04.2015 | www.hitcentral.eu/de/42 N°4 Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche. OP NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH Eingeimpft – das Schweizer Impfdossier wird von Ärzten und Patienten gewollt und gepflegt Sehr unbefriedigender Nutzungsgrad – Black Box IT Interdisziplinäre Intensivstation OP Operative Intensivstation Neurologische Intensivstation OP Onkologie Gynäkologie Neonatologische Intensivstation OP Kardio vaskuläre Intensiv station OP Radiologie OP Notfall- und Intensivmedizin Kardiologie Innere Medizin Urologie Patientendatenmanagementsysteme verbessern Behandlungs- und Abrechnungsqualität – digital ist dabei nicht egal Kinderstation Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Verwaltung Hausarztpraxis — EDITORIAL — Follo w me: cdhims s E-Health zum Ausdrucken 42 N°4 HIMSS Europe Und unsere Nachbarn? Sie machen es anhand einer Volksabstimmung vor. In der Schweiz existiert ein elektronisches Impfdossier (Eingeimpft, S. 16) und es wird ein elektronisches Patientendossier geben. Gut, der ELGA-Start verzögert sich in Österreich auch erst einmal bis zum Ende des Jahres, auch hier gibt es Widerstand aus der Ärzteschaft. Wo bleibt bei all dem der Patient und die Fürsorge? Studien zeigen, dass Gesunde sich tatsächlich weniger Gedanken um Datenaustausch machen. Sie zeigen aber auch, dass je näher der Mensch am Patienten oder gar selbst Patient ist, desto höher wird seine Bereitschaft, behandelnden Ärzten Einblicke in seine Gesundheitsdaten beziehungsweise Krankenakte zu geben. Und warum auch nicht? Es heißt ja nicht, viele Ärzte verderben den Brei ... Viel Freude beim Lesen! MFG Foto: Jens Schünemann Es liegt vielleicht an dem Begriff „E-Health“ – nimmt den eigentlich noch irgendjemand ernst? Oder wurde er genauso überstrapaziert wie Big Data, die Verwendung des Wortes „Kunde“, wenn eigentlich der „Patient“ gemeint ist oder das Bonmot der „blühenden Landschaften“, die bestenfalls den ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen oder die Denaturierung verlassener Dörfer Ostsachsens treffend beschreiben? Das angekündigte deutsche E-Health-Gesetz bleibt jedenfalls weit hinter der gesammelten Hoffnung der innerdeutschen E-Health-Gemeinde zurück. Sollten die zahlreichen klugen Punkte aus der Anhörungsphase keinen Weg in das finale Gesetz finden, verpasst der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur verbindlichen Festlegung nationaler IT-Standards und erteilt der Interoperabilität, intersektoralen Kommunikation und somit dem Qualitätsmanagement, der Patientensicherheit und Kosteneffizienz eine Absage. Was für ein schönes Zeichen, hart erkämpft, wie ich annehmen darf, dass sich ALKRZ, BVITG, BVMI, GMDS, HL7 und IHE Deutschland, MFT, TMF und VUD (ich liebe die deutsche Verbandslandschaft und ihre Abkürzungen) auf eine gemeinsame Stellungnahme einigen konnten. Damit setzen die Verbände tatsächlich ein ernstzunehmendes Zeichen der willentlichen Kooperation zum Thema Interoperabilität. Das „gemeinsam“ ist nun einmal genau das, was im Gesundheitswesen oftmals fehlt. Das kann bedauert oder aber anhand von Gesetzen gestärkt, ja, verbindlich beschlossen werden. Letzteres kann so nicht aus dem ersten Entwurf des Gesetzes herausgelesen werden, aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt! Also, noch nach dem Patienten, dessen Daten nicht rechtzeitig im Papierwust wiedergefunden wurden ... Claudia Dirks Editorial Director [email protected] www.hitcentral.eu/de/42 3 — INHALT — — INHALT — HIMSS Europe Community N°4 Seite 43 eHealth Summit Germany, auf dem Hauptstadtkongress, Juni 2015, Berlin 6 eHealth Summit Austria, Juni 2015 „Gesundheit neu denken“, Wien 8 Swiss eHealth Summit, September 2015, Bern 8 Entziffern10 Impressum12 Kolumne: Der Brückenbauer Brennende Häuser versichern Rainer Herzog Es fehlt der politische Wille Dating Big Pharma Pharma umgarnt die mHealth-Szene MySugr Viel Arbeit und viel Passion Kolumne: Mensch vs. Maschine Der Mensch hinter dem System Seite 13 Eingeimpft 14 Das elektronische Impfdossier der Schweiz Ohne Richtschnur18 KRITIS birgt große Herausforderungen Thorsten Schütz20 Wir können den Aufwand noch nicht planen Entwicklung medizinischer Apps22 Was Sie wissen müssen! 26 Kolumne: Der Überblicker Gesucht – Change Manager Gesundheitspolitik 52 54 56 60 62 28 32 66conhIT: Gesundheits-IT- Branche 2015: Innovationen und Trends Seite 37 68Agfa: Klinische Dokumenta tion: Der Kreis schließt sich 69Cerner: Eine große Chance 38 für den Markt 70CompuGroup: Telematik 42 braucht „mehr-Werte“ für Ärzte und Patienten 71ID: Semantische Frei textanalyse: Prozesse optimieren mit Terminolo gieservern 4 48 Klinikum Nürnberg IT in Zeiten von Mergern und Kostendruck Arzneimittelwirkung Aus dem Krankenhaus zurück auf den Teller Wolfgang Dorda Kulturwandel im Krankenhaus HealthTech Wire PDMS Nächster Halt Medienbruch Rainer Röhrig Informationsverlust reduzieren 45 Seite 55 Seite 27 AMTS Im Sinne der Patienten Unbefriedigender Nutzungsgrad Black Box IT 44 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe 72medatixx: Mobile Lösungen für Praxen, MVZ und Klinik ambulanzen 73MEIERHOFER: Kranken haus-IT: Mittelstand als Stabilitätsfaktor 74 Deutsche Telekom AG: Digitales Mindset 75Ascom: Ascom Myco bringt die mobile Revolution in die Pflege 76Hewlett-Packard: 78ICW: Erfolgreiches Versor gungsmanagement durch einrichtungsübergreifende Vernetzung und Pro zesskoordination 79medavis: Im Herzen ein RIS 80Nuance: Alles könnte so einfach sein, ist es aber nicht! 81VISUS: Mehr Effizienz auf allen Ebenen mit dem medi zinischen Archiv 30 Prozent mehr Perfor mance dank schnellem Speichersystem 5 — HIMSS EUROPE COMMUNITY — IT trifft Entscheidungsträger 11 HIMSS Europe wird in diesem Jahr erstmals im Rahmen des Hauptstadtkongresses „Medizin und Gesundheit” vom 10. bis 12. Juni 2015 im CityCube Berlin den eHealth Summit Germany zum Thema „Digitalisierung der Medizin” ausrichten. Der eHealth Summit vereint Entscheidungsträger aus Politik und Krankenhaus-Management mit Anwendern, Industrie und Forschung. Moderation: Bernd Christoph Meisheit, Sana IT Services GmbH 14–15.30 Uhr Verantwortliche gesucht! Ohne eine qualitätsgesicherte IT-Infrastruktur gerät der Gesundheitsstandort Deutschland ins Hintertreffen! 9–10.30 Uhr Das E-Health-Gesetz mag den richtigen Ansatz verfolgen. Doch was, wenn all die erfolgreichen Piloten nicht den Sprung in die bundesweite Praxis schaffen, weil die technischen Voraussetzungen in einem der reichsten Länder leider nicht aus reichen und morgen schon veraltet sind? Medizin und Forschung schlagen Alarm, weil sie den Standort Deutschland in Gefahr sehen – die Kos ten der Gesundheitsversorgung steigen weiter an –, und das alles aus voraussehbaren Gründen! AMTS: Der unbehandelte Skandal Moderation: Rainer Herzog, HIMSS Europe Arzneimitteltherapiesicherheit spielt im deut schen Gesundheitswesen kaum eine Rolle. Dabei sterben hierzulande jährlich circa 40.000 Pati enten infolge vermeidbarer Medikationsfehler, rund 15 Prozent aller Krankenhauseinweisungen lassen sich allein darauf zurückführen. Es sollte also ein gesellschaftspolitisches und volkswirt schaftliches Interesse an der Behandlung die ses Problems geben. Engagierte Protagonisten, stationär und ambulant, beweisen, dass es Lösun gen gibt – lokal und regional. Ihnen allen gemein ist die Tatsache, dass die Digitalisierung des ge samten Medikationsprozesses entscheidend ist. Round Table: Marcel Fratzscher, Präsident DIW; Arno Elmer, GF Gematik; Adrian Schmid, e-Health-Suisse; Otto Rienhoff, Uni Göttingen PROGRAMM: 12. JUNI 2015 Start-up-Slam: Traut euch! Moderation: Manfred Criegee-Rieck, Leiter AG Arzneimittelinformationssysteme bei der GMDS, IT-Leiter Bad Kreuznach 11.30–13 Uhr Moderation: Juliane Zielonka, Geschäftsführerin Die-Artverwandten Die Investition in IT wird oftmals gescheut, da die Akzeptanz in der Ärzteschaft gering ist. Dass das kurzsichtig, auch hinsichtlich einer erfolgreichen Unternehmensführung, ist, beweisen Häuser, die IT-Kennzahlen als Instrumentarium zur Weiter entwicklung, auch ihrer medizinischen Qualität, und Integration bei Zukäufen entdeckt haben. Welches Modell macht am meisten Sinn? Wel che Kennzahlen werden benötigt und wie müssen Mehr Zeit für Patienten 16.30–18 Uhr Eine gute Idee – fünf Minuten Zeit, die Jury oder das Publikum zu überzeugen. Wie gewöhnlich ziert sich das Gesundheitswesen, wenn es darum geht, sich Neuerungen gegenüber zu öffnen. Aber aktuell sind viele mobile Lösungen auch noch gar nicht stationstauglich oder haben trotz guter Idee noch nicht die Hürde in die Gesundheitswelt genom men – wir geben den guten Ideen eine Bühne. Wer traut sich? Aus dem Bauch in den Verstand: IT-Kennzahlen im Krankenhaus 6 diese aussehen, um ein einheitliches Gerüst zu schaffen? Mit diesen Fragen setzen sich Anwen der und Experten in der Session auseinander und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze. Jury: •Friedrich von Bohlen Geschäftsführer dievini Hopp Biotech •McKinsey Sponsor des 1. Preises •Prof. Dr. Burkhard Schmidt Designer Ikone, UdK Berlin Mehr Informationen: www.ehealthsummit.de 42 N°4 HIMSS Europe Pflegekräfte sind die Helden des Alltags im Gesundheitswesen und haben einen Begleiter verdient, der sie bei der Arbeit unterstützt. Aus diesem Grund haben wir Ascom Myco™ (My companion) entwickelt. Ascom Myco™ ist ein spezialgefertigtes Smartphone und Kommunikationskonzept für die Krankenhausumgebung, das relevante Informationen genau dort bereitstellt, wo sie von Pflegekräften und Krankenhausmitarbeitern benötigt werden: at the heart of care! Erfahren Sie mehr zu Ascom Myco. ascommyco.com — HIMSS EUROPE COMMUNITY — gehealthcare.com MEHR EVENTS 6 eHealth Summit Austria 2015: „Gesundheit neu denken“ plus PDMS Foto: Bhalla WIEN – Vom 18. bis 19. Juni 2015 findet Österreichs nationaler eHealth Event im Apothekertrakt von Schloss Schönbrunn in Wien statt. Im dritten Jahr der erfolgreichen Zusammenarbeit von HIMSS, AIT, UMIT, OCG und ÖGBMT lautet das Summit-Motto „Gesundheit neu denken: Personalized Health“. Prof. Dr. Otmar Wiestler, Vorstandsvor sitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), wird die Eröffnungskeynote zum „Paradigmenwechsel in der Medizin“ halten. Der zweite Konferenztag wird von Wolfgang Dorda eröffnet, ehemali ger Leiter des Instituts für Medizinisches Informationsmanagement und Bildverarbeitung der Medizinischen Universität Wien, mit einer Skizze der „Aktuellen Herausforderungen der Medizinischen Informa tik für die personalisierte Gesundheitsversorgung“. 3 Das weitere Programm gliedert sich, wie in den Vorjahren, in den wissenschaftlichen Teil der eHealth 2015 und in den anwenderori entierten HIMSS-Track, für den das Programmkomitee aus Politik, Anwender, Industrie und Wissenschaft verantwortlich zeichnet. Sie können also sicher sein, dass die aktuellen Aufregerthemen des ös terreichischen Gesundheitswesens das Programm bestimmen. Swiss eHealth Summit – Das Gesundheitswesen trifft sich in Bern Foto: iStock NEU: Erstmals wird die PDMS CONFERENCE D.A.CH. am 18. Juni 2015 in Wien als Teil des eHealth Summits Austria stattfinden. Patienten datenmanagementsysteme – sicherheitsrelevant oder Kostenver schwendung? Als offenes Expertenforum werden die brennenden Fragen diskutiert, um Wiederholungsfehler zu vermeiden. Mehr Informationen unter: www.ehealthsummit.at und www.himss.eu/pdms 8 BERN – „Digitales Ökosystem Gesundheitswesen: Vorgaben umsetzen, Versprechen einlösen“ steht über dem Swiss eHealth Summit, der am 14./15. September 2015 im Kursaal Bern stattfindet. Es bleibt spannend in der Schweiz! Das elektronische Patientendossier geht aktuell in die nächste Runde – Befürworter und Gegner wappnen sich für den nun folgenden Schlagabtausch. Im September wird es ver mutlich schon Sieger und Besiegte geben. Welchen Ein fluss das auf die zukünftigen Entwicklungen im Schweizer Gesundheitswesen hat, wird dort in Bern skizziert. Die Mixtur aus wissenschaftlicher Konferenz, CISKonferenz und Anwender-Track, der die innovativsten existierenden Lösungen mit allen Stakeholdern der Schweizer Gesundheitswirtschaft diskutiert, geht in die dritte Runde und nimmt sich genau dies vor: Wie kann es konkret weitergehen? Welche Möglichkeiten bieten eHealth-Lösungen? Was hat sich schon in der Realität bewährt? Der Blick über den Tellerrand Gesundheitswesen ist ge nauso erwünscht, wie die Diskussion über die ganz prak tischen Schritte auf dem Weg hin zu einer investitionssicheren Lösung, die das Zeug hat, Probleme zu lösen. Mehr Informationen unter: www.ehealthsummit.ch 42 N°4 HIMSS Europe Wenn ein schneller Zugriff auf Patientendaten die klinische Zusammenarbeit verbessert. Das bringt die Qualität der Patientenversorgung voran. GE Healthcare’s Centricity* Clinical Archive1 Lösung hilft Ihnen dabei einen innovativen Grundstein für die Zukunft zu legen, in dem sie Produktivität und Patientenversorgung in Einklang bringt. Finden Sie heraus wie das Universitätsklinikum in Antwerpen das Centricity Clinical Archive als Level 3 herstellerunabhängiges Archiv (VNA) zur Bild- und Dokumentenspeicherung mit voller IHE XDS Unterstützung einsetzt. Besuchen Sie uns auf der conHIT 2015 Halle 2.2 Stand D101 Mehr Informationen finden Sie unter www.gehealthcare.com/CCA ©2015 General Electric Company – Alle Rechte vorbehalten. Centricity, GE und GE-Monogramm sind Marken der General Electric Company. General Electric Company, vertreten durch ihren Geschäftsbereich GE Healthcare. * Marken der General Electric Company. 1 Centricity Clinical Archive Lösung umfasst die folgenden Produktkomponenten: Centricity Enterprise Archive, Universal Viewer ZFP, Caradigm™ eHIE, Centricity Clinical Gateway, NextGate MatchMetrix™ EMPI, PACSGEAR PacsSCAN™. — ENTZIFFERN — IN ZAHLEN REDEN PERSÖNLICHE GESUNDHEITSDATEN: VIELE PATIENTEN MÖCHTEN TEILEN Würden Sie Ihrem Arzt Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten geben, die mithilfe von Apps generiert wurden? WEISS NICHT: 20% NEIN: 18% Anteil der Befragten, die befürchten, dass Versicherungsbeiträge steigen, wenn Gesundheitsdaten, die durch Apps generiert wurden, eine Verschlechterung der Gesundheit und Fitness aufzeigen 81% NEIN: 39% Quelle: YouGov-Study „Quantified Health”; Dezember 2014; 1.000 Teilnehmer aus Deutschland, alle Altersgruppen UNTERSCHÄTZEN SIE NIEMALS DIE KLINISCHE DOKUMENTATION 44 % JA: 32% Würden Sie Ihrer Krankenversicherung Zugang zu persönlichen Daten geben, die durch Gesundheits-Apps generiert wurden, wenn Sie daraus einen finanziellen Vorteil erhielten? DIGITALE DOKUMENTATION: FREUND ODER FEIND? 30 % 36 % Geschätzte Zeit, die mit klinischer Dokumentation verbracht wird Zeit, die tatsächlich mit klinischer Dokumentation verbracht wird Quelle: HIMSS Europe Studie „Auf den Spuren der Zeitdiebe im Krankenhaus: Die wahre Belastung durch Dokumentation an deutschen Akutkrankenhäusern wird unterschätzt”, März 2015, 229 Doktoren und Pfleger in > 180 deutschen Kranken häusern, Oktober 2014 – Jan. 2015, ermöglicht von Nuance 10 Anteil der befragten Personen, die glauben, dass Krankenversicherungen die mithilfe von Apps generierten Daten für andere Zwecke benutzen werden als angegeben Pflegekräfte tägliche Arbeitszeit 35 % JA: 62% 73% WEISS NICHT: 29% Doktoren Quelle: Schwenninger BKK study „Die Gesundarbeiter”; Januar 2015; 1.000 Deutsche im Alter zwischen 14 bis 34 Welche Erfahrungen haben Sie mit digitaler Dokumentation? 27% Erhöht die Dokumentationszeit 21% Spart Zeit 16% Verursacht Schwierigkeiten mit der IT 11% Erleichtert die abteilungsübergreifende Koordination 42 N°4 HIMSS Europe — IMPRESSUM — ALADIN ANTIC war in einem ersten Leben Veranstalter von Heavy-Metal-Konzerten, Redakteur einer Musikzeitschrift, DJ, in einem zweiten Leben Biochemiker, dann kam das Gesundheitswesen und machte ihn zum Healthcare-IT-Experten. 42 N°4 Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche. www.hitcentral.eu/de/42 Herausgeber HIMSS Europe GmbH Lennéstr. 9, 10785 Berlin T: +49 30 46 7777 330 ANNA WINKER, Artdirektorin, ist seit über zehn Jahren den deutschsprachigen Gesundheitssystemen verbunden. Sie erklärt sie anschaulich, macht sie bunter, verständlicher und schöner. Chefredaktion (V.i.S.d.P.) Claudia Dirks: [email protected] Artdirektion Anna Winker: [email protected] Mitarbeiter dieser Ausgabe Philipp Grätzel von Grätz, Romy König, Michael Lang, Susanne Neumayer-Remter Schlussredaktion textpool-berlin FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer der Spreeufer Consult GmbH, die sich auf Projekte spezialisiert hat, in denen ärztliches und betriebswirtschaftliches Denken versöhnt werden sollen. Er ist auch Mitgründer und Vorstand des Verbandes digitale Gesundheit (VdigG). Geschäftsführer HIMSS Europe GmbH Steve Bryant und Jeremy Bonfini Anzeigen & HealthTech Wire Ariane Müller: [email protected] 42 arbeitet mit HealthTech Wire zusammen, um seinen Lesern Informationen der Hersteller zu übermitteln. www.healthtechwire.de Bitte senden Sie Pressemitteilungen an: [email protected] Druck MEDIALIS Offsetdruck GmbH Printed in Germany MICHAEL LANG schreibt als freier Journalist über Themen aus den Bereichen Medizin und Wissenschaft. Der Naturwissenschaft ler hat sich auf Technik und IT spezialisiert. PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ ist Chef redakteur der englischsprachigen Insights aus dem Hause HIMSS Europe. Der schrei bende Mediziner ist spezialisiert auf Ge sundheitspolitik, besonders in den Themen E-Health und Informationstechnologien für das Gesundheitswesen zu Hause und Autor des Buches „Vernetzte Gesundheit“. Nachdruck, auch auszugsweise, Aufnahme in Onlinedienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-ROM, DVDROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch HIMSS Europe. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos keine Gewähr. © HIMSS EUROPE GmbH, 2015. Alle Rechte vorbehalten. 42 N°5 ERSCHEINT AM 8. JUNI 2015 Die Neuvermessung der Medizin: Personalisierte Therapien kündigen einen Paradigmenwechsel in der Medizin an. Hoffentlich! ÜBERBLICK Eingeimpft: Das elektronische Impfdossier der Schweiz Ohne Richtschnur: KRITIS birgt große Herausforderungen Thorsten Schütz: Wir können den Aufwand noch nicht planen Entwicklung medizinischer Apps: Was Sie wissen müssen! Der Überblicker: Gesucht – Change Manager Gesundheitspolitik 14 18 20 22 26 Digitalisierung der Medizin: Deutschland ist dabei, wichtige Meilensteine zu verpassen. SUSANNE NEUMAYER-REMTER berichtet als freie Journalistin seit mehr als einem Jahrzehnt vom Nachrichtengeschehen in der Hauptstadt. Ihre Schwerpunkte sind unter anderen Gesundheits- und Wirt schaftsthemen sowie Innovationen. 12 Kollaborationsmodelle: Ohne E-Health nicht denkbar. Eine integrierte Versorgung oder Patienten-Monitoring leisten nicht nur für Patienten sehr viel; sie schicken sich an, Zukunftsmodell für eine alternde Gesellschaft zu werden. Bilder, wohin das Auge reicht: Die neue Rolle der Radiologie 42 N°4 HIMSS Europe Illustration: Martina Wember Der „Digitale Patient“: Wie bereitet sich das Gesundheits wesen auf die neue Generation Patient vor? — ÜBERBLICK — — ÜBERBLICK — Eingeimpft Während in Deutschland das Hinterlegen der aktuellen Adresse auf der elektronischen Gesundheitskarte diskutiert wird, ist das elektronische Impfdossier in der Schweiz seit Jahren real. Gewollt und gepflegt von Ärzten und Patienten. Von Romy König W enn Ärzte anfangen, über Algorithmen nachzudenken, lässt das aufhorchen: Claire-Anne Siegrist, Kinderärztin und Professorin für Infektionen und Impfkunde an der Universität Genf, hatte bereits eine ganze Weile beobachtet, wie die Zahl der verfügbaren Impfungen und Impfstoffe in der Schweiz immer weiter anstieg. Wie der jährliche Impfplan, herausgegeben vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der eidgenössischen Kommission für Impffragen, immer üppiger ausfiel, die Empfehlungen detaillierter und umfangreicher wurden. „Diese Empfehlungen unterscheiden zwischen Basisimpfungen, die unerlässlich für die individuelle und öffentliche Gesundheit sind, und ergänzenden Impfungen, die einen optimalen individuellen Schutz bieten“, erklärt Siegrist. Hinzu kämen Impfungen, die in besonderen Risikosituationen empfohlen werden, etwa bei Reisen. Allein 42 Seiten umfasst der Impfplan für 2015, acht Seiten mehr als noch zwei Jahre zuvor. Das Problem: Kaum ein Hausarzt hat Zeit, die einzelnen Empfehlungen gewissenhaft zu studieren und – mehr noch: sie bei jedem Patienten, abgestimmt auf dessen persönliche Bedürfnisse, anzuwenden. „Ein individuelles Impfmanagement ist sehr anspruchsvoll geworden“, sagt Siegrist. Was man bräuchte, so ihre Überlegung vor wenigen Jahren, wäre eine Maschine, die mit all diesen neuen Empfehlungen gefüttert wird, ergänzt um persönliche und relevante Informationen der Patienten – und die dann eine individuelle Empfehlung herausgibt. Hier trifft Impfkunde auf Informatik, Arztwissen auf Algorithmen: Gemeinsam mit 14 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe einem IT-Experten entwickelte und programmierte die Medizinerin eine Software, die genau das leisten sollte: Impfdaten aufnehmen, bewerten und zu passenden Prophylaxe- und Therapieanleitungen führen. Siegrist rührte die Werbetrommel, stellte das Konzept dem BAG vor – und stieß hier auf offene Ohren. „Die Zeit, die benötigt wird, um eine Impfanamnese über das Kindesalter hinaus zu bewahren, kann dem Arzt unter „‚Leistung in Abwesenheit des Patienten‘ verrechnet werden“. Alessandro Diana, Kinderarzt Hoher Druck von der Straße „Das Amt wollte ohnehin das Impfvolumen im Land steigern, deshalb haben die eine solche Idee dankbar angenommen“, erinnert sich Sang-Il Kim. Kim ist gelernter Humanmediziner und Informatiker und arbeitet als Projektmanager bei eHealth Suisse, der Koordinationsstelle für E-Health-Vorhaben der Alpenrepublik. Hier laufen die Fäden aller Projekte zusammen, mit der die Schweizer Regierung künftig Gesundheitsdienste elektronisch verknüpfen und die Beteiligten vernetzen will. Bis Ende 2015 soll Schritt für Schritt das elektronische Patientendossier aufgebaut werden. Die Vorarbeit von Claire-Anne Siegrist beschreibt Sang-Il Kim als einen der wichtigsten Schritte in diese Richtung. Gemeinsam mit dem BAG und auf Grundlage ihrer Software hat die Impfexpertin in den letzten Jahren ein Portal aufgebaut, über das Patienten die Daten über ihre Impfungen pflegen und verwalten können: www.meineimpfungen.ch. Das Konzept: Der Patient registriert sich, gibt persönliche Informationen über seinen Beruf, sein Umfeld und eventuelle Krankheiten sowie die Daten aus seinem Impfausweis ein. Ein elektronischer Assistent hilft dabei – auch bei der Wiederherstellung der Impfvorgeschichte, falls der Patient keinen Impfausweis hat. Wenn er 15 — ÜBERBLICK — 16 AMTS-FORUM Bundesmedikationsplan „Arzneimitteltherapie sicherheit (AMTS) – Status quo und quo vadis?