„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt drauf an, sie zu verändern.“ K. Marx Berliner Anstoß ZEITUNG DER DEUTSCHEN KOMMUNISTISCHEN PARTEI (DKP) BERLIN | APRIL 2015 50 Cent Spende ANNA.B NEOREFORMISMUS DIE SCHÖNHEIT VON OST-BERLIN Der Berliner Anstoß im Gespräch mit der Anti-NATO-Gruppe BerlinBrandenburg (ANNA.B) Seite 6 SYRIZA und Podemos:Die ewige Leier des Reformismus in Europa – reloaded Seite 10 Ein Treffen mit Ronald Schernikau im Deutschen Theater – Eine Collage über das Leben des Genossen Seite 13 NEIN ZU KRIEG UND FASCHISMUS! Für eine Politik der Verständigung und friedlichen Konfliktlösung ➽Nach der Befreiung Europas von Faschismus und Krieg vor 70 Jahren, bestand mit der Stärkung des Völkerrechts die Hoffnung auf die friedliche Lösung von Konflikten in den internationalen Beziehungen. Doch noch nie nach 1945 gab es mehr militärische Aggressionen und bewaffnete Konflikte als heute. Mehr als 16.000 Atomwaffen können alles menschliche Leben auf dem Planeten auslöschen. Weltweit werden jedes Jahr 1.700 Milliarden Dollar für Krieg und Rüstung ausgegeben. Neue Kriegsformen drohen. Der Einsatz von Kampfdrohnen senkt schon jetzt die Schwelle zum Krieg und untergräbt das Völkerrecht. Interventionskriegen beteiligt. Die Bundesregierung duldet Kriegsvorbereitungen und Interventionen durch militärische Verbündete von deutschem Boden aus. Die Regierenden möchten die „neue deutsche Verantwortung“ in Form weltweiter Militäreinsätze verwirklichen und Krieg zur Normalität machen. Selbst Kinder und Jugendliche sollen bereits dafür begeistert werden. Wir wollen eine Welt ohne Krieg! Keine Kampfdrohnen! Atomwaffen abschaffen! Abrüstung jetzt! 70 Jahre nach Ende des von Deutschland verschuldeten Weltkrieges sind deutsche Soldaten wieder an Der Krieg findet auch wieder in Europa statt. Deutschland trägt Mitschuld an der gefährlichen Entwicklung und dem Krieg in der Ukraine. Die Initiative der deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten im Februar zum Wir wollen ein Ende der Auslandseinsätze der Bundeswehr! 70 Jahre nach dem Krieg Deutschlands gegen die Welt kann Verantwortung nur heißen: Nein zur Militarisierung der Gesellschaft. Nein zur Militarisierung der deutschen Außenpolitik. Nein zum Export von Waffen. Minsker Abkommen war ein Schritt in die richtige Richtung. Wir treten ein für einen umfassenden Friedensprozess unter Beteiligung aller Konfliktparteien. Kriege werden auch in den Köpfen vorbereitet: Der Hass auf den Anderen, die Ablehnung des Neuen und Unbekannten, des Fremden, das Treten auf den noch Schwächeren sind Bestandteile einer inhumanen, neoliberalen Gesellschaftsordnung, die Militarismus und Krieg, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Feindbilder und Nationalismus in sich trägt wie die Wolke den Regen. Wir wollen ein Leben in Solidarität und Partnerschaft, eine Politik der Verständigung und der gemeinsamen Sicherheit. Historische Verantwortung muss heißen: Nach der „verbrannten Erde“ und den 27 Millionen Toten, die der deutsche Faschismus allein in der Sowjetunion hinterließ, muss sich gerade Deutschland offensiv für eine Entspannungspolitik mit Russland einsetzen, die die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten berücksichtigt. 70 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg heißt Frieden für uns: Nein zu Gewalt und Unterdrückung, ja zu friedlichen Lösungen von Konflikten, ja zu Demokratie und Partizipation, ja zu einer offenen Gesellschaft und sozialer Gerechtigkeit. Ohne Gerechtigkeit kann es keinen Frieden und keine Gewaltlosigkeit geben. Dafür wollen wir gemeinsam am 10.05. 2015 als Abschluss der vielfältigen Aktivitäten um den 8. Mai in Berlin demonstrieren. Berliner Aktionsbündnis "70 Jahre Tag der Befreiung" 02 Berliner Anstoß | APRIL 2015 8.MAI 1945: VERNICHTENDE NIEDERLAGE FÜR DIE REAKTIONÄRSTEN KRÄFTE DER MONOPOLBOURGEOISIE Argumente zur historischen Bedeutung der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945 (Teil I) ➽Siebzig Jahre sind vergangen seit der verheerendste und blutigste Krieg in der Geschichte der Menschheit beendet wurde. Der Faschismus, die reaktionärsten Kräfte der Monopolbourgeoisie, die den zweiten Weltkrieg entfesselt haben, erlitten eine vernichtende Niederlage. (...) In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war der Sozialismus die Hauptkraft, die für die Erhaltung von Frieden und Sicherheit der Völker bestimmend war. Mit der Niederlage des Sozialismus in der UdSSR und in den ost- und südosteuropäischen Staaten Ende des Jahrhunderts wurde nicht nur der Kapitalismus restauriert - Kriege sind auch nach Europa als Mittel der imperialistischen Politik zurückgekehrt! (...) KRIEGE – WERK DES IMPERIALISMUS Wie schon der erste so war auch der zweite Weltkrieg ein Werk des Imperialismus, ein Ergebnis der tiefen Krise des kapitalistischen Weltsystems, das nicht imstande war, seine Widersprüche auf friedlichem Wege zu lösen. Die ungleichmäßige ökonomische und politische Entwicklung des Kapitalismus hat das Bestreben nach einer Neuverteilung der Anfang des 20. Jahrhunderts unter den Großmächten bereits verteilten Welt gemäß dem neuen Kräfteverhältnis wachgerufen bzw. verstärkt. Es bestätigt sich die auch für die Gegenwart gültige Erkenntnis, dass das Kapital und seine Nutznießer, die stets nach mehr Profit und Herrschaft streben, keine andere Grundlage für die Aufteilung der Welt und ihrer Reichtümer als privatkapitalistisches Eigentum, Kapital und Macht kennen. So, wie im ersten Weltkrieg kämpften die imperialistischen Staaten im zweiten Weltkrieg um Rohstoffquellen, Märkte, Vorherrschaft und Weltherrschaft. Die Entfesselung des zweiten Weltkrieges bestätigt, dass friedliche Bündnisse zwischen den imperialistischen Mächten, ihren Koalitionen „... notwendigerweise nur 'Atempausen' zwischen Kriegen (sind) – gleichviel, in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden, ob in der Form einer imperialistischen Koalition gegen eine andere imperialistische Koalition oder in der Form eines allgemeinen Bündnisses aller imperialistischen Mächte. Friedliche Bündnisse bereiten Kriege vor und wachsen ihrerseits aus Kriegen hervor, bedingen sich gegenseitig, erzeugen einen Wechsel der Formen friedlichen und nicht friedlichen Kampfes auf ein und demselben Boden imperialistischer Zusammenhänge und Wechselbeziehungen der Weltwirtschaft und Weltpolitik.“ (Lenin, Werke, Bd. 22, S. 301) Ganz in diesem Sinne warnte auch der VII. Weltkongress der Berliner Anstoß | APRIL 2015 Kommunistischen Internationale vor der wachsenden Gefahr des Faschismus, der als offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals charakterisiert wurde, und vor seiner Unterschätzung. KAMPF ZWISCHEN DEN IMPERIALISTISCHEN GRUPPIERUNGEN Im September 1939 trafen zwei imperialistische Gruppierungen aufeinander. Die herrschenden Kreise aller ihnen angeschlossenen Länder verfolgten ihre jeweils eigenen Eroberungsziele. Aber sowohl in der einen als auch in der anderen Gruppierung bemühten sich die herrschenden Kreise, nicht nur ihre imperialistischen Konkurrenten und Gegner, sondern auch die Sowjetunion zu vernichten. Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Weltkriegen. Die faschistischen Staaten, darin besonders das faschistische Deutschland, waren die Speerspitze der Weltreaktion. Die imperialistischen Kreise der USA, Großbritanniens und Frankreichs rechneten damit, dass im Krieg ihre deutschen Konkurrenten geschwächt und die Sowjetunion vernichtet oder entkräftet werden würde, dass sie dem Sieger und dem Besiegten ihre imperialistischen „Friedens“bedingungen diktieren könnten. Ihre imperialistischen Expansionsziele beeinträchtigten ihre Fähigkeit zur realistischen Einschätzung der Kräfte, der Kräftekonstellationen und des Wesens der verfolgten Politik. Dazu waren sie erst bereit als der deutsche Faschismus sie direkt angegriffen bzw. bedroht hat. Angesichts der im Sommer 1939 besonders drastisch sich zeigenden feindseligen Haltung der Westmächte und der Kriege im Fernen Osten sah sich die Sowjetunion gezwungen, am 23.8. 