Artikel Bilanz 08/15 Seite 36 ff.

Unternehmen Banken
''
,
,,
/
■
.
t
'''..2
..........#°°
.
\
t
e
",,_
4
.
mt
...t..;.:...,
ii
z
•
,
.
9,
ii,,,,,
.
1
.
1
.
A
/
'
,
, - ---e.:;- -4*
_
,..
.
,.
.
--
., .
.„ .
>.
•
if
,
-j /
.
•
f
-
,
•
,
.
-
:.
-4.
-_
_.
.
_
•.
.
-,'
-
,
...„91,_.,. ,\
4.
-
_.
,
.
,
, ,
.
-
,
,
t
.
.
.
^434,Pf-
- - •
.
:,..s
..` .
.r.e:•••••T"
1
1
- -
.
•
1
te•
ilih* _ .•
, lid %*
..
>
.
4
•
_
_.
..
-- -
I s.
-,
. • ›,
. -.
•
.
--.
.
. , „----
.,.
...
,
0
, .
t
_,
1
(1
-......
..
'
-
.•
...
' .
,
.
:
,
' _.4
•
.
-.
‘11b
e- '-r: •e" -%.-
.....
.
11) .1
ir
—
-
A..
Geordneter
Rückzug
Im Private Banking ist die Flurbereinigung in vollem
Gang. Die Liquidation betroffener Institute ist aufwendig.
Compliance-Experten haben jetzt eine externe Bad Bank
zur Abwicklung risikobehafteter Konten gegründet.
LEO MÜLLER TEXT
16
BILANZ 08/2015
I
E
s kann ein bitterer Moment
sein, wenn die Lichter eines
Bankhauses für immer gelöscht werden. Oft geht
damit eine jahrhundertealte
Geschäftstradition zu Ende, und der Abschied von geschätzten Mitarbeitern und
treuen Kunden schmerzt. Zudem übersehen viele, dass danach in den Hinterzimmern, im Backoffice, noch viel Arbeit
übrig bleibt. Eine Restbank sozusagen,
im Branchenjargon etwas feiner Residualbank genannt.
Findige Compliance-Experten haben
für dieses Restgeschäft nun eine Abwicklungsplattform gegründet - eine Bad
Bank als Sammelbecken für die Verlierer
des Private Bankings.
Die Idee dazu hat der Bankenjurist
Alex Geissbühler mit einigen Kollegen
entwickelt. Geissbühler ist eine Institution unter den Compliance-Leuten an
den Finanzplätzen in der Schweiz und
Liechtenstein. Der Anwalt blickt auf über
20 Jahre Erfahrung im Regulierungsund Aufsichtswesen für Banken, Effektenhändler und Vermögensverwalter zurück, davon viele Jahre als Partner von
KPMG. Für die Finma war er als Untersuchungsbeauftragter im Einsatz, zuletzt
hat er für den globalen Beratungskonzern Capco Banken in der Kategorie 2 des
US-Programms zur Untersuchung von
Steuerdelikten beraten.
Sein Krisen-Urerlebnis war das
Schicksal der Berner Kantonalbank
(BEKB), die 1993 infolge der schweren Immobilienkrise vor dem Kollaps gerettet
werden musste. Der Kanton gründete damals eine Bad Bank unter dem Namen
Dezennium Finanz und packte faule Kre-
dite im Volumen von 6,5 Milliarden Franken in diese Auffanggesellschaft. Geissbühler war vier Jahre lang im Rechtsdienst
der BEKB mit der Rückabwicklung dieser
schlechten Kreditportfolios beschäftigt.
«Das war grundsätzlich ein kluges Modell», erinnert sich Geissbühler. «Nur so
konnte sich die Kantonalbank von den reputationsschädlichen Geschäften trennen und den Weg zurück in ein geachtetes
Bankengeschäft finden.»
leitungsmitglied der Bank in den USA
unter Anklage gestellt, im Oktober 2013
entschieden die Aktionäre, die Geschäftstätigkeit als Bank einzustellen. Battaini
war erst gerade wenige Monate lang Vorsitzender der Geschäftsleitung. «Es war
eine bittere Erfahrung», sagt Battaini,
«und wir wurden bald mit vielen schwierigen Fragen konfrontiert, an die man
beim normalen Geschäftsverlauf keinen
Gedanken verschwendet.»