“ conhIT, Networkfläche 1.2 Dienstag, 14. April 2015 14.30 -15.30 Uhr Deutschland tritt auf der Stelle! Reichen mehr oder weniger private und regionale Initiativen, um das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit und den damit verbundenen Patientenschutz auf internati onales Niveau zu heben? Oder muss der Staat nicht insbe sondere bei diesem Thema, wie andere Länder es vorma chen, auch hierzulande seine Richtlinienkompetenz stärker wahrnehmen? Oder reicht die Idee des Medikationsplans auf Papier? Diskutanten: Dr. Daniel Diekmann, Geschäftsführer ID-Berlin Frank Ladendorf, CompuGroup Medical Deutschland AG Fotos: iStock (gchutka); e-Health-Suisse es wünscht, kann der Patient Projektgruppe bereits ein seinem Arzt und seiner ApoAustauschformat erarbeitheke den Zugang zu seinen tet, über das behandelnde Ärzte sowie Apotheker künfDaten erlauben. Umgekehrt tig landesweit Impf- und kann auch der Arzt – vorab Immunschutzinformationen authentifiziert mittels EAN/ untereinander übertragen GLN-Nummer – die Daten erfassen – und den Aufwand können. Auch ein elektrodafür sogar abrechnen, wie nischer Dienst zur Prüfung der Genfer Kinderarzt Alesvon I mpf a n a m ne s e u nd sandro Diana erklärt. „Die Immunstatus ist vorgesehen: Über den sogenannten Zeit, die benötigt wird, um SANG-IL KIM, Humanmediziner, eImpfcheck sollen Impflüeine Impfanamnese über Informatiker und Projekt das Kindesalter hinaus zu cken einer Person online manager bei eHealth Suisse, dem Koordinationsorgan bewahren, kann dem Arzt festgestellt werden können. Bund-Kantone. unter „Leistung in AbwesenIm letzten Jahr hat e-Healthheit des Patienten“ verrechnet Suisse nun einen Implemenwerden“. tierungsleitfaden vorgelegt, Anfangs hätten sich die der die Spezifikationen für Schweizer Ärzte nur zögerdie semantische Interoperlich bei dem Portal registriert, abilität für das Impfdossier berichtet Sang-Il Kim. Dann beschreibt, basierend auf IHE-Integrationsprofilen und aber sei der „Druck von der der HL7 Clinical Document Straße“ zu groß geworden, hätten sich immer mehr Patienten angemeldet Architecture. „Das elektronische Impfdossier und die Ärzte dadurch sanft gezwungen, bei kann nun schweizweit einheitlich angewandt dem Projekt mitzuwirken. Heute seien knapp werden“, so Kim. 100.000 Impfdossiers hinterlegt, gut 30 bis 40 „Nicht darauf angesprungen“ Prozent der Patienten geben ihre Daten selbst ein. Mit einer zusätzlichen Lizenz können Und nicht nur dort: Theoretisch könne die sich die Mediziner außerdem auf Knopfdruck Lösung auch in anderen Ländern laufen, wenn anzeigen lassen, welche der in der Schweiz die Software mit anderen Regeln gefüttert verfügbaren Impfungen dem jeweiligen Patiwerde, so Kim. Österreich habe bereits Interenten verabreicht werden sollten, in welchen esse gezeigt, hätte jedoch noch keine konkrete Dosen und mit welchem Intervall. Dafür sorgt Idee, wie das Konzept praktisch umzusetzen eine Schnittstelle zu Siegrists eigens entwisei. Und auch Deutschland sei nicht wirklich ckelter Software. darauf angesprungen. „Das hat mich etwas erstaunt“, so Kim. Vermutlich liege das daran, Vorbild für nationales Projekt dass sich niemand so richtig für eHealth-Ideen Das Projekt – und hier kommt wieder die verantwortlich fühle. „Aber vielleicht ändert sich das ja einmal mit der elektronischen GePolitik ins Spiel – könnte als Blaupause dienen für alle weiteren eHealth-Pläne des Lansundheitsakte.“ des – besonders für das elektronische PatienAuch Claire-Anne Siegrist, die rührige Protendossier. Tatsächlich wird das Impfdossier fessorin aus Genf, hat ihre Software unterdesbei der Koordinationsstelle eHealth Suisse als sen immer weiterentwickelt, hat mit jedem Leuchtturmprojekt gehandelt, anhand dessen Release Bugs korrigiert, Impfstoffe aktualiein „konkreter Nutzen von eHealth aufgezeigt“ siert und Empfehlungen angepasst, zudem eiund „schweizweit sicht- und erlebbar“ genen Service eingebaut, der Patienten per SMS macht werden könnte, wie es in einem Bericht oder E-Mail über notwendige Impfungen indes Gremiums heißt. formiert. Seit neuestem können die Nutzer ih„Noch sprechen wir hier von Zukunftsren Impfausweis sogar per App verwalten. Sie geht eben mit der Zeit – die Ärztin ohne Scheu musik, weil der Dienst proprietär läuft“, vor Algorithmen. ¬ sagt Kim. Aber im Hintergrund hat seine www.id-berlin.de Adrian Schmid, Leiter eHealth Suisse, Koordinationsorgan Bund-Kantone ID DIACOS® PHARMA ID MEDICS® ID PHARMA CHECK® und mehr ... Harald Dormann, Ärztlicher Direktor Klinikum Fürth Moderation: Claudia Dirks, Chefredakteurin 42 – Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche, HIMSS Europe GmbH 42 N°4 HIMSS Europe MEDIZIN STATT BÜROKRATIE — ÜBERBLICK — — ÜBERBLICK — Ohne Richtschnur Das deutsche Bundesinnenministerium will per Gesetz Betreiber von kritischen Infrastrukturen dazu verpflichten, ein Mindestniveau an IT-Sicherheit zu gewährleisten. Das stellt Krankenhäuser vor kostenintensive Herausforderungen. Manntage dafür ein; ein gutes Jahr wird der Externe also sicher beschäftigt sein. Katt ringt der mühevollen Aufgabe auch einen Vorteil ab: „Wir decken bei dieser Gelegenheit Schwachstellen und suboptimale Systeme auf, Prozesse, die die Mitarbeiter vielleicht über Jahre achselzuckend hingenommen haben, etwa das System an irgendeiner Stelle jedes Mal wieder neu starten zu müssen.“ Von Romy König W ie gefährdet sind Patienten eines Krankender IT-Leitung am Klinikum Stuttgart, warnt: „Das Ansinnen hauses, wenn in der Aufbereitungsabteilung eines solchen Gesetzes ist ja eigentlich vernünftig. Aber in ein Sterilisator ausfällt? Wenn der Strom einder vorliegenden Form ist der Entwurf zu weich gezeichnet.“ mal kurz ausbleibt, oder – ja, der KleiderausgabeautoWas fehle, sei eine konkrete Information darüber, welche mat streikt? Und inwiefern ist die hauseigene IT dafür Anwendungen in einem Krankenhaus überhaupt kritisch haftbar? Es sind Fragen wie diese, kleinteilig, vielleicht seien. Kaiser: „Die Ungenauigkeit macht mich nervös: Spresogar abstrus, die Krankenhaus-IT-Leiter dieser Tage chen wir von der kompletten IT? Oder nur von einzelnen umtreiben. Zumindest jene, die bereits von dem GesetzAnwendungen? Ich wünsche mir eine Methodik, mit der entwurf gehört haben, der derzeit die Instanzen durchjedes Krankenhaus die eigenen kritischen Applikationen läuft: Das Bundesinnenministerium will die IT-Infraermitteln kann.“ struktur in Deutschland laut eigener Aus eigener Kraft kaum zu stemmen Aussage „zu der sichersten weltweit“ machen und legte dazu einen Entwurf Doch eine solche Richtschnur steht vor, der bestimmte Anforderungen an noch aus. Dennoch beginnen einige die IT-Sicherheit von Organisationen Krankenhäuser bereits, nach bestem und Unternehmen stellt. Besonders Wissen und Gewissen und mittels einer Risikoanalyse ihre IT zu durchleuchim Fokus: sogenannte „kritische Inten. Wenn auch zähneknirschend: frastrukturen“ (KRITIS), Einrichtungen also, die von zentraler Bedeutung „Auf uns kommt eine Menge Arbeit ERSTHILFE für das Gemeinwesen sind. Zu diesen zu“, sagt Felix Katt, IT- und MedizinKrankenhäuser, die bereits zählt neben Energieversorgern und technik-Leiter am Unfallkrankenhaus jetzt eine Risikoanalyse durch Verkehrsunternehmen, so heißt es im Berlin (ukb). „Wir müssen uns jedes führen wollen, können sich an Entwurf, auch die medizinische Verunserer 140 IT-Verfahren anschaueinem Leitfaden orientieren, sorgung. en, den dahinterliegenden Prozess den das BSI gemeinsam mit So wirklich sei das mögliche Ausbeleuchten, schließlich analysieren, dem Bundesamt für Bevöl wie die IT an diesem Punkt in die maß dieses Gesetzes noch gar nicht kerungsschutz und Katast rophenhilfe, der Senatsver Behandlung oder die Diagnostik bei den Krankenhäusern angekomwaltung für Gesundheit und men, beobachtet Thorsten Schütz, eingreift. Erst dann können wir Soziales des Landes Berlin und IT-Leiter am Klinikum Itzehoe und einschätzen, was passiert, wenn dem Unfallkrankenhauses Ber Mitglied des Bundesverbands der das System ausfällt.“ Anfangs lin erarbeitet hat. Er beschreibt Krankenhaus-IT-Leiter (KH-IT). Der hatte das ukb versucht, die Anaeine Methode, mit der kritische lyse selbstständig und mit vorVerband hat vergangenes Jahr aufIT-Abhängigkeiten in Kranken grund des Vorstoßes einen Arbeitshandener Manpower zu starten. häusern und daraus erwach kreis gegründet (siehe auch Interview „Etwas naiv“, wie Katt rückblisende Risiken für die Patien tenversorgung identifiziert und Seite 22), der, so Schütz, sensibilisieckend einräumt. Ab April setzt bewertet werden sollen. ren und aufklären will. Und: soweit es das Haus nun einen externen noch geht, auf die Details einwirken. Berater auf diese Aufgabe an. Der Leitfaden steht zum Download bereit: Die seien nämlich noch weitgehend Mit Vor- und Nacharbeitung www.kritis.bund.de ungeklärt, wie Jochen Kaiser, Mitglied kalkuliert Katt etwa 150 bis 200 18 42 N°4 HIMSS Europe Im Zweifel werden dünne Bretter gebohrt Es ist also ein bisschen wie eine Großreinemach-Aktion, zu der sich durchgerungen wird, wenn Wochenendbesuch ansteht: Da wird in alle Ecken geschaut, geputzt, wo vorher lange kein Lappen hinkam. „Wir nehmen das geplante Gesetz zum Anlass, tief einzusteigen – das müssen aber andere Häuser noch längst nicht so machen“, sagt Katt. Deshalb glaubt der IT-Leiter auch nicht, dass das Gesetz und der damit verbundene Aufwand Krankenhäuser an ihre Grenzen bringt. „Im Zweifel wird vermutlich einfach das dünnste Brett gebohrt.“ Hier biete das Gesetz nämlich weiterhin Spielräume. Das Krankenhaus könne auch einfach nur alle Systeme aufführen, so Katt, deren Funktionen für den Behandlungsprozess und die Zugriffe beschreiben und ein Ausfallkonzept vorstellen – und sei dann genauso gegen den Vorwurf des vorsätzlichen Organisationsverschuldens geschützt. Vielleicht ist es dieser Pragmatismus, den die Krankenhäuser im Umgang mit dem neuen Gesetz brauchen. Doch den legen noch längst nicht alle IT-Leiter an den Tag. „Tatsächlich wissen wir noch gar nicht, ob es lediglich darum geht, eine Art Notfallbetrieb aufrechterhalten zu müssen – oder aber das reguläre Tagesgeschäft“, sagt ein Klinikinformatiker, der nicht genannt werden möchte. Laut einem internen Papier aus dem Umfeld des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht das Amt eine Eingrenzung auf den Not- beziehungsweise Krisenfall „als nicht zielführend“ an. Zwar könnten nicht notwendige oder verschiebbare Dienstleistungen wie etwa „Schönheits-OPs“ oder die „Feststellung der Sehschärfe“ aus- 42 N°4 HIMSS Europe DER ENTWURF IM ÜBERBLICK Das Bundesinnenministerium will per Gesetz Betreiber von kritischen Infrastrukturen dazu verpflichten, ein Mindestniveau an IT-Sicherheit zu gewähr leisten. Es argumentiert, diese Betreiber hätten eine „beson dere Verantwortung für das Gemeinwohl“, und der Ausfall oder die Beeinträchtigung ihrer Infrastrukturen würden erheb liche Versorgungsengpässe nach sich ziehen. Die Sicher heitsstandards können die Betreiber selbst vorschlagen – das BSI prüft die Vorschläge. Neben der Einhaltung der Standards müssen die Betreiber: . Sicherheitsaudits durch führen (lassen) . erhebliche IT-Sicherheits vorfälle an das BSI melden – und Verfahren für diese Meldungen einrichten und aufrecht erhalten. Das BMI schätzt, dass von jedem Betreiber im Schnitt pro Jahr maximal sieben Meldungen ausgehen werden. . eine Kontaktstelle betreiben, über die das BSI die Einrich tung jederzeit erreichen kann. Die Betreiber haben nach In krafttreten zwei Jahre Zeit, die Vorkehrungen zu treffen; sechs Monate, um die Kontaktstelle einzurichten. Alle zwei Jahre müssen sie mit einer Aufstellung an Audits, Prüfungen oder Zertifizierun gen nachweisen, ob sie die Anforderungen erfüllen – einschließlich der dabei fest gestellten Sicherheitsmängel. geklammert werden, aber, so das BSI, im Grunde gehe es um die „Aufrechterhaltung des regulären Geschäftsbetriebs“. Wenn das so eintrete, interpretiert der Informatiker, „bedeutet das, dass wir im Extremfall dafür haftbar gemacht werden können, wenn unsere Klimaanlage ausfällt.“ Auch Jochen Kaiser hält die Definition für zu ungenau: „Wenn wir nicht nur für den Krisenfall, sondern die Sicherstellung des Normalbetriebs geradestehen müssen, müssten wir die gesamte Krankenhaus-IT um ein Level höher heben. Ein Vorhaben, das Millionen kosten würde.“ Zu den erwartbaren Kosten äußert sich das Bundesinnenministerium im Gesetzentwurf denn auch reichlich lakonisch: Das Mindestniveau an IT-Sicherheit einzuhalten werde dort zu Mehrkosten führen, wo bislang „kein hinreichendes IT-Sicherheitsniveau vorhanden ist.“ „Das ist ja fast schon zynisch“, sagt Kaiser. Ungeklärt sei auch die Frage nach der Medizintechnik: „Wir müssen vermeiden, dass durch das Gesetz eine Unklarheit entsteht, was die Haftung bei Medizinprodukten betrifft“, so Kaiser. Wenn das Gesetz Krankenhäuser für unsichere Medizinprodukte verantwortlich mache, etwa, wenn diese noch auf nicht mehr gewarteten Betriebssystemen laufen, „dann hilft das keinem.“ Felix Katt ist in dem Punkt eher nachsichtig: „Klar, die MT-Hersteller halten sich da gerne raus“, sagt der Berliner IT-Leiter. „Aber am Ende muss doch auch ich als Anwender Geld und Mut aufbringen, Systeme und Produkte zu aktualisieren.“ Und wenn das nicht möglich sei, sei es immer noch eine Frage des richtigen Schutzes: Auch Geräte, die unter Windows XP laufen, dem System also, das keine Sicherheitsupdates mehr erhält, könne man abschotten. „Da müssen Sie eben Inseln mit genau definierten Grenzübergängen bauen.“ Also wieder ein Aufwand, wieder der Einsatz eines Mitarbeiters, der Geld kostet. Ist das neue Gesetz nun ein Segen oder ein Fluch? Katt: „Es ist ein Segen, den man manches Mal verfluchen möchte.“ ¬ 19 — ÜBERBLICK — nuance.de/healthcare „Wir können nicht planen“ HIMSS Europe hat im Auftrag von Nuance Healthcare in den vergangenen Monaten Ärzte und Pflegende zu ihrem Dokumentationsverhalten befragt. Ziel war es herauszufinden, wie weit Wahrnehmung und Realität über den Aufwand auseinander liegen und in welchem Umfang bewährte Hilfsmittel zur Dokumentation genutzt werden. Die Ergebnisse stimmen nachdenklich. von Romy König Die IT durchdringt mittlerweile fast jede Ecke eines Krankenhauses, steckt in der Gebäudesicherung ebenso wie in der Klimaanlage ... Genau! Doch welche Anwendungen und Systeme sind für den Betrieb ausfallkritisch? Vieles erschließt sich erst durch die Betrachtung der Prozesse. Das muss sorgsam erarbeitet werden – der Arbeitskreis will IT-Verantwortliche hierbei unterstützen. Herr Schütz, Ihr Verband nahm das geplante IT-Sicherheitsgesetz zum Anlass, gemeinsam mit dem BSI den Arbeitskreis „KRITIS“ zu gründen, der sich seither regelmäßig trifft. Wie arg wird hier über das geplante Gesetz geschimpft? Überraschend wenig. Das Thema SicherWo würden Sie denn persönlich die Grenze heit genießt in Krankenhäusern einen hohen ziehen, etwa in Ihrem Klinikum? Stellenwert. Außerdem sind die Häuser daran Ich nehme als Beispiel unsere Software für gewöhnt, gegenüber diversen Prüfinstanzen die Zentralsterilisation: Wenn die ausfällt, „Der Rechnung ablegen zu müssen: Denken Sie können die Instrumente nicht mehr sterilisiert Gesetzentwurf werden, die Chirurgen müssten schlimmstenan den Datenschutz, die Wirtschaftsprüfer, ist noch sehr falls den OP-Betrieb einschränken. Hier fängt Qualitätsmanagement-Audits. Das Gesetz es nach unserer Betrachtung an, kritisch zu bietet zudem einen großen Vorteil: Größere ungenau.“ werden. Aus der Intention des Gesetzgebers IT-Sicherheitsvorfälle müssen an das BSI geThorsten Schütz meldet werden; die dort zusammenlaufenden heraus liegt die Grenze für Kritikalität aber Informationen werden ausgewertet und – vielleicht viel höher. Auch ist der Terminus sofern sinnvoll – den Betreibern zur Verfügung gestellt. Das „kritische Branchen“ noch nicht abschließend geklärt: Im heißt: Entsteht im Krankenhaus ein paar Kilometer weiter ein Entwurf steht nur etwas vom „Sektor Gesundheit“ mit dem ernster Sicherheitsvorfall, der auch mich betreffen könnte, Unterpunkt „medizinische Versorgung“... erfahre ich das künftig schneller. Wollen Sie damit sagen, Krankenhäuser könnten am Ende gar Gar keine Klagen also? nicht von dem Gesetz betroffen sein? Natürlich befürchten diejenigen, die sich bereits mit dem Zumindest vielleicht nicht alle. Auf den ersten Blick sind große Häuser als eher ausfallkritisch zu sehen als kleinere. Entwurf beschäftigen – das sind beileibe noch nicht alle –, einiges an Dokumentationsaufwand ... Aber ein kleines Haus mit einer Spezialausrichtung kann auch zu den kritischen Infrastrukturen zählen – genauso Wie viel Mehraufwand erwarten Sie etwa an Ihrem Klinikum wie ein größeres Haus aus dieser Betrachtung herausfallen könnte, wenn in der näheren Umgebung drei oder vier in Itzehoe? Das ist genau das Problem: Das lässt sich aktuell noch weitere Krankenhäuser ansässig sind. Hier müssen noch Schwellenwerte erarbeitet werden. Ein weiteres Indiz dafür, überhaupt nicht abschätzen. Vielleicht ist die Analyse des dass vielleicht nicht alle Krankenhäuser betroffen sein bestehenden Sicherheitsniveaus mit anderen Funktionen kombinierbar, kann also etwa von einem Risikomanager oder werden, ist auch die laut Entwurf zu erwartende Anzahl der Sicherheitsbeauftragten abgearbeitet werden; im schlimmsten insgesamt betroffenen Betreiber: rund 2.000 nämlich. Da Fall muss eine neue Kraft eingestellt werden. Aber genau das wäre ja rein rechnerisch neben den Krankenhäusern kein können wir nicht planen, weil der Entwurf noch reichlich UnPlatz mehr für andere kritische Branchen ... klarheiten beinhaltet. Was schätzen Sie: Wird das Gesetz am Ende durchgehen? Welche genau? Davon gehe ich aus. Aber es könnten sich noch ÄndeDer Entwurf fordert, dass kritische Branchen ein Mindestrungen ergeben, etwa was den Umfang und die Aufbewahsicherheitsniveau einhalten müssen. Die Kriterien dafür gilt rungsfristen der Daten betrifft, die bei Vorfällen an das BSI es aber erst noch festzulegen. Hier fragen wir uns: Welche IT, übermittelt werden müssen. Aber auch wenn es noch Kläwelches System ist eigentlich „kritisch“? Die IT in ihrer Gesamtrungsbedarf gibt: An der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit heit? Oder nur einzelne Anwendungen? zweifelt keiner. ¬ 20 42 N°4 HIMSS Europe Warum dokumentieren Ärzte 4, Pflegende durchschnittlich 3 Stunden pro Tag? Und finden am Ende doch nicht die notwendige Information? Jetzt lesen: dokumentationsfalle.eu Viel dokumentiert hilft viel? Nuance Stand A-106, Halle 2.2 @conhIT 2015 Foto: Klinikum Itzehoe Interview mit Thorsten Schütz, IT-Leiter des Klinikums Itzehoe und Vorstandsmitglied im Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiter Intelligente Systeme schaffen neue Möglichkeiten — ÜBERBLICK — — ÜBERBLICK — Entwicklung medizinischer Apps – Was Sie wissen müssen! 