1939 den von Deutschland vorgeschlagenen Nichtangriffspakt anzunehmen. In einer Unterredung mit dem französischen Botschafter am 23. August 1939 betonte der sowjetische Außenminister, dass die sowjetische Regierung die Berliner Vorschläge erst dann angenommen habe, als sie sich davon überzeugt hatte, dass bei den englisch-französischsowjetischen Verhandlungen nichts Die Sowjetunion und ihre Streitkräfte verteidigten die Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Heimat und trugen entscheidend dazu bei, die Menschheit vor der Gefahr der faschistischen Unterjochung zu retten. Positives zu erreichen war. Die sowjetische Regierung durchschaute das englisch-französische Doppelspiel und durchkreuzte mit dem Abschluss des Vertrages die Intrigen der Westmächte, eine antisowjetische Einheitsfront zu schaffen. Sie verhinderte die völlige außenpolitische Isolierung der Sowjetunion und gab ihr knapp zwei Jahre Verschnaufpause, die für den weiteren Aufbau der Volkswirtschaft und die Stärkung der Streitkräfte genutzt werden konnten. DEUTSCHER IMPERIALISMUS VERFOLGT NEUORDNUNG EUROPAS Die Entfesselung des zweiten Weltkrieges bestätigt, dass eine der zentralen Thesen, in denen das expansionistische Bestreben des deutschen Monopolkapitals seit seiner Entstehung zum Ausdruck kommt, die Forderung nach der „Neuordnung Europas“ ist. Sie ist sowohl stets wiederkehrender Vorwand als auch konstante Zielsetzung deutscher Expansionspolitik. Das faschistische Deutschland hat kein Geheimnis aus seinen Plänen gemacht. Das Triumvirat zwischen Faschismus, Monopolen und Militarismus war von Anfang an auf die Vorbereitung und Führung des Kampfes um Vorherrschaft und Weltherrschaft ausgerichtet. Der Faschismus als politische Bewegung der reaktionärsten Kräfte der Monopolbourgeoisie erwies sich als jene 03 Kraft, die das staatliche Herrschaftssystem und die materielle Basis für den großen Krieg schuf, die Ideologie des Aggressionskrieges auf der Grundlage des aus der Geschichte des deutschen Imperialismus übernommenen nationalistischen und chauvinistischen Gedankenguts formte und die aggressiven imperialistischen Doktrinen erarbeitete. In den militärischen Plänen der Strategen des deutschen Imperialismus verschmolzen der „Lebensraum“, der durch „Neuordnung“ geschaffen werden sollte, der Antisowjetismus und die Hegemoniebestrebungen des deutschen Kapitals zu konkreten strategischen Plänen und zu Kriegen auf ihrer Grundlage. SOWJETUNION SOLLTE ZERSCHLAGEN WERDEN. SIE WURDE ZUR HAUPTKRAFT Im Mittelpunkt stand die Aggression gegen die UdSSR, deren Beseitigung das Tor zur Weltherrschaft öffnen sollte. Mit dem Überfall auf die Sowjetunion wurde er zum Krieg für die Befreiung des sowjetischen Vaterlandes, des ersten und damals einzigen sozialistischen Staates der Welt, und zum Befreiungskampf der Völker Europas von der faschistischen Barbarei. Der Sieg über den Faschismus durch die Antihitlerkoalition, in deren Rahmen die Sowjetunion den entscheidenden militärischen und politischen Anteil leistete und die größten menschlichen und materiellen Opfer brachte, führte zur Zerschlagung des Faschismus und Militarismus und schuf tiefgreifende Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis. Die Sowjetunion und ihre Streitkräfte verteidigten die Freiheit und Unabhängigkeit ihrer Heimat und trugen entscheidend dazu bei, die Menschheit vor der Gefahr der faschistischen Unterjochung zu retten. Unter diesen Bedingungen wurde die Tür für die nachfolgenden demokratischen und friedlichen Bedingungen in Europa und in Deutschland geöffnet. Auf der Grundlage ihrer gestärkten internationalen Stellung wurde die Sowjetunion auf der Grundlage der sozialistischen Ordnung zum Anwalt der nationalen Interessen der befreiten Völker und des deutschen Volkes in der internationalen Arena. Geschichtskommission beim Parteivorstand der DKP 04 Berliner Anstoß | APRIL 2015 70 JAHRE BEFREIUNG VOM FASCHISMUS Antifa-Konferenz der DKP ➽Am 2. Mai lädt der DKP-Parteivorstand zu einer Konferenz in Berlin anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung ein. Das Motto der Konferenz: „8. Mai 2015: Tag der Befreiung vom Faschismus – der Kampf geht weiter! Rolle und Aufgaben der Kommunistischen Partei im antifaschistischen Kampf damals und heute.“ Wir freuen uns besonders zu der Konferenz Genossen der Kommunistischen Partei Russlands (KPRF) sowie Genossen Heinz Kessler, früherer DDR-Verteidigungsminister, Armeegeneral a.D., begrüßen zu können. Die Konferenz wird die historische Bedeutung der Befreiung Europas vom Faschismus, die Rolle der Kommunistischen Parteien in diesem Kampf und die Lehren für den heutigen Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus beraten. Es sprechen: •Prof. Anton Latzo, DKP Brandenburg, Geschichtskommission der DKP: Der 8. Mai als geschichtliche Zäsur – Bedeutung des Sieges, Rolle der Roten Armee und der Sowjetunion •N.N., Vertreter der KPRF: Der Sieg der Roten Armee als Resultat der Einheit zwischen Volk und Partei •Dr. Hans-Peter Brenner, stellvertreten der Vorsitzender der DKP: Zur Kontinuität der Europastrategien des deutschen Imperialismus vom Zweiten Weltkrieg bis heute •Jürgen Lloyd, Leiter der Karl-Lieb knecht-Schule der DKP: Strategie der kommunistischen Bewegung im anti faschistischen Kampf •Prof. Nina Hager, stellvertretende Vorsitzende der DKP: Das antifaschisti sche Erbe der DDR •Daniel Bratanovic, Sekretariat der DKP Berlin, Geschichtskommission der DKP: Erscheinungen und Funktionen reaktionärer Bewegungen und Organi sationen für imperialistische Strategi en heute Die Vorträge werden ergänzt durch kulturelle Beiträge und Grußwörter, unter anderem von der SDAJ. Es werden auftreten: Der Singeclub der DKP- und SDAJ-Berlin singt Lieder zum Jahrestag der Befreiung Sinem Fendt und Belinda Wolff lesen Texte gegen Faschismus und Krieg Anna Cordi berichtet exemplarisch über das Leben der antifaschistischen Widerstandskämpfer Peter und Ettie Gingold und ihre Bedeutung für den antifaschistischen Kampf heute Die Konferenz endet mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen – Strategien im Kampf für den Frieden“. Es diskutieren Patrik Köbele (Vorsitzender der DKP), Heinrich Fink (VVN/BdA), Sevim Dagdelen (MdB Die Linke), Lühr Henken (Kasseler Friedensratschlag) und eine Vertreterin der Revolutionären Linken Berlin. Die Konferenz findet im MünzenbergSaal im ND-Gebäude (Franz-MehringPlatz 1, Nähe Ostbahnhof, Berlin) statt. Sie beginnt um 11 Uhr und endet gegen 19 Uhr. Für Pausen und Imbiss ist gesorgt. Der Eintritt ist frei. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen! Berliner Anstoß | APRIL 2015 ROTES GRIECHENLAND KKE zu Gast in Kreuzberg ➽Der jeden ersten Donnerstag im Monat stattfindende Rote Stammtisch der DKP Friedrichshain-Kreuzberg ist mittlerweile eine Institution, die auch immer Publikum anzieht, das nicht in der DKP organisiert ist. In entspannter Runde wird ein aktuelles Thema beleuchtet. Meist sind hochkarätige Referenten zu Gast, die den Abend einleiten. Anfang März durften wir Genossinnen und Genossen der KP Griechenlands (KKE) im Café Commune begrüßen. Ein brechend voller Raum zeugte vom Interesse an der Position der griechischen Kommunisten zur jüngsten Wahl, war diese Position doch in den bürgerlichen Medien hierzulande kaum präsent. Die KKE beteiligt sich nicht an der Syriza-Regierung, weil sie ihr vorwirft, Illusionen zu verbreiten. Syriza sei denn auch von jenen gewählt worden, die sich einen Verbleib in der Eurozone wünschten bei einem gleichzeitigen Ende der Kürzungs-/Austeritätspolitik. So versprach Syriza den Wählern Wiederherstellung und gar den Ausbau sozialpolitischer Standards. Dieser Widerspruch, einerseits im Euro/ der EU verbleiben und gleichzeitig mit der Austeritätspolitik brechen zu wollen, ist nach Ansicht der KKE absurd und von vornherein unrealistisch gewesen. Denn die EU als imperialistisches und kapitalistisches Projekt folgt bestimmten, neoliberalen ökonomischen Vorgaben. Eine „win-win“-Situation für die kapitalistischen Profiteure und Institutionen einerseits und die griechische Bevölkerung andererseits ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen. Folglich zeigte sich nach anfänglicher Radikalrhetorik ein schnelles Einknicken der neuen Regierung vor den altbekannten, vermeintlich alternativlosen EU-Auflagen. Als „Reformen“ verblieben vor allem Luftschlösser: die „Troika“ heißt jetzt „Institutionen“, aus dem „Memorandum“ wurde „Vereinbarung“, aus „Gläubigern“ „Partner“. Die kürzlich beschlossene, an sich notwendige unentgeltliche Versorgung der Ärmsten mit Energie und Lebensmitteln greift zu kurz und kommt viel zu wenig Menschen 05 zugute. Und auch die Einführung karger Mindestlöhne ist in erster Linie dazu geeignet, bestehende Tarifverträge zu unterhöhlen. Das erinnert an Diskussionen hierzulande, wie sie einst auch aus liberalen Kreisen angeregt wurden, Grundeinkommen oder „Bürgergeld“ einzuführen. Die Kernforderungen der KKE sind auf vier Punkte zusammenzufassen: •Austritt aus der EU. Sie ist nicht reformierbar. •Austritt aus dem Militärbündnis NATO. Nicht warten, dass sie sich „auflöst“. •Keine Rückzahlung der Schulden: Das Volk hat die Schulden nicht gemacht. •Das für sich reicht nicht aus: nötig ist der sozialistische Umbau der Wirt schaft und Gesellschaft, über Ver staatlichung bzw. Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien. Wie das Wahlergebnis zeigt, ist dieses Programm allerdings nicht mehrheitsfähig. Die meisten Griechinnen und Griechen wollten den Lebensstandard von vor der Krise wieder haben, und sie glaubten, allein ein Verbleib in der EU könne dies ermöglichen. Mittlerweile sehen jedoch ca. 30% der Bevölkerung eine bessere Perspektive jenseits der EU. Darauf fokussiert die KKE und arbeitet mit ihren Vertreterinnen und Vertretern an der Basis, um Genossinnen und Genossen zu gewinnen und die Bevölkerung zur aktiven Teilnahme an der Politik zu bewegen. Dazu nutzt sie die starke Gewerkschaftsfront PAME. Ihre Aktivisten arbeiten innerhalb der institutionalisierten Gewerkschaften, sind darüber hinaus aber in jener klassenkämpferischen Organisation organisiert. Syriza erreichte (als Synaspismos) noch vor einigen Jahren um die 5% der Wählerstimmen. Sie hatte und hat keine aktive Massenbasis. EU-orientierten Linken wie der PdL hierzulande dient sie als „Beweis“ für die Möglichkeit der Machterlangung durch Wahlen, und man verspricht sich zeigen zu können, dass man selbst auch „regierungsfähig“ sei. Aber wozu? Gegenwärtig ersetzt Syriza lediglich die marginalisierte klassische Sozialdemokratie. Umgestaltung im Sinne der Not leidenden Bevölkerung sieht anders aus. Bernd Schillermann 06 Berliner Anstoß | APRIL 2015 ANNA.B Der Berliner Anstoß im Gespräch mit der Anti-NATO-Gruppe BerlinBrandenburg (ANNA.B) ➽Jeden Donnerstag protestieren sie auf dem Pariser Platz vor der USBotschaft gegen die Kriegspolitik der NATO. Der „Berliner Anstoss“ sprach mit den AktivistInnen Maren, Alant und Micha über ihren Dauerprotest. BA: Seit wann steht ihr vor der US-Botschaft? MAREN: Die Anti-NATO-Gruppe BerlinBrandenburg (ANNA.B) entstand im September 2013, als die Bombardierung Syriens durch die USA unmittelbar drohte. Zunächst demonstrierten wir täglich, unterstützt u.a. vom AntikriegsCafé. Wir reduzierten das später, um Kräfte zu schonen. Wir sagten: Eine Mahnwache kann vielleicht nicht unbedingt Massen mobilisieren, aber hat das Element der Stetigkeit, was bei einer kurzfristigen Demo nicht der Fall ist. Deswegen stehen wir jede Woche ab 15 Uhr vor der US-Botschaft. Das heißt nicht, dass wir genug wären. Wir brauchen Unterstützung! MICHA: Ausschlaggebend war die große Kriegsgefahr 2013. Wir haben uns mit Plakaten aufgestellt und machten Aktionen in der Einsicht, dass es jetzt unbedingt notwendig ist. Viele Syrer schlossen sich an, mit denen wir nun intensiven Kontakt haben. Wir haben sehr oft diskutiert, sie wiesen uns auf historische Gegebenheiten hin und brachten Fakten, wie die Lage um Syrien entstanden ist. Es gab ständig Aktionen, die gemeinsam durchgeführt wurden, z.B. gegen Saudi-Arabien, aber auch zur Wahl. Als nämlich die Syrer hier in Deutschland wählen wollten und das nicht durften, sondern nur symbolisch gewählt haben, waren wir auch mit dabei. BA: Welche sind eure weltanschaulichen Voraussetzungen, welche Positionen folgen daraus? MICHA: Wir selber haben natürlich eine Weltanschauung und aus dieser begründen wir die Proteste, die wir durchführen. MAREN: Wir sind alle Marxisten. Das Umfeld ist breiter, bis in die Linkspartei, aber in der Mehrheit sind wir Mitglieder der DKP. Zum Krieg gegen Syrien haben wir eindeutige Position ergriffen, z.B. indem wir auch mit syrischen Fahnen auftraten. Wir haben gesagt: Hier in dieser Situation wird ein kriegerischer imperialistischer Angriff gegen ein Land geführt, das zwar ein kapitalistisches ist, aber eines der fortschrittlichsten im arabischen Raum. Deswegen gehört unsere uneingeschränkte Solidarität diesem Staat, der angegriffen wird, und damit auch der Regierung Assad. Unsere Forderungen waren und sind: „Kein Krieg gegen Syrien“, "Keine Neuordnung des Mittleren Ostens", „Schluss mit der Finanzierung, medialen und logistischen Unterstützung von bewaffneten Terroristen, die in Syrien als Todesschwadronen unterwegs sind“, „Keine Unsterstützung des IS“, „Solidarität mit den gegen den IS kämpfenden Truppen der syrischen Armee und den kurdischen KämpferInnen“. Das heißt: Wir wenden unsere Solidarität nicht nur auf die kurdische Seite, sondern auch auf die syrische Armee und ihre Verbündeten, die tapfer und mit großen Verlusten den IS bekämpft. Das wird hierzulande nicht gesagt. Das heißt nicht, dass wir nicht mit dem Kampf der nordsyrischen Kurden solidarisch wären. Die im ersten Moment fast aussischtslose Situation in Kobani / Ain al-Arab hat sich zum Glück geändert. Die ungeheuren Schwierigkeiten liegen aber eben auch darin, dass der Zusammenschluss mit dem wichtigsten Bündnispartner, der syrischen Armee, nicht zustande kam, sondern man sich mit den vom Westen unterstützten sogenannten Oppositionellen zusammentat. Wir gingen auch für Homs und Aleppo auf die Strasse, haben die Bilder gezeigt und angekreidet, was die vom Westen aufgebauten Berliner Anstoß | APRIL 2015 Terrorverbände dort anrichten. Da war unsere Kundgebung zum Teil wirklich gut bevölkert. BA: Seit dem Putsch in der Ukraine hat sich der Schwerpunkt eures Protestes nun offenbar verlagert? MAREN: Wir haben die Forderung für Syrien immer noch in unserer Anmeldung. Das Ukraine-Thema - und damit die Gefahr eines großen NATO-geführten Krieges gegen Russland – wurde aber so akut, dass wir reagierten. Wir haben immer ein Leittransparent und Bilder – anfangs ein sehr großes Transparent: „Keine Intervention in Syrien“. Das bleibt aktuell, aber jetzt haben wir: „Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg“ (ein Zeile aus dem Schwur von Buchenwald) und: „Frieden mit Russland“. BA: Zu Rojava konnten große Mobilisierungen bis in bürgerliche Kreise erreicht werden. Mit der Solidarität für Russland und den Donbass sieht es anders aus. Findet ihr dafür Gleichgesinnte? ALANT: Mal mehr, mal weniger. Harter Kern sind wir drei, als fester Stamm sind wir mehr. Seit kurzem sind Russen dabei. Das ist eine große Bereicherung. MAREN: Es