Als er im Februar 2014 ausschied, war
er um harte Erfahrungen reicher und
seine Bank mit einem neuen Eintrag im
Handelsregister versehen: «Zweck der
Gesellschaft ist die Verwaltung und Abwicklung von Rechten und Pflichten in
Zusammenhang mit der früheren Finanzdienstleistungstätigkeit der Gesellschaft.» Das Institut war nun ein BankenZombie, eine Abwicklungsgesellschaft
mit zwölf Millionen Aktienkapital. Heute
wird sie als Frey 8/ Co. Administration AG
nur noch von einem einzigen Verwaltungsrat mit Einzelunterschrift geführt.
Und Battaini war um eine Geschäftsidee
reicher: Er könnte sein Wissen für andere
Banken einsetzen, die das gleiche
Schicksal ereilen wird.
Asset Deals unter
Banken werden
häufiger - aber der
Käufer will nur
die guten Kunden.
Mit ins Boot geholt hat Geissbühler
den Restrukturierungsexperten Markus
Bachofen und Thomas Ankenbrand, der
sich als Analyst und Forscher mit den Hypothekar-Risiken der Industrie beschäftigt. Als Geschäftsführer ihrer Bad Bank
unter der Firmierung TMO Administration mit Sitz in Zürich haben sie Flavio
Battaini gewonnen, der das Drama des
Niedergangs einer Bank selbst erlebt hat.
Der Jurist Battaini war nach turbulenten
Stationen bei der Fifa und dem Messebauer Nüssli bei der kleinen Zürcher
Bank Frey eingetreten, die 2012 wegen
des Verdachts der Gehilfenschaft zu Steuerdelikten ins Visier der US-Justiz geraten
war. Im April 2013 wurde ein Geschäfts-
Hohe Altlasten. Mit diesem Geschäft ist
bald vermehrt zu rechnen. Vom Finanzplatz werden Banken verschwinden. Die
Schätzungen über die Zahl variieren,
aber über diesen Umstand sind sich die
meisten Experten einig. Seit 2010 sind
laut Finma-Daten still und leise 84 Institute aus dem Markt ausgetreten. Derzeit
befinden sich 15 Institute im Prozess der
Aufgabe der Geschäftstätigkeit, darunter
die Auslandbanken Standard Charte- •
Sammelbecken Abwicklungsbank
Im Zuge der Liquidation übernimmt die Abwicklungsbank jene
Kundenbeziehungen, die im freien Markt keinen Käufer finden.
Asset Deal
Asset Deal
•
7:parktgerechter
•
1
■1111■11
tiefer Preis
Restbank
Ein typischer Fall: Die Bank Notenstein kauft der Basler Bank
La Roche deren Assets ab - aber nur jene ohne besondere Risiken.
Käuferbank
Quelle TMO (Transaction
Management Organisation)
Abwicklungsbank
08/2015 BILANZ 37
Unternehmen Banken
red, Sydbank, Rosbank und Lloyds
Bank. Durch Verkauf der Aktien des
Geldinstituts, einen sogenannten Share
Deal, oder immer häufiger durch den
blossen «Verkauf» von Kunden und Kundenbetreuern an einen Mitbewerber,
einen Asset Deal. «Im letzten Jahr war
eine deutliche Beschleunigung zu
sehen», sagt der KPMG-Bankenberater
Christian Hintermann. In vielen Fällen
seien Institute auch durch Liquidationen
ganz vom Markt verschwunden.
Die Gründe sind vielfältig: Einige Institute müssen in den US-Untersuchungen
mit gravierenden Geldbussen rechnen,
die mehrere Jahresgewinne wegfressen
können. Bei vielen Häusern kommen
Schwarzgeld-Altlasten mit europäischen
Kunden hinzu, die ebenfalls abgebaut
werden müssen. Im Kundenportfolio einiger Institute betrifft dies nicht nur ein
paar schwarze Schafe, es umfasst oftmals gut 80 Prozent des Geschäfts. Der
bald kommende automatische Informationsaustausch, die neue Erfassung des
Steuerbetrugs durch die Geldwäschereiregeln und neue Finanzrnarktvorschriften erschweren dieses Business. Einige
Auslandbanken wiederum geben auf,
weil die Mutterkonzerne in ihrem weltweiten Konzernverbund das Interesse
am Schweizer Standort verlieren. Auch
sie verabschieden sich von SchwarzgeldTöchtern. Ein Blick auf die Bilanzen der
Auslandbanken zeigt, dass 22 Institute
2013 Verluste schrieben und die Hälfte
der Banken kaum nennenswerte Jahresgewinne erwirtschafteten.
