1 Bioinformatik VL Atmung kompakte Zusammenfassung der VL-Folien Dr. med. Mathias Steinach Institut für Physiologie/ZWMB Charité Campus Mitte 2 Atmung (Respiration) Äussere Atmung: Lungentätigkeit (Ventilation) mit Belüftung der Lunge und Gasaustausch (Diffusion) zum Blut sowie Transport der Atemgase zwischen Lunge und Gewebe durch das Blut (Perfusion) Innere Atmung: Verstoffwechselung (Oxidation) eines energiereichen Stoffes (z.B. Glucose) mit Übertragung von Elektronen auf Sauerstoff. Synthese von ATP durch Nutzung der Energie der Redoxreaktion. Aufgaben des respiratorischen Systems: • Sauerstoffzufuhr • Kohledioxidabgabe • Säure-Base-Haushalt • Produktion Angiotensin-Converting-Enzyme (Blutdruckregulation) • Volumenrückfluss zum Thorax – Unterstützung der Herzfunktion • Wasser- und Wärmehaushalt • Antigenkontakt – Training des Immunsystems 3 Gliederung • Überblick: Innere Atmung • Atemmechanik • Atemgase • Diffusion und Perfusion • Atemkontrolle • Atmung in großer Höhe (hypobar) • Atmung in Überdruck (hyperbar) 4 Innere Atmung 5 Innere Atmung 6 Innere Atmung 7 Atemmechanik - Anatomie 8 Atemmechanik - Anatomie • Hauptatemmuskeln: Zwerchfell Mm. intercostales externi Mm. intercostales interni (pars intercartilaginea) • Hilfsatemmuskeln: M. sternocleidomastoideus Mm. scaleni 9 Atemmechanik - Anatomie • Ruheatmung: passiv • Forcierte Exspiration: Mm. intercostales interni Mm. subcostales Mm. rectus abdominis Mm. transversus abdominis Mm. obliqui abdominis externi Mm. obliqui abdominis interni (Mm. latissimus dorsi) 10 Atemmechanik - Anatomie 11 Atemmechanik - Anatomie 12 Atemmechanik - Anatomie Intrapleuraler Druck: (Druck im Pleuraspalt zwischen Lunge und Thorax-Wand) ist negativ (!) rund -5cm H2O (-0,5 kPa) Entgegengesetzte Kräfte der • Expansion (Thoraxwand und Zwerchfell) und • Retraktion (Lunge) 13 Atemmechanik - statische Atemgrößen Compliance und Ruhevolumina Ruhestellung des ventilatorischen Systems (Lunge und Thorax) = Gleichgewicht zwischen Expansion (Thorax) und Retraktion (Lunge) = Atemruhelage Thorax Lunge + Thorax Lunge 14 Atemmechanik - statische Atemgrößen 3L 6,5 L 5L 3,5 L 0,5 L Atemruhelage 1,5 L 3L 1,5 L 15 Atemmechanik - statische Atemgrößen Verminderte Ausdehnungsfähigkeit von Lunge + Thorax Verminderte Elastizität der Lunge Altersemphysem Verminderte Komprimierbarkeit des Thorax 16 Atemmechanik - dynamische Atemgrößen • Atemzeitvolumen = Atemzugvolumen x Atemfrequenz • Atemminutenvolumen = Angabe des Atemzeitvolumen (in l/min) ≈ 6 l/min (0,5 l x 12/min) · • VEmax = maximales Atemminutenvolumen bei Arbeit ≈ 100 bis 150 l/min (3 l x 30-50/min) • Atemgrenzwert (MVV) = maximal erreichbares Atemminutenvolumen über 10 s (hochgerechnet) > 120 bis 180 l/min Altersbedingt verringern sich diese Werte entsprechend der Veränderung der statischen Größen. 17 Atemmechanik - dynamische Atemgrößen • Atemzeitvolumen = Totraumventilation · · + alveoläre Ventilation + alveoläre Ventilation · VE = VD + VA Atemminutenvolumen = Totraumventilation 0,50 l x 12/min = 6 l/min 0,15 l x 12/min = 1,8 l/min 0,35 l x 12/min = 4,2 l/min 0,30 l x 20/min = 6 l/min 0,15 l x 20/min = 3,0 l/min 0,15 l x 20/min = 3,0 l/min 0,15 l x 40/min = 6 l/min 0,15 l x 40/min = 6,0 l/min 0,00 l x 40/min = 0,0 l/min Bei konstantem Atemminutenvolumen führt nur eine vertiefte Atmung, nicht aber eine Frequenzsteigerung zur besseren Alveolarbelüftung! 