sind hier lebende Russen und Ukrainer - darunter ein Überlebender des faschistischen Pogroms im Gewerkschaftshaus von Odessa. Jeden Donnerstag gibt es nämlich vor der russischen Botschaft eine Kundgebung von ukrainischen Unterstützern des Kiewer Putsch-Regimes. Als Antwort darauf haben die Russen ihre Gegenveranstaltung um 13 Uhr. Sie unterstützen uns und freuen sich, wenn wir da sind. Wir sind solidarisch zusammengewachsen. Wir hatten neulich eine gemeinsame Kundgebung, da kam das russische Fernsehen, und gleichzeitig war in Odessa eine parallele Aktion. Wir versuchen immer wieder zu demonstrieren gegen das Unrecht in der Ukraine. ALANT: Die Russen stehen da vor ihrer Botschaft mit einer russischen Fahne, mit der Fahne Novorossijas, mit der von Lugansk und der der Republik Donezk - entsprechend dem, wie die aktuelle Situation sich im Osten der Ukraine entwickelt. Wir zeigen Solidarität mit diesen Republiken. Wenn man nun die bürgerlichen Medien anhört, würde man davon ausgehen, dass jeder über die Ereignisse in der Ukraine genauso denkt wie diese berichten. Unsere Erfahrung ist: Es ist fast umgekehrt. Ab und zu kommt ein pro-Maidan-Mensch, der uns anschnauzt. Aber in der Regel sind fast 90% froh, dass wir da stehen. MAREN: Diese Fahnen haben wir auch bei der Demo zum Berlinbesuch von Jazenjuk gezeigt. Für die Protest-Bündnisse hierzulande ist das nachvollziehbar schwierig. Die Medien in Novorossija nahmen das andererseits zum Anlass, darüber überhaupt zu berichten. BA: Wo seht ihr die größte Kriegsgefahr? ALANT: Die akuteste Kriegsgefahr besteht, wenn der Waffenstillstand im Donbass nicht hält. Die Amerikaner werden dann sehr viel Druck auf europäische Regierungen ausüben, so dass die es dann doch zulassen, dass die USA direkt eingreifen. Wie es so scheint, sind die Politiker hier in Europa ein bisschen klüger und wissen, wo das alles hinführen könnte. MAREN: Ich will keine Allgemeinpätze von mir geben, aber natürlich produziert das kapitalistische System immer wieder Krieg. Imperialismus ist nicht möglich ohne das kapitalistische System. Als 07 Die NATO und westliche Regierungen brachten in der Ukraine eine Junta auf den Weg - eine Regierung, die durch einen Putsch entstand. Der gewählte Präsident musste unter Morddrohungen aus dem Land fliehen. Die Bundesregierung unerstützt das auch militärisch - nicht offen, sondern hintenrum. Nach außen posiert Frau Merkel als Friedenskanzlerin. Dieses Getue, diese militärische Aufrüstung geschieht während der Friedensverhandlungen in Minsk. Die russische Föderation arbeitet im Gegensatz dazu daran, eine Lösung zu ermöglichen. Währenddessen sagt die britische Regierung zu, Geld und Waffen an die ukrainische Regierung zu liefern. Welche Verlogenheit! BA: Seht ihr Spielräume für Friedenskräfte? MAREN: Die russische Regierung macht eine sehr kluge Außenpolitik. Wir als Anti-NATO-Gruppe tragen deshalb auch russische Fahnen, um zu sagen: Wir unterstützen diese Politik, die friedenserhaltend ist. Wir sind solidarisch mit den Ländern, die von den die Welt beherrschenden imperialistischen Staaten Die russische Regierung macht eine sehr kluge Außenpolitik. Wir als Anti-NATOGruppe tragen deshalb auch russische Fahnen, um zu sagen: Wir unterstützen diese Politik, die friedenserhaltend ist. Kommunist, als Marxist sollte man das immer wieder deutlich aussprechen. Unabhängig von dieser allgemeinen permanenten Gefahr ist eine akute jetzt die Aggression gegen die russische Föderation. Russland soll umzingelt, nach Brzezinski in mehr als 60 Teile zerstückelt werden. Man will diesen nicht zur NATO gehörenden Staat nicht mehr haben, ihn neutralisieren. Dazu werden ununterbrochen verschiedene kriegstreibende Aktionen nicht nur militärischer, sondern auch medialer und wirtschaftlicher Art geführt. angegriffen werden. Die NATO versucht immer zu zerstören und will an die russische Grenze. Wir unterstützen auch Novorossija. Die westliche Seite handelt zweigleisig. Man tut als mache man Friedensverhandlungen, liefert gleichzeitig Waffen und versucht es zu desavouieren. Friedensverhandlungen gab es interessanterweise immer, wenn Gewinne von der Seite Novorossijas zu verzeichnen sind. BA: Stoßen zu Euch auch ungebetene Gäste? MICHA: Wie Alant sagt: etwa 10%. 08 Berliner Anstoß | APRIL 2015 Einmal kam eine Ukrainerin und sagte: Ihr habt keine Ahnung, was in der Ukraine los ist. Und dann hat sie recht wirres Zeug geredet, das zeigte dann wieder, dass sie doch nicht so gut Bescheid wusste. In der Beziehung ist das für uns auch eine Bestätigung, dass wir auf der richtigen Seite sind. MAREN: Mitte März wurden wir sogar beinahe körperlich angegriffen. Wir haben auch Besuch von einigen Typen, die versuchen, Demogäste anzuquatschen und so jede Information durch uns zu verhindern. Ungebetene Gäste gibt´s auch anderer Art. Das Thema sollten wir anschneiden. Es gibt z.B. eine Gruppe namens „Staatenlos“. Ihr Chef ist ein bekannter NPD-ler, Rüdiger Klasen. Es gibt keine Äußerung, wo er sagt: Ich gehöre nicht mehr dazu. Er betreibt diese „Staatenlos“-website - im Grunde genommen ist es eine versteckte „Reichsbürger“-Gruppierung. Es gibt schon unter uns viele, die das nicht durchschauen. Wenig verwunderlich ist also, wenn auch viele Russen BERLINER BETRIEBS-TELEGRAMM HELIOSKLINIKEN VOR DEM STREIK Die Tarifverhandlungen für die beiden Berliner Helios Kliniken stehen vor dem Scheitern (eine Entscheidung fällt erst nach dem Redaktionsschluss vom Berliner Anstoß). Der größte private europäische Krankenhauskonzern will über keine Tarifregelungen gegen Personalmangel und Arbeitsbelastung reden. Unter dem Motto „Keine Schicht allein“ will die Gewerkschaft ver.di tariflich festschreiben, dass auch in der Nacht und am Wochenende mindestens immer zwei Kräfte auf der Station eingesetzt werden. Dazu weigert sich der Konzern Beschäftigte im Osten und im Westen der Stadt gleich zu bezahlen. ÖFFENTLICHER DIENST VOR NEUEN STREIKS Eindrucksvoll demonstrierten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Berlin für ihre Forderungen nach mehr Gehalt. Die Gewerkschaften ver.di, GEW, GdP und IG BAU versammelten am 11. März insgesamt 17.000 Beschäftigte aus den Kitas, Schulen, Bezirksämtern und weiteren öffentlichen Einrichtungen zu einer der größten Gewerkschaftsdemonstration der letzten Jahre. Die Tarifgemeinschaft der Länder ist jedoch nach wie vor nicht bereit, auf die Tarifforderungen einzugehen. Für den 26. März wurde zu weiteren Demonstrationen aufgerufen. BESCHÄFTIGTE BEI KAISER VERUNSICHERT Nach dem Verkauf der Kaiser-Tengelmann Filialen an den Edeka-Konzern steht die Zukunft der 140 Filialen in Berlin auf dem Spiel. Ver.di fordert neben der Arbeitsplatzsicherung auch die Tarifbindung. Das Problem ist, dass die Edeka Märkte jeweils aus selbstständigen Geschäften bestehen. Auf einer berlinweiten Betriebsversammlung demonstrierten die Mitarbeiter Einigkeit. Im April entscheidet zunächst das Bundeskartellamt ob der Verkauf stattfinden kann. BETRIEBSRÄTE DURCHGESETZT In zwei Berliner Metallbetrieben – Stage Tec, Oberschönweide / Leistikow-Utag, Pankow – ändert sich für die Geschäftsführung einiges. Mit Hilfe der IG Metall und einer 90 prozentigen Beteiligung wählten die Beschäftigten erstmalig einen Betriebsrat. Mit Rückendeckung der Belegschaften wollen die neuen Betriebsräte vor allem die Arbeitsbedingungen verbessern. drauf reinfallen, weil sie auch klangvolle Sprüche haben und sich als Antifaschisten geben. Wir sagen auf unserer Mahnwache: Keine Faschisten, auch keine getarnten! Wenn bei uns „Staatenlos“ oder Ähnliches antanzt, sagen wir: „Ab!