22 42 N°4 HIMSS Europe D Die Entwicklung medizinischer Apps wird ein ebenso globales Geschäft wie andere Bereiche der Medizintechnologie. Dies erfordert jedoch erhebliche Investitionen in Zeit und Geld. Was müssen europäische App-Entwickler über das Genehmigungsverfahren der FDA wissen? Ein Symposium auf dem mHealth Gipfel in Berlin lieferte dazu einige Antworten. ie Zahl mobiler Gesunderschließen kann. Die amerikanische Lebensmittelüberwachungsheits-Apps boomt. Marktund Arzneimittelzulassungsbeforscher der Firma researhörde, die sogenannte „Food and ch2guidance schätzen, dass „die Drug Administration“ (FDA), beAnzahl der mHealth Apps, die hauptet von sich, dass sie, wenn auf den beiden führenden Plattformen iOS und Android veröfes um Regulierung geht, eine Von Cornelia Wels-Maug fentlicht sind, sich allein in den „maßgeschneiderte, risikobasierte Haltung“ einnimmt, um so letzten zweieinhalb Jahren mehr gleichermaßen die Sicherheit der als verdoppelt hat und sich nun auf mehr als 100.000 Apps beläuft Nutzer als auch das Vorankommen (Q1 2014)“. Mit der wachsenden von Innovationen zu gewährleisVerfügbarkeit von Apps hat gleichten. Die FDA zieht eine Grenze zwizeitig auch deren Beliebtheit unter schen dem, was Regulatoren als Patienten zugenommen. Laut Daeine bloße Lebensstil-App − ohne vid Sainati, CEO der in Paris beheimateten Medappcare, „würRisiko für den Nutzer und ohne Notwendigkeit zur Kontrolle den 90 Prozent der Patienten es akzeptieren, wenn ihnen ihr − und eine medizinische App, die einer Regulierung bedarf, Arzt eine App als Medikament verschreibt und 89 Prozent der bezeichnen. Obgleich auf beiden Seiten des Atlantiks die zuÄrzte in den USA würden ihren Patienten Apps empfehlen“. grunde liegenden Überlegungen bezüglich der Regulierung ähnlich sind, unterscheiden sie sich doch hinsichtlich der reMedizinische Apps im Vormarsch gulatorischen Auflagen und der Qualitätsanforderungen. Um Welcher Beliebtheit sich medizinische Apps mittlerweile die europäischen Entwickler zu unterstützen, haben hochranerfreuen, zeigt sich auch daran, dass eine wachsende Angige Diskutanten auf dem App-Entwickler-Workshop anlässlich zahl an Krankenversicherungen und Gesundheitssystemen des letzten europäischen eHealth Gipfels die jüngsten Vorgaben inzwischen gesundheitsbezogene Apps umsonst auf ihren der FDA erläutert und wertvolle, praktische Empfehlungen zur Webseiten anbieten. Zum Beispiel bietet die größte gesetzliEntwicklung vermarktbarer Apps gegeben. che Krankenkasse Deutschlands, Techniker Krankenkasse, Unterliegt meine App der Regulierung? Apps an, die ihren Mitgliedern helfen, einen geeigneten Arzt ausfindig zu machen oder das nächstliegende VersicherungsIm September 2013 hat die FDA eine abschließende Orienbüro zu lokalisieren. tierungshilfe bezüglich mobiler medizinischer Apps herausIn Anbetracht der Größe des US-Marktes und dessen reifegegeben, welche einen vorherigen Gesetzesentwurf auf den rer Nutzung von Gesundheits-Apps, verwundert es nicht, dass aktuellsten Stand brachte. Auf dem Workshop erklärte Bradley App-Entwickler in Europa natürlich daran interessiert sind heThompson von der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Epstein rauszufinden, wie man am besten den amerikanischen Markt Becker Green: „Die FDA hat mit dieser Vorgabe bezweckt, die 42 N°4 HIMSS Europe 23 Shield_White_2013 — ÜBERBLICK — Grenze zwischen dem Bereich, der reguliert und dem, der nicht reguliert wird, zu ziehen. Sie legt den Schwerpunkt ausdrücklich auf Software. Wenn Sie herausfinden wollen, ob Ihre Software der Regulierung unterliegt, müssen Sie auf der FDA-Webseite unter einem Begriff, der die übergreifende Funktionalität Ihrer App mit einem Stichpunkt beschreibt, nachschlagen. Schauen Sie nicht nach der Technologie! Falls eine App die gleiche Funktion wie ein von der FDA reguliertes Objekt ausübt, unterliegt auch sie der Regulierung. Wir müssen aber die Fälle herausknobeln, in denen das Smartphone etwas macht, das so noch nirgends von jemandem gemacht wurde.“ Worauf sollten Sie sonst noch achten? Nachfolgend ein paar Tipps für App-Entwickler vom Workshop: • Stolpern Sie nicht zufällig in den Gesundheitsbereich, da er eine Menge persönlichen Einsatz, Anstrengungen und Dokumentation über Entwicklung, Validierung und Vermarktung der App abverlangt. Halten Sie die regulatorischen mit Ihren geschäftlichen Anforderungen im Gleichgewicht. Legen Sie klar den Anfangs- und Endpunkt Ihres Strategieplans zur App-Entwicklung fest und überlegen Sie sich gut Ihr Qualitätssicherungssystem, verschiedene Betriebssysteme sowie benötigte Kapazitäten in mobilen Netzen. Fangen Sie klein mit etwas an, das Sie wirklich verstehen. Überdenken Sie sehr genau die beabsichtigte Anwendung. Die Wortwahl bestimmt, ob und wie eine App reguliert wird und welche Dokumentation die FDA verlangt. • Denken Sie über den Lebenszyklus Ihrer App nach. Schon während Sie die anfängliche Softwarearchitektur entwerfen, sollten Sie die späteren Versionen miteinbeziehen. Dies betrifft auch das Hosting der App im Hinblick auf Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre. Zudem ist ein Entwickler auch dafür verantwortlich zu eruieren, wie ein neues Betriebssystem die Software beeinflusst, und muss möglicherweise eine Runde Überprüfungen und Validierungen durchführen. 24 APPS SIND BELIEBT! 90% der Patienten würden es akzeptieren, wenn ihnen ihr Arzt eine App anstelle eines Medikaments verschreibt 89% der Ärzte in den USA würden ihren Patienten Apps empfehlen Quelle: David Sainati, CEO von Medappcare Mit der wachsenden Verfügbarkeit von Gesundheits-Apps hat gleichzeitig auch deren weltweite Beliebtheit unter Patienten zugenommen. Die Einführung einer App in einem App Store bedeutet, dass man eine strikte Kontrolle über die App aufgibt. Im Falle einer mit einem hohen Risiko behafteten App empfiehlt es sich, diese nicht in einem App Store, sondern auf einem separaten Vertriebsweg, den Sie selber managen können, zu vermarkten. Des Weiteren sollten Sie klarstellen, dass eine App nur in genau festgelegten Ländern genutzt oder nur in bestimmten Sprachen eingeführt wird. Je nach Funktion der App kann es sich empfehlen, sie zuerst den Regulierungen der EU statt der FDA in den USA, und umgekehrt, zu unterziehen. • Stellen Sie sicher, dass Ihre App auch wirklich das macht, was sie vorgibt zu tun − nehmen Sie das Beispiel eines Dosierungsrechners, der die Medikamentenmenge falsch berechnet –, da es viel teurer ist, eine App vom Markt zu nehmen, als sie auf den Markt zu bringen. Stellen Sie sicher, dass medizinische Daten hinreichend geschützt und abgesichert sind. Es ist empfehlenswerter, wenn Experten mit medizinischem Hintergrund etwas über Apps lernen als umgekehrt. • In der Regel unterscheiden sich große Firmen hinsichtlich der App-Entwicklung von Neugründungen nur dadurch, dass sie über ein Qualitätsmanagementsystem verfügen. Ausblick Wie verbreitet ist es, dass europäische App-Entwickler sich um FDA-Zulassung bewerben? Erik Vollebregt von der niederländischen Kanzlei Axon Lawyers erläutert: „Dies passiert in zunehmendem Maße in meiner Praxis, obwohl die meisten der international erfolgreichen App-Entwickler in den USA beheimatet sind und die Ersteinführung der App in Europa lancieren, weil wir hier in Europa einen viel freundlicheren Marktzugangsmechanismus für Software, die ein Medizinprodukt ist, haben.“ Nach Aussagen von Dr. Antony Rix, Senior Consultant bei TTP, gibt es einen Hoffnungsschimmer für die Harmonisierung: „Es sind Vorstöße im Gange, Regulierungen unter der Schirmherrschaft des „International Medical Device Regulators Forum“ zu harmonisieren,“ aber das dürfte noch dauern. ¬ 42 N°4 HIMSS Europe Weil Gesundheit das Wichtigste bleiben muss Wie können wir Ärzten helfen, Patienten zu heilen, und gleichzeitig dafür sorgen, Medizin bezahlbar zu halten? Diese Frage stellen wir uns jeden Tag aufs Neue. Dafür forschen wir und entwickeln Medizintechnik, die innovative Diagnose- und Therapieverfahren möglich macht und darüber hinaus hilft, die Kosten im Gesundheitswesen zu minimieren. So verkürzen wir Untersuchungszeiten, vereinfachen Diagnosen und entlasten medizinisches Personal, damit mehr Zeit für das Wesentliche bleibt: den Patienten. Besuchen Sie uns auf der conhIT – Stand D-111, Halle 2.2 oder unter www.philips.de/healthcare Version 1.1 – 25 October 2013 — ÜBERBLICK — 42 Gesucht: Change Manager für die Gesundheitspolitik Von Philipp Grätzel von Grätz BUSINESS INTELLIGENCE AMTS: Im Sinne der Patienten Unbefriedigender Nutzungsgrad: Black Box IT 28 32 42 N°4 HIMSS Europe Illustration: Martina Wember 26 eine größere Verantwortung gibt. Gleichzeitig wird die Online-Therapie massiv ausgebaut. Psychiater und Psychotherapeuten kümmern sich vor allem um schwerkranke Patienten. Ein Ergebnis dieses Umbaus ist, dass telemedizinische „E-Mental-Health-Services“ in unserem Nachbarland abgehen wie eine Rakete. Davon profitieren alle: Die Patienten kriegen schneller eine Behandlung. Wer schwer krank ist, fällt nicht unter den Tisch, sondern landet beim Experten. Und dank Mixed-Care-Ansatz ist das Ganze eingebettet in eine kontinuierliche Betreuung, die wiederum für die Kostenträger kalkulierbarer ist. Wie genau haben die Niederländer das geschafft? Sie haben 30 Prozent des ambulanten Geldtopfs für die Versorgung von psychiatrischen Patienten hin zu den Hausärzten sowie in Richtung E-Mental-Services verschoben. Kann sich das in Deutschland irgendjemand vorstellen? Auch in Holland geschah das nicht von heute auf morgen, sondern schrittweise, mit viel Kommunikation. Change Management eben. Und genau das wäre vielleicht auch was für die Selbstverwaltung: Gesundheitspolitisches Change Management in Gruppentherapie. Könnte man auch online machen. Und abrechnen! Gibt es dafür eigentlich eine EBM-Ziffer?¬ Illustration: Nina Eggemann I ch muss schon wieder damit nerven: Die Selbstverwaltung des deutschen Gesundheitswesens wurde ja vor einiger Zeit gesetzlich verpflichtet, eine Abrechnungsziffer für Telemedizin zu schaffen, und hat dabei ziemlich versagt. Um den Schein zu wahren, wollte man sich zumindest auf eine Ausdehnung der Abrechenbarkeit von Fernabfragen kardialer Implantate verständigen. Einmal im Quartal geht‘s jetzt, die KBV wollte dreimal im Quartal erreichen – häufig genug, um nicht nur Funktionsabfragen, sondern auch ein bisschen Disease-Monitoring machen zu können. Im Bewertungsausschuss ist selbst diese Schmalspurziffer für eine „Telemedizin light“ Anfang des Jahres (erneut) durchgefallen. Auch wenn man die deutsche Selbstverwaltung für erhaltenswert erachtet, können einem angesichts solcher Kleingeistigkeit schon die Haare zu Berge stehen. In den Niederlanden wurde in den letzten Jahren die psychiatrische Versorgung umgekrempelt. Das ist auch in Deutschland ein Riesenthema: Es gibt zu viele Patienten, die zu lange auf Psychotherapie warten müssen. Es gibt zu wenig Stratifizierung nach Schweregrad und zu viel Willkür. Die Niederlande haben auf diese Situation mit einem Mixed-Care-Ansatz geantwortet, der den Hausärzten — BUSINESS INTELLIGENCE — — BUSINESS INTELLIGENCE — Im Sinne der Patienten E Wer glaubt, dass nur die Maximalversorger unter den deutschen Krankenhäusern ihren Patienten das größtmögliche Maß an Arzneimittelsicherheit bieten können, wird vom FriedrichEbert-Krankenhaus (FEK) in Neumünster eines Besseren belehrt. s liegt ein langer, steiniger, mitunter frustrierender, letztendlich aber erfolgreicher Weg hinter den Beteiligten, mit dem Ziel, die Patientensicherheit durch die Digitalisierung des Medikationsprozesses zu erhöhen. Das 645-Betten-Haus verfügt schon seit 1996 über ein sogenanntes Unit-Dose-System, das die Tabletten für jeden Patienten automatisch richtet und in Tüten verpackt. Seit dem vergangenen Jahr hat das Krankenhaus zusätzlich noch ein System zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) nahezu flächendeckend im Einsatz. „Wir bekommen in einem immer stärkeren Ausmaß Patienten, vornehmlich ältere, die viele Arzneien einnehmen. Von unseren Ärzten erhalten sie weitere Medikamente, sodass sich das Risiko von Arzneimittelwechselwirkungen erhöht“, erklärt der Geschäftsführer Alfred von Dollen. „Mit dem neuen AMTS-System können wir dieses Risiko minimieren. Das war meine Hauptmotivation, um diese Investition zu genehmigen.“ Rund 60.000 Euro hat das Projekt zur Einführung des AMTS-Systems gekostet – eine Summe, die auch das FEK nicht aus der Portokasse bezahlen kann. Dabei kommen auf das Krankenhaus derzeit Kosten in einer ganz anderen Größenordnung zu. Das gesamte Hauptgebäude wird bis 2020 in mehreren Bauabschnitten abgerissen und auf demselben 28 Von Michael Lang Dr. Louise Kurz CODE45 Gelände schrittweise neu errichtet. Die Neubauten werden, wie heute üblich, mit WLAN ausgestattet. Dies ermöglicht langfristig die „mobile Pflege“, bei der die Dokumentation der Pflegeprozesse nicht mehr auf Papier, sondern direkt am Krankenbett in die elektronische Patientenakte erfolgt. Das FEK hat dazu auch Visitenwagen mit Computern angeschafft. Schritt für Schritt für Schritt Die Einführung des AMTS-Systems hat eine Vorgeschichte: 2010 rollte das FEK sein neues Krankenhausinformationssystem (KIS) aus und kaufte eine Medikationssoftware, die eine Schnittstelle zum Unit-Dose-System hatte. Dadurch konnte der Arzt die elektronische Verordnung direkt an den Unit-Dose-Automaten schicken. Allerdings war das KIS trotz der internen Weiterentwicklung der Medikationssoftware nicht in der Lage, die Medikation in der elektronischen „Fieberkurve“ abzubilden. Die Konsequenz: Der Arzt musste zusätzlich zur elektronischen Verordnung die Medikation auch auf der papierbasierten Fieberkurve vermerken. „Dies stand unserem Ziel entgegen, die papierlose Dokumentation für den Patienten einzuführen und damit allen am Behandlungsprozess Beteiligten alle Informationen zukommen zu lassen, die sie benötigen“, sagt Christof Thielecke, Stabsstelle der Pflegedienstleitung für 42 N°4 HIMSS Europe Innerbetriebliche Fortbildung. Er leitet das Projekt zur Umsetzung der elektronischen Patientenakte. Das FEK hielt deshalb Ausschau nach einer neuen Medikationssoftware, die in der Lage war, die Medikation auch in der elektronischen Fieberkurve des neuen KIS darzustellen. „Die Wahl war nicht schwer, es gibt tatsächlich nur sehr wenige Systeme, die das konnten“, erklärt Thielecke. „Parallel dazu kam in der Krankenhausapotheke der Wunsch auf“, erinnert sich IT-Leiter Jürgen Spanier, „den Arzt bei der Verordnung mit Warnhinweisen zu unterstützen, beispielsweise bei Arzneimittelinteraktionen“. Auch deshalb entschied sich das FEK für die AMTS-Lösung. Allerdings gab es auch hier einen Wermutstropfen: Der Software-Hersteller hatte bis zu diesem Zeitpunkt kein Dispositionsmodul zur Anbindung an das Unit-Dose-System. Das Dispositionsmodul stellt das IT-Bindeglied zwischen der elektronischen Verordnung und der Verpackung dar. Was nun folgte, war ein Entwicklungsvertrag für das Dispositionsmodul zwischen dem FEK und dem Hersteller aus Berlin. „Wir liefern den Input für die Programmierung und erhalten im Gegenzug das Dispositionsmodul zu Sonderkonditionen“, erklärt Spanier den Deal. AMTS eingebettet in den Workflow Fast parallel zur Einführung am FEK erfolgte am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) die Anbindung des AMTS-Systems an das dort verwendete KIS (siehe 42, N°2/2014, Seite 20). Aufbauend auf dem Dispositionsmodul für das FEK entstand nachfolgend ein pharmazeutisches Validierungsmodul, das über die reine Logistik hinausgeht und eine patientenbezogene Medikationsprüfung beinhaltet, was das Interesse auch der Schwerpunktversorger weckt, die sich das teure Unit-Dose-System nicht leisten können oder wollen. Die Vorteile einer digitalen Medikamentengabe haben mittlerweile immer mehr Häuser auf dem Schirm. Am UKE beschränkt sich die Lösung nicht nur auf die Verordnungsunterstützung und den Arzneimittelcheck innerhalb des KIS. Dort werden auch die Daten aus dem Subsystem aufgerufen und ausgewertet. Der bevorzugte Ansatz sei aber, dass das KIS die Fieberkurve und den Ablauf für das Pflegepersonalmanagement abbildet. Der Zulieferer stellt den 42 N°4 HIMSS Europe FRIEDRICH-EBERTKRANKENHAUS GMBH Standort: Neumünster, Schleswig-Holstein Gesellschafter: Stadt Neumünster Krankenhaus der Schwerpunktversorgung / Akademisches Lehrkranken haus für die medizinischen Fakultäten der Universitäten Kiel und Hamburg. Kapazität: 645 Betten/ Jährlich 25.000 Patienten voll- und teilstationär sowie 53.000 ambulante Patienten. Mitarbeiterzahl: ca. 1.800 Klara Fall CODE08 Arzneimittelkatalog bereit, organisiert den Ablauf in der Apotheke und stellt die Verbrauchsdateien, die sich aus den Abpackprozessen ergeben, für die Buchungen der Materialwirtschaft zur Verfügung. Bis ins kleinste Detail Bis alles so weit war und reibungslos lief, mussten die am AMTS-Projekt beteiligten Mitarbeiter viele Überstunden leisten. Die Apotheker zum Beispiel mussten alle Produkte, die sie vorhalten – immerhin zirka 1.400 – in das IT-System übertragen. Dabei wurden nicht nur die Handelsnamen, sondern auch zusätzliche Angaben wie Darreichungsform, korrekte Dosierung oder Informationen für die Materialwirtschaft erfasst. „Das war technisch anspruchsvoll“, erinnert sich der Krankenhaus apotheker Malte Dobin. Die vielen Überstunden waren aber auch ein Ergebnis der anfänglichen Schwierigkeiten des AMTS-Systems in den ersten Wochen nach der Installation. Das neu programmierte Dispositionsmodul steckte noch in den Kinderschuhen und zwang den Server in die Knie, wenn in der Krankenhaus apotheke Daten erfasst wurden. Dann ging auf der Pilotstation – der Geriatrie – nichts mehr. Umgekehrt konnten die Apotheker nicht mehr arbeiten, wenn auf der Station zu viele Daten erfasst wurden. Die Wende brachte ein späteres großes Update, das zu einer erheblichen Beschleunigung des AMTS-Systems führte. „Andernfalls hätten wir noch am selben Tag das Projekt auf Eis gelegt, weil es nicht mehr handhabbar war“, erzählt Dobin. Als eine weitere Gegenmaßnahme gegen Performance-Probleme setzt das FEK künftig auf ein ebenfalls neu entwickeltes Cluster-System: Ein Server übernimmt die Anfragen aus der Apotheke, ein zweiter die Erfassung auf Station. Bei einem Ausfall steht somit immer noch ein Server zur Verfügung, um die Aufgaben des anderen zu übernehmen. Bei der Einführung machten die Krankenhausapotheker dieselbe Erfahrungen wie ihre Kollegen in anderen Häusern: Durch die vielen Meldungen, die der Arzneimittelcheck generierte, erhielten sie erstmals einen Überblick darüber, welche Interaktionen und Kontraindikationen im FEK auftreten können und wie häufig diese vorkommen. „Das System liefert uns Informationen, die uns so gebündelt in dieser Form bislang nicht zur Verfügung 29 — BUSINESS INTELLIGENCE — Christof Thielecke, Projektleiter FEK Thilo S. Toll CODE45 30 Die Anfangsskepsis der Ärzte konnte zerstreut werden Aber bereits vor diesem Feintuning des AMTS-Systems stellt Projektleiter Thielecke fest, dass sich die Patientensicherheit am FEK erheblich erhöht hat. „Früher kam es immer wieder zu Fehlern bei der handschriftlichen Übertragung der elektronischen Verordnung auf Papier, weshalb wir die Aufzeichnungen der Nachtwache kontrollieren lassen mussten“, berichtet er. „Das fällt jetzt weg.“ Außerdem erfolgt jetzt am FEK ein doppelter Arzneimittelcheck – vom Arzt bei der Verordnung und vom Apotheker vor der Übergabe an das Unit-Dose-System. Und es werden noch weitere Sicherheitsstufen innerhalb des Workflows diskutiert, denn ein System ist die eine Seite, eine veränderte Organisationsstruktur eine andere: Um eine Verwechslung bei der Medikamentengabe zu verhindern, können Patientenarmbänder und Arzneimitteltüten mit Strichcodes versehen werden, die dann nur noch verglichen werden müssen. Die Patienten am FEK tragen bereits heute solche Armbänder mit aufgedruckten Strichcodes, über die sie eindeutig identifiziert werden können. „Strichcode-Scanner verwenden wir zurzeit nur im Operationssaal“, erklärt Thielecke. „Wir denken aber natürlich ebenfalls darüber nach, solche Geräte in Zukunft auch für die Visitenwagen auf den Stationen anzuschaffen.“ Das AMTS-System ist im Krankenhaus angekommen und wird von den Mitarbeitern angenommen. Wie in anderen Krankenhäusern auch, waren anfangs vor allem die Ärzte am FEK skeptisch, nicht zuletzt weil viele von ihnen die neuen Arbeitsabläufe zunächst als Belastung empfanden. Sogar in der Chefarztkonferenz wurde darüber diskutiert. „Unser Chefapotheker hat viel Überzeugungsarbeit leisten müssen“, erinnert sich Geschäftsführer von Dollen. Auch gab es Verunsicherung darüber, wer bei einer falschen Arzneimitteltherapie haftet. Wird der Arzt in die Pflicht genommen, die Krankenhaus-Unternehmensführung oder der Hersteller, wenn etwas falsch parametriert wurde? „Die Verantwortung hat immer der Arzt. Er kann das System hinzuziehen, darf sich aber nicht blind darauf verlassen“, so von Dollen. „Wir glauben, dass dieses System enorm dazu beiträgt, das Risiko bei einer Verordnung zu minimieren, auch wenn es keine 100-prozentige Sicherheit gibt.“ ¬ Besonderheit: Dispositionsmodul für das Unit-Dose-System musste neu programmiert werden. Meilensteine: Oktober bis Dezember 2013: Pilotprojekt in der Geriatrie Januar bis Februar 2014: Klinikweiter Roll-out Mai 2014: Update behebt Performance-Problem Dezember 2014: Mobile Pflege mit Unters tützung auf fünf Stationen AMTS: DER UNBEHANDELTE SKANDAL C M Y CM MY CY CMY eHealth Summit Germany, 12. Juni 2015, CityCube Berlin 9-10.30 Uhr Fotos: Fotolia (pixelrobot/Valentina R.) Früher kam es immer wieder zu Fehlern bei der handschriftlichen Übertragung der elektronischen Verordnung auf Papier, weshalb wir die Aufzeichnungen der Nachtwache kontrollieren lassen mussten. AMTS-PROJEKT standen“, stellt Christoph Winkeler, Leiter der Krankenhausapotheke, fest. „Endlich wissen wir, welche Interaktionen und Kontraindikationen im Haus relevant sind.“ Um nicht mit Warnhinweisen des AMTS-Systems überflutet zu werden, müssen die Apotheker die relevanten von den unwichtigen Meldungen trennen. Bei diesem Vorhaben werden sie von zwei Pharmakologen unterstützt, die im Laufe der kommenden zwölf Monate die anonymisierten Daten von mehreren tausend FEK-Patienten epidemiologisch auf Arzneimittelwechselwirkungen und Kontraindikationen überprüfen. Aus diesen Ergebnissen soll dann abgeleitet werden, welche Meldungen wirklich relevant sind und wie sie in das Programm eingearbeitet werden können, damit sie halb- oder vollautomatisch bei einem Arzneimittelcheck in Aktion treten. Arzneimitteltherapiesicherheit spielt im deutschen Gesund heitswesen kaum eine Rolle. Dabei sterben hierzulande jährlich circa 40.000 Patienten in Folge vermeidbarer Medi kationsfehler, rund 15 Prozent aller Krankenhauseinweisun gen lassen sich allein darauf zurückführen. Es sollte also ein gesellschaftspolitisches und volkswirtschaftliches Interesse an einer Problemlösung geben. Protagonisten, stationär und ambulant, beweisen, dass es Lösungen gibt. Entscheidend ist der Digitalisierungsgrad des Medikationsprozesses. Moderation: Manfred Criegee-Rieck, Leiter AG Arzneimittelinformations systeme bei der GMDS, IT-Leiter Bad Kreuznach 42 N°4 HIMSS Europe K — BUSINESS INTELLIGENCE — — BUSINESS INTELLIGENCE — A BLACK BOX IT 32 Bis zu 70 Prozent der Anwendungen eines Krankenhausinformationssystems bleiben ungenutzt, schätzen Experten. Was dagegen helfen kann: Schulungen, Kenntnisse über den genauen Nutzungsgrad – und klare Vorgaben an die Nutzer. Von Romy König 42 N°4 HIMSS Europe „Kennzahlen für die IT im Krankenhaus zu erheben, ist der Notwendigkeit geschuldet, die IT aus dem Bauch in den Verstand holen zu müssen.