertes Leben führen zu können. Deshalb sind die Sicherung von Rohstoffen und bezahlbarer Energie Grundlagen, auf die unsere Industriegesellschaft aufgebaut ist und die den Menschen hierzulande eine sichere Existenz bieten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist die Energiewende beispielhaft für uns alle die wir hier sitzen ein wichtiges und existenzielles Thema… denn es geht um bezahlbare und verfügbare Energien für die industrielle Produktion in unserem Land. Gewiss erinnert Ihr Euch an die Situation vor einigen Monaten. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 9 von 20 Damals kursierte im Wirtschaftsministerium eine ominöse schwarze Liste. Da waren die Kraftwerke genannt, die stillgelegt werden sollten. Schon damals ohne Rücksicht auf die Folgen. Ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze, Energiepreise und Versorgungssicherheit. Seither ist leider nichts besser geworden. Im Gegenteil. Wiederum stellt die Bundesregierung die Zukunftsfähigkeit der Kohleverstromung und insbesondere die Braunkohle als Energieträger infrage. Wiederum ohne Rücksicht auf die Folgen. Ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze, Energiepreise und Versorgungssicherheit. Ich frage mich: Haben die in Berlin in diesem halben Jahr denn gar nichts gelernt? • Es kann doch nicht wahr sein, dass 100.000 gute Arbeitsplätze keine Rolle spielen. • Es kann doch auch nicht wahr sein, dass sich die Politik nicht für 100.000 verdammt gute Steuerzahler interessiert. • Und es kann doch nicht wahr sein, dass wir in Deutschland mit leichtfertigen Preiserhöhungen und mit Risiken statt Sicherheit in der Stromversorgung noch viel mehr industrielle Arbeitsplätze in Gefahr bringen. Anfang November des letzten Jahres haben wir bereits gegen eine ökonomisch unsinnige und sozial unverantwortliche Energiepolitik protestiert, mit zeitgleichen, eindrucksvollen Revierkonferenzen in Leverkusen, Cottbus, Böhlen und Zeitz. Am 25. März – also erst vor wenigen Wochen – haben wir in Jänschwalde, in Profen und in Helmstedt protestiert, weil es schon wieder um unsere Arbeitsplätze, um die Beschäftigungs- und Lebenschancen der Menschen geht, im rheinischen Revier genauso wie in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier und letztendlich im gesamten Organisationsbereich der IG BCE. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 10 von 20 Liebe Kolleginnen und Kollegen, im vergangenen Jahr haben wir die schwarze Liste erstmal weg bekommen. Jetzt kommt sie in neuer Form wieder auf den Tisch. So schafft man ganz sicher kein Vertrauen – im Gegenteil, so geht Vertrauen verloren! Wir erwarten Verlässlichkeit, wir erwarten Verbindlichkeit von der Politik. Es genügt nicht, sich bei Gelegenheit und allgemein zu fossilen Energieträgern zu bekennen, um dann konkret den Ausstieg aus der Braunkohle vorzubereiten. Wir haben der Bundesregierung im Rahmen unserer Unterschriftenaktion 125.000 gute Argumente für bezahlbaren Strom und gute Arbeit geliefert. Es ist eine große Enttäuschung, dass sich die Bundesregierung darüber hinweg setzt. So darf man, so kann man mit den Menschen nicht umgehen. Und deshalb fordern wir: Diese Eckpunkte eines neuen Strommarktes sind in ihrer jetzigen Form nicht tragbar und nicht zu akzeptieren, die müssen vom Tisch, genauso wie die alte schwarze Liste. • • • Wir haben nichts gegen Klimaschutz, im Gegenteil. Wir sind dafür, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Wir halten die Energiewende für machbar. Aber, Kolleginnen und Kollegen, bitteschön nicht auf unsere Kosten. Wir lassen uns nicht zu Opfern einer verfehlten und vollkommen einseitigen Politik machen. Dagegen werden wir uns immer wehren – und ich kann den politisch Verantwortlichen nur raten, unseren Protest sehr, sehr ernst zu nehmen. Wir sind es leid, dass der Politik nichts anderes einzufallen scheint, als https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 11 von 20 immer neue Ausstiegsdebatten zu führen. In aller Klarheit: Mit uns ist ein Ausstieg aus guter Arbeit, aus einer sicheren, wettbewerbsfähigen und bezahlbaren Energieversorgung nicht zu machen. Natürlich werden wir in Deutschland nicht auf immer und ewig Braunkohle verstromen. Aber diese Zeit ist heute ganz sicher noch nicht gekommen. Denn sonst wäre das