“. Wir nutzen alle Möglichkeiten, sie von unseren Mahnwachen fernzuhalten, und das ist uns bisher auch immer gelungen. Das sage ich ganz deutlich, denn wir wollen keine Faschisten. Auch wenn sie sich noch so sehr tarnen, wissen wir wer sie sind. Wir glauben ihnen nichts und finden sie nicht nur verrückt, sondern bekämpfenswert. ALANT: Man muss auch verstehen, dass Russen Hilfe da holen wollen, wo sie welche zu sehen glauben. Wenn „Staatenlos“-Leute oder Jürgen Elsässer sich hineindrängen, dann lehnen viele das zunächst nicht ab. Da sind Le Pen (Front National) und UKIP, sowie rechtskonservative und rechtsnationale Parteien aus ihrerseits imperialistischen europäischen Staaten, die verbal gegen die Aggression der NATO und der USA sind. Das muss man einfach durchschauen. MAREN: Wir hatten im Februar eine Versammlung, wo der Vorsitzende der DKP Patrik Köbele gesprochen hat. Er hat von der Klarheit der Überzeugung geredet und etwa gesagt: „Wir wissen was Faschismus ist. `Küsst die Faschisten' – ist das etwa jetzt 'in'? Nein, man muss klare Grenzen ziehen." Das möchte ich unterstreichen. Wir müssen immer wieder klar machen, dass Faschisten prinzipiell, wie auch die historischen Erfahrungen zeigen, immer auf der Seite der herrschenden Klasse sind; wenn sie zwischendurch auch mal sich „antiimperialistisch“ geben, glauben das vielleicht auch einige. Die Rolle von Faschisten in der Historie und heute muss immer wieder benannt werden. Warum ist „Pegida“ da? Sie haben dieselbe Rolle wie früher. Sie sollen die Massen an sich ziehen, damit sie sich nicht gegen die Herrschenden auflehnen. Sie sollen Verwirrung stiften. Sie sollen spalten und sie sind letztlich immer auf der Seite des Kapitals. Das Gespräch führte Klaus L. Mehr Infos: annab.over-blog.com alternativepresseschau.wordpress.com Berliner Anstoß | APRIL 2015 09 Literatur: •in den 50er Jahren in den Schulen: „Professor Mamlok“ von Friedrich Wolf, •in den 60er Jahren „Das Tagebuch der Anne Frank“ - Ausgabe 1960 Kinder buchverlag Berlin; „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz – Ausgabe 1960 GAUCK, DIE DDR UND AUSCHWITZ Nachhilfestunden für einen ehemaligen Pfarrer ➽Am 26. Januar diskutierten Jugendliche aus Deutschland und Nachbarländern mit Bundespräsident Gauck und Bundestagspräsident Lammert über Auschwitz. Gauck (Spross einer Familie bekennender Nazis) verstieg sich dabei zu kruden Verleumdungen über die DDR und ihren Umgang mit der Vernichtung der europäischen Juden durch den Hitlerfaschismus. Einige Zitate: „Was nicht völlig klar war, war, dass besonders durch diesen Rassenwahn Hitlers, die jüdischen Menschen im Fokus des Vernichtungswillens standen.“ „Und wir haben sehr viel über Hitler gehört. Aber meistens wegen der kommunistischen Widerstandskämpfer, wegen der kommunistischen Opfer. Und diese starke Fokussierung auf das Morden allein aus rassischen Gründen, das war nachrangig.“ „Und deshalb brauchten viele Leute eine eigene Annäherung an diese fürchterliche Zeit des Nationalsozialismus. Bei mir persönlich und bei vielen anderen ging es über die Westmedien.“ „Und ich persönlich bin durch die kirchliche Jugendgruppe, in der ich war, konfron- tiert worden mit den Verbrechen und dem Leid.“ „In der Kirche waren die Leute ehrlicher, die gehörten nicht zu den Unterdrückern. Und in solchen Gruppen haben wir „Das Tagebuch der Anne Frank“ gelesen oder haben die verschiedenen Schicksale der Verfolgten nachvollzogen.“ Eine ehemalige Berliner Lehrerin stellte daraufhin folgende Dokumentation zusammen: Zu Gaucks „Antworten“ – Erinnerung an Auschwitz und wie wurde die Geschichte in der DDR dargestellt: In der DDR gab es ein einheitliches Bildungssystem (von Rostock bis Karl-Marx-Stadt), so dass alle Schüler der Polytechnischen Oberschulen und Erweiterten Oberschulen den gleichen Unterrichtsstoff hatten. Im Geschichtsbuch der 9. Klassen – Ausgabe 1984 – findet man auf den Seiten 132/133 und auf Seite 155 Aussagen über folgende zu vermittelnde Inhalte: Kristallnacht Nov. 1938; Rassentheorie und Antisemitismus; Nürnberger Gesetze 1935; Konzentrationslager und deren Opfer; Wannseekonferenz 1942; Endlösung der Judenfrage (10 Mill. Opfer sind Juden); Nürnberger Kriegsverbrecherprozess; Warschauer Ghetto 1943 Weitere Literatur, die jedem zugänglich war: „Wenn es ans Leben geht“ von Peter Edel; „Meine liebste Mathilde“ – Heinz Knobloch – Ausgabe 1985; „Der gelbe Fleck“ - Rosemarie Schuder/Rudolf Hirsch – Ausgabe 1987 Wer sich für Literatur interessierte, konnte in der DDR unzählige solche Bücher finden. Es ist mir unvorstellbar, wie man sich ausschließlich über die Westmedien informieren musste, um darüber wahre Geschichten zu erfahren oder Menschen kennenzulernen, die Unvorstellbares erlebt hatten. Filme: „Ehe im Schatten“ - erster DEFA-Film nach 1945; „Prof. Mamlok“; „Jakob der Lügner“; „Sterne“ Fahrten in Konzentrationslager: Fahrten wurden bereits Ende der 50er Jahre für Schüler der 8. Klassen organisiert (meist Jugendweihefahrten). In BerlinMitte wurden die Jugendweiheteilnehmer Ende der 60er Jahre mit einem Sonderzug nach Weimar/Buchenwald gefahren.- Das war Bestandteil unserer antifaschistischen Erziehung. Überall in der DDR gab es die Möglichkeit, Antifaschisten und ehemalige KZ-Häftlinge in Schulen einzuladen. Davon haben Lehrer der Egon-SchultzOberschule in Berlin-Mitte oft Gebrauch gemacht (Bruno Apitz, Otto Halle - Buchenwaldhäftling seit Bestehen des KZ – oder Siegmund Spieler). Eine unserer ältesten Kolleginnen, die im vergangenen Jahr verstarb, war Hanna Heilborn. Sie war Jüdin und überlebte Theresienstadt. Von ihr erfuhren Schüler und Lehrer ihre tragische Geschichte. Dazu brauchten wir keine kirchlichen Jugendgruppen. Religiöse Schüler, wie Herr Gauck, gab es überall in den Schulen: Katholiken, Protestanten und auch Zeugen Jehovas. Wir hatten mit ihnen keine „Auseinandersetzungen“; sie beteiligten sich an den Gesprächen, Fahrten u.a. H. G. 10 Berliner Anstoß | APRIL 2015 ILLUSIONEN DES NEOREFORMISMUS Syriza und Podemos ➽In Europa bekommen reformistische Projekte wie Syriza und Podemos immer mehr Zulauf. Nachdem Syriza vor kurzem die Wahlen in Griechenland gewonnen hat, wird auch Podemos im spanischen Staat als mögliche neue Regierung gehandelt. Was können die ArbeiterInnen und Massen tatsächlich von solchen Strohfeuer-Projekten erwarten? Mehr als 100.000 Menschen versammelten sich am 31. Januar auf der Plaza del Sol in Madrid, wo vor fast vier Jahren die Empörten-Bewegung begann. „Presidente, Presidente“, riefen sie Pablo Iglesias, dem Generalsekretär von Podemos, zu. Dieser versicherte der Menge, dass der Moment der Veränderung jetzt gekommen sei. Am Sonntag zuvor hatte sein griechischer Kollege Alexis Tsipras von Syriza die Wahlen in Griechenland gewonnen und bildet dort nun die neue Regierung. In einer Situation, in der die Massen durch ihre Ablehnung die bestehenden Regime in eine Krise stürzen, können diese Organisationen mit ihren Verurteilungen der „politischen Kaste“ punkten. Gleichzeitig versuchen ältere reformistische Parteien wie „die Linke“ von diesen Triumphen zu profitieren. DER FEHLER LIEGT IM ANSATZ Syriza bildet nun eine Regierung gemeinsam mit der nationalistischen ANEL (Unabhängige Griechen). Bei den Wahlen 2009 noch auf weniger als fünf Prozent der Stimmen gekommen, hatte Syriza 2012 plötzlich die Möglichkeit, stärkste Partei zu werden. Dort hatten sie noch die Nichtzahlung der „illegitimen“ Schulden sowie die Verstaatlichung der Banken als Teil ihres Programms gefordert. Seit den letzten Wahlen sorgte Syriza vor allem dafür, dass die zahlreichen Kämpfe der griechischen Massen und Werktätigen, die nicht weniger als 32 Generalstreiks durchgeführt haben, in parlamentarische Bahnen gelenkt wurden. Die Hoffnung, eine SyrizaRegierung würde die soziale Misere beenden, leitete das Abklingen einer Mobilisierungswelle ein. Um die Wahlen zu gewinnen, musste sich Syriza als eine „ernstzunehmende“ und „vertrauenswürdige“ Kraft vor den Entscheidungsträgern in der EU