“ ls die Mitarbeiterin eines gromuss. Das Programm ist an die Personalabteilung geßen KIS-Herstellers eine Freunkoppelt, die mit den Arbeitsverträgen stets auch gleich din ins Krankenhaus begleitet das Schulungsangebot herausgibt. „Das ermöglicht und sich ein wenig umhört, staunt sie schon mal ein solides Grundlagenwissen“, so Thoss. nicht schlecht: Sie, deren Job es ist, Beseitigt aber nicht ein weiteres, grundsätzlicheres Problem: das der konsequenten Verweigerung. Beispiel über die Vorzüge ihrer IT-Lösungen Terminierungsprogramme, die die meisten KI-Systeaufzuklären, muss erkennen, dass me vorhalten. „Die kommen in der Realität fast nie in weder Pfleger noch Ärzte alle Mögihrer Tiefe zum Einsatz, weil die Ärzte sich nicht die lichkeiten ihres IT-Systems kennen, Bernd Christoph Meisheit geschweige denn nutzen. Die Module Hoheit über die Terminvergabe nehmen lassen möchfür die Arztbriefe, die ausgeklügelten ten“, erklärt Thoss. Was in der Fertigung oder Logistik Terminierungsoptionen, all die kleiAlltag sei – dass einzelne Aufträge per EDV disponiert nen nützlichen Features – sie schienen werden –, sei in deutschen Krankenhäusern bislang keinen zu interessieren. undenkbar. Ein Eindruck, den auch Britta Böckmann, Die IT – die große Black Box in eidie an der Fachhochschule Dortmund Medizinische nem Krankenhaus? Die große UnbeInformatik lehrt und Kliniken in Sachen IT berät, bestätigt. „Terminierungsprogramme machen nicht nur kannte? Aber natürlich, sagt MichaAbläufe transparent, sie verlangen auch eine gewisse el Thoss, IT-Leiter der DRK-Kliniken Disziplin und Termintreue. Von Anwendern in Kliniken Berlin: „Ich schätze, dass in vielen ist es oft nicht gewünscht, sich derart standardisierten ProKrankenhäusern zwischen 50 und 70 Prozent der möglichen IT-Funktionalitäten brach liegen.“ Und zwar vor allem aus Unzessen zu unterwerfen.“ Also bleiben die teuer eingekauften kenntnis der Möglichkeiten: „In der medizinischen Welt, vor Features ungenutzt. allem unter den Ärzten, gibt es eine hohe Fluktuation. Die MitVielleicht ist nicht überall ein solcher Widerwille da – ein arbeiter bleiben gar nicht lange genug im Haus, um die IT-Angroßes Desinteresse aber allemal, sagt Michael Thoss. „Arbeitswendungen so tief kennenzulernen und auch anwenden zu organisation – und die ist ja die Stärke von Software – ist einkönnen“. Allein an den Berliner DRK-Kliniken mit ihren 3.500 fach nicht die Domäne von Medizinern und Pflegern.“ Wer die Mitarbeitern gibt es einen jährlichen Personalwechsel im „bis Wahl habe zwischen einer Fortbildung für eine neue IT-Anwenzu dreistelligen Bereich“. Und mit jedem einzelnen ausscheidung oder für ein neues Ultraschallgerät, entscheide sich stets denden Angestellten wandere weiteres IT-Anwenderwissen ab. für Letzteres. „Für ein IT-Seminar gibt’s von der Ärztekammer Der Rest betreibe Informationsübergabe im Stille-Post-Verfahnun mal keine Fortbildungspunkte.“ ren, „das zwangsläufig zu Wissensverlust oder -verfälschung Vorgaben schaffen Klarheit führt. Und wir merken das dann an den zahlreichen Fehlermeldungen in unserer Service-Infrastruktur“, so Thoss. Für Britta Böckmann ist die Akzeptanz der IT vor allem ein Führungsthema. So könnten etwa konkrete, von der KlinikEine Vollzeitkraft nur für Schulungen leitung ausgesprochene Vorgaben helfen. „Schauen Sie in die Die Berliner haben gehandelt: Seit 2008 beschäftigen die USA“, sagt die Dortmunder Wissenschaftlerin. „Hier gibt es die Philosophie des ‚meaningful use': Im Rahmen eines InvesDRK-Kliniken eine Vollzeitkraft, die ausschließlich IT-Schulungen und -Coachings für Mitarbeiter abhält. Jeder neue Antitionsprogramms ist den Kliniken dort konkret vorgeschriegestellte, gleich, ob Arzt, Pflegender oder Verwaltungskraft, hat ben, welche Daten sie für welches Level digital erfassen und verschiedene Trainings zu durchlaufen, wird hier fit gemacht kommunizieren müssen – erst dann erhalten sie eine Zertifiziefür die einzelnen Anwendungen und Tools, die er beherrschen rung.“ Diese Praxis, also verbindliche und messbare Kriterien 42 N°4 HIMSS Europe 33 — BUSINESS INTELLIGENCE — „Ich schätze, dass in vielen Krankenhäusern zwischen 50 und 70 Prozent der möglichen IT-Funktionalitäten brach liegen.“ Michael Thoss Die Hühner oder das Ei Wieso es Informations technologien in der Gesundheitsver sorgung so schwer haben, ist natürlich nicht monokausal – es liegt jedenfalls nicht nur an den benutzer unfreundlichen Systemen, sondern auch an den nicht unbedingt technik affinen Nutzern. Das allerdings durch Ethik und Zeit am Patientenbett zu verbrämen, ist zu kurz gesprungen. Spricht man mit Pflegenden aus Häusern mit hoher IT-Durchdringung und konsequenten Anwendungsleitlinien, zeigt sich ein wesentlich patienten freundlicheres Bild. 34 zu definieren, wie die IT zu nutzen sei und welche Ziele man erreichen wolle, täte auch deutschen Krankenhäusern gut, so Böckmann. „Es würde Transparenz und Objektivität schaffen – für die IT, aber auch für den Nutzer.“ Und dadurch auch den Nutzungsgrad und Wert erhöhen. Doch zunächst muss die Führung vom Mehrwert der IT überzeugt werden – und das ist gar nicht so einfach. Es herrsche eine Art Produktivitätsparadoxon, sagt Corinna Falge, Geschäftsführerin des Beratungshauses Xulon. Die IT-Investitionen steigen allgemein, die Produktion aber stagniert. Die Erklärungsversuche seien vielfältig, so Falge: „Unzureichende Messmethoden können den durch die IT generierten Mehrwert nicht oder nur verzögert nachweisen, ein etwaig generierter Mehrwert versandet im System – oder es gibt Managementfehler im Umgang mit Informationen und Technologie, das heißt, Investitionsentscheidungen werden nicht mit dem Fokus auf den zu erwartenden Mehrwert getroffen“. Aber genau hier müsse man ansetzen, um die Akzeptanz der IT zu steigern, sagt Stefan Gebel, Leiter Anforderungsmanagement und Planung beim Städtischen Klinikum München. Vor zwei Jahren wurden die IT und Medizintechnik (MT) der fünf Standorte zur gemeinsamen Abteilung „Technologiemanagement“ zusammengelegt. Mit der Konsolidierung kam auch der Anspruch, den Nutzen der IT mit Zahlen zu unterfüttern und die Daten der Chefetage vorzulegen. Seither analysieren Gebel und seine Kollegen über eine Vollkosten-, zum Teil gar eine Prozesskostenrechnung detailliert die zu erwartenden Ergebnisse, bevor ein neues IT-Produkt eingekauft oder auf einen anderen Bereich ausgerollt wird. So haben sie zuletzt etwa ermittelt, dass durch zwei neue IT-Systeme die Befundung in der Pneumologie derart automatisiert ablaufen kann, dass pro Fall zwei Minuten weniger als bisher benötigt werden. „Bei 7.500 solcher Untersuchungen im Jahr rechnet sich das“, sagt Gebel. Es seien diese Zahlen, die die Klinikleitung interessieren – und für die Belange der IT sensibilisieren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit legen Gebel und sein Team der Klinikleitung vor, stellen sie aber auch im Intranet zur Verfügung – Führungskräften ebenso wie anderen Mitarbeitern. „Früher wurde die IT bei uns sehr stiefmütterlich behandelt“, sagt Gebel. „Doch diese Zeiten sind vorbei.“ DRK-Mann Thoss stellt dagegen fest, dass immer dort die IT stärker akzeptiert werde, wo Mitarbeiter aktiv die Hilfe der IT eingefordert hätten. Dafür haben die DRK-Kliniken Berlin seit zehn Jahren eine eigene Fachberatermannschaft, sechs IT-Anwendungsexperten, die bei bestimmten Problemen gemeinsam mit den Medizinern und Pflegern Lösungen erarbeiten. „Wir basteln da keine wilden Sachen, sondern versuchen, konkrete Wünsche über das Standardsystem abzubilden. Etwa, wenn neue Ambulanzen in die Infrastruktur eingepflegt werden müssen, die Materialbestellung anders abgewickelt werden oder die Kommunikation mit Leistungsstellen neu aufgesetzt werden soll.“ Jene Abteilungen, die sich darauf einlassen, stellen „zumindest fest, dass IT nicht das ist, was nie funktioniert, sondern im Gegenteil, dass man etwas bewegen kann“. Neues Auswertungstool misst Nutzungsgrad Ob durch dieses Miteinander auch der Nutzungsgrad der IT, den Thoss in seinem Haus auf 50 Prozent schätzt, gestiegen ist, kann der IT-Leiter nicht genau sagen. „Das lässt sich ja kaum messen.“ Genau das, dieses Unwissen 42 N°4 HIMSS Europe Gesundheit Digitalisierung neu denken: der Medizin 10. - 12. Juni 2015 | Berlin Personalized eHealth Summit Germany Health Deutschlands eHealth Event eHealth Summit Austria 18. 19. Juni 2015 Im-Rahmen des Hauptstadtkongresses 2015 | City Cube Berlin Schloss Schönbrunn Apothekertrakt und Orangerie, Wien www.ehealthsummit.at Anmeldung und Programm: www.ehealthsummit.de Präsentiert von Partner — BUSINESS INTELLIGENCE — über das IT-Anwenderverhalten im Klinikum, hat die Professorin Britta Böckmann jahrelang geärgert: „Es gibt da einerseits diese diffuse Unzufriedenheit mit der IT und andererseits das Gefühl, dass die Technik bei Weitem nicht ausreichend angewandt wird“, sagt sie. „Doch bislang fehlte dafür immer eine ordentliche Faktenbasis.“ Böckmann hat daher mit ihren Studenten ein Auswertungstool entwickelt, mit dem – über ein intelligentes Abfragen – der Nutzungsgrad eines KIS-Systems in Kliniken gemessen werden kann. „Wir betrachten dabei die Nutzung in Zeitreihen, werten sie themen-, aber nicht personenbezogen auf Abteilungsebene aus.“ Das Programm kann die Ergebnisse auf KIS-Modul-, Prozess- oder Dokumenationsebene aggregieren, die Prozesse stationärer Fälle rekonstruieren und den Dokumentationsumfang wie die Nutzung von Standardfunktionen oder klinischer Behandlungspfade darstellen. 36 Der Nutzen der IT für das KH wird auch auf dem eHealth Summit Germany diskutiert: 12. Juni 2015 11.30-13.00 Uhr Aus dem Bauch in den Verstand: IT-Kennzahlen im Krankenhaus Die Investition in IT wird oftmals gescheut, da die Akzeptanz in der Ärzteschaft gering ist. Dass das kurzsichtig, auch hinsichtlich einer erfolgreichen Unternehmensführung, ist, beweisen Häuser, die IT-Kennzahlen als Instrumentarium zur Weiterentwicklung, auch ihrer medizinischen Qualität, und Integration bei Zukäufen entdeckt haben. Welches Modell sinnvoll ist? Welche Kennzahlen werden benötigt und wie müssen diese aussehen, um ein einheitliches Gerüst zu schaffen? Mit diesen Fragen setzen sich Anwender und Experten in der Session auseinander und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze. Moderation: Bernd Christoph Meisheit, Geschäftsführer Sana IT Services GmbH 42 N°4 HIMSS Europe INNOVATIONEN PDMS: Nächster Halt Medienbruch Rainer Röhrig: Informationsverlust reduzieren 38 42 Illustration: Martina Wember Britta Böckmann eHEALTH SUMMIT GERMANY Fotos: DRK-Kliniken/ FH Dortmund „Es gibt eine diffuse Unzufriedenheit mit der IT und das Gefühl, dass die Technik nicht ausreichend angewandt wird – was fehlt, ist eine ordentliche Faktenbasis.“ Unsaubere Bedienung – mangelnde Schulung Zum Einsatz kam das Programm im vergangenen Jahr in Form eines Pilotprojektes in einem gemeinnützigen Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Hier bestätigte sich, dass manche Module des verwendeten KIS-Systems in einzelnen Abteilungen tatsächlich nicht genutzt werden, etwa in der Pflegedokumentation oder der Ambulanz. Außerdem wurden hohe Unterschiede offenbar: „Einige Abteilungen hatten ihre Karteikarten bereits vollständig digitalisiert, andere geben nur ihre Abrechnungsdaten ein“. Auch die Sauberkeit der Dokumentation differierte: So habe es Aufträge ohne Befunde gegeben – und Befunde ohne Aufträge. Laut Böckmann alles Folgen von nicht sauberer Bedienung – oder mangelnder Schulung. Die IT-Verantwortlichen des Krankenhauses haben die Daten zusammengetragen und sowohl Chefärzten als auch dem Vorstand präsentiert. Böckmann: „Auf Basis dieser Auswertungen kann das Haus nun eine solide IT-Strategie entwickeln.“ Bleibt die Frage, ob nicht auch die KIS-Hersteller selbst eine Verantwortung dafür tragen, ihr eigenes Produkt im Haus bekannt zu machen und für eine hohe Nutzung zu sorgen. Doch DRK-Mann Thoss, dessen Haus ausgewählte Prozesse wie etwa den Server- und Storagebetrieb für KIS und PACS, aber auch Datenbanken und Back-up an einen Dienstleister ausgelagert hat, hält das für keine gute Idee. Zu sehr würde ein solcher Service in Richtung Organisationsberatung gehen, eine Arbeit, die der IT-Leiter zu seinen eigenen Kernkompetenzen zählt, weil sie Externe seiner Ansicht nach nicht so detailliert wie nötig leisten könnten. „Nein, nein“, winkt der IT-Experte daher ab. „Darum müssen wir uns im Krankenhaus schon selber kümmern.“ ¬ 42 — INNOVATIONEN — — INNOVATIONEN — OP NÄCHSTER HALT MEDIENBRUCH Interdisziplinäre Intensivstation Patientendatenmanagementsysteme liegen im Trend. Sie überwinden Medienbrüche und verbessern die Anästhesie- und Pflegedokumentation. Dies steigert nicht nur die Behandlungsqualität, es sorgt auch dafür, dass die erbrachten Leistungen genauer abgerechnet werden können. OP Operative Intensivstation OP Onkologie OP Katt, IT-Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb). Dort erfolgte die Anschaffung eines PDMS für den Intensivbereich Von Michael Lang im Huckepack mit einem Großauftrag für medizintechnische Geräte. Praktisch: Der Medizingerätehersteller war zugleich der PDMS-Anbieter. Vor dem Rollout haben die Berliner ein ie Realität in den meisten deutschen Krankenhäusern Musterzimmer mit zwei Patientenbetten ausgestattet. Dadurch sieht gemeinhin so aus: OP- und Intensivstationsdaten konnten sie nicht nur die optimale Anordnung der neuen Mediwerden händisch auf Papierformularen eingetragen, zintechnik ausgiebig testen, sondern parallel dazu mit der Kondanach geht es meist digital weiter – wohin also mit dem Pafiguration des PDMS beginnen. Der Umbau der Intensivstation pierstapel? Wird mitgeschleppt. erfolgte dann zimmerweise im laufenden Betrieb. „Es war nicht Patientendatenmanagementsysteme (PDMS) sammeln nicht einfach, das zu koordinieren“, stellt Katt fest. Nacheinander nur vollautomatisch die von medizinischen Geräten auf Intenwurden drei Intensivstationen, das Brandverletzungszentrum sivstationen und in Operationssälen aufgezeichneten Daten, sowie die Stroke Unit der Neurologie – insgesamt 68 Betten – sondern berechnen auch Scores, bilanzieren den Flüssigkeitsmit der neuen Medizintechnik und PDMS ausgestattet. haushalt der Patienten oder summieren die Beatmungszeiten Auch am Landeskrankenhaus Innsbruck, einer Universitäts– was wichtig für eine genaue Abrechnung ist. Die Systeme klinik mit 120 Intensivbetten, war der Medienbruch die treibende Kraft zur Einführung eines PDMS mit Anbindung an das KIS. ersetzen die Dokumentation auf Papier. In Kombination mit einem Krankenhausinformationssystem (KIS) lassen sich aus „Das PDMS stellt einen Qualitätssprung für Patienten und Beden PDMS-Daten elektronische Fieberkurven, handler dar“, erklärt Georg Lechleitner, AbteiArztbriefe, Verlegungsberichte und Abrechlungsvorstand Informationstechnologie bei der nungsdaten generieren – lückenlos dokumenTiroler Landeskrankenanstalten GmbH (Tilak). tiert über alle Stationen hinweg. Doch das Auslöser für die Erweiterung des vorhandenen Im OP gibt es PDMS war ein größeres Bauvorhaben, der Neuklingt (natürlich) einfacher, als es in Wahrwenige Schnittheit ist. Denn die Integration ins KIS gestaltet bau einer Kinderintensivstation. Die größte stellen, dafür aber sich oftmals kompliziert, auch steht immer Herausforderung für das Projektteam bestand sehr viele abrechwieder die Frage im Raum, ob das PDMS nicht darin, die verschiedenen Intensivstationen nungsrelevante vielleicht das bessere KIS wäre oder anders, zu standardisieren. Konkret ging es darum, wieso das KIS nur auf den Normalstationen eine gemeinsame, standardisierte Sprache Daten, die zeitverwendet wird. zu finden. Denn die verschiedenen Stationen gleich übertragen verwendeten bei der Dokumentation auf Papier und minutiös Medienbrüche als Fehlerquelle unterschiedliche Bezeichnungen für die Überdokumentiert „Wir wollten weg von den A3-Bögen mit je wachungsdaten: Die einen dokumentierten werden müssen. drei Durchschlägen, die jeden Tag neu ausauf Englisch, die anderen auf Deutsch, wieder andere verwendeten Abkürzungen. „Bei der gefüllt werden müssen“, erinnert sich Felix D 38 Neurologische Intensivstation 42 N°4 HIMSS Europe Gynäkologie Neonatologische Intensivstation Kardio vaskuläre Intensiv station OP Radiologie OP Notfall- und Intensivmedizin Kardiologie Innere Medizin Urologie Kinderstation Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Verwaltung Visite setzt jede Station aber andere Schwerpunkte, die wir bei der Konfiguration beachten mussten“, ergänzt Marko Überegger, der Projektleiter. Von 22 auf drei Server runtergekürzt Eine andere Art der Standardisierung des PDMS gab es am Landeskrankenhaus Steyr und den neun aanderen Häusern der Gespag (Oö. Gesundheits- und Spitals-AG). Weil jede Intensivstation die Benutzeroberfläche des PDMS auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten hatte, konnten sich die Mitarbeiter bei einem Stationswechsel nicht sofort im anderen System zurechtfinden. 42 N°4 HIMSS Europe Hausarztpraxis 39 — INNOVATIONEN — Großer Entwicklungsbedarf, aber auch großes Potenzial Wie sehr sich das Pflegepersonal an ein PDMS gewöhnen kann, weiß auch Bernhard Pollwein, Anästhesist und fachlicher Leiter des PDMS-Projekts am Klinikum Großhadern der Uni München. Dort wurde vor acht Jahren ein PDMS für den OP eingeführt. „Als wir für ein Update einen geplanten Ausfall hatten und die Mitarbeiter für wenige Stunden wieder ein Papiernarkoseprotokoll führen mussten, wussten die Jüngeren schon nicht mehr, wie das geht.“ Seit Mitte 2014 werden auch fünf Intensivstationen mit insgesamt 70 Intensivbetten mit PDMS betrieben. Das Highlight dieses Systems ist das Beatmungsprotokoll. Dabei werden die Einstellungen des Beatmungsgeräts und parallel dazu die gemessenen Parameter der Blutgasanalyse ans PDMS übertragen. Der Arzt erhält so die Information, wie viel Sauerstoff dem Patienten angeboten wird und wie viel davon tatsächlich bei ihm ankommt. „Das haben wir von Hand entwickelt“, berichtet Pollwein. Mit dem neuen PDMS in Großhadern arbeiten über 300 Ärzte und 800 Pflegekräfte. Angesichts dieser vielen und häufig wechselnden Mitarbeiter wurde das PDMS sehr tief in die IT-Systemlandschaft integriert. Dadurch kann die Benutzerverwaltung über das zentrale Identitätsmanagementsystem laufen. 40 „Wir wollten weg von den A3-Bögen mit je drei Durchschlägen, die jeden Tag neu ausgefüllt werden müssen.“ Felix Katt, IT-Leiter des Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) DAS PDMS ALS MEDIZINPRODUKT Nach der 4. Novelle des Medi zinproduktegesetzes (MPG) sind die meisten PDMS als Me dizinprodukte einzustufen. Da durch stellt sich für Hersteller und Betreiber die Frage nach dem Risikomanagement. Im Gegensatz zu medizintechni schen Geräten haben Informa tionssysteme deutlich kürzere Releasezyklen und sind durch ihre hohe Individualisierbarkeit und Interoperabilität extrem in ihre soziotechnische Umge bung adaptiert und integriert. Diese erwünschten Produkt merkmale erschweren jedoch die geforderte Risikoanalyse und Bewertung, die eigentlich mit jedem System-Update, von dem die Funktionalität des PDMS abhängt, durch geführt werden müsste. Hier fehlen noch Standards und praktikable Umsetzungen (Best-Practice-Lösungen) zur Zusammenarbeit von Herstellern, Betreibern und Anwendern. Gregor Pickert, CIO des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, kam von Großhadern und konnte seine dort gemachten Erfahrungen in das aktuelle PDMS-Projekt für den OP einbringen. Im OP gibt es wenige Schnittstellen, dafür aber sehr viele abrechnungsrelevante Daten, die zeitgleich übertragen und minutiös dokumentiert werden müssen. Begonnen wurde mit der Schnittstelle für die Prämedikation sowie der Anbindung des OP-Planungssystems, als Bestandteil des KIS. Wegen der hohen Anforderungen an steriles Arbeiten wird das PDMS im OP mit einem Touchscreen betrieben. „Das gab es zuvor nicht, wir mussten das gemeinsam mit dem Hersteller entwickeln“, sagt Pickert. In diesem Jahr sollen noch zwei operative Intensivstationen mit insgesamt 60 Betten ausgestattet werden. Das Besondere: Die Intensivmedizin wurde WLAN-fähig gemacht. Dadurch muss das PDMS nicht am Patientenbett stehen. Jede Pflegekraft hat einen eigenen Arbeitsplatz mit PC-Wagen, der mit einem PDMS-System samt 24-Zoll-Touchscreen ausgestattet ist. Stolz sind die Münchner auch auf eine andere Innovation: Die Parameter für die Spritzenpumpe für intravenöse Injektionen können am großen Bildschirm des PDMS eingestellt werden. „Die Eingabe an der Pumpe erschien uns zu fehleranfällig und nun sind wir froh, dass wir diese vermeintliche Fehlerquelle mit ausmerzen konnten“ erklärt Picket. Starten lässt sich die Spritzenpumpe weiterhin nur am Gerät – nach einer Überprüfung der Parameter. Fazit: Die vorgestellten Projekte zeigen, wie sich PDMS-Lösungen an die speziellen Bedürfnisse der Anwender anpassen lassen. In den allermeisten Fällen bedarf es jedoch auch dieser gemeinsamen Entwicklungsphase, die allen Beteiligten viel abverlangt. Doch letztendlich sind sich die Beteiligten unisono sicher, dass sich Kosten und Mühen auszahlen. Durch das funktionierende, angepasste System verbessert sich die Dokumentation und die Behandlungs- und Abrechnungsqualität über alle Stationen hinweg entscheidend – ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil im hart umkämpften Krankenhausmarkt. ¬ 42 N°4 HIMSS Europe Einfach. Klinikweit. Digital informiert. Besser behandelt. Je besser der Informationsfluss, desto effizienter die Behandlung: Software von OPTIMAL SYSTEMS sorgt dafür, dass sich Ärzte und Klinikpersonal auf das konzentrieren können, was wirklich wichtig ist: das Wohl der Patienten. Unser ganzheitliches Informationsmanagement senkt konsequent den Verwaltungsaufwand, führt Daten zentral zusammen und beschleunigt die Kommunikationsprozesse. optimal-systems.de/health Foto: UKB Sie mussten erst lernen, wo dort ein bestimmter Menüeintrag zu finden war. Mittlerweile verfügen 80 bis 90 Prozent aller Intensivstationen der zehn Spitäler über eine identische Menüführung – die einzelnen Stationen sind dennoch passgenau konfiguriert. „Die Mitarbeiter können jetzt die Häuser wechseln und finden sich immer schnell im PDMS zurecht“, erklärt Walpurga Auinger, Pflegedirektorin und Mitglied der Krankenhausleitung am Landeskrankenhaus Steyr. Die Standardisierung hat aber auch noch einen handfesten wirtschaftlichen Vorteil. Seither läuft das System auf drei Servern, zuvor wurden bis zu 22 Server benötigt. Das Pflegepersonal möchte das PDMS nicht mehr hergeben, auch wenn es die mangelnde Übersichtlichkeit auf dem Monitor gegenüber dem A3-Bogen beklagt. — INNOVATIONEN — Kontakt +49Europe 30 895708-0 42 N°4 HIMSS 41 — INNOVATIONEN — 42 Informationsverlust reduzieren Wo liegen die großen Herausforderungen bei einem PDMS-Projekt? Ein Knackpunkt ist der Medienbruch: Es geht darum, möglichst keinen Informationsverlust zwischen der Intensiv- und der Normalstation zu haben. Daher sind Schnittstellen erforderlich. Die Grundlage für Interoperabilität ist der Abgleich der Patientendaten zwischen KIS und PDMS. Stammdaten und Labordaten sind Pflicht, alles andere die Kür. Insbesondere der Leistungsdatenaustausch kann beliebig komplex werden. So sind für die Generierung von Entgelt-relevanten OPS-Codes bei bestimmten Arzneimitteln oder der Therapie mit Vakuumverbänden häufig bereichs- und abteilungsübergreifende Informationen erforderlich, die über Systemgrenzen hinweg zusammengeführt und bewertet werden müssen. Schnittstellen, die eine systemübergreifende Dokumentation mit Plausibilitätskontrolle ermöglichen, sind aufwendig zu erstellen und zu pflegen. Eine Aufgabe, die von den Kliniken nicht ohne Hersteller gelöst werden kann. Wäre es angesichts des Aufwands nicht einfacher, das PDMS für die gesamte Dokumentation zu verwenden? 