Eckpunkte-Papier der Bundesregierung vielleicht überzeugender. Doch davon kann keine Rede sein. Vorgesehen ist, auf die Verstromung von Kohle in älteren Kraftwerken eine zusätzliche nationale Emissionsabgabe zu erheben. Einzig und allein mit der Absicht, insbesondere die BraunkohleVerstromung so lange zu verteuern, bis sich diese Art der Stromproduktion nicht mehr rechnet. Auf diesem Weg will die Bundesregierung ihr selbst gesetztes Ziel erreichen, bis 2020 die CO2-Emissionen in der Energieerzeugung um weitere 22 Millionen Tonnen zu senken. Zusätzlich zu 37 Millionen Tonnen, die sowieso erbracht werden müssen. Es gibt einen einfachen Grund, warum da in der kurzen Zeit bis 2020 noch mehr draufgepackt wird. Wegen des Ausstiegs aus der CO2-freien Atomkraft hat Deutschland in der Vergangenheit weniger gespart als vorgesehen. Aber, Kolleginnen und Kollegen, das liegt nicht in unserer Verantwortung, dafür kann auch unsere Kohle nichts. Das ist ein selbst verursachtes Dilemma der Politik. • Wir steigen als einziges Land der Welt kurzfristig aus der https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 12 von 20 Atomwirtschaft aus. • Wir wollen trotzdem gleichzeitig mehr CO2 einsparen als alle anderen Länder der Welt – und im Übrigen auch doppelt so viel wie die Europäische Union. Dabei sei angemerkt, dass wir mit lediglich 2 % an dem weltweiten CO2-Ausstoß beteiligt sind. Die Lösung kann nicht sein, dass wir jetzt auch noch aus dem einzigen heimischen Energieträger aussteigen, der sich ohne Subventionen am Markt behaupten kann. Es gibt viele gute Möglichkeiten, etwas für den Klimaschutz zu tun. • Bei der Gebäudesanierung beispielsweise – aber da kann sich die Bundesregierung nicht auf ein Förderprogramm einigen. • Oder im Verkehrswesen – aber da sind wir noch ganz weit von dem erklärten Ziel entfernt, bis 2020 eine Millionen Elektroautos in Deutschland zu haben – selbst wenn man die E-Bikes mitzählt. • Oder mit Kraft-Wärme-Kopplung – es gibt keine bessere Möglichkeit, Energie effizient einzusetzen. Aber die Bundesregierung verabschiedet sich mit dem EckpunktePapier von dem Ziel, bis 2020 einen KWK-Anteil von 25 Prozent zu erreichen. Dabei könnte allein das deutlich über 20 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Es kommt gar nicht infrage, dass die Energiewirtschaft all das kompensieren soll, was an anderer Stelle nicht geschafft wird. Nun erklärt die Bundesregierung, es würde ja nur einige wenige Kraftwerke treffen – und die Tagebaue überhaupt nicht. Das ist schlicht falsch. Denn was die Bundesregierung laut den Eckpunkten vorhat, das setzt einen Domino-Effekt in Gang. • Man nimmt Kraftwerke raus, die brauchen dann keine Kohle aus Tagebauen. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 13 von 20 • Damit werden die Tagebaue dann unwirtschaftlich, neue werden nicht mehr erschlossen, bestehende aufgegeben. • Dann fehlt es an Kohle für die laufenden Kraftwerke. Oder deren Kohle wird es so teuer, dass sich auch die restlichen Kraftwerke nicht mehr rechnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wäre im Ergebnis das Ende eines geordneten, sozial und ökonomisch verkraftbaren Strukturwandels. Das wäre der Strukturbruch, oder anders ausgedrückt: Dann können wir anfangen, Sozialpläne zu organisieren. Es wäre aber auch das Ende einer chancenreichen Entwicklung in den Revieren. Denn die Kohle und ihre Arbeitsplätze, die gesamte daran hängende Wertschöpfung gehen verloren. Ohne dass irgendwie zu erkennen wäre, wie das in den Regionen kompensiert werden könnte. Deshalb haben ja auch Hannelore Kraft, Dietmar Woidke, Stanislaw Tillich und Reiner Haseloff sehr klar Position bezogen. Alle Ministerpräsidenten wissen um die überragende regionale Bedeutung der Braunkohle. Das sollte auch in Berlin ankommen, in den beiden großen Regierungsparteien. In der SPD wie der CDU wird ja schon kräftig diskutiert. Es ist keineswegs so, als wären beispielsweise alle Mitglieder der Fraktionen vom dem überzeugt, was da im Wirtschaftsministerium erdacht wurde. Es wäre sicher kein Schaden, wenn in die Energiepolitik endlich ein Schuss Nüchternheit einziehen würde. Heute wird jede Entscheidung so diskutiert, als gehe es darum, den Weltuntergang zu verhindern. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 14 von 20 Wahr ist: • Für jedes fossile Kraftwerk, das in Deutschland stillgelegt wird, gehen in China zehn neue ans Netz. • Für jede Tonne CO2, die wir in Deutschland seit 1990 eingespart haben, hat China 30 Tonnen zusätzlich emittiert. Wahr ist auch: • Für den Klimaschutz ist es unerheblich, ob wir in Deutschland den CO2-Ausstoss um 35, 40 oder 50 Prozent bis 2020, 2021 oder 2022 verringern. • Ob sich die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen lässt, das hängt vor allem davon ab, ob die Chinesen ihre Kohle möglichst effizient verfeuern und das CO2 dann noch abfangen und verpressen. Das will man in Deutschland nicht gerne hören. Auch in der Politik nicht. Als Klimakanzlerin lassen sich vielleicht Wahlen gewinnen, aber das Problem wird nicht gelöst. Dabei könnte unser Land einen extrem wichtigen Beitrag leisten. Wenn wir das tun, was uns wirtschaftlich und sozial stark gemacht hat. Nämlich mit deutschen Qualitäten die großen Herausforderungen anzugehen: • Mit der Innovationkraft unserer Unternehmen und mit der Leistungsfähigkeit gut ausgebildeter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer technisch überzeugende Lösungen für neue Probleme entwickeln. • Mit sozialer Vernunft und verantwortlicher Politik, mit der Mitbestimmung und mit der Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Strukturwandel gestalten, ohne Verwerfungen und Verarmung. Das ist das Wesen von „Made in Germany“, das sollte auch unsere Energiewende prägen. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 15 von 20 https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 16 von 20 Wenn wir in Deutschland zeigen, • eine solche Energiewende ist machbar, • eine solche Energiewende ist ökonomisch erfolgreich, • eine solche Energiewende schafft sozialen Fortschritt, dann werden auch andere Länder diesen Weg gehen wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! • Wir werden für unsere Vorstellungen einer sozial gerechten Energiewende, die mit Wachstum und guter Arbeit verbunden ist, weiter streiten. • Wir werden uns wehren gegen eine einseitig orientierte Energiepolitik, die 100.000 Arbeitsplätze und ganze Branchen in Gefahr bringt. • Wir werden die Politik mit unseren Sorgen und unseren Argumenten konfrontieren. • Wir werden uns ganz sicher nicht falschen Entscheidungen einfach ergeben. Wir wissen, dass mit der Energiewende auch ein Wandel für uns verbunden ist. Das ist politisch so entschieden. Aber vollkommen unnötige Zumutungen akzeptieren wir nicht. Das jetzt vorliegende Eckpunkte-Papier bringt wenig Nützliches. Aber den Menschen in den Revieren und darüber hinaus existenzielle Sorgen und Zukunftsangst. Die Politik riskiert den Kollaps der großen Energieversorger und den sozialen Blackout ganzer Regionen. Deshalb gibt es für uns nur eine Schlussfolgerung: Dieses Papier in seiner bisherigen Form muss schleunigst in der Versenkung verschwinden. Und dafür werden wir weiter gemeinsam kämpfen. Und ich bitte hier ganz besonders auch um Eure Unterstützung, wenn wir sie benötigen – auch wenn mit dem schweren Grubenunglück am 01. Juni 1988 auf der Schachtanlage Stolzenbach hier im Borkener https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 17 von 20 Braunkohlenrevier die Förderung zu Ende ging. Es geht nicht nur um die Braunkohle sondern um unseren Industriestandort Deutschland. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, es ist richtig, wir stehen immer wieder vor neuen und vor allem vielen Herausforderungen – und die Zeit wird nicht einfacher. Aber wir wollen nicht klagen. Denn wir werden gebraucht. Unsere Expertise, unser Wissen, unsere Lösungskompetenz sind gefragt. Wir müssen, können und werden etwas bewegen. Und deshalb ist es auch wichtig, sich auch hin und wieder die eigenen Stärken und Kompetenzen bewusst zu machen. Dafür wollen wir in diesem Jahr unser 125jähriges Jubiläum nutzen. Auch, um uns noch einmal ins Gespräch zu bringen, um selbst Menschen anzusprechen, sich bei uns zu organisieren und zu engagieren. Man stelle sich vor: Nur jedes 10te IG BCE Mitglied in den Betrieben wirbt ein neues Mitglied, dann würden sich unsere Neuzugänge verdoppeln. Um dazu anzuregen, haben wir der Januar-Ausgabe unserer Kompakt einen entsprechenden Brief mit Aufnahmeschein beigelegt. Wir werden aber über