Teure Liquidation. Die Asset Deals, also
die Verkäufe der guten Portfolios, werden
häufiger. Der Grund: Potenzielle Käufer
stehen einem wachsenden Angebot gegenüber. Sie wollen nur noch die guten
Kunden kaufen, die problematischen
darf der Verkäufer behalten. Und regelmässig muss der Verkäufer den Käufer im
Kaufvertrag von eventuellen Rechtsrisiken, die von den Altlasten herrühren,
freistellen. «Der Verkäufer muss nun die
Bankorganisation herunterfahren», erklärt Hintermann. Und das sei mit hohen
Kosten verbunden.
Diese Krisen können den Aufsehern
bei der Finanzaufsicht Finma Sorgen bereiten. Ihnen ist daher an einer geordneten und effizienten Konsolidierung am
Finanzmarkt gelegen, wie sie die TMO
verspricht. Angebote wie diese Abwick38 BILANZ 08/2015
pots geordnet abgebaut werden. «Nachrichtenlose und herrenlose Vermögen,
blockierte Vermögenswerte, verjährte,
bestrittene oder unveräusserliche Forderungen erfordern neuartige und praktikable Lösungen im Einzelfall», schreibt
die Finma in einem Bericht.
Erfahren im Managen von
Bankenkrisen: Alex Geissbühler
(oben) ist Initiant der Abwicklungsbank TMO. Flavio Battaini
ist deren Geschäftsführer.
Eine Restbank
muss ihren Betrieb
mindestens fünf
weitere Jahre lang
aufrechterhalten.
lungsplattform kommen der Finma daher
gelegen (siehe Grafik auf Seite 37). Und
die TMO-Berater liefern ihre Dienste kostengünstiger als eine Vielzahl von Dienstleistern, die sonst für jedes Projekt einzeln engagiert würden. Auf diese Weise
haben sie beim Herunterfahren der Restbanken Fachleute im Boot, die einen geordneten Abbau garantieren. Denn über
mindestens fünf fahre hinweg muss die
Restbank ihren Betrieb aufrechterhalten
und für die Finma zur Verfügung stehen.
Archive und Datenbanken müssen verwaltet, Auskunftspflichten erfüllt und illiquide Wertschriften in den Kundende-
Harte Schnitte. Aufbewahrungs- und
Auskunftspflichten müssen sogar bis zu
15 Jahre lang erfüllt werden. Und viele
Institute sitzen auf einer beträchtlichen
Zahl nachrichtenloser Konti, die ebenfalls verwaltet werden müssen. Nicht zuletzt verlangt das US-Justizministerium
im Non-Prosecution Agreement (NPA),
mit dem sich die Banken vor weiterer
Strafverfolgung schützen, verschiedene
Verpflichtungen für die kommenden fünf
Jahre. Und beim «Run off», wie der Verkauf der Kundenportfolios in der Versicherungsindustrie heisst, kann es mächtig knirschen. Gute Mitarbeiter gehen
mit, und das Know-how für den laufenden Betrieb geht schlagartig verloren, das
Unternehmen kann ausbluten. Auch
simpel erscheinende Probleme können
mächtig ins Geld gehen, zum Beispiel
einst grosszügig vereinbarte Mietverträge mit jahrzehntelangen Laufzeiten.
Experten rechnen damit, dass die bald
erwarteten Abschlüsse der Steuerstrafuntersuchungen des US-Justizministeriums die Transaktionen auf dem Finanzplatz befeuern werden. Alle warten
darauf, wie die einzelnen Institute beim
Bussgang in Washington abschneiden
werden. Einige haben sich schon vorher
bewegt. So transferiert derzeit die Basler
Bank La Roche ihre «guten» Kunden an
die Notenstein Privatbank. Es war ein
«Fire Sale». Ihre Kunden mit direktem
oder indirektem USA-Bezug behält sie.
Ein harter Schnitt: Das Geldhaus wurde
1787 gegründet und war die älteste und
traditionsreichste Bank in Basel. Und sie
haftet weiter für die Rechtslasten.
Ähnlich hat MediBank in Zug im Oktober 2014 die Entlassung aus der Aufsicht
der Finanzmarktbehörde Finma und den
Wandel der Firma in eine Beteiligungsgesellschaft vorangetrieben. Ihre grösstenteils deutschen Privatkunden, zumeist
Ärzte und Zahnärzte, hat sie dann im
März an die liechtensteinische Bank Alpinum verkauft. Der Grund für den Niedergang laut Geschäftsbericht: «ein massiver
Abfluss von Kundengeldern», «schwindende Margen» und «höhere Kosten». •