42 RAINER RÖHRIG wechselte gerade aus der Klinik in die Lehre, wo er sicherlich viel Gutes bewirken wird – nicht nur für seine Studenten, sondern auch zukünftige Patientengenerationen. Darüber hinaus sitzt er auch noch im Wissenschaftlichen Programmkomitee der PDMS D.A.CH. Conference. Welche Bedeutung hat die Entscheidungsunterstützung? Die Entscheidungsunterstützung gewinnt im Bereich der Arzneimitteltherapie an Bedeutung, ist aber auf den Intensivstationen eine große Herausforderung: Zum einen gibt es viele Individualherstellungen, zum anderen erfordert der kritische Zustand der Patienten die Gabe einer Vielzahl von Arzneimitteln. Im Arzneimittelcheck gibt dies häufig dreistellige Warnhinweise. Die Hinweise auf potenzielle Komplikationen helfen nicht bei der Entscheidung, wenn die Medikamente lebenserhaltend sind. Sie lenken den Arzt nur von seinen eigentlichen Aufgaben und Entscheidungen ab. Die technische Herausforderung bei den entscheidungsunterstützenden Systemen ist, den Aufwand für die Pflege durch Automatisierung oder Zentralisierung zu reduzieren. Was wäre sonst noch wünschenswert? Die Standardisierung der Intensivdokumentation, wie sie bereits für die Notaufnahme und den Rettungsdienst erfolgt ist. Aufbauend auf Standards würden die Systeme zur Entscheidungsunterstützung in mehreren Kliniken einsetzbar und damit bezahlbar. Hier existiert ein hoher Forschungsbedarf, den die PDMS-Hersteller nicht leisten können. Dies muss in Zusammenarbeit mit den Kliniken und Hochschulen und in Absprache mit den Fachgesellschaften geleistet werden und bedarf einer öffentlichen Förderung. ¬ PDMS CONFERENCE D.A.CH. PDMS – sicherheitsrelevant oder Kostenverschwendung? Wozu braucht es ein Patien tendatenmanagementsystem (PDMS)? Abrechnungstool? Klinische Hilfestellung? Wich tiger Schritt auf dem Weg zur elektronischen Patientenakte? Die PDMS D.A.CH. Conference wird praxisnah von Experten bestritten, die die Entwick lungen und organisatorischen Herausforderungen gerade bewältigt haben oder aktuell dabei sind, ihnen zu trotzen. Und das aus den unterschied lichsten Gründen. www.himss.eu/pdms 42 N°4 HIMSS Europe mHEALTH Felix Cornelius: Brennende Häuser versichern Rainer Herzog: Es fehlt der politische Wille Dating Big Pharma: Pharma umgarnt die mHealth-Szene MySugr: Viel Arbeit und viel Passion Kolumne: Der Mensch hinter dem System 44 45 48 52 54 Illustration: Martina Wember Lässt sich für ein PDMS eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen? Bei der Beschaffung eines PDMS spielen die Kosten und Folgekosten wie Lizenzen, Wartung oder Updates eine wesentliche Rolle. Berechnungen zum ROI werden dabei nicht angestellt, da sich Einsparungen schwer berechnen lassen. Ich vergleiche PDMS mit der Sauerstoffsättigung in der Anästhesie: Diese war irgendwann da und ist nicht mehr wegzudenken. Ihr Nutzen wurde in Studien nie nachgewiesen, aber jeder Anästhesist kennt Situationen, in denen ein Sauerstoffsättigungsalarm einen potenziellen Patientenschaden verhindert hat. Die KIS-Hersteller bieten verstärkt Funktionalitäten für den Intensivbereich an, während die PDMS-Hersteller sich stärker auf den Einsatz auf der Station fokussieren. Doch die Bereiche unterscheiden sich in den funktionalen Anforderungen: Auf der Intensivstation betreut eine Pflegekraft ein bis vier Patienten mit einer hohen Informationsdichte; auf Normalstation betreut eine Pflegekraft viele Patienten, mit wenig Dokumentationsbedarf pro Patient. Der relevante Unterschied liegt in der Ergonomie und nicht in der generellen Machbarkeit. Foto: Hunger-Weiland Interview mit Rainer Röhrig, Professor für Medizinische Informatik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg — mHEALTH — — mHEALTH — BRENNENDE HÄUSER VERSICHERN ersicherungsunternehmen bemühen häu fig das Bild eines brennenden Hauses, um darauf hinzuweisen, dass sich der Kunde bereits für eine Versicherung entscheiden muss, bevor der Schadensfall eingetreten ist. Ein erfolgreicher Vertrieb setzt also beim künftigen Kunden Vorstellungskraft voraus („Das Haus könnte brennen“) sowie ein grundsätzliches Verständnis für das Konzept des Erwar tungswertes („Selbst wenn das Haus nie gebrannt hat, war die Entscheidung für die Versicherung richtig“). Auch im Gesundheitswesen gibt es Situationen, in de nen es bereits zu spät ist, wenn erst im Moment der akuten Notwendigkeit heraus gehandelt wird – Situationen, die von einem großen Kollektiv in guten Zeiten eine gemeinsame Entscheidung verlangen, und zwar in dem Wissen, dass nur wenige Mitglieder des Kollektivs irgendwann betroffen sein werden, dann jedoch von der rechtzeitigen Entscheidung aller profitieren. Das lässt sich am Thema Organspende gut nachvollzie hen: Es wird für die jeweils Bedürftigen regelmäßig nur dann genügend Organe geben, wenn eine möglichst große Zahl von Menschen vor Eintritt des Notfalls ihre prinzipielle Spenden bereitschaft erklärt hat. Nicht unmittelbar zu erkennen ist dieses Prinzip im Zu sammenhang mit dem Management von Patientendaten, also dort, wo es um die Erhebung, Speicherung und Kommunika tion von sensiblen Gesundheits- und Versorgungsinforma tionen geht. Es kann zum Beispiel nur derjenige davon pro fitieren, dass der Notarzt auf den Unfalldatensatz zugreifen kann, der diesen zuvor mit seinen Daten gefüllt hat. Oder: Wenn ich einen Kardiologen besuche, kann ich nur dann davon ausgehen, dass dieser auf die Laborwerte des eine Woche zurückliegenden Hausarztbesuches zugreifen kann, wenn bereits beim Hausarzt sichergestellt wurde, dass diese Da ten irgendwann potenziell abrufbar sind. Auch hier muss also eine Entscheidung auf Vorrat getroffen werden, denn als ich beim Hausarzt war, wussten weder er noch ich, dass ich eine Woche später zu einem anderen Arzt gehen würde. Auch auf die Ärzteschaft trifft die Versicherungsmetapher zu: Wenn ein Spezialist erst dann erkennt, dass es notwendig 44 ist, auf die Vorgeschichte seines Patienten zuzugreifen, wenn dieser vor ihm sitzt, ist es zu spät. Er muss mit allen Kol legen bereits lange zuvor die technischen Voraussetzungen schaffen und Prozesse vereinbaren, die ihm diesen Daten austausch in Zukunft ermöglichen, falls Arzt und Patient das irgendwann beide wollen. Menschen machen ihre Entscheidungen typischerweise von je aktuellen Empfindungen und Situationen abhängig. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass ich ein vehementer An hänger radikaler Privatheit bin und jede Kommunikation mei ner Daten ablehne, dass ich aber meine Sicht in dem Moment ändere – so ich dann noch in der Lage bin! –, wo ich schwer erkrankt bin oder nach einem Unfall in den Notarztwagen ge schoben werde. Um noch einmal auf das Bild der Organspende zurückzu kommen: Fragen wir 100 Dialysepatienten, ob sie, wenn sie gesund wären, einen Spenderausweis mit sich führen würden, vermute ich eine Zustimmung von 90 Prozent. Gäbe es die Möglichkeit, sich mit diesen 100 Patienten in eine Zeitma schine zu setzen, 30 Jahre zurückzufliegen und die Frage zu wiederholen, erwarte ich eine Zustimmung von 20 Prozent... Ich würde mir in der politischen Debatte um die ange messenen Vorgaben und Kompromisse hinsichtlich des Pa tientendaten-Managements wünschen, dass die Beteiligten sich vor jeder Entscheidung in eine Zeitmaschine setzten und ihren Stimmzettel erst dann ausfüllten, wenn sie 30 Jahre in der Zukunft angekommen sind. Solange wir diese Möglichkeit nicht haben, schlage ich vor, darüber nachzudenken, wie wir in die Diskussionen und Entscheidungen Menschen aus der Gruppe der akut Betroffenen mit einem Stimmanteil von 50 Prozent einbeziehen können. ¬ RAINER HERZOG ist General Manager von HIMSS Europe und Head of mHealth HIMSS. Es fehlt der politische Wille Foto: Spreeufer Consult GmbH V Von Felix Cornelius mHealth wird eines Tages eine zentrale Rolle in der integrierten Patientenversorgung spielen und als Teil der Regelversorgung ambulante und stationäre Dienstleistungen in idealer Weise ergänzen – soweit die Theorie. Technisch wäre bereits heute schon vieles machbar, was fehlt ist eine politische Agenda. Von Susanne Neumayer-Remter Interview mit Rainer Herzog, General Manager HIMSS Europe und mHealth Experte HIMSS global FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer der Spreeufer Consult GmbH, die sich auf Projekte spezialisiert hat, in denen ärztliches und betriebswirtschaftliches Denken versöhnt werden sollen. Er ist außerdem Mitgründer und Vorstand des Verbandes digitale Gesundheit (VdigG). Es gibt mittlerweile ja unzählige Apps, gerade auch im Gesundheitsbereich. Wie findet man sich da zurecht? Was ist Hype, was macht wirklich Sinn? Für mich gibt es vier Kategorien von mHealth-Lösungen: Das ist zum einen alles im Bereich Consumer, die typischen Wellness- und Fitness-Applikationen. Die gibt es wie Sand am Meer, ob mit Armbändchen oder ohne. Das ist für mich tatsächlich ein Hype. Studien belegen, dass etwa zwei Drittel derjenigen, 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe die angefangen haben, eine solche App zu nutzen, bereits nach kurzer Zeit wieder abspringen. Die zweite Kategorie nenne ich Selfmonitoring, das Beobachten von Vitalfunktionen. Da meist nur sporadisch aufgezeichnet wird, kann mit den Daten allerdings kaum etwas dargestellt werden; kaum jemand, der nicht wirklich krank ist, misst etwa jeden Tag seinen Blutdruck. Die dritte und vierte Kategorie sind mHealth-Lösungen für chronisch Kranke beziehungsweise für akut Kranke, also zum Beispiel für Diabetiker, Asthmatiker oder Menschen mit einer Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankung. Und hier reden wir über klinisch wertvolle und anspruchsvolle Applikationen, 45 — mHEALTH — die Auswirkungen limitiert. Ziel ist eine integrierte Versorgung. In manchen Ländern sind wir auf dem Weg dorthin, in Deutschland sind wir noch Lichtjahre davon entfernt. „Die große Herausforderung besteht darin, Pilotprojekte tatsächlich in das jeweilige Gesundheitswesen zu integrieren. Aber weder in Deutschland noch in der Schweiz oder Österreich gibt es eine Roadmap, die mit konkreten Schritten auf eine Implementierung abzielt.“ bei denen es darum geht, den Patienten so zu führen, dass er eine möglichst hohe Lebensqualität erhält, beziehungsweise ihn davor zu bewahren, in akute Zustände abzudriften. Und das ist etwas, was tatsächlich nutzbringend sein kann. In diesen beiden Kategorien sehe ich ein großes Potenzial. Immer wieder heißt es, dass mobile Lösungen den Gesundheitsmarkt grundlegend ändern werden. Ist das denn so? Wo steht mHealth heute? Der Durchbruch ist noch nicht geschafft, um es global zu sagen. Allerdings muss man von Land zu Land differenzieren: Es gibt zum Beispiel Länder in Skandinavien, die sich tatsächlich mit der Frage beschäftigen, wie Telemedizin oder mHealth flächendeckend ausgerollt werden kann. In Deutschland ist man von einem solchen Ansatz weit entfernt. Es gibt sehr viele Pilotprojekte, überall auf der Welt. Die große Herausforderung besteht darin, diese Pilotprojekte tatsächlich in das jeweilige Gesundheitswesen zu integrieren. Aber weder in Deutschland noch in der Schweiz oder Österreich gibt es eine Roadmap, die mit konkreten Schritten auf eine Implementierung abzielt. Inwiefern würden die Patienten davon profitieren? mHealth eröffnet einem chronisch oder akut kranken Patienten die Möglichkeit, im Bedarfsfall permanent bestimmte Vitalwerte übermitteln zu können und ständig mit einem Arzt in Verbindung zu stehen. Das bedeutet ein Stück weit Sicherheit für den Patienten. Ein Beispiel: Herzinfarkt-Patienten haben 46 nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus oft Angst: Kann mir das wieder passieren? Was bedeutet der Druck in der Brust? Wenn man solchen Patienten in dieser Situation eine Telemedizin-Lösung an die Hand gibt, die regelmäßig die Herzfunktion misst, überträgt und im Bedarfsfall Alarm schlägt, dann habe ich aufgrund dieser Kommunikation, die normalerweise nicht stattfindet, natürlich einen Riesengewinn für den Patienten. Er fühlt sich viel sicherer. Warum ist eine solche Art der medizinischen Versorgung nicht bereits längst Alltag, wo liegen die Probleme bei der Durchsetzung? In vielen Ländern fehlen die regulatorischen Voraussetzungen für mHealth. Darf der Arzt beispielsweise per Telemedizin überhaupt eine Diagnose stellen? Gesetzliche Vorgaben müssten also angepasst werden. Dann muss über die Vergütung nachgedacht werden, Telemedizin- oder mHealth-Dienstleistungen müssen in den Erstattungskatalog mit aufgenommen werden. Das sind die zwei Grundvoraussetzungen. Zusätzlich sollten Anreizsysteme geschaffen werden, die dafür sorgen, dass mobile Lösungen in der Praxis tatsächlich angewandt werden. In den USA etwa geschieht dies mithilfe des milliardenschweren Förderprogramms „meaningful use“ – ein Bonus-Malus-System für Ärzte und Krankenhäuser zur Einbindung von IT. Eine weitere offene Frage ist – und das ist wahrscheinlich das dickste Brett, das man bohren muss –, wie mHealth in die Prozesse integriert werden kann. Wird Telemedizin einfach nur auf die bestehenden Strukturen draufgesattelt, dann muss das nicht unbedingt funktionieren. Der Einsatz der neuen Technologien ist eigentlich nur dann effizient, wenn er über die jeweiligen Behandlungs-Silos Krankenhaus, niedergelassener Arzt, Notfallversorgung oder Pflege hinausgeht, sonst sind 42 N°4 HIMSS Europe Werden die Chancen von mHealth in der Politik denn überhaupt wahrgenommen? Diskutiert wird dieses Thema schon seit Langem und es gibt sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene einige Projekte, mit denen Erfahrungen gesammelt werden. Allerdings ist man bisher über ein Pilotprojekt-Stadium nicht hinweggekommen. Es gibt immer wieder die eine oder andere Absichtserklärung, aber in vielen Ländern fehlt der konkrete politische Wille oder eine Strategie, das tatsächlich auszurollen. Deutschland ist ein schönes Beispiel, es gibt viele Absichtserklärungen, aber etwas Konkretes ist bisher nicht passiert. Woran lieg t das? Wer sind die größten Bremser? Wir haben ein Gesundheitssystem, in dem einige sehr darauf bedacht sind, ihre Pfründe zu sichern. Zudem sind viele nicht bereit, die Transparenz, die mit mHealth ein Stück weit geschaffen werden kann, in Kauf zu nehmen. Die Politik wiederum hat wenig Interesse daran, mit der Silo-Politik aufzuräumen und ein integriertes Patientenmanagement zu forcieren. Diese Chance wurde auch mit dem neuen E-Health-Gesetz erneut vertan. Die Krankenkassen dagegen haben durchaus ein Interesse daran, mHealth voranzutreiben. Das sieht man daran, dass einige Versicherer angefangen haben, Telemedizin oder mHealth zu vergüten. Für die Patienten würden mobile Gesundheitsdienstleistungen ein klares Plus bedeuten, aber sie haben eigentlich keine Lobby. Ich habe den Eindruck, dass mittlerweile viele nicht mehr warten wollen, bis die Politik sich bewegt, und dass die Digitalisierung am Ende des Tages von den Patienten getrieben wird und den Versicherern, weil die den gesundheitsökonomischen Vorteil sehen. Gesundheitsdaten sind hochsensibel, entsprechend intensiv wird beim Thema digitale Lösungen deshalb der Datenschutz diskutiert – zu Recht? Wir haben auf der technischen Seite genügend Instrumentarien zur Verfügung, um Datenschutz und ein hohes Maß an Sicherheit 42 N°4 HIMSS Europe zu gewährleisten. Hundertprozentige Datensicherheit werden wir dennoch nie haben. Aber auch bei einer rein papierbasierten Versorgung können wir diese nicht abdecken; Akten können verloren gehen oder geklaut werden. Jeder, der auf einer 100-ProzentLösung besteht, bremst die Innovation. Das halte ich für wenig zielführend. In Deutschland wird Datenschutz leider immer noch als das Killer-Argument verwendet, ganz nach dem Motto: Solange der Datenschutz nicht gelöst ist, machen wir gar nichts. Ich halte die Datensicherheitsfrage für lösbar – kein Hindernisgrund, kein Stolperstein. Der mHealth Summit Europe in Riga steht vor der Tür. Welche Schwerpunkte werden hier gesetzt? Wie will man mit dieser Veranstaltung das Thema mHealth voranbringen? Der mHealth Summit in Riga als europäisches Event zielt genau auf die Kernfragen ab: Was müssen wir tun, um mHealth von dieser Pilotitis, wie ich es immer nenne, in Richtung wirkliche Implementierung zu bringen? Wie kann mHealth Teil der Regelversorgung werden? Die Europäische Kommission hat vor einiger Zeit mit dem „mHealth Green Paper“ eine Initiative gestartet, die in Riga von allen Stakeholdern des mHealth Ökosystems diskutiert werden wird. Die mHealth Community trifft sich in der lettischen Hauptstadt, um die politischen Weichenstellungen in Europa zu diskutieren. Wo geht die Reise hin? Dabei wird es ganz konkret um die Frage der regulatorischen Hürden gehen und wie man diese überwinden kann. Damit mHealth funktioniert, ist es aber auch wichtig, nachhaltige Geschäftsmodelle für diesen Bereich zu finden. In den meisten Gesundheitssystemen will die mobilen Gesundheitsdienstleistungen bisher ja niemand vergüten, was es auch den für die Patienten und Kosteneffizienz vielversprechendsten Lösungen schwer macht, sich durchzusetzen. Auf dem Summit werden wir uns deswegen mit den Firmen beschäftigen, die mobile Lösungen und Applikationen entwickeln. Wir wollen Marktkriterien definieren und gemeinsam überlegen, wie das nötige Kapital sichergestellt werden kann. Es geht um ganz konkrete Hilfestellungen für Firmen, die sich dem Thema App Development oder Lösungen für die Tele¬ medizin widmen. START-UP-SLAM: TRAUT EUCH! eHealth Summit Germany, CityCube Berlin 12. Juni 2015 16.30-18.00 Uhr Fotos: Himss Europe GmbH — mHEALTH — Eine gute Idee – fünf Minuten Zeit, die Jury oder das Publikum zu überzeugen. Wie gewöhnlich ziert sich das Gesundheitswesen, wenn es darum geht, sich Neuerungen gegenüber zu öffnen. Aber aktuell sind viele mobile Lösungen auch noch gar nicht stationstauglich oder haben trotz guter Idee noch nicht die Hürde in die Gesundheitswelt genommen – wir geben den guten Ideen eine Bühne. Wer traut sich? Moderatorin: Juliane Zielonka, Geschäfts führerin Die-Artverwandten 47 — mHEALTH — — mHEALTH — A mHEALTH + ls Bayer an einem Montagabend im Spätsommer 2014 den Startschuss für sein Grants4Apps Programm gab, trafen in den Räumen des Unternehmens in Berlin zwei Welten aufeinander. Pharma-Manager, zumindest die höheren Chargen, sind häufig genuin konservativ. Sie tragen dunkle Anzüge und Krawatten. Sie sind besser im Anordnen als im Zuhören. Und sie sind oft von Marketingmitarbeiterinnen in hohen Absätzen umgeben. Wer dagegen in Start-ups der Technologiebranche arbeitet, folgt noch immer eher dem Rollenmodell des in der Garage vor sich hin werkelnden Nerds. Jeans und Pullover sind Standard, und geredet wird wie auf Bachelor-Parties. Reinhard Franzen, Geschäftsführer von Bayer in Europa und damit einer der Top-Manager dieses deutschen Pharmagiganten, versuchte die Unterschiede zwischen den beiden Welten kleinzureden: „Wir waren vor 151 Jahren auch mal ein Start-up. Gelegentlich muss man sich als Konzern selbst neu erfinden, und deswegen haben wir Sie hier eingeladen“. BIG PHARMA Coach Your Nerd Grants4Apps ist ein recht unkonventioneller Versuch eines Pharmaunternehmens, einen Fuß in die Tür des sich rasch entwickelnden mHealth-Kosmos‘ zu bekommen. Auf den ersten Blick geht es um das, was in der VentureCapital-Szene „Seed Funding“ genannt wird: Bayer hat vielversprechende Start-up-Unternehmen ausgewählt, die innovative, patientenzentrierte E-Health-Lösungen vermarkten wollen, und die sich noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung befinden. Jedes