18 Atemmechanik - Atemzyklus Der intrapleurale Druck bleibt negativ auch in Exspiration. Der intrapulmonale Druck wechselt zwischen positiv und negativ. Atemstromstärke = „Flow“ Atemzugvolumen = Tidalvolumen 19 Atemmechanik - Widerstände 1. Elastische Atemwiderstände Compliance (Volumendehnbarkeit) = ∆V / ∆P Gesamtsystem: 0,1 l/cm H2O (= 1 l/kPa) (Lunge und Thorax separat je 0,2 l/cm H2O) Druck–Stromstärke–Beziehungen obstruktive Ventilationsstörungen (z.B. Asthmaanfall) 20 Atemmechanik - Widerstände 1. Elastische Atemwiderstände Compliance (Volumendehnbarkeit) = ∆V / ∆P Gesamtsystem: 0,1 l/cm H2O (= 1 l/kPa) (Lunge und Thorax separat je 0,2 l/cm H2O) Volumen–Druck–Beziehungen restriktive Ventilationsstörungen (z.B. Thoraxverformungen: M.Bechterew) Restriktion bewirkt geringeres Atemzugvolumen. 21 Atemmechanik - Widerstände 2. Visköse Atemwiderstände Resistance (Atemwegswiderstand) · = ∆P / V Gesamtsystem: 2 cm H2O / (l/s) (= 0,2 kPa / (l/s) ) 22 Atemmechanik - Widerstände 2. Visköse Atemwiderstände Resistance (Atemwegswiderstand) · = ∆P / V Gesamtsystem: 2 cm H2O / (l/s) (= 0,2 kPa / (l/s) ) Obstruktion bewirkt höhere intrapulmonale Drücke sowie Druck–Stromstärke–Beziehungen obstruktive Ventilationsstörungen (z.B. Asthmaanfall) die Abnahme des Flows. 23 Atemmechanik - Widerstände Untersuchungsmethoden Forcierte Vitalkapazität (FVC) Einsekundenkapazität (FEV1) Restriktion bewirkt eine Verminderung der FVC Obstruktion bewirkt eine Verminderung der FEV1 (Norm: 80% der FVC) 24 Atemgase Fraktionen und Partialdrücke Gasgesetz nach Dalton: Der Partialdruck ist der Druck, der in einem Gasgemisch einer einzelnen Komponente zugeordnet ist. Dieser entspricht dem Druck, den diese einzelne Gaskomponente bei alleinigem Vorhandensein im betreffenden Volumen ausüben würde. 25 Atemgase Fraktionen und Partialdrücke – Merkwerte 26 Diffusion Fick‘sches Diffusionsgesetz (F=Fläche, d=Membrandicke, k=Diffusionskoeffizient, δp=Partialdruckdifferenz, M=Diffusionsmenge) ohne Partialdruckdifferenz keine Diffusion! • 0,25 s reichen zur Äquilibrierung zwischen alveolären und arteriellen pO2 aus (Wert bei max. Leistung) • Voraussetzung: ausreichende Fläche, keine Diffusionsstörung (Lungenödem, Lungenfibrose) 27 Diffusion Partialdrücke • nach Äquilibrierung sind die arteriellen Partialdrücke identisch mit den alveolären Partialdrücken: pO2 = 100 mm Hg pCO2 = 40 mm Hg • die venösen Partialdrücke betragen: pO2 = 40 mm Hg pCO2 = 47 (45-50) mm Hg • die Diffusionskapazität von CO2 liegt rund zehn mal höher als für O2, schnellere Äquilibrierung des pCO2 28 Diffusion Partialdrücke und Löslichkeit Gasgesetz nach Henry: Löslichkeitskoeffizienten von O2 und CO2 (bei 37°C): Die Konzentration eines in einer Flüssigkeit O2 : gelösten Gases ist proportional zum CO2 : 5 ml CO2 / l H20 / kPa 0,2 ml O2 / l H20 / kPa Partialdruck des Gases über der Flüssigkeit. physikalisch gelöste Atemgase O2 und CO2: Die sich lösende Menge ist zum einen stoffabhängig (Löslichkeitskoeffizient k) sowie abhängig vom jeweiligen Partialdruck p. pO2 : 100 mm Hg = 13 kPa 2,6 ml O2 / l H2O pCO2 : 40 mm Hg = 5 kPa 25 ml CO2 / l H2O 29 Diffusion Physikalische Löslichkeit und chemische Bindung O2-Gehalt: Hüfner-Zahl: 1,34 ml / g Hb, Hb-Gehalt: 150 g Hb / l Blut vollständige Sättigung 200 ml O2 / Liter arteriellem Blut 30 Perfusion Erst ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ventilation und Perfusion sorgt für eine ausreichende Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes. Das