präsentieren. In diesem Sinne ist Tsipras‘ Präsentation in der City of London, seine Artikel in einigen imperialistischen Blättern und seine ständig wiederholte Bestätigung, Griechenland werde nicht aus dem Euro, der EU oder aus der NATO austreten und schon gar keine „einseitigen Maßnahmen“ durchführen, zu verstehen. Einmal an der Regierung setzt sich dieser Kurs fort und beschleunigt sich sogar: Zuerst wurde die rechte ANEL Berliner Anstoß | APRIL 2015 in die Regierung aufgenommen, und ihr Anführer zum Verteidigungsminister ernannt. Im Tausch mit einigen sozialen Zugeständnissen wurde versprochen, die Trennung von Kirche und Staat nicht weiter zu verfolgen. Kurze Aufregung herrschte, als Finanzminister Varoufakis verkündete, nicht mehr mit der Troika zu verhandeln. Diese Drohung wurde jedoch schnell zurückgenommen, nur Tage später loben bürgerliche Kommentatoren die griechische Regierung für ihre „versöhnlichen“ Signale, nachdem man die Troika einfach umbenannt hatte. Brüssel akzeptierte die „Liste der Reformen“ der neuen Regierung, die "Gläubiger" atmeten auf. Die angeblich radikalen Veränderungen stellten sich als Werbebetrug heraus. Eine ähnliche Entwicklung hat Podemos durchlaufen, auch wenn diese Formation kaum ein Jahr alt und noch nicht in Regierungsverantwortung ist. Auch sie stellte sich mit einem radikalen Programm zu den Europawahlen im Mai 2014, bei denen sie mit mehr als einer Million Stimmen als Stern am Politikhimmel Spaniens aufging. Doch dieses weichte sie nach und nach auf. Iglesias traf sich jetzt heimlich mit der alten Führungsriege der PSOE, die er in seinen öffentlichen Reden als Teil der politischen Kaste beschimpft. Das neue „Programm für die Leute“ von Podemos sieht neokeynesianische Wirtschaftspolitiken vor, die mittels Hilfskrediten für kleine und mittlere Unternehmen eine Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung erreichen sollen. DIE EWIGE LEIER DES REFORMISMUS Was die Parteien des linken Neoreformismus – trotz aller Unterschiede in ihrer Basis und ihrer Struktur – vereint, ist ihr gemeinsames Interesse an einer Versöhnung der Klassen. Um die sozialen Probleme der Massen zu lösen, bedürfe es „nur“ der Eroberung des Staates auf parlamentarischlegalistischem Wege – womit zugleich die Klassennatur des bürgerlichen Staats verneint und die Massen auf der Straße demobilisiert werden. Fatal ist das deshalb, weil die Krise nicht durch denselben kapitalistischen Staat gelöst werden kann, welcher die Rettung der Banken und Konzerne auf dem Rücken der lohnabhängigen Bevölkerung erst durchgesetzt hat. BERLIN-TELEGRAMM ZU WENIGE ZÜGE Die BVG braucht eigentlich mehr Züge um den Anforderungen im Berliner Nahverkehr gerecht zu werden. Die Entwicklung des Fahrgastaufkommens ist ständig gestiegen. Hinzu kommt, dass die Bestellungen für bestimmte Linien noch nicht raus sind und der bestehende Wagenpark stark reparaturbedürftig ist. Die BVG versuchte nun der Hamburger U-Bahn Züge abzunehmen, um die Zeit bis zur Lieferung neuer Züge im Jahr 2017 zu überbrücken. Der Hamburger Senat hat aber abgelehnt. Droht nach dem S-Bahn-Chaos nun ein U-Bahn–Chaos? RAD FAHREN IN BERLIN? Für Fahrradfahrer ist Berlin unattraktiv und die Menschen in dieser Stadt sind völlig unzufrieden. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs in der Kategorie der Städte über 200.000 Einwohner. Während 2013 aus dieser Bewertung noch ein Platz 24 herauskam, landete Berlin mit einer schlechteren Note von schlechter als „ausreichend“ nur noch auf Platz 30. Schlechte und zugeparkte Radwege, Fahrraddiebstahl und insbesondere im Winter schlecht geräumte Radwege sind die Gründe. Geht es nach der Stadtplanung, wird sich das auch nicht wesentlich verändern. TEURERES SCHLOSS? Das Berliner Stadtschloss wird wohl um einiges teurer werden als geplant. Grund ist die kurzfristige Entscheidung des Berliner Senats die Zentral- und Landesbibliothek nun doch nicht in das künftige Humboldtforum umziehen zu lassen. Stattdessen soll eine stadtgeschichtliche Ausstellung dort untergebracht werden. Das Problem: Die technischen Planungen sind derzeit auf die Bibliothek ausgerichtet und müssen nun komplett verändert werden. Das ist ohne Bauverzögerungen und Mehrkosten nicht zu leisten. EINE NEUE MILLIARDE Der Berliner Flughafen BER braucht mehr Geld. Jetzt wurde öffentlich, dass der Pannen- und Skandalflughafen kurzfristig weiter 1,1 Milliarden Euro aus Steuermitteln benötigt. Damit steigt die Gesamtsumme auf mehr als 5,4 Milliarden Euro und damit mehr als doppelt so hoch als geplant. IMMER MEHR FERNBUSVERKEHR Die Entwicklung des Fernbusverkehrs bringt immer mehr Probleme mit sich. Nachdem sich am Berliner ZOB die An- und Abfahrten auf über 210.000 verfünffacht haben wird es jetzt auch an deren Haltemöglichkeiten wie am Bahnhof Zoo oder am Ostbahnhof immer enger. Die Prognosen gehen davon aus, dass sich der Verkehr allein in diesem Jahr noch um weitere 40 Prozent steigern wird. Prognosen, wie sich das auf den Berliner Straßenverkehr auswirkt, gibt es bisher nicht. 11 12 Berliner Anstoß | APRIL 2015 Unsere Perspektive ist keine „Neuausrichtung der EU“, sondern die Zerschlagung dieses Konstrukts des deutschen Monopolkapitals. Die revolutionären Kämpfe der Gegenwart hat die Arbeiterklasse der jeweiligen Länder auf nationaler Ebene zu führen, weil diese den faktischen Rahmen des sie unterdrückenden staatlichen Herrschaftsinstruments inklusive seiner Repressivorgane darstellt. Dabei geht es nicht allein um die Erkenntnis, dass die Krise grundlegend nur durch die Überwindung des Kapitalismus selbst überwunden werden kann. Denn selbst die moderaten Versprechen, die Syriza nun macht, werden sich nicht durchsetzen lassen, wenn diese Auseinandersetzung nicht als ein Klassenkampf verstanden wird, der nur über Mobilisierung auf den Straßen und vor allem in den Betrieben gegen den Widerstand der Kapitalisten gewonnen werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Gegner nicht nur das griechische, sondern vor allem das deutsche und europäische Kapital ist, welches Griechenland seit Beginn der Weltwirtschaftskrise von einer Misere in die nächste getrieben hat. Gegen Merkel und die Troika helfen aber nicht Diplomatie und Verhandlungen, wie sie Tsipras und Co. vorschlagen. Diese Regierung kann keine Mobilisierung der griechischen Massen ernsthaft wollen. Stattdessen setzt Syriza und trotz einer etwas anderen Klassenbasis auch Podemos darauf, inmitten einer enormen Krise des wirtschaftlichen und politischen Regimes mit einer beispiellosen Zerrüttung des politischen Establishments die Rolle der alten Sozialdemokratie einzunehmen. Demgegenüber müsste in einer solchen Situation, die sich durch eine enorme Desillusionierung mit der bürgerlichen Demokratie auszeichnet, erst recht ein Programm der politischen Unabhängigkeit des Proletariats aufgeworfen werden. Was gegen die Misere hilft, ist nicht eine Neuverhandlung der Schulden oder die Milderung der Sparpolitik, sondern die sofortige und entschädigungslose Verstaatlichung der Banken und der Produktionsmittel unter der demokratischen Kontrolle der ArbeiterInnen. Es handelt sich hier nicht um ferne Hirngespinste, sondern um unmittelbare Lebensnotwendigkeiten für breite Schichten der Arbeiterklasse und der Jugend. Syriza hingegen steht für die Wiederherstellung der Legitimation des bürgerlich-kapitalistischen Regimes. GEFAHR DER DESILLUSIONIERUNG Von daher verwundert es immer wieder, wenn Gruppen mit einem revolutionären Anspruch, wie linke Kräfte in der Partei „die Linke“, der EL (Europäische Linke) oder sogar ein reformistischer Sektor in der DKP, Projekte wie Syriza unterstützen. Zwar reden sie von einer „kritischen Unterstützung“ zur Verbesserung der unmittelbaren Situation der Massen. Was sie aber nicht erklären, ist, wie