Start-up bekommt 50.000 Euro und dreieinhalb Monate Zeit, einen Prototyp zu produzieren. Das Ungewöhnliche daran ist, dass die Entwicklerteams der Softwareschmieden für diesen Zeitraum nach Berlin kommen und direkt im Bayer-Hauptquartier arbeiten, in frisch ausgestatteten Räumlichkeiten, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Produktionsstätten der Medikamente. Mehr noch: Jedem Start-up wird ein Bayer-Manager als Coach zugeordnet. Die Idee ist, dass dieser Coach schon allein durch die räumliche Nähe zu den Entwicklern viel besser darauf achten kann, ob das in Dating Big Pharma Der Pharmakonzern Bayer hat ein Accelerator-Programm aufgelegt, bei dem mHealth-Start-ups aus ganz Europa ihre Lösungen in unmittelbarer Nähe der medizinischen Labors entwickeln. Auch andere Pharmaunternehmen umgarnen derzeit die mHealth-Szene. Ob diese Annäherungsversuche mehr sind als nur Marketing, muss sich zeigen. Von Philipp Grätzel von Grätz 48 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe Entwicklung befindliche Produkt auf die Bedürfnisse des Gesundheitswesens und natürlich auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden aus der Pharmabranche abgestimmt ist. Auch die im mHealth-Sektor nicht ganz irrelevanten Aspekte der Skalierbarkeit und Kosten behält der Bayer-Coach im Auge. Drei der fünf förderungswürdigen Unternehmen überwachen Herzfrequenz und -rhythmus, dazu kommt eine Fitness-App und eine schlaue Tablettenbox. Wenig überraschend: Vorhofflimmern im Fokus Für die erste Förderrunde wurden fünf Start-ups aus ganz Europa ausgewählt. Das Unternehmen Qompium aus Belgien entwickelt eine sich an Patienten richtende, diagnostische App zur Früherkennung von Vorhofflimmern. Eine der Herausforderungen bei diesem Projekt dürfte sein, einen Algorithmus zu entwickeln, der nicht zu häufig falschen Alarm gibt oder echte Befunde übersieht. Das deutsche Unternehmen Parica hat einen etwas breiteren Ansatz. Es zielt auf einen möglichst berührungsfreien Apparat zur Kontrolle von unterschiedlichen Vitalparametern in der Apotheke. Dabei geht es um Herzfrequenz und Herzrhythmus, aber auch um Blutdruck, Lungenfunktion und Körperzusammensetzung. Ebenfalls im Bereich Vitalwertemonitoring ist Cortrium unterwegs. Dieses Unternehmen versucht, mithilfe von Klebeelektroden Herzrhythmus, Blutdruck, Temperatur und Sauerstoffsättigung nichtinvasiv zu erfassen. Dass sich drei von fünf Unternehmen in der ersten Förderrunde, ausschließlich oder auch, um die Überwachung von Herzfrequenz und Herzrhythmus kümmern, dürfte kein Zufall sein. Einer der großen aktuellen Blockbuster von Bayer ist das neue orale Antikoagulans Rivaroxaban, und Vorhofflimmern ist die kommerziell mit Abstand relevanteste Indikation dafür. Trotzdem werden auch zwei Unternehmen gefördert, die komplett andere Felder bearbeiten. Das britische Unternehmen Fabulyzer zielt primär auf die Fitness- und Wellness-Community: Mit einer auf Nanotechnologie basierenden mHealth-Lösung soll es möglich werden, den Aceton-Gehalt in der Ausatemluft zu überwachen. Und das in Portugal ansässige Start-up PharmAssistant entwickelt eine intelligente Tablettenbox, die mit einem 49 — mHEALTH — Das Marketing ist am Ruder Bayer ist nicht das einzige pharmazeutische Unternehmen, das sich bei mHealth-Projekten engagiert. Sanofi gilt in der Branche derzeit als erfolgreichster App-Anbieter. Die Analysten von Research2Guidance gaben dem Unternehmen in ihrem kürzlich publizierten Diabetes App Market Report einen Marktanteil bei Diabetes-Apps von 10 Prozent. Nur der unabhängige US-amerikanische App-Provider Azumio hatte mehr. Aber selbst Sanofis Apps sind alles andere als Blockbuster. Obwohl knapp jeder zehnte Erwachsene in den westlichen Industrienationen einen Diabetes hat, bleiben die Nutzerzahlen von Sanofis Diabetes-Apps weit hinter jenen zurück, die von wirklich erfolgreichen Lifestyle-Apps wie Fitbit oder Runtastic erreicht werden. Auch bei den Bewertungen der Apps in den App Stores schneiden Pharma-Apps in der Regel nicht besonders gut ab. Was läuft also falsch? Analysten wie Duncan Arbour von InVentiv Health sind der Auffassung, dass sich Big Pharma bisher zu stark auf rein bildschirmbasierte Anwendungen konzentriert, statt stärker in die Welt der sensorbasierten mHealth-Lösungen für die Diagnose, das Monitoring oder die Adhärenzkontrolle einzutauchen. Sensorbasierte, sehr viel stärker medizinisch ausgerichtete mHealth-Lösungen könnten das traditionelle Geschäftsmodell von Big Pharma, den Verkauf von Medikamenten, besser ergänzen als beispielsweise ein vielleicht trendiges, für einen Dauereinsatz durch Patienten aber wenig geeignetes Videospiel mit edukativer Komponente. Der Fokus auf „Schein“ statt „Sein“ mag damit zusammenhängen, wie pharmazeutische Unternehmen mHealth-Projekte intern einordnen. Eine kürzlich von Arthur D. Little durchgeführte Befragung von Pharma-Managern hat klar gezeigt, dass Digital-Health-Projekte von pharmazeutischen Unternehmen bisher weitgehend marketinggetrieben sind. In acht von zehn Projekten ist das Marketing am Ruder. Man könnte argumentieren, dass sich das ändern muss, wenn mHealth-Projekte von Pharmaunternehmen wirklich nachhaltig werden sollen. 50 mHealthAnwendungen im Rahmen klinischer Studien müssen beweisen, dass sie entweder Kosten senken oder reale Versorgungsdaten liefern können. Viel zu viel „vielleicht“ Was aber sind potenzielle Einsatzfelder für pharmagetriebene mHealth-Projekte jenseits des Marketings? Analysten nennen meist drei Bereiche, über die nachzudenken sich lohnen könnte. Da sind zum einen mHealthAnwendungen, die dazu beitragen, Patienten für klinische Studien zu rekrutieren oder die innerhalb von klinischen Studien die Datenerfassung erleichtern. Interessant sind auch die immer wichtiger werdenden PostMarketing-Studien, die die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer neuen Therapie unter den Bedingungen der realen Versorgung erfassen. Und schließlich könnten mHealthLösungen auch zu einer Verbesser ung der Compliance führen, insbesondere bei Therapien, bei denen eine hohe Compliance erfolgskritisch ist. Das Problem ist, dass es bei all diesen Einsatzszenarien noch viel zu viele Unbekannte gibt. Wenn mHealth-Anwendungen im Rahmen klinischer Studien eine Zukunft haben sollen, dann müssen sie beweisen, dass sie entweder Kosten senken oder die Teilnehmerrekrutierung beschleunigen. Diese Beweise stehen noch aus. Ähnliches gilt in der Versorgungsforschung: Es stimmt schon, dass die Behörden immer häufiger von Pharmaunternehmen verlangen, dass sie im Nachgang zu einer Zulassung auch reale Versorgungsdaten liefern. Das heißt aber nicht, dass es damit getan ist, Sensordaten in die Briefkästen der Behörden oder der Krankenversicherungen zu kippen. Lassen sich mHealth-Lösungen kosteneffektiv in die Versorgungsforschung integrieren? Werden die Behörden derartige Daten akzeptieren? Die Antworten kennt bisher niemand. Anders ausgedrückt: Wenn Big Pharma im entstehenden mHealth-Markt eine relevante Rollen spielen soll, werden sowohl die pharmazeutischen Unternehmen als auch die mHealth-Provider liefern müssen. Kooperationsprojekte bei der App-Entwicklung wie das Grants4Apps-Programm von Bayer können Start-ups dabei helfen, die richtigen Fragen zu stellen. Letztlich ist es aber das medizinische (und gesundheitsökonomische) Outcome, das zählt. ¬ Save the date EnErgIzIng thE mhEalth agEnda In EuroPE Source: iStock (Scukrov) Smartphone kommuniziert, mit dem Ziel, die Compliance chronisch kranker Patienten unter medikamentöser Dauertherapie zu verbessern. 11-12 May 2015 In conjunction with Presented by Abdruck mit freundlicher Genehmigung unseres Schwestermagazins HIMSS Insights 42 N°4 HIMSS Europe Follow us @himsseurope #mhealthEu rIga, latvIa www.mhealthsummit.eu mHE ALTH IM CHECK MYSUGR Das Problem Allein in Österreich sterben jährlich etwa 10.000 Menschen an den Folgen von Diabetes, pro Jahr sind 2.500 Amputationen nötig, es gibt 300 neue Dialysepatienten und 200 neu erblindete Patienten. Die Diabetes-Therapie ist aufwendig und erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle und Disziplin – ein Leben lang. Zahlen: Österreichische Diabetes Gesellschaft — mHEALTH — Viel Arbeit und viel Passion Um sich mit einer Health-App am Ende auf dem Markt durchsetzen zu können, ist viel mehr nötig als einfach nur eine gute Idee. mySugr punktet mit Kreativität, Durchhaltevermögen und einer engen Anbindung an etablierte Player des Gesundheitssektors. Von Susanne Neumayer-Remter A lle fahren Automatik, wir müssen manuell schalten“, beschreibt Fredrik Debong, einer der Mitbegründer des Wiener Unternehmens mySugr, den Alltag von Menschen mit Diabetes. Blutzucker messen, Insulin spritzen, wohlüberlegtes Essen – mehrmals am Tag läuft dieser Dreiklang ab. „Es ist eine sehr intensive Therapie, die jeden Tag durchzuführen ist, für den Rest des Lebens“, sagt Debong, der selbst im Alter von vier Jahren die Diagnose erhielt – Diabetes Typ 1. „Das ist extrem mühsam manchmal, vor allem, wenn die Therapie auf diesem negativen Gefühl basiert: Umkippen, Blindheit, Füße verlieren, Dialyse, Sterben.“ Die Gründer Viele der mySugr-Gründer sind selbst Diabetiker. Was den Alltag so beschwerlich macht und was wiederum helfen kann, ihn zu bewältigen, wissen die Start-uper also aus eigener Erfahrung. Fredrik Debong erhielt die Diagnose im Alter von vier Jahren. Das Unternehmen mySugr wurde im Jahr 2011 in Wien gegründet. Die Idee Die in die Logbook App eingetragenen Daten werden mithilfe von Berichten, Analysen und Suchen für den Alltag nützlich gemacht. Kleine Monster, die erinnern und motivieren, sorgen spielerisch für eine bessere Adherence. Für Kin der gibt es eine Junior-Version, die schnell mit den Eltern verbindet. Neu ist die DiabetesSchulung mySugr Academy. 52 Diabetes-Begleiter mit Spaßfaktor und Analysetool Genau an diesem Punkt versucht mySugr als medizinische Applikation anzusetzen. „Grundidee der Therapie soll Begeisterung sein: Ich kann diese Pizza essen und trotzdem den perfekten Blutzuckerwert haben, ich schaffe das.“ Dabei hilft ein digitales Tagebuch im App-Format, in das sämtliche Diabetes-relevanten Daten eingetragen werden können – Blutzuckerwerte, Insulin-Injektionen, Kohlenhydrat-Zufuhr und Sport. Mithilfe eines kleinen Monsters, das Feedback gibt, soll die Motivation der Nutzer spielerisch gesteigert werden, für jeden Eintrag gibt es Punkte, die Teilnahme an Challenges will den Ehrgeiz wecken. „Auf diese Weise erreichen wir ein Umdenken. Hinter der Therapie steht jetzt nicht mehr der negative, sondern ein positiver Faktor“, erklärt Debong. Der besondere Clou ist die mit Ärzten und Psychologen entwickelte, strukturierte Aufbereitung der eingegebenen Daten. Tagesund Wochenreports, Analysen erleichtern die Situation beim Arzt, die Erinnerungs- und die Suchfunktion geben konkrete Hilfestellungen im Alltag der Betroffenen. „Es geht darum, schnell die richtige Entscheidung treffen zu können.“ Mehr Zeit für die Patienten Thomas C. Wascher ist Internist und Diabetologe am Hanusch-Krankenhaus in Wien. „Management-Apps für Diabetiker 42 N°4 HIMSS Europe sind sehr hilfreich, ein deutlicher Fortschritt“, Um mit einer medizinischen Applikation sagt er. Vor zwei Jahren hat sich der Vorsitzensoweit zu kommen, braucht es einen langen de der Österreichischen Diabetes Gesellschaft Atem. „Es ist wirklich viel Arbeit, die Qualität (ÖDG) ganz aktiv auf die Suche nach einem hochzuhalten, wir müssen uns weiterentwidigitalen Helfer gemacht und ist dabei auf die ckeln, die ganze Zeit, das ist das, was viele unmySugr-App gestoßen, die er seinen Patienten terschätzen.“ Seit der Unternehmensgründung seither ans Herz legt: „Ich weiß schneller, was im Jahr 2011 gab es für das iPhone Betriebssysmit ihrem Blutzucker los ist, und ich kann tem iOS über 50 Updates, für die Android-Variante etwa 30. „Leider sind wir da Pionier“, schneller einen fundierten Rat geben“, sind seine klaren Argumente. Etwa die Hälfte seiner meint Debong. Der mHealth-Markt fordert Typ-1-Diabetiker nimmt zur Dokumentation heraus, Standardlösungen sind noch kaum in der Blutzuckerwerte jetzt statt Stift und Zettel Sicht. Ein Problem etwa ist die Segmentierung das Smartphone zur Hand. der mobilen BetriebssysteMeist lässt sich der Mediziner me: iOS, Android, Windows, bereits vor dem Termin von für jedes System muss neu „Der große Vorteil seinen Patienten das PDF der gedacht, neu programmiert jeweiligen Wochenberichte werden – ein riesiger Aufan den Apps ist, senden, „dann haben wir das wand. Hinzu kommt, dass die dass sie eine Form aktuelle Blutzuckerjournal Bedürfnisse sich immerzu änder Telemedizin dern. „Eine App, die vor zwei gemeinsam wunderschön ermöglichen, die strukturiert am Bildschirm“. Jahren heiß war, spannend, für Patient und Auch reine Telefonvisiten sind ist heutzutage völlig uninteArzt zeitökonoso möglich. ressant, wie können wir mit misch ist.“ Gerade in den größeren Dieiner App als Medizinprodukt abetes-Zentren sind Manageda mitwachsen? Das ist echt Thomas C. Wascher ment-Apps mittlerweile weit schwierig.“ Und auch in punDiabetes-Ambulanz verbreitet und auch bei andecto Geschäftsmodell ist der Hanusch-Krankenhaus Wien und Vorsitzender der ren Ärzten Thema, schildert Weisheit letzter Schluss noch Österreichischen Diabetes nicht gefunden. „Wir sind der ÖDG-Vorsitzende seinen Gesellschaft (ÖDG) noch Start-up, GeschäftsmoEindruck. „Das ist eine absolut deutliche Erleichterung delle ändern sich immer, da für uns.“ Wascher jedenfalls muss man sich anpassen könmöchte auf die elektronische nen“, meint der aus Schweden Tagebuch-Variante nicht mehr verzichten, und stammende Unternehmensgründer. MySugr viele seiner Patienten auch nicht: „Die meiswird unter anderem von der österreichischen ten Patienten sind sehr zufrieden damit und Investitionsbank AWS (Austria Wirtschafts sehen das als große Erleichterung.“ Service) und den Investoren Hansmen Group und XLHealth unterstützt. App mit Zulassung als Medizinprodukt Mittlerweile nutzen 200.000 Menschen das Von Anfang an hat die Firma auf KooperaLogbook, Tendenz steigend. Das liegt nicht zutionen mit Pharma- und Industrieunternehletzt daran, dass die App als Medizinprodukt men gebaut und sich so nach und nach an das mit europäischer CE-Kennzeichnung zugelasetablierte Gesundheitswesen angedockt. Der sen und auch bei der amerikanischen Food and französische Pharmakonzern Sanofi beispielsDrug Administration (FDA) gemeldet ist. Entweise bietet Blutzuckermessgeräte an, die mit sprechend hoch sind die Sicherheits- und Zudem mySugr Logbook synchronisiert werden verlässigkeitsanforderungen, deren Einhaltung können. Zusammengearbeitet wird unter anständig überprüft und bei jedem Update mit derem auch mit dem Insulinpumpen-Hersteller Medtronic oder der Medizintechnik-Firma Ninbedacht werden muss. „Das ist, was man auf sich nimmt, wenn man etwas ernsthaft machen ta Med. „Der Markt wacht auf“, meint Start-upmöchte“, sagt Debong. „Dadurch, dass wir aber Gründer Debong. „Wie wir shoppen, wie wir als Medizinprodukt eingetragen sind, kann ein kommunizieren, alles mobil – und da möchten Arzt uns ohne Bedenken weiterempfehlen.“ auch die Unternehmen rein.“ ¬ 42 N°4 HIMSS Europe Zukünftiges Fotos: mySugr — mHEALTH — Die Sozialversicherungs anstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) übernimmt als erste österreichische Krankenkasse die Kosten für Schulung samt Logbook. Auch deutsche Versicherer haben bereits Interesse angemeldet. 53 — mHEALTH — 42 ALADIN ANTIC, CIO 54 eine Selbstverständlichkeit bei Servern und IT-Systemen, aber leider die Ausnahme bei menschlichen Ressourcen), stellt dies für die Gesundheitsbranche ein zusätzliches Poten zial dar: Haben Sie auch die Statistiken und Verbreitungskarten der epidemiologischen Ereignisse bewundert? Insbesondere, wenn Sie bedenken, dass ja nur in den seltensten Fällen echte diagnostische Nachweise für eine Virusinfektion geführt werden – neben dem Zeitfaktor ist dies auch eine Frage des Versichertenstatus und der Kosten … Mussten früher also komplizierte Hoch rechnungen aus wenigen verfügbaren Daten und aufwendigen persönlichen Recherchen erstellt werden (mit einer Genauigkeit, die mit Wettervorhersagen von Schamanen mithalten konnte), wird heutzutage die so genannte indirekte Statistik zum Königs weg. Einfach die Häufigkeit von Anfragen zum Thema Grippe, wirksame Medikamente, Empfehlungen eines Arztes oder Suche nach Symptomen in Google nach Region ausge wertet, und schon ist eine recht zutreffende Karte der entsprechenden Virusverbreitung fertig. Kombiniert mit Facebook, der Analy se von Reise- und anderen Verhaltensweisen sowie einem kurzen zeitlichen Verlauf: Voilà, eine passable Vorhersage für den weiteren Verlauf der Infektionswelle. Big Data ist be reits angekommen im Gesundheitswesen. Schade nur, dass es das Gesundheitswesen noch nicht gemerkt hat … ¬ MEINUNG Klinikum Nürnberg: IT in Zeiten von Mergern und Kostendruck Arzneimittelwirkung: Aus dem Krankenhaus zurück auf den Teller Wolfgang Dorda: Kulturwandel im Krankenhaus 42 N°4 HIMSS Europe 56 60 62 Illustration: Martina Wember Heute scheint es, als ob die IT schon immer Teil unseres Daseins war. Oder können Sie sich noch eine Welt ohne Internet oder Han dys vorstellen? Nun, das ist noch keine 25 Jahre her – und doch braucht es für einige selbstverständliche Dinge heute zwingend die IT. Ein Beispiel: Seinen Salär erhält nur der, der Girokonto und elektronische Über weisung vorweist. Steuererklärungen werden elektronisch eingereicht – und als niederge lassener Arzt erhalten Sie Ihr Geld von der KV nur, wenn Sie Ihre Daten und Abrechnungen elektronisch übermitteln. Da mutet es ein wenig archaisch an, wenn im neuen E-Health-Gesetz dem Patienten das Recht auf seine Informationen in Papier form zugestanden wird ... Vielleicht kommt dies daher, dass Entscheidungsträger immer auch ein bisschen sentimental sein dürfen oder aber in ihrer Welt die Verwendung von Lexika, Duden und Almanachen durchaus legitim ist, während diese Dinge von mei nen Kindern erst einmal gegoogelt werden müssten! Und doch halten Vernetzung und IT nahezu unbemerkt in Bereichen der Medi zin Einzug, von denen wir es nicht direkt ver muten. Sicherlich haben auch Sie die Aus wirkungen der aktuellen Grippewelle bemerkt – hoffentlich nicht am eigenen Leib (die Wahrscheinlichkeit ist hoch). Während das Husten und Schniefen auch in den IT-Abtei lungen zu einer starken Belastung der Leis tungsfähigkeit führt (Redundanz ist heute Illustration: Nina Eggemann DER MENSCH HINTER DEM SYSTEM … KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantationen e.V., schreibt an dieser Stelle über real existierende Brückentechnologien zwischen Mensch und IT. KOMMUNAL — MEINUNG — — MEINUNG — IT in Zeiten von Mergern und Kostendruck Während die Anwender Innovationen und Smartphones für die Patientenbehandlung von der Krankenhaus-IT verlangen, kämpft diese mit der Aufrechterhaltung des Ist-Zustandes. Von Claudia Dirks D ie Runde ist ungewöhnlich: Alfred Estelmann, Vorstand des Klinikums Nürnberg, Reinhard Loose, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, und Helmut Schlegel, Abteilungsleiter der Informationsverarbeitung. In ihrem normalen Klinikalltag gibt es in dieser Konstellation eigentlich kein zufälliges Aufeinandertreffen. Doch die drei eint ihr großes Interesse an IT-Lösungen für das Krankenhaus, und zwar aus dem jeweils eigenen Blickwinkel. Vorteil Estelmann, der nicht nur einst verantwortlich dafür war, die IT im Klinikum Nürnberg auf den Weg zu bringen, sondern heute als Vorstand die Entscheidungsgewalt hat – auch wenn diese scheinbar sanft daherkommt. Loose ist als Physiker und Radiologe eine Art Überzeugungstäter in Sachen IT, aber doch vor allem Mediziner, der sich eigentlich nur um seine Patienten kümmern möchte – digital so viel wie nötig, direkt so viel wie „Kaum jemand ist möglich. Der Dritte im Bunde ist, wie in jedem ansich bewusst, dass deren Krankenhaus auch, der Spielverderber, der der Ist-Zustand IT-Leiter: Schlegel, der Anspruch und Forderung inklusive ‚minor auf den Boden der Realität holt. Er macht dies jechanges‘ und doch in seiner direkten Art, in leicht fränkischem Anpassungen circa Singsang, sodass auch in Absagen etwas Versöhn75 Prozent des ITliches mitschwingt. Interview mit Alfred Estelmann, Vorstand, Reinhard Loose, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, und Helmut Schlegel, Abteilungsleiter der Informationsverarbeitung, alle Klinikum Nürnberg Personals bindet!“ Helmut Schlegel Haben Sie drei ein gemeinsames Verständnis davon, was IT kann und können muss? Estelmann: Ein gemeinsames Verständnis würde sicherlich zu weit gehen; das wäre auch gar nicht gut. Es ist hilfreich, unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema zu haben. Was wir, 56 LANGJÄHRIGE WEGGEFÄHRTEN am glaube ich, gut miteinander können, ist, uns auf gemeinsame Ziele festzulegen und Realisierungschancen für bestimmte Sachen einzuschätzen. Schlegel: Ich glaube, dass wir gar nicht so weit auseinander liegen. Das Problem, das wir alle sehen, ist, dass mit IT zwar vieles machbar ist, ökonomisch aber nicht sinnvoll sein muss. 42 N°4 HIMSS Europe KLINIKUM NÜRNBERG Mit 6.100 Mitarbeitern und rund 2.370 Betten an zwei Standorten im Norden und Süden Nürnbergs versorgt das Klinikum 100.000 stationäre und knapp 90.000 ambulante Patienten im Jahr. Eben falls zum Verbund gehört die Krankenhäuser Nürnberger Land GmbH mit den Häusern Altdorf, Hersbruck und Lauf. 42 N°4 HIMSS Europe Klinikum Nürnberg. (v. l.) Helmut Schlegel, Leiter Informationsverar beitung, Alfred Estelmann, Vorstand, und Chefradiologe Reinhard Loose. 