die zwangsläufig eher anonyme Form unserer Kompakt hinaus auch direkt vor und in den Betrieben aufschlagen. Und wir werden uns mit eigenen Themensetzungen positionieren und profilieren. Wir haben dazu auf unserer Hauptamtlichentagung Anfang des Jahres vertiefend drei Themenfelder vorbereitet, die ich kurz umreißen will: • (Steuer-) Gerechtigkeit https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 18 von 20 • • Offensive Mitbestimmung Gute Arbeit Mit dem Thema (Steuer-) Gerechtigkeit wollen wir mit einem eigenen Profil unsere Zielgruppe ansprechen: Und das sind weniger die prekär Beschäftigten, für die es darum geht, überhaupt einen gesicherten Arbeitsplatz und ein existenzsicherndes Einkommen zu erhalten. Sondern es ist vielmehr die sogenannte Mittelschicht, also qualifizierte und hochqualifizierte Frauen und Männer, die seit Jahren spüren, wie einerseits beruflicher Stress wächst und wie andererseits Lohnerhöhungen durch die kalte Progression aufgefressen werden. Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich ist sicher ein Thema in Deutschland und es ist richtig, wenn es u. a. vom DGB aufgegriffen wird. Aber die schleichende Auszehrung der Mittelschicht ist ebenfalls ein Thema, und diesem Thema müssen wir uns widmen und dieses Thema müssen wir besetzen. Wir stehen hinter den Beschäftigten unserer Branchen und unseres Organisationsbereichs. Wir wollen auch die Leistungsstarken, die Fachleute, die Erfolgreichen, … - wir wollen auch die, die aufgrund unserer guten Tarifabschlüsse unaufhaltsam in die höchste Steuerklasse rutschen. Steuerpolitik ist ein zentrales Thema der nächsten Jahre. Unser zweites Themenfeld ist so zentral, dass wir im Anschluss an unseren letzten Kongress hierzu die betroffenen Abteilungen neu zugeschnitten haben: Das Thema Mitbestimmung. Mitbestimmung ist für uns so zentral, weil es der entscheidende Hebel ist, um Demokratie und Beschäftigtenrechte in den Betrieben durchzusetzen, um Soziale Marktwirtschaft mit ihren Instrumenten und Spielregeln des Interessensausgleichs zu bewahren und um als Gewerkschaft handlungsund durchsetzungsfähig zu bleiben. Offensive Mitbestimmung, die findet – ohne dass ich zu sehr vorgreifen will – auf drei Ebenen bzw. Feldern statt: https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 19 von 20 Durchsetzung der Mitbestimmung dort, wo es noch keine Betriebsräte und keine oder wenige Gewerkschaftsmitglieder gibt. Nutzung der Mitbestimmung dort, wo sie etabliert ist, um auch neue Themen aufzugreifen. Und schließlich Einflussnahme auf Politik und Gesetzgebung, damit alles, was betriebliche Mitbestimmung behindert oder erschwert, abgebaut wird. Was für die Mitbestimmung gilt, gilt analog für das dritte Thema: Gute Arbeit. Auch dieses Thema haben wir nach dem letzten Kongress in einem neuen Abteilungszuschnitt angesiedelt und verstetigt, nämlich in der Arbeitspolitik. Gute Arbeit, dies ist deshalb so wichtig, weil wir unter diesem programmatischen Begriff über klassische Gewerkschaftsthemen wie Arbeitsplatzsicherung, Arbeitszeitregelungen, Gesundheitsschutz und Entlohnung hinausgehen bzw. diese weiterführend zusammenfassen wollen. Wir müssen unsere Themen und Forderungen entsprechend den Veränderungen und Erweiterungen der Interessen der Beschäftigten weiter entwickeln. Sicherheit von Arbeitsplätzen und gerechte Entlohnung bleiben zweifelsfrei ‚essentials‘, und zwar spätestens und umso mehr dann, wenn Betriebe oder gar ganze Branchen bedroht oder im Wandel sind. Aber die Orientierungen gehen weiter und ändern sich: Sinnhaftigkeit der Arbeit, Betriebsklima und Umgangsformen, Vereinbarkeit der Arbeit mit privaten Interessen, … - all dies und vieles mehr wird in unseren Zielgruppen immer wichtiger. Darauf müssen wir reagieren. Daran müssen wir uns profilieren. Zum Abschluss möchte ich Euch herzlich einladen zu unserem Familienfest anlässlich des 125jährigen Jubiläums am 19. September 2015 auf der Schachtanlage Zollverein in Essen. Ich freue mich jetzt schon, Euch spätestens dort wieder zu treffen und gemeinsam mit Euch zu feiern. https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015 Seite 20 von 20 Glück auf! https://webmail.igbce.de/WebReadyViewBody.aspx?t=att&id=RgAAAADUy%2fhB... 21.04.2015
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