der Aufbau einer revolutionären Alternative heute vonstatten gehen soll, wenn nicht auf der Basis einer revolutionären Partei wie der KKE als Alternative zu Syriza und ähnlichen Projekten. Fehlt aber diese Alternative wird eine Desillusionierung zu einem weiteren Aufschwung rechter Kräfte führen. Denn jene sind in dieser Situation die einzigen, deren Programm „gegen das System“ gerichtet scheint. Wenn die radikale Linke sich heute nur darauf beschränkt, auf den reformistischen Druck, der durch den Wahlsieg Syrizas entsteht, mit „kritischer Unterstützung“ zu antworten und darauf zu hoffen, dass quasi automatisch aus der Desillusionierung mit Syriza ein Aufschwung der Klassenkämpfe in Europa entsteht – dann überlässt sie im schlimmsten Fall der extremen Rechten das Feld. Unsere Perspektive ist keine „Neuausrichtung der EU“, sondern die Zerschlagung dieses Konstrukts des deutschen Monopolkapitals. Die revolutionären Kämpfe der Gegenwart hat die Arbeiterklasse der jeweiligen Länder auf nationaler Ebene zu führen, weil diese den faktischen Rahmen des sie unterdrückenden staatlichen Herrschaftsinstruments inklusive seiner Repressivorgane darstellt. Stefan Natke Berliner Anstoß | APRIL 2015 13 DIE SCHÖNHEIT VON OSTBERLIN – EIN TREFFEN MIT RONALD SCHERNIKAU Ein Besuch im Deutschen Theater ➽Man kommt ja viel zu selten ins Theater! Man hat wenig Zeit, es ist teuer und der bürgerliche Kulturbetrieb bietet auch nicht immer was Sehenswertes. Aber es gibt Ausnahmen: Im Deutschen Theater gibt es die Ronald SchernikauCollage: „Die Schönheit von OstBerlin“. Es ist eine Collage über das intensive- aber leider viel zu kurze Leben unseres Genossen Ronald Schernikau. Ein bunter und lauter Bilderbogen – genau so schnell und atemberaubend wie sein Leben nun mal war. Erzählt von seiner Mutter – die grandios von Margit Bendokat gespielt wird. Ronald Schernikau, geboren 1960 in Magdeburg, war ein Republikflüchtling wider Willen. Er war sechs Jahre alt, als ihn seine Mutter im Kofferraum über die Grenze schmuggelt. „Nicht wegen was Politischem – aus Liebe“ betont sie immer wieder. Sie bleiben heimatlos. Der männliche Anlass der Republikflucht hat heimlich noch eine andere Familie und dazu noch im Wohnzimmer ein Hakenkreuz zu hängen. Der Satz: „Die DDR ist das schönste Land der Welt“ zieht sich durch das gesamte Theaterstück. Ronald Schernikau findet aber seine politische Heimat – seine Weltanschauung. Er wird Kommunist. Mit aller Konsequenz. Schon 1976 wird er Mitglied der DKP. Und er wird Schriftsteller. Noch als Schüler schreibt er sein erstes Buch – die kleinstadtnovelle. Nach Ende seiner Schulzeit zieht er nach Westberlin und wird 1980 Mitglied der SEW. Er studiert an der FU Philosophie und Germanistik. Zu seinen Freunden gehören Gisela Elsner, Irmtraud Morgner, Peter Hacks, Elfriede Jelinek und Matthias Frings. Er taucht aber auch tief ein in die Schwulenszene von West-Berlin. Er lebt seine Homosexualität ganz offen und tritt mit seinem Travestie-Ensemble „Ladys Neid“ auf. Und er schreibt Theaterstücke wie „Die Schönheit“. Ab 1986 studiert er als Westberliner am Institut für Literatur in Leipzig. Seine Abschlussarbeit „Die Tage in L.“ erscheint 1989. Auf den freundschaftlichen aber drängenden Rat von Peter Hacks hin, siedelt er im September 1989 (!) nach Ost-Berlin um – und wird wieder DDR-Bürger. Er lebt in Hellersdorf und arbeitet als Dramaturg für den Deutschen Fernsehfunk. Das Ende seiner herbei gesehnten DDR-Staatsbürgerschaft kam bekanntlich sehr rasch. In einer viel beachteten Rede auf dem Kongress des Schriftstellerverbandes im März 1990 bezeichnete Schernikau die Entwicklung in der DDR ganz klar als Konterrevolution. Was für ein rasantes Leben! Ein rasantes Leben das 1991 brutal stoppte. Er schaffte es gerade noch seinen Roman „legende“ zu beenden. Am 20. Oktober 1991 starb unser Genosse Ronald Schernikau an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung. Leider können wir nicht mehr mit Ronald eine Nacht in der Kneipe sitzen, über die Weltlage philosophieren oder sein neustes Buch lesen – aber 6. und am 23. April gibt es noch Vorstellungen im Deutschen Theater. Und seine Bücher gibt es auch immer noch! Der Kapitalismus hatte nur eine Chance: So zu tun, als sei er keiner. Er würde den Leuten mit dem Stundenlohn erzählen müssen, sie seien Herren ihrer selbst. Das hat geklappt! Herzlichen Glückwunsch! Ronald M. Schernikau Wer Ellen Schernikau, Ronalds Mutter life erleben will, der hat über Pfingsten beim Festival der Jugend der SDAJ im Kölner Jugendpark die Möglichkeit. Ingeborg Lohse-Geserick 14 Berliner Anstoß | APRIL 2015 Schwember hat das Wort Der Kommentar von Gerald Schwember DAUMENDRÜCKEN! ➽Raumpfleger Ali Y. (45) hat die Daumen gedrückt und ist jetzt voll sauer! Das wäre die Chance auf den vierten 400-Euro Putz-Job gewesen; Bänke putzen im Olympia-Stadion, in toller Atmosphäre. Auch Profi-Flaschensammlerin Hilde K. (73) war enttäuscht. Bei Olympia, meinte sie bei unserem Gespräch in der Suppenküche, hätte es sicher eine Menge Flaschen mehr zum Einsammeln gegeben. Nun gingen die Flaschen leider zu den Fischköppen. Die harte Entscheidung des Deutschen olympischen Fossilienkabinetts hat die Berliner tief getroffen! Strassenzeitungsverkäufer Rupert S. (33) hatte auch schon von maximalen Verkaufszahlen geträumt. Die Japsen z.B. würden ja alles kaufen... Allerdings, so räumte er ein, wäre es sicher schwierig geworden, mit seiner greisen Töle Hardy durch die S-Bahn-Wagen mit grölenden Sport-Fans zu kommen. Mein pakistanischer Internet-TelefonCafé-Spätkauf-Inhaber Asim H. (54) zeigte sich auch recht betrübt. Er habe ja das ultimative Kommunikationsunternehmen für Fern-von-zuhause-Sporttouristen! Rund um die Welt chatten und telefonieren, hier billiger und voll günstig. Als ich ihn darauf hinwies, dass sein Spätkauf-Etablissement in der Provinzstrasse im Wedding etwas weit weg vom Geschehen läge, musste er nachdenken. Nachgedacht hat auch das SchnorrerPärchen Silke (19) und Sven (22). Wenn so richtig coole Feierstimmung wie bei Olympia herrsche, gäben die Leute einfach mehr. Na ja, nicht immer Euro, oft auch Landeswährung, Münzen, die keine Bank tauscht. Aber immerhin, so Sven, hätten man ja dann endlich mal wieder so 'ne griechische Drachme in der Hand. Apropos, der Betreiber meines geliebten griechischen Restaurants Theophrastos P. (38) hätte Olympia auch gerne in Berlin gehabt. Weil er als Grieche - logisch - ein besonderes Verhältnis dazu habe. Bedauerlich die Entscheidung, aber er würde dem Altmänner-Komitee trotzdem nicht den Stinkefinger zeigen. Um die möglichen Restaurant-Mehreinnahmen während der 16-tägigen Sause sei es freilich schade. Die hätten so manche zusätzliche - solange andere Entschädigungen noch auf sich warten ließen - dringend notwendige Hilfslieferungen nach Griechenland möglich gemacht. Neben Enttäuschung aber auch befremdliche Gleichgültigkeit in den Berliner Straßen! Zeitungskioskbesitzer Rainer F. (45) geht die ganze Sache am Arsch vorbei! Die allein erziehende Mandy Sch. (26) glaubt nicht an einen zusätzlichen Minijob durch Olympia und für die Bordellbesitzerin Rita M. (58) reichen Tagesgeschäft und Messen in Berlin voll aus! Nur die Taxifahrer meckern. Aber die meckern ja immer. Weshalb manch Außenstehender schlussfolgert, dass DIE Berliner immer was zu meckern hätten. Und sich so Olympia weggemeckert hätten. Hallo! Wie bitte? Irgendwie zusammen gekratzte 55 % waren doch für Olympia! Grinsten mit Henkel und Müller um die Wette. Und alle Berliner Medien machten Dauer-Power für die fünf Ringe. Quasi freiwillig und gleichgeschaltet, gemeinsam mit ausgesuchten Größen von Sport, Politik und Wirtschaft. Wat jucken bei soviel Freude auch 50 Millionen Euro Bewerbungskosten. Wat kostet die Welt, wir ham's doch! 50 Mille, das