57 — MEINUNG — Wir haben einen Konsens darüber, dass das Geld nur dort eingesetzt werden kann, wo es eine nachhaltige Lösung mit klinikweitem Nutzen generiert. Loose: Die Ressourcen im Hintergrund bestimmen natürlich die Verteilung. Für Herrn Estelmann ist IT gut, wenn sie die Erlössituation des Krankenhauses positiv beeinflusst. Aus meiner Sicht muss IT die Patientenbehandlung verbessern. Was wir eigentlich suchen, ist etwas Prozessverbesserndes oder künstliche Intelligenz – eine Art Ablaufoptimierung, die auch Fehlschritte verhindert. ALFRED ESTELMANN ist der lebende Beweis dafür, dass Männer Und wieso, Herr Schlegel, bekommt Herr Loose das nicht von der IT? Schlegel: (lacht) Das Spannungsfeld, in dem ich mich leider tagtäglich bewege, ist eine kleine Anbieterlandschaft, viele gesetzliche regulative Änderungen, die uns prozessual überhaupt nicht weiterbringen, und ein Tagesgeschäft, für das ich bestimmt 70 bis 75 Prozent an Personal und Budget aufbringen muss, nur um den Ist-Zustand aufrechtzuerhalten. Die Kollegen in der Klinik sehen nichts von all dem. Das ist nicht nur für die Anwender, sondern auch für mich und meine Mannschaft frustrierend. Estelmann: Ja, und schauen Sie sich die vergangenen Monate an. Der Markt wird kleiner. Der Cerner/Siemens-Merger könnte für uns ein GAU werden – natürlich nicht nur für uns. Ein KIS abzulösen, ist etwas sehr Aufwendiges, nicht nur von der finanziellen Seite. Aber zurück zu Ihrer Frage. Die letzte Meile, wenn man so will, auf Station, da sehe ich momentan nichts Tragfähiges, auch nicht für die Intensivstation. Und bevor wir dann wieder Ressourcen irgendwo reinstecken, von denen wir nicht sehr sicher sind, dass uns das Ergebnis entscheidend weiterbringt, arbeiten wir lieber andere Projekte ab. Welche großen und kleinen Projekte hatten und haben Sie in den kommenden Monaten vor der Brust? Schlegel: Wir haben 2014 die Umstellung SAP von EHP4 auf EHP7, dann die Migration Windows XP auf Windows 7 und die Einführung eines Kardiologischen Informationssystems. 2015 steht die Ablösung der bestehenden Kostenträgerrechnung an, der Austausch der alten Patho-Lösung und weiterhin die sozu58 sehr wohl multitaskingfähig sein können: Parallel zum Gymnasi um absolvierte er eine Bäckerlehre im elterlichen Betrieb. Später studierte er nicht nur Betriebswirtschaftslehre, sondern auch Humanmedizin. Als Arzt in der Kinderklinik am Klinikum Nürnberg beschäftigte er sich auch mit dem Aufbau einer patientenorientier ten integrierten Datenverarbeitung. Nach einem Abstecher in die Stadtverwaltung kam er zurück ans Klinikum Nürnberg, wo er seit 2007 nur noch den Hut des Vorstands trägt. AUSZUG AUS DER GESCHÄFTSORDNUNG „Der EDV-Ausschuss bearbei tet in Vertretung für den Vor stand/die Leitungskonferenz und den Geschäftsführer der KNL EDV-Fragestellungen. Sei ne wesentliche Aufgabe ist die Entwicklung, Anpassung und Fortschreibung der DV-Stra tegie des Klinikums auch als Konzern und das Controlling von DV-Projekten. Hierzu zählen auch grundlegende Aspekte der Gestaltung und Nutzung der Datennetze und der Integration von Geräten und Anlagen. Auch Vorschläge über die Zusammensetzung von Projektteams obliegt sei ner Ägide. Darüber hinaus ist er beauftragt mit der Erstellung des Budgetvorschlags für die jährliche mittelfristige DV-In vestitionsplanung.“ sagen laufende Migration Windows XP auf Windows 7. Darüber hinaus haben wir circa 160 kleinere Projekte, die aber natürlich auch des Hasen Tod sein können. Loose: Beispielsweise die letzten Lücken in der flächenweiten Bilddokumentation zu schließen. Schlegel: Es ist immer die Frage: Bringt uns nur die Revolution weiter oder auch evolutionäre Weiterentwicklung? Estelmann: Ja, und die Frage lautet leider auch: Wie bekommen wir die rechtlichen Vorgaben mit den bestehenden Systemen abgebildet? Wir betreiben ein wirklich tolles Medizinisches Versorgungszentrum und haben gleichzeitig gigantische Schnittstellenprobleme, weil nicht direkt zwischen KV-Bereich und Klinik kommuniziert werden darf. Solche Themen ärgern uns – und kosten richtig Geld. Loose: Das ist auch der Haken an dem ersten Entwurf des E-Health-Gesetzes: Wenn der Patient seine Werte ausgedruckt auf einem Blatt Papier mitbringt, ist das gut. Wenn es von Arzt zu Arzt übertragen wird, ist es nicht gut. Das ist ja jetzt gerade alles sehr aktuell, wie sieht denn Ihre strategische Zusammenarbeit aus – besprechen Sie sich mit der IT vor dem Hintergrund der Unternehmensstrategie? Estelmann: Da muss man sich erst einmal die Frage stellen, ob wir uns lange Planungs42 N°4 HIMSS Europe HELMUT SCHLEGEL ist Diplom-Informatiker, der seine Bundes wehr-Laufbahn als Ausbildungsoffizier der Luftwaffe nur schwer verhehlen kann. Kaum zu glauben, dass er es im zähen Umfeld der Krankenhaus-IT schon seit Längerem aushält und sich seinen he rausragenden Humor bewahrt hat. Er gehört laut Computerwoche zu den besten CIOs im deutschsprachigen Raum in der Kategorie Großunternehmen und darüber hinaus zum Vorstand des Bundes verbandes der KH-IT-LeiterInnen e. V. zeiträume realistisch erlauben können. Wir haben es angesprochen, die Instabilitäten bei den Anbietern. Wenn ich heute auf die vergangenen 24 Jahre zurückschaue: Ein Großteil der Funktionalitäten, die wir uns damals gewünscht und beschrieben haben, sind einfach Illusion geblieben. Schlegel: Unser Geschäft ist aktuell tatsächlich eher reaktiv. Früher haben wir versucht, möglichst viel im KIS zu realisieren. Heute arbeiten wir daran, weniger Abhängigkeiten zu schaffen. Wir versuchen Archivierungsstrukturen zu entwickeln, in denen wir die Daten außerhalb des KIS verfügbar haben, um vielleicht tatsächlich irgendwann einmal das KIS einfacher migrieren zu können. Etwas euphemistisch würde ich sagen, dass das sehr pragmatisch klingt, ich könnte aber auch desillusioniert meinen? Schlegel: Nein, nennen wir es pragmatisch. Wissen Sie, wir sind kein Uniklinikum mit Doktoranden und vielen Projektarbeitern, die dann auch gehäuft Projekte ausprobieren, die im Mülleimer der Geschichte landen. Wir probieren schon auch vieles aus; die Sache ist nur die: Dass wir was ausprobieren, heißt nicht immer, dass das wirklich tragfähig ist, wenn es klinikweit zum Einsatz kommen soll. Und das ist nun einmal der Maßstab, an dem wir uns messen lassen müssen. 42 N°4 HIMSS Europe REINHARD LOOSE ist als Radiologe und Nuklearme diziner ebenfalls ein großer Freund der Mehrglei sigkeit. Promoviert in Physik und Medizin, besticht er ansonsten mit einer extrem hohen Affinität zum Thema IT, mit der er mitunter „seinen“ IT-Leiter ein wenig vor sich hertreibt. Er ist Vorsitzender des klinikeigenen DV-Ausschusses. Wie wird dann aber entschieden, welche Projekte priorisiert behandelt werden? Estelmann: Wir haben extra einen sogenannten DV-Ausschuss. Profesor Loose hat dort den Vorsitz, nicht etwa Herr Schlegel. Hier erläutert der Kunde den Bedarf, wenn Sie so wollen. „Ich brauche eine IT, die die Prozesse unterstützt, nur dann bekomme ich valide Daten für mein Berichtswesen. Und am besten geht es automatisch, damit niemand doppelt dokumentieren muss.“ Alfred Estelmann Wer sitzt da noch drin? Loose: Also Herr Schlegel ist schon auch festes Mitglied (lacht). Außerdem die Medizintechnik, der Datenschutz und weitere Kliniker. Die Integration der Medizintechnik wird für uns das nächste spannende Feld. Wie geht es vom DV-Ausschuss weiter? Schlegel: Wir sitzen im Regelfall sechs bis acht Mal im Jahr zusammen. Die Anträge laufen bei mir vorher zusammen; einiges bringe ich im Ausschuss vor, weil ich für diese Projekte im Sinne des ganzen Klinikums gerne einen Konsens möchte. Der Vorstand kann dann innerhalb von drei Wochen sein Veto einreichen, was in den vergangenen 20 Jahren genau ein Mal vorkam. Ansonsten treffen wir unsere Entscheidungen einstimmig. Estelmann: Wobei ich mir primär die Prozesse anschaue, und ob die Informationen für bestimmte Schritte zur Verfügung stehen. Vor allem auch im Hinblick auf den MDK – so ist das bei Kaufleuten: IT ist unser Instrument. ¬ 59 Fotos: Rudi Ott KOMMUNAL — MEINUNG — — MEINUNG — Arzneimittel Arzneimittel und und ihre ihre (Aus-)Wirkungen (Aus-)Wirkungen Mensch Mensch & & Umwelt Umwelt Die deutsche Massentierhaltung und das Die deutsche Massentierhaltung und das deutsche Gesundheitswesen landen redeutsche Gesundheitswesen landen regelmäßig aufgrund ihres Medikamengelmäßig aufgrund ihres Medikamentenmissbrauchs in den Schlagzeilen. Vor tenmissbrauchs in den Schlagzeilen. Vor allem der freizügige Umgang mit Antiallem der freizügige Umgang mit Antibiotika wirkt sich verheerend auf biotika wirkt sich verheerend Gesundheitszustand und Ab- auf Gesundheitszustand und Abwehrkräfte einer Gesellwehrkräfte einer Gesellschaft aus, die es eigentschaft aus, wissen die es eigentlich besser sollte. lich besser wissen Jeden Tag landet einsollte. bunJeden Tag landet ein buntes Gemisch verschiedenstes Gemisch verschiedenster Arzneien tonnenweise ter Arzneien tonnenweise in der Kanalisation, dann in in der Kanalisation, dann in den heimischen Gewässern den heimischen Gewässern und zurück auf den Tisch. und zurück auf den Tisch. Yammi Yammi!!! Yammi Yammi!!! — MEINUNG — Gegen fast Gegen fast jedes Leiden hilft jedes Leiden hilft die passende Pille die passende Pille Täglich landen Täglich landen tonnenweise Arzneien tonnenweise Arzneien in der Kanalisation in der Kanalisation Eine hohe Wirkstoffkonzentration Eine hohe Wirkstoffkonzentration landet unverbraucht über den Urin landet unverbraucht Urin im Kanal ... und wirktüber dort den weiter. im Kanal ... und wirkt dort weiter. Die meisten Wirkstoffe Die meisten Wirkstoffe können nicht können nicht rausgefiltert werden rausgefiltert werden Elektronische VerordnunElektronische Verordnungen und Krankheitsgeschichgen und Krankheitsgeschichte würden helfen, so manche te würden helfen, so manche Pille einzusparen Pille einzusparen und geraten so in Flüsse, und so inam Flüsse, Seen,geraten Meere und Ende Seen, Meere und am in unser Trinkwasser.Ende in unser Trinkwasser. Unser Ökosystem Unser Ökosystem aus dem Gleichgewicht aus dem Gleichgewicht Mehr Medikamente Mehr Medikamente & neue Wirkstoffe & neue Wirkstoffe Gegen das gleiche Leiden Gegen dasnächsten gleiche Leiden hilft beim Mal hilft beim nächsten Mal wolmöglich nur ein neues wolmöglich nur ein neues Mittel, da sich durch unseMittel, da sichnach durch unseren Umgang und nach ren Umgangbilden nach und Resistenzen ... nach Resistenzen bilden ... Auf ihrem Weg durch unsere Körper und Auf Weg durch unseredie Körper und das ihrem Ökosystem hinterlassen Arzeneidas Ökosystem hinterlassen die Arzeneimittelwirkstoffe ihre Spuren. Die Folgen mittelwirkstoffe ihre Spuren. Die Folgen für Boden, Grundwasser Ökosystem und für Boden, Grundwasser Ökosystem und damit für uns Menschen sind noch nicht damit für uns Menschen sind noch nicht abzusehen. abzusehen. Es ist möglich, dass die Es ist möglich, dass die Bildung von weiblichen Bildung von weiblichen Geschlechtsorganen bei Geschlechtsorganen bei männlichen Fischen auf männlichen Fischen auf synthetische Hormone im synthetische Hormone im Wasser zurückzuführen ist. Wasser zurückzuführen ist. Andere Wirkstoffe schädiAndere Wirkstoffe schädigen innere Organe bei gen innere bei Fischen undOrgane beeinflussen Fischen und beeinflussen das Wachstum von Algen das undWachstum Pflanzen. von Algen und Pflanzen. Illustration: Nina Eggemann Wer länger lebt, Wer länger lebt, macht resistent macht resistent Der tonnenweise Einsatz Der von tonnenweise Antibiotika inEinsatz der von Antibiotika in der Massentierhaltung macht Massentierhaltung macht das Überleben auf der das Überleben auf der Krankenstation auf Dauer Krankenstation auf Dauer schwieriger. schwieriger. Medizin auf dem Teller Medizin auf dem Teller Die Nahrungsaufnahme Die Nahrungsaufnahme Arzneimittel-getränkter Arzneimittel-getränkter Lebensmittel wird langfrisLebensmittel wird langfristig Einfluss auf unser tig Einfluss auf unser aller Gesundheitsbaromealler Gesundheitsbarometer haben. ter haben. 60 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe 61 Save the date UNIVERSITÄT — MEINUNG — Kulturwandel im Krankenhaus Mediziner und Informatiker werden zukünftig in der Gesundheitsversorgung mehr Felder gemeinsam zu bespielen haben, als sie heute wahrhaben wollen. Eine große Chance für die Entwicklung beider Disziplinen im Sinne des Patienten, davon ist der Mediziner und Medizininformatiker Wolfgang Dorda, ehemaliger Leiter des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme, überzeugt. Ein Aufruf. Von Claudia Dirks Interview mit Wolfgang Dorda Die Medizinische Informatik hat in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr wechselhaftes Ansehen erlebt – wohin geht die nächste Reise? Ich bin überzeugt, dass die beiden Fächer an Bedeutung gewinnen. Der kommende Entwicklungssprung wird für die Welt der Medizin ähnlich dramatisch wie der erste: Raus aus dem Zettelkasten, hinein in den Bildschirm. Medizin ohne IT ist heute schon nicht mehr vorstellbar. Was sich heute sehr viele allerdings auch nicht vorzustellen vermögen, ist das Potenzial, dass die Medizininformatik für die kommende „Alle sprechen von Patientenversorgung bereithält. unbeherrschbaren Natürlich nicht von heute auf Datenmassen. Memorgen. Voraussetzung ist allerdizininformatiker dings eine intensive Zusammensind in der Lage, arbeit zwischen Medizinern und Informatikern mit gegenseitiger die wertvollen meAnerkennung und eine solide dizinischen Daten finanzielle Ausstattung, letztere beherrschbar jedoch tatsächlich nachgeordnet. zu machen.“ Was ist denn das Revolutionäre, was da auf uns wartet? Lassen Sie mich zum Beispiel die beiden Stichwörter „Secondary Use“ und „Personalisierte Medizin“ nehmen; mit ihnen könnte dank der Medizininformatik langfristig eine völlig neue Version der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsvorsorge realisiert werden. Weg von der teuren Reaktion auf Diagnosen, hin zu qualitativ 62 42 N°4 HIMSS Europe 11 - 13 May 2015 Riga, Latvia Organised by www.ehealthweek.org Follow us @eHealthWeekEU #eHW15 Der Nachrichtendienst der Industrie Sie bemängeln die fehlende finanzielle Ausstattung ihres Faches. Was bedarf es, um das angesprochene Potenzial auszuschöpfen? Es geht bei Weitem um mehr als die finanzielle Ausstattung oder die technischen Eckpfeiler, es geht um einen Kulturwandel. Schwieriger noch, es geht um einen Wandel, der bei Anwendern und Medizininformatikern gleichermaßen angestoßen werden muss. Nur zusammen werden Ärzte und Informatiker den Herausforderungen der zukünftigen Gesundheitsversorgung begegnen können – im Sinne der Patienten. Aber auch im Sinne einer Versorgung, die wir uns leisten können und wollen. „Aktuelle Heraus forderungen der Medizinischen Informatik für die personalisierte Gesundheitsversorgung“ lautet der Titel der Keynote, mit der der Spiritus Rector der österreichischen Medizininformatik, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr. Wolfgang Dorda, ehemaliger Leiter des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme, den zweiten Kongresstag (19. Juni) des eHealth Summits Austria eröffnet. 64 Welche Herausforderungen sind das explizit, die es hier zu lösen gilt? Wir sprechen noch immer von zwei getrennten Welten im Krankenhaus, wenn wir IT und Ärzteschaft meinen. Und das, obwohl der Arzt inzwischen rund 30/40 Prozent seiner Dienstzeit am Computer, also mit Informationstechnologien, zubringt und, wenn er ehrlich ist, darauf auch nicht mehr verzichten möchte. Allein das zeigt, dass beide Seiten nicht ohne einander können. Was jetzt noch an zu vielen Stellen fehlt, ist das Aufeinanderzugehen. Nachrichten, Ansichten und Einblicke direkt aus der innovativen Healthcare Branche. eHEALTH SUMMIT AUSTRIA Ein Sonderteil der 42 Nº4 April 2015 18.-19. Juni 2015 in Wien plus PDMS D.A.CH. Conference am 18. Juni Welche Aufgabe kann und muss in diesem Szenario die Medizininformatik übernehmen? Wir haben den überaus wichtigen Part der Bereitstellung relevanter Daten – und müssen uns nicht verstecken. Alle sprechen von Big Data oder unbeherrschbaren Datenmassen – die Medizininformatiker können die wertvollen klinischen Daten beherrschbar machen, extrahieren, kanalisieren und für die Nutzer, die Mediziner, so zur Verfügung stellen, wie es für sein Fach oder seinen Patienten am sinnvollsten ist. Voraussetzung dafür ist aber die bereits angesprochene konstruktive Zusammenarbeit der Nutzer mit den Medizininformatikern. Wenn das alles kein Problem ist, wieso schwankt dann die personalisierte Medizin in der Wahrnehmung zwischen Hype und Heilsversprechen? Ich habe nicht gemeint, dass wir das heute alles schon realisieren können – aber die Vision ist da und an der Informationstechnologie sollte die Realisierung dieser Versprechen jedenfalls nicht scheitern. Im Gegenteil: Das Fach wird enorm an Bedeutung gewinnen. Natürlich gibt es einen großen Entwicklungsdruck, der leider, reden wir nicht um den heißen Brei herum, noch nicht ausreichend finanziert wird. Auch daran muss und wird sich was ändern, wenn Schwerpunktthemen wie „Secondary Use“ und „Personalisierte Medizin“, wie von Ihnen angesprochen, erfolgreich angegangen werden sollen. Aber mit dem demografischen Wandel der Bevölkerung und dem steigenden Kostendruck in der Gesundheitsversorgung wird die Finanzierung dieses Bereiches sicherlich eine der Lösungsstrategien sein, um langfristig Kosten zu sparen. ¬ healthtechwire.de Unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Gesundheit, Sabine Oberhauser, wird der diesjährige eHealth Summit Austria mit dem Schwerpunkt „Gesundheit neu denken: Personalized Health“ die Zukunft der Gesundheitsversorgung ins Visier nehmen. Welche Weichen müssen heute gestellt werden, um morgen nicht in einer Sackgasse zu landen? Das Programm des Summit gliedert sich in den wissenschaftlichen Programmteil der eHealth2015 (www.ehealth2015.at), die unter der Tagungsleitung von Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth (UMIT) und Univ.-Doz. Dr. Günter Schreier (AIT) mit Unterstützung von OCG und ÖGBMT organisiert wird, und in den von der HIMSS Europe getragenen, anwenderorientierten Teil. www.ehealthsummit.at Parallel zum Summit findet auch die PDMS D.A.CH. Conference statt. Unter dem Motto „PDMS – sicherheitsrelevant oder Kostenverschwendung?“ bestreiten Experten das praxisnahe Programm, die Entwicklung und organisatorische Herausforderung gerade bewältigt haben oder aktuell dabei sind, ihnen zu trotzen. www.himss.eu/pdms 42 N°4 HIMSS Europe In dieser Ausgabe S.66 conhIT: Gesundheits-IT-Branche 2015: Innovationen und Trends S.68 Agfa: Klinische Dokumentation: Der Kreis schließt sich S.69 Cerner: Eine große Chance für den Markt S.70 CompuGroup: Telematik braucht „mehr-Werte“ für Ärzte und Patienten S.71 ID: Semantische Freitextanalyse: Prozesse optimieren mit Terminologieservern S.72 medatixx: Mobile Lösungen für Praxen, MVZ und Klinikambulanzen S. 73 MEIERHOFER: Krankenhaus-IT: Mittelstand als Stabilitätsfaktor S. 74 Deutsche Telekom AG: Digitales Mindset S. 75 Ascom: Ascom Myco bringt die mobile Revolution in die Pflege S. 76 Hewlett-Packard: 30 Prozent mehr Performance dank schnellem Speichersystem S. 78 ICW: Erfolgreiches Versorgungs management durch einrich tungsübergreifende Vernetzung und Prozesskoordination S. 79 medavis: Im Herzen ein RIS S. 80 Nuance: Alles könnte so einfach sein, ist es aber nicht! S. 81 VISUS: Mehr Effizienz auf allen Ebenen mit dem medizinischen Archiv Foto: iStock hochwertiger und evidenzbasierter, kosteneffizienter Prävention, die den mündigen Patienten zum Handeln anleitet. Foto: privat UNIVERSITÄT — MEINUNG — GESUNDHEITS-IT-BRANCHE 2015: INNOVATIONEN UND TRENDS Für die elektronische Vernetzung des Gesundheitswesens ist das Jahr 2015 ein Meilensteinjahr. Von der Gesetzesinitiative für ein E-Health-Gesetz orchestriert starten die Tests für eine Telematikinfrastruktur. Gleichzeitig drängen neue digitale Services in den Markt und verändern die Primärsysteme in Klinik und Praxis. Welche Themen und welche Produkte werden in den Vordergrund gerückt? Die sieben Goldpartner der conhIT 2015 nehmen Stellung. Dass die im Herbst beginnenden Tests für die deutsche Telematikinfrastruktur bei der conhIT 2015 ihre Schatten vorauswerfen, kann nicht überraschen. Mit der CompuGroup Deutschland und der Deutschen Telekom sind die Hauptprojektträger der beiden Testregionen Goldpartner der conhIT. CompuGroup Medical: Breite Erfahrungen mit der Vernetzung einrichtungsweit die mobile Visite eingeführt haben. Davon profitieren Ärzte, Pfleger, Verwaltung und natürlich auch die Patienten, weil die Ärzte mehr Zeit für die Visite haben und Krankheitsbilder auf dem Tablet besser erklären können.“ medatixx: Maßgeschneiderte mobile Lösungen und Patienteneinbindung Uwe Eibich, Vorstandsvorsitzender der CompuGroup Medical Deutschland AG, ist zuversichtlich, dass sein Unternehmen und die von ihm koordinierte Testregion gut aufgestellt sind: „Wir haben viele neue Produkte entwickelt und angepasst und betreiben das Netzwerk und den Zugangsdienst. Die Infrastruktur kann im zweiten Halbjahr in Betrieb gehen. Auf der conhIT 2015 werden wir das Zusammenspiel von Kartenterminal, Konnektor und Arztinformationssystem demonstrieren.“ Mit der Vernetzung von Leistungserbringern hat die CompuGroup bereits gute Erfahrungen: „Unser Zuweiserportal JESAJA.NET vernetzt schon heute über 5.500 Arztpraxen mit Krankenhäusern in rund 100 Projekten. Das persönliche Arzneimittelkonto für ältere Mitbürger in Nordrhein-Westfalen unterstützt Ärzte und ihre Patienten beim Thema Multimedikation und funktioniert gut. Und im Arztnetz ‚Gesundes Kinzigtal‘ haben wir gemeinsam mit den Ärzten digitale Versorgungspfade implementiert, die rege genutzt werden.