Ventilations-Perfusions-Verhältnis (VA/Q) liegt in Ruhe bei 0,8 – 1,0: alveoläre Ventilation VA: (500 ml-150 ml) * 12 AF= 4,2 l/min Herzminutenvolumen HMV: 70 ml * 70 HF = 4,9 l/min 31 Perfusion Ventilation und Perfusion Stärkere Abnahme der Perfusion zur Lungenspitze als bei der Ventilation – daher unterschiedliche VA/Q-Verhältnisse in der Lunge und somit unterschiedliche alveoläre und arterielle pO2-Werte: zwischen 130 und 90 mm Hg. pO2 im Mischblut der Lunge letztlich 97 mm Hg. Durch weiteres Shuntblut (Vv. bronchiales, Vv. cadiacae) fällt der pO2 der Aorta auf 95-92 mm Hg. 32 Atemgase Ventilation und Perfusion Veränderung von Ventilation und Perfusion können die O2-Aufnahme beeinträchtigen (vermehrt Desoxy-Hb: Zyanose) a) gestörte Perfusion b) gestörte Ventilation c) Shuntgefäße Euler-Liljestrand-Mechanismus = hypoxische pulmonale Vasokonstriktion (HPV) Lokale Hypoventilation führt zur Hypoxie. Dieser lokale O2-Mangel führt zu einer Vasokonstriktion mit Verminderung der Perfusion dieser Lungenabschnitte. Dieser Mechanismus soll vor einer Zunahme von Shuntperfusion schützen, bei der nicht ventilierte Abschnitte unnütz perfundiert werden. PASMC=pulmonary artery smooth muscle cells sind sowohl Sensor- als auch Effektorzellen. 33 Atemkontrolle Regelkreis 34 Atemkontrolle Chemosensoren Zentrale Chemosensoren: Hirnstamm PaCO2, pH Arterielle/periphere Chemosensoren: Glomera carotica Glomera aortica PaO2, PaCO2, pH Aktivität der Chemosensoren PaCO2 CO2 ist der wichtigste Atemreiz! 57 mm Hg 35 mm Hg 24 mm Hg 0 20 40 60 80 100 PaO2 (mmHg) 35 Atemkontrolle Atmung in Ruhe: VE = AF x VT = 12 x 0,5 l = 6 l / min unter Belastung: (je nach Intensität und Trainingsgrad) VE = 30 x 4 l = 120 l / min (bis Atemgrenzwert) 36 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Höhe und Luftdruck Mit zunehmender Höhe sinkt der Luftdruck. Durch die abnehmenden Molekülbewegungen mit der fallenden Luftdichte sinkt gleichzeitig die Umgebungstemperatur: von 15°C auf 0 m auf –40°C auf 8000 m (760 mm Hg = 1 bar = 101 kPa) 37 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Adaptation an große Höhen – Kurzfristige Anpassung Höhen von 1500 bis 2500 m • Hyperventilation zum Ausgleich des vermindertem pO2 mit leichter Abnahme der Sauerstoffsättigung (sO2 > 90%) • Problem: Abatmung von CO2 mit der Folge einer respiratorischen Alkalose: Die Alkalose führt zu weiteren Problemen: • Krampfneigung durch Ca2+-Bindung an nun freie COO–-Gruppen von Proteinen • Links-Verschiebung der O2-Bindungskurve mit Verschlechterung der O2-Abgabe 38 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Sauerstoffbindungskurve Bohr-Effekt: Anstieg des pCO2 führt zur Abnahme der O2-Affinität des Hb. (Rechtsverschiebung der O2-Bindungskurve) Verbesserte O2-Abgabe in stoffwechselaktiven Geweben (z.B. arbeitende Muskulatur) Die respiratorische Alkalose mit vermindertem pCO2 führt zur Umkehr des Bohr-Effektes mit Linksverschiebung der Kurve und verminderter O2-Abgabe. Die Kälte in großen Höhen führt zusätzlich zu einer Linksverschiebung der Kurve! 