sind ca. 8000 bis 10000 renovierte Schulklos, nur mal so, als Beispiel! Wegen Olympia allerdings erleichtern sich Schüler und Lehrer auch gerne mal in verschimmelten Sanitäranlagen. Da kann auch ruhig mal ein Treppengeländer wackeln und die Turnhalle geschlossen werden, weil's durchregnet. Macht nüscht, Hauptsache wir können Olympia. Wird nun aber nichts. Die 50 Millionen könnten nun für ... keine Sorge, werden sie nicht, denn jetzt sind sie ja nicht mehr da! Und mit dem BER können wir uns Zeit lassen, der Druck 2024 fertig sein zu müssen ist weg! Die Berliner Zeitung teilte übrigens mit, dass die BERArchitekten nun auch die Hamburger Olympia-City planen. Na, dann wollen wir mal die Daumen drücken! Berliner Anstoß | APRIL 2015 Serie Spurensuche Der Berliner Anstoß auf den Spuren der Arbeiterbewegung in Berlin DIE WAFFEN NIEDER! Der Ostermarsch in Berlin ➽April, April, der weiß nicht was er will … für das Wetter in Berlin gilt das sicher. Warm, kalt, Sonne, Regen. Da müssen wir eben durch bis zum Sommer. Also habe ich auf meiner Spurensuche immer einen großen Regenschirm dabei. Manchmal sind die Spuren der Arbeiterbewegung aber nicht an einem bestimmten Ort zu finden. Das gilt auch für den Ostermarsch. Im Gegensatz zum April weiß die Friedensbewegung was sie will: Der Kampf um den Frieden ist natürlich das ganze Jahr über aktuell – aber einer der wichtigsten Höhepunke ist, wie fast jedes Jahr seit 1958, natürlich der Ostermarsch. Der erste Ostermarsch, 1958, begann, nein nicht in Berlin, sondern in London. Über 12 000 Menschen zogen Ostern 1958 voller Empörung gegen die drohende nukleare Aufrüstung von London zum Atomforschungsinstitut nach Aldermaston – der legendäre Aldermaston-Marsch. Daraus entwickelte sich eine bis heute andauernde Tradition von Ostermärschen in den westeuropäischen Ländern. In der Bundesrepublik Deutschland bildete sich die Friedensbewegung nach einer Rede des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer am 5. April 1957 in der er die Wiederaufrüstung der Bundeswehr, auch mit Nuklearwaffen, ankündigte. Eine Welle der Empörung ging durch Deutschland: Wie war das? Von Deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg ausgehen – Nie wieder Krieg 15 – Nie wieder Faschismus! Zusammen mit Gewerkschaften, Kirchen Teilen der SPD, vielen linken Künstlern, natürlich den Kommunisten und, und, und, formierte sich die Kampagne „Kampf dem Atomtod“. Die Keimzelle der Friedensbewegung in West-Deutschland. Ostern 1958 fanden Friedensmärsche in Bremen, Kiel, München, Mannheim, Dortmund und Essen statt. Die größte Manifestation gegen eine Wiederaufrüstung war in Hamburg. 130 000 Menschen beteiligten sich an einer Mahnwache – 14 Tage und Nächte vor dem Hamburger Rathaus. Die SPD zog sich allerdings schon wenig später aus den Friedenskampagnen zurück, nachdem die Friedensbewegung als „Kommunistisch gesteuertes Sicherheitsrisiko“ diffamiert wurde. Warum wundert uns das nun gar nicht? In den kommenden Jahren gingen immer mehr Menschen in immer mehr Städten Ostern auf die Straßen. Seit Anfang der 60er Jahre demonstrierten Ostern regelmäßig ca. 3 000 000 Menschen. Auch natürlich um gegen den Vietnamkrieg Flagge zu zeigen. Einen neuen Höhepunkt für die Ostermärsche gab es 1979 – 1983 mit dem Kampf gegen den Nato-Doppelbeschluss. Und in (West)Berlin? Da war natürlich alles ein bisschen kleiner – und die Wege des Ostermarsches etwas kürzer. Aber auch die Berliner Friedensbewegung - zusammen mit der FRIKO, linken Gewerkschaftern, Teilen der SPD, der Kirchen, der AL in den 60er Jahren noch mit Rudi Dutschke und natürlich der SEW gingen Ostern tausende Menschen auf der Straße! Ab 1990 änderte sich vieles. Auch die Friedensbewegung war nach der Konterrevolution und dem Wegfall des Friedensgaranten Sozialismus erst einmal in Schockstarre. Jetzt betraf das Kämpfen um Frieden auch die Menschen aus Ostberlin – Menschen die sich immer sicher und geborgen fühlten. Der Anfang war sehr schwierig. Andere Probleme wie die Existenzsicherung und der Kampf um den Arbeitsplatz standen für die Menschen im Vordergrund. Ich kann mich an Ostermärsche Anfang der 90er Jahre erinnern. Da waren wir nicht einmal 100 Menschen die sich frierend auf den Ostermarsch machten. Dann kam es Schlag auf Schlag: Der Irak-Krieg, die Kriege in Jugoslawien, Syrien, Ukraine, Menschen die an den Küsten Europas ertrinken - kriegsbedingtes Elend fast überall auf der Welt. Und immer mehr – auch viele junge - Menschen sehen wieder, dass nur der Frieden der Garant für eine Zukunft der Menschheit sein kann. Auch wenn um den richtigen Weg in diesem Kampf und manchmal auch um die „richtigen“ Weggefährten oft noch gerungen werden muss. Also Leute, am 4. April ist es wieder soweit. Zeigt (rote) Flagge für den Frieden. Für unsere Zukunft und gegen die Barberei! Wir seh´n uns: Ostersamstag, 12 Uhr, Dorothea-Schlegel-Platz, Mit vielen Fahnen! Ingeborg Lohse-Geserick 030/schicken 53 63 55 ò Bitte Sie50. mir www.jungewelt.de/testabo die Wochenzeitung „Unsere Zeit“ für 10 Wochen kostenlos. Das Testabo endet automatisch. ò An den Kosten beteilige ich mich freiwillig mit 10,- Euro pro Testabo. (bzw. mit einer Spende in Höhe von Euro.) Name GRUPPENTERMINE DER DKP-BERLIN Telefon Straße FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG Termin: Jeder zweite und vierte PLZ / Ort Dienstag im Monat CommPress Verlag GmbH • Hoffnungstraße 1 • 45127 Essen Beginn: Uhr Fax: 0201-24 86 484 •19.30 www.unsere-zeit.de Ort: Café Commune, Reichenberger Straße 157, Kreuzberg Geburtsjahr LICHTENBERG Termin: Jeder dritte Donnerstag im Monat Beginn: 19.00 Uhr Ort: ND-Haus, Franz-Mehring-Platz 1, Friedrichshain, Raum 341 MITTE-PANKOW Termin: Jeder zweite und vierte Montag im Monat Beginn: 19.00 Uhr Ort: Club der Volkssolidarität, Torstraße 203–205, Mitte NEUKÖLLN Termin: Jeder erste und dritte Donnerstag im Monat Beginn: 19.30 Uhr Ort: Chile Freundschaftsgesellschaft, Jonasstraße 29, Neukölln Jetzt 10 Wochen testen! ò Bitte schicken Sie mir die Wochenzeitung „Unsere Zeit“ für 10 Wochen kostenlos. Das Testabo endet automatisch. Tonträge ò An den Kosten beteilige ich mich freiwillig mit 10,- Euro pro Testabo. (bzw. mit einer Spende in Höhe von Euro.) r Die Lin ksjugen d gegen Bu verteilt Musik -CD ndesweh Schulen. r-W Ein Interv erber an iew h , 11. Ap Aparthei dsystem Abu-Jam Vorname Geburtsjahr TEMPELHOF-SCHÖNEBERG PLZ / Ort Termin: Jeder zweite und vierte Donnerstag im Monat CommPress Verlag GmbH • Hoffnungstraße 1 • 45127 Essen Fax: 0201-24 86 484 • www.unsere-zeit.de Beginn: 19.00 Uhr Ort: Café „Harmonie“, Leuthener Straße / Ecke Cheruskerstraße Straße TREPTOW-KÖPENICK Termin: Jeder erste Montag im Monat Beginn: 18.00 Uhr Ort: Begegnungsstätte PRO, Kiefholzstraße 275, Treptow »Zum Sc hutz de r Zivilb 50 000 evölkeru Mensche ng«: Wes n sterbe tliches n. Von M iheit 9 olitik Bundesr epublik und Jap wärtig: an zeigen Es geht gegenauch kraftwerk e. Von W ohne Atomolfgang Pomreh n Energiep be zah lt Marxism 10 www.jun gewelt. de Libyen: Fa D-Mitgl ied, ler : Vor 30 Jahren Wissenschaft Brückn starb Pe er. Von ter Michael Zander Sozialpsy chologe ist, KP Antifasch us kont rovers Herausgeber: Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Landesverband Berlin Nächste Ausgabe: 29. April 2015 Redaktionsschluss: 20. April 2015 Anschrift der Redaktion und des Herausgebers: DKP Berlin, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin Tel.: 030. 29783132 Mail: [email protected] www.anstoss.dkp-berlin.info www.dkp-berlin.info V.i.S.d.P.: R. Perschewski Franz-Mehring-Platz 1, Berlin Auflage: 1.000 Druck: Eigendruck ISSN-Print: 2197-5426 ISSN-Internet: 2197-5434 Namentlich gekennzeichnete Beiträge können von der Auffassung der Redaktion abweichen. 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