39 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Adaptation an große Höhen – Langfristige Anpassung Höhen von 2500 bis 5500 m Hypoxia-Inducible-Factor, Bildung von Erythropoietin, verstärkte Erythopoese 40 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Adaptation an große Höhen – Langfristige Anpassung O2 -„Gehalt“-Kurve • abhängig von pO2 aber insb. auch von Hb-Gehalt des Blutes • Steigerung der O2-Transportkapazität durch Zunahme des Hämoglobins • Gefahr: Zunahme der Viskosität mit verschlechterten Fließeigenschaften (Anstieg Hk) Bsp. Werte vor und nach Höhenanpassung: Meereshöhe: Ery: 5 Mio/µl, Hb: 150 g/l, Hk: 47 4500 m: Ery: 6 Mio/µl, Hb: 200 g/l, Hk: 58 41 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Höhenlungenödem – Pathogenese Euler-Liljestrand-Mechanismus Hypoxische Lungenbereiche werden weniger gut durchblutet (Vasokonstriktion=geringere Perfusion) pulm. Blutdruckanstieg Zusätzlich: Endothel-Dysfunktion Entzündungsreaktion Lungenödem mit Verschlechterung der Atemgasdiffusion und O2-Versorgung Jeder bildet ein Höhenlungenödem aus, man muss nur „schnell genug hoch genug“. 42 Atmung in großer Höhe (hypobare Umwelt) Höhenlungenödem – Akutbehandlung • Abstieg (!) • Gamow-Bag („künstlicher Abstieg“) • O2-Gabe • Antipyretika (Corticosteroide) • Analgetika • Phosphodiesterasehemmer (Senkung des pulm. Hypertonus) • Diuretika „Gamow-Bag“ 43 Atmung in Überdruck (hyperbare Umwelt) Druck und Tauchtiefe Hydrostatischer Druck: x g x h 1.000 kg/m³ x 10 m/s² x 10 m (Wassersäule) 100.000 kg m/s² x m/m³ 100.000 N/m² (= Pa) 100 kPa = 1 bar (= 760 mm Hg) 10 m Wassersäule entsprechen dem Druck einer Atmosphäre. 44 Atmung in Überdruck (hyperbare Umwelt) Druck und Tauchtiefe Zusammenhang aus Druck, Volumen und Tauchtiefe nach Boyle-Mariotte Konsequenz: Reduktion des Lungenvolumens beim Apnoetauchen bzw. Notwendigkeit von Pressluftatmung beim Gerätetauchen Grafik: Steinach/ZWMB 45 Atmung in Überdruck (hyperbare Umwelt) Druck, Tauchtiefe und Inspirationsdruck Dalton und Henry - Gasgesetze Das bedeutet: Mit zunehmender Tauchtiefe und damit steigendem Gasdruck, steigt auch die gelöste Gasmenge. O2 und CO2 werden hauptsächlich chemisch gebunden transportiert (Hb, Proteine, Bicarbonat), N2 jedoch wird nur physikalisch gelöst transportiert! Durch den hohen pN2 gelangt eine hohe Menge N2 in Lösung, um so mehr mit steigender Tiefe. 46 Atmung in Überdruck (hyperbare Umwelt) Caisson-Krankheit (Decompression Illness) Abtauchen hoher Partialdruck der Atemgase Gaslösung im Plasma (insb. N2) Auftauchen Druckabnahme Gase „perlen aus“ Emboliegefahr (Caisson-Krankheit) 47 Atmung in Überdruck (hyperbare Umwelt) Caisson-Krankheit (Decompression Illness) Typ 1 Ablagerung von Gasbläschen (N2) in Haut, Muskulatur und Gelenken Kribbeln, Schmerzen, Schwellungen Typ 2 Embolien (Blutgefäßverlegungen) und Gasbläschenablagerungen in Gehirn, Rückenmark, Innenohr Schwindelgefühl, Übelkeit, Bewusstseinstrübungen, Lähmungen Typ 3 Langzeitschäden (Berufskrankheit Berufstaucher) Netzhautschäden, Knochennekrosen, Hörschädigungen, Sensibilitätsstörungen Therapie: Sauerstoffgabe, ggf. Notfallmaßnahmen Druckkammerbehandlung (inzwischen auch via portable Druckkammern) bringt Gasbläschen wieder in Lösung 48 Atmung in Überdruck (hyperbare Umwelt) Druckluft-assoziierte Erkrankungen • Dekompressionskrankheit (DCI) • Arterielle Gasembolie • Stickstoffnarkose • Sauerstoffintoxikation • Barotraumen (Trommelfell, Nebenhöhlen, Zähne, Augen [durch Maske]) Deshalb: Vorsicht! Gerätetauchen nur: • mit Ausbildung • mit bekanntem und einwandfreiem Equipment • im Buddy-System, nie alleine • wenn gesund (Erkältung verlegt Eustach‘sche Röhre) • Einhaltung der Tauchzeiten und Deko-Stopps Barotrauma am Trommelfell
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