“ Mobilität ist auch in der ambulanten Versorgung ein wichtiges Thema. „Wer solche Lösungen nutzen will, sollte sich über den individuellen Anwendungsfall im Klaren sein, um nachher nicht eine mobile Lösung zu erwerben, die dann nicht genutzt wird oder nicht passt“, sagt Michael Latz, Bereichsleitung Klinik/MVZ bei dem Praxis-IT-Spezialisten medatixx. Geht es nur um den Zugriff auf die Karteikarte, reicht ein lesender iPad-Zugriff aus. Will der Arzt dagegen uneingeschränkt online arbeiten, ist der Laptop mit gesicherter UMTS-Verbindung unter Umständen die bessere Wahl. Einen klaren Trend sieht Latz bei der Einbindung der Patienten: „Wir stellen auf der conhIT 2015 unsere neue Patienten-App x.patient vor. Sie erlaubt es Patienten, mit ihrer Praxis und mit der Praxissoftware ihres Arztes zu kommunizieren. Je nach Praxis kann ein Patient beispielsweise sichere E-Mail-Nachrichten an seinen Arzt versenden, Folgerezepte bestellen oder sogar eigene Messwerte eingeben, die dann automatisch mit der Karteikarte synchronisiert werden.“ Deutsche Telekom: Mobility als Topthema im stationären Sektor ID – Information und Dokumentation im Gesundheitswesen: Den Daten auf den Fersen Auch Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer Telekom Healthcare Solutions, ist der Auffassung, dass sich bei den Leistungserbringern mittlerweile ein digitales Mindset entwickelt hat, das der weiteren Durchdringung mit Gesundheits-IT-Lösungen förderlich ist: „Es werden immer mehr Themen digital angegangen, etwa das Hygienemanagement. Das ist für jedes Krankenhaus ein wichtiges Thema. Die Deutsche Telekom hat die marktführende Software für die Erfassung von Hygieneprozessen und Hygienemaßnahmen, und wir spüren eine weiter steigende Nachfrage.“ Ein Topthema im stationären Sektor bleibt für Wehmeier die Mobilität: „Wie das aussehen kann, hat die Deutsche Telekom im Knappschaftskrankenhaus Bottrop gezeigt, wo wir auf Basis von iMedOne Mobile Je mehr Daten in medizinischen Einrichtungen digital vorliegen, umso größer wird die Notwendigkeit, sie auch effizient auswerten zu können. Ein Beispiel ist das neue MDK-Verfahren. Das Unternehmen ID will die Kliniken dabei unterstützen: „Krankenhäuser müssen künftig die relevanten Akten innerhalb extrem kleiner Zeitfenster vorlegen. Die Lösung kann nur darin liegen, die Akte vernünftig zu strukturieren und sie mit Hilfe von Freitextanalyse inhaltlich so zu erschließen, dass nicht jedes Dokument einzeln gelesen werden muss“, betont ID-Geschäftsführer Mark Neumann. Doch nicht nur bei MDK-Anfragen kann die Freitextanalytik helfen: „Wir können damit auch codierungsrelevante Informationen wie mit einem Textmarker hervorheben. Das erleichtert die Arbeit enorm. Und es 66 42 N°4 HIMSS Europe würde sich rechnen: Viele Krankenhäuser verschenken Liquidität, weil sie Rechnungen nicht zeitnah stellen.“ Agfa Healthcare: Auf dem Weg zur geschlossenen digitalen Informationskette Dem conhIT-Goldpartner Agfa Healthcare geht es vor allem um einen flüssigen Informationsfluss. Für sein Klinikinformationssystem ORBIS stellt das Unternehmen neue Funktionen und Module vor: „Wir werden unser neues Anästhesiemodul ORBIS AIMS launchen. In Kombination mit ORBIS und dem ORBIS ICU-Manager können wir dann im Versorgungsprozess eine geschlossene digitale Informationskette anbieten, die bis in nachgeordnete Bereiche reicht“, erläutert Michael Strüter, Geschäftsführer und Vertriebsleiter DACH bei Agfa HealthCare. Stärker in den Vordergrund rücken möchte Agfa die klinische Entscheidungsunterstützung. Dafür wurde das Modul ORBIS Experter entwickelt. „Es erlaubt leitenden Ärzten, gemeinsam mit der IT-Abteilung Regeln im KIS zu erstellen, zu validieren und produktiv zu schalten. So kann beispielweise direkt während der Behandlungsdokumentation in der Benutzeroberfläche dargestellt werden, welche weitergehende Dokumentation aufgrund der gerade getätigten Eingabe nötig ist“, so Strüter. Cerner: Der Trend geht hin zu klinischen Funktionen Mit KIS-Innovationen punkten will auch Cerner, das in dieser Form Premiere auf der conhIT feiert. „Wir sehen international eine Dynamik weg von reinen Patientenadministrationssystemen hin zu klinischen Funktionen, Entscheidungs- und Pfadunterstützung sowie Interoperabilität und Vernetzung. In Deutschland gibt es hier noch enormes Potenzial. Durch den Zusammenschluss bringen wir Kompetenzen bei Abrech- 42 N°4 HIMSS Europe nung und Patientenadministration mit klinischer Erfahrung zusammen. Das ist eine große Chance für den Markt“, so Holger Cordes, COO Cerner Europa. Für die Kunden stehe dabei Kontinuität im Vordergrund, unterstreicht Arne Westphal, General Manager Cerner Deutschland: „Wir werden alle Plattformen im deutschen Markt nicht nur erhalten, sondern ausbauen. Daran wird nicht gerüttelt. An der Schnittstelle direkt am Kunden vermeiden wir Wechsel und sorgen dafür, dass die Ansprechpartner möglichst gleich bleiben. Und auch das gesamte Führungsteam steht für die Kunden weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.“ Meierhofer: Kundenzufriedenheit als oberstes strategisches Ziel Für Matthias Meierhofer, den Vorstandsvorsitzenden und Gründer der MEIERHOFER AG, ist die Kundenzufriedenheit im GesundheitsIT-Sektor das Topthema überhaupt: „Als eigentümergeführtes Unternehmen können wir die Kundenzufriedenheit zum obersten strategischen Ziel machen. Das kommt für uns vor Ertrag und Wachstum, und es zieht sich durch die ganze Unternehmensstrategie.“ Dazu gehören nicht nur konstante Ansprechpartner, sondern auch ein enger Kontakt zwischen Entwicklern und Anwendern sowie eine ständige Evaluation der Produkte. Auch in Sachen Innovationspipeline sieht Meierhofer mittelständische Anbieter im Vorteil: “Wir investieren seit Langem jedes Jahr mehrere Millionen Euro in die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Produkte. Dabei kümmern wir uns auch um Themen, bei denen nicht sofort Gewinne abfallen. Die E-Medikation und der Pflegeprozess sind dafür zwei Beispiele. Wir sind überzeugt davon, dass das wichtige strategische Säulen sind, und deswegen entwickeln und investieren wir weiter in diese Themen, auch wenn es sich nicht unmittelbar finanziell auszahlt.“ 67 > > conhIT Gold Partner KLINISCHE DOKUMENTATION: DER KREIS SCHLIESST SICH EINE GROSSE CHANCE FÜR DEN MARKT Klinische Informationssysteme gibt es schon länger. Doch einen geschlossenen digitalen Kreislauf haben viele Krankenhäuser noch nicht realisiert. Wie der Zirkelschluss mit Hilfe von Softwareinnovationen in den Bereichen PDMS, Entscheidungsunterstützung und Mobilität zu erreichen ist, weiß Michael Strüter, Geschäftsführer und Vertriebsleiter DACH bei Agfa HealthCare. der gerade getätigten Eingabe nötig ist. Oder es kann automatisiert bei bestimmten pathologischen Laborwerten ein entsprechender Hinweis erfolgen, ob auf Intensivstation oder Normalstation, ob auf dem Desktop oder einem Mobilgerät. Wo sehen Sie im digitalen Informationskreislauf im Krankenhaus noch Lücken? Große Lücken gibt es bei Patientendatenmanagementsystemen (PDMS), Mobiltät und klinischer Entscheidungsunterstützung. Ein Beispiel: Krankenhäuser verdienen ihr Geld meist mit operativen Eingriffen. Doch wie sieht es mit den angrenzenden Bereichen ICU und Anästhesie aus? Wir werden auf der conhIT 2015 unser neues Anästhesiemodul ORBIS AIMS launchen. In Kombination mit ORBIS und dem ORBIS ICU-Manager können wir dann im Versorgungsprozess eine geschlossene digitale Informationskette anbieten, die bis in nachgeordnete Bereiche reicht und es erlaubt, auch postoperative Prozesse abzubilden, beispielsweise über ein AddOn zur Akutschmerztherapie. Stichwort Mobilität: Schält sich da inzwischen ein Konsens über die beste Herangehensweise heraus? MICHAEL STRÜTER, AGFA HEALTHCARE Konsens weiß ich nicht, aber ich kann sagen, dass wir etwas Lehrgeld bezahlt haben. Wir hatten zu stark auf die iOS-Plattform fokussiert. Viele wollen aber mit Android oder Microsoft arbeiten. Ich denke, das gilt nicht nur für unsere Kunden. Unsere Antwort darauf ist ein kompletter Relaunch der ORBIS Mobile Edition. Die neue Version basiert auf HTML5 und ist damit plattformunabhängig. Wo sind die Vorteile eines solchen geschlossenen Kreislaufs für die Krankenhäuser? Welche Funktionen werden heute von den Ärzten bei mobilen Plattformen erwartet? Die Informationen begleiten den Patienten durch das gesamte Behandlungsgeschehen – von der Notaufnahme in die Anästhesie, den OP, die Intensivstation, auf die normale Station, in die Funktionsstellen bis zur Entlassung und tragen so zu einer besseren Patientenversorgung bei. Auch in der Abrechnung kann aufgrund des holistischen und schnittstellenfreien Ansatzes nichts verloren gehen, die Erlöse bleiben gesichert. Dank ORBIS KIS, ORBIS ICU-Manager und AIMS spielen gewissermaßen der Patient und seine Informationen auf den Ackerfurchen der Versorgungsbereiche Hase und Igel: Immer wenn der Patient irgendwo ankommt, sind seine Daten schon da. Mehr als wir anfangs dachten. Deswegen werden wir die Funktionalitäten deutlich ausweiten. Wir bieten nicht nur lesenden Zugriff auf Dokumentation, Leistungen, Röntgenbilder und Abschnitte der Fieberkurve, sondern auch schreibenden Zugriff, zum Beispiel bei Vitalparametern, Auftragswesen, Konsilfunktionen und auch bei der Fotodokumentation. Insgesamt bleiben wir bei unserem holistischen Ansatz, der anstrebt, alle Informationen zur Behandlung in einem System abzubilden, statt viele Systeme zusammenzuschalten und damit vermeidbare Schwierigkeiten zu produzieren. Wie sieht es mit der Auswertung dieser Daten aus? Die lässt sich dann auch ganz anders angehen, etwa mit einer klinischen Entscheidungsunterstützung. Unser neuer ORBIS Experter erlaubt es leitenden Ärzten, gemeinsam mit der IT-Abteilung Regeln im KIS zu erstellen, zu validieren und produktiv zu schalten mit dem Ziel, die Versorgungsqualität zu steigern bzw. den Mitarbeitern bei der Erstellung einer vollständigen Falldokumentation behilflich zu sein. So kann direkt während der Behandlungsdokumentation in der Benutzeroberfläche dargestellt werden, welche weitergehende Dokumentation aufgrund 68 conhIT Gold Partner Die Übernahme der Healthcare-IT-Sparte von Siemens durch den Cerner-Konzern war eines der großen Branchenthemen in den letzten Monaten. Holger Cordes, COO Cerner Europa, und Arne Westphal, General Manager Cerner Deutschland, sehen in der Fusion große Chancen für die Kunden und den deutschen Healthcare-IT-Markt. Cordes: Mit der Fusion schließen sich zwei erfolgreiche Unternehmen mit komplementären Stärken zusammen. Wir sehen international eine Dynamik weg von reinen Patientenadministrations systemen hin zu klinischen Funktionen, Entscheidungs- und Pfadunterstützung sowie zu Interoperabilität und sektorenübergreifender Vernetzung. In HOLGER CORDES, Deutschland gibt es hier noch enormes CERNER Potenzial. Durch den Zusammenschluss bringen wir Kompetenzen bei der Abrechnung und der Patientenadministration mit klinischer Erfahrung zusammen. Das ist eine große Chance für den gesamten Markt. Cerner ist jetzt mit mehreren Plattformen im hiesigen Markt vertreten. Wie ist die Produktstrategie? Cordes: Die Diskussionen, die es an dieser Stelle gibt, sind völlig unbegründet. Wir haben klargestellt, dass wir alle Plattformen im deutschen Markt nicht nur erhalten, sondern ausbauen werden. Daran wird nicht gerüttelt. Die Strategie wird sein, die klinische Kompetenz, die Cerner aus den internationalen Märkten mitbringt, auf die verschiedenen Plattformen anzuwenden. Werden sich bei Vertrieb und Support bzw. Ansprechpartnern Änderungen für die Kunden ergeben? Westphal: Die wichtigste Schnittstelle für ein Gesundheits-IT-Unternehmen ist die direkt am Kunden. Dort vermeiden wir Wechsel und sorgen dafür, dass die Ansprechpartner möglichst gleich bleiben. Auch das gesamte Führungsteam steht für die Kunden weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung. Wie werden die Cerner-Kunden konkret von den internationalen Lösungen profitieren? Agfa HealthCare GmbH Martina Götz [email protected] www.agfahealthcare.com +49 (0)228 26 68 47 10 Cordes: Sie profitieren vor allem davon, dass wir mehr klinische Innovation in den deutschen Markt bringen werden. Nur ein Beispiel: Ein Cerner-Kunde in Spanien, das Krankenhaus Marina Salud in Denia, wurde kürzlich als erstes Haus in Europa mit dem prestigeträchtigen 42 N°4 HIMSS Europe Davies Award der Organisation HIMSS ausgezeichnet. Der Award wird für eine Verbesserung der klinischen Prozesse und Ergebnisqualität durch den Einsatz von IT verliehen. Wir sind überzeugt davon, dass solche Erfolge auch in Deutschland möglich sind. Davon profitieren die Kunden massiv. Worin bestehen die Chancen dieser Fusion für den deutschsprachigen Markt? 42 N°4 HIMSS Europe ARNE WESTPHAL, CERNER Cerner und Siemens werden in einer Entwicklungspartnerschaft kooperieren. Wie sieht die aus? Westphal: Die Zukunft der Health care-IT ist die intelligente Integration und Nutzung digitaler Daten für eine optimierte Entscheidungsunterstützung und Prozesssteuerung. Eine reibungslose Integration von Medizintechnik und Krankenhaus-IT ist dabei ein entscheidender Faktor, die komplementären Stärken von Cerner und Siemens Healthcare bieten hier eine geradezu ideale Chance. In diesem Kontext werden wir gemeinsam mit unseren Kunden Potenziale identifizieren. Wie wird sich Cerner bei der conhIT 2015 präsentieren? Westphal: Die conhIT ist für Cerner ein wichtiger Ort, um sich in der neuen Form darzustellen. Eines der Highlights wird unser Smartroom sein, in dem wir die Integration von Medizintechnik auf der Intensivstation demonstrieren – auch um zu illustrieren, wo beim Thema Interkonnektivität die Reise hingehen kann. Ansonsten zeigen wir eine ganze Reihe von Verbesserungen in unterschiedlichen Produktlinien, etwa bei der digitalen Kurve oder im Pflegeprozessmanagement. Kontinuität ist auch hier erneut das Stichwort: Wer zu uns kommt, wird nicht nur viele bekannte Gesichter sehen. Natürlich treffen wir uns auch wieder am altbekannten Currywurst-Stand. Cerner Deutschland Rebecca Stappen [email protected] +49 (0)9131 916 71-29 39 69 > > conhIT Gold Partner SEMANTISCHE FREITEXTANALYSE: PROZESSE OPTIMIEREN MIT TERMINOLOGIESERVERN TELEMATIK BRAUCHT „MEHR-WERTE“ FÜR ÄRZTE UND PATIENTEN Im Jahr 2015 werden die Weichen für das digitale Gesundheitswesen in Deutschland gestellt. Auf welche Anwendungen Ärzte und Patienten warten, ist für Uwe Eibich, Vorstandsvorsitzender der CompuGroup Medical Deutschland AG, kein Geheimnis. Richtig. Deswegen sind die Mehrwertanwendungen der zentrale Erfolgsfaktor für die eGK. Die sind bei Ärzten auch nicht umstritten, das sehen wir jeden Tag. Unser Zuweiserportal JESAJA.NET vernetzt schon heute über 5.500 Arztpraxen mit Krankenhäusern in rund 100 Projekten. Das persönliche Arzneimittelkonto für ältere Mitbürger in Nordrhein-Westfalen unterstützt Ärzte und ihre Patienten beim Thema Multimedikation und funktioniert gut. Und im Arztnetz „Gesundes Kinzigtal“ haben wir gemeinsam mit den Ärzten digitale Versorgungspfade implementiert, die rege genutzt werden. Was können Praxis-IT-Hersteller leisten, um bei der intersektoralen Kommunikation voranzukommen? Die IT-Industrie hat die Lösungen längst im Köcher. In Dänemark werden nahezu 100 Prozent der Krankenhauseinweisungen und Rezepte digital übermittelt. In Schweden ist das ähnlich, und in Österreich werden künftig Leistungserbringer flächendecken vernetzt. Auch in Deutschland gibt es vom e-Arztbrief bis hin zur digitalen Therapieunterstützung viele erprobte Anwendungen. Die Frage ist, wie wir das, was existiert, in die Fläche und zu den Anwendern bringen. Woran hapert es? UWE EIBICH, COMPUGROUP MEDICAL DEUTSCHLAND AG Wir brauchen die Unterstützung der Politik bei der Realisierung der Telematik-Infrastruktur. Themen sind hier die Finanzierung des Online-Rollouts und eine Versachlichung der Datenschutzdiskussionen. Zudem gibt es Regelungsbedarf bei der Vergütung. Ärzte und Kliniken müssen Spaß daran haben, zu investieren. Wenn für einen Arztbrief auf Papier mehr Geld bezahlt wird als für das elektronische Pendant, muss sich niemand wundern, wenn die Umsetzung zu wünschen übrig lässt. Was ist mit der Einbindung der Patienten? Patientenfokussierung wird immer wichtiger. Auch das ist Alltagserfahrung. Unsere CGM LIFE eSERVICES erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Der Renner ist für viele Patienten die bequeme Anforderung von Folgerezepten. Dafür haben sich mittlerweile über 300.000 Patienten über rund 3.500 Arztpraxen mit einer persönlichen CGM LIFE Gesundheitsakte registriert. Und es werden jede Woche mehr. Nochmal: Die digitale Vernetzung wird gewollt. Was wir jetzt brauchen, sind die richtigen Rahmenbedingungen, damit alle flächendeckend von solchen Anwendungen profitieren. Die CompuGroup Medical ist beim Aufbau der Telematik-Infrastruktur einer von 9 Projektträgern und in der Testregion Nordwest zuständig für die Ansprache der Leistungserbringer. Sind Sie startklar? Wir haben die wichtigsten Hürden genommen. Ärzte, Zahnärzte, Kliniken und Psychotherapeuten stehen bereit. Wir haben viele neue Produkte entwickelt und angepasst und betreiben das Netzwerk und den Zugangsdienst. Die Infrastruktur kann im zweiten Halbjahr in Betrieb gehen. Kürzlich haben wir gezeigt, dass das Versichertenstammdatenupdate auf der eGK mit einer Krankenkasse unter Live-Bedingungen bestens funktioniert. Auf der conhIT 2015 werden wir das Zusammenspiel von Kartenterminal, Konnektor und Arztinformationssystem demonstrieren. Ärztliche Akzeptanz lässt sich allein mit dem Online-Rollout nicht gewinnen… 70 conhIT Gold Partner Terminologien und Terminologieserver sind in aller Munde. Aber sind sie für ein Krankenhaus wirklich schon ein Thema? Mark Neumann, Mitglied der Geschäftsführung bei der ID – Information und Dokumentation im Gesundheitswesen GmbH, sieht in den wachsenden Anforderungen an Codierung und Dokumentationsqualität einen wichtigen Grund, sich genauer mit der Freitextanalyse und damit dem Thema Terminologieserver zu befassen. Freitextanalyse inhaltlich so zu erschließen, dass nicht jedes gescannte Dokument einzeln durchgelesen werden muss. Die Freitextverarbeitung im medizinischen Kontext auf Basis von Terminologien ist nicht ganz neu. Warum werden solche Techniken noch nicht flächendeckend eingesetzt? Das lohnt sich nur für die MDK-Anfragen? In der Tat beschäftigen wir uns damit schon Nein, grundsätzlich auch schon vorher, direkt über 20 Jahre. Wir haben die Basistechnologien beim Codieren: Mit Hilfe der Freitextanalyse werursprünglich für die semantische Beschreibung den in einer Akte codierungsrelevante Informationen wie mit einem Textmarker hervorgehoben. klinischer Inhalte entwickelt und darauf aufbauend ein umfassendes semantisches Netz mit eiDas erleichtert die Arbeit enorm. Und es würde ner Vielzahl von Terminologieserverdiensten gesich rechnen: Viele Krankenhäuser verschenken schaffen, um den Content aus der Wissensbasis Liquidität, weil sie Rechnungen nicht zeitnah für verschiedene Anwendungsfälle zur Verfüstellen. Darüber hinaus ist eine automatisierte gung zu stellen. Nachdem die Digitalisierung der Dokumentenanalyse möglich, etwa für VersorMedizin voranschreitet, ist auch die Freitextanagungsforschung oder klinische Studien. MARK NEUMANN, ID lyse aktueller denn je. Wie lässt sich eine digitaWelche Voraussetzungen müssen Kunle Dokumentation so erschließen, dass man die Inhalte, die man sucht, auch findet? Das ist die den bzw. IT-Unternehmen erfüllen, um Kernfrage, und sie ist medizinisch und auch erlöstechnisch relevant. praxistaugliche Lösungen für die Freitextanalyse nutzen bzw. anbieten zu können? Inwiefern? Ein gutes Beispiel ist das MDK-Verfahren, das vielen Krankenhäusern derzeit auf den Nägeln brennt. Geplant ist, die Krankenhäuser dazu zu verpflichten, bei MDK-Anfragen die relevanten Akten innerhalb extrem kleiner Zeitfenster in einem Zustand vorzulegen, der es ermöglicht, den Fall abzuschließen. Die Lösung kann aus unserer Sicht nur darin liegen, die Akte erstens vernünftig zu strukturieren und zweitens mit Hilfe von Digitale Patientenakte Diagnosen Prozeduren Medikamente Einlesen der klinischen Dokumente Arztbrief, OP-Bericht, Anamnese, ... Suche in der Klassifikation Auf Kundenseite ist ein KIS mit leistungsfähigen Schnittstellen zu ID DIACOS® nötig, für den lückenlosen und redundanzfreien Abgleich mit bereits erfassten Diagnosen und Prozeduren. Dazu kommt ein entsprechender Digitalisierungsprozess in Ergänzung zur elektronischen Patientenakte. Hierbei haben wir uns mit DMI auf einen Partner festgelegt, der schon die Digitalisierung mit einer semantischen Indexierung verbindet, die anschließend genau die angesprochenen Freitextanalysen erlaubt. Letztendlich beherrscht ID die gesamte Verarbeitungspipeline – als organisch gewachsenes Know-how mit nativem deutschem Ansatz und nicht nur als Adaption des US-Marktes oder als isoliertes Forschungsprojekt. Wir sehen darin einen relevanten Vorteil für unsere Kunden. Identifikation codierrelevanter Abschnitte Generierung von Code-Vorschlägen für die Abrechnung MDKPrüfanzeige Abgleich mit der vorhandenen Dokumentation CompuGroup Medical Deutschland AG Jürgen Veit [email protected] www.cgm.com/de +49 (0)261 80 00 15 21 Archiv/ Archivdienstleister Markieren der Belegstellen in der digitalen Akte für die Bearbeitung von Prüfanzeigen Steigerung von Effizienz und Effektivität 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe ID GmbH & Co. KGaA Sven Hoffmann [email protected] www.id-berlin.de +49 (0)30 246 26 0 71 > > conhIT Gold Partner MOBILE LÖSUNGEN FÜR PRAXEN, MVZ UND KLINIKAMBULANZEN Nicht nur im stationären Umfeld, auch bei ambulanten medizinischen Einrichtungen sind mobile Lösungen auf dem Vormarsch. Michael Latz, Bereichsleitung Klinik/MVZ bei dem Praxis-IT-Spezialisten medatixx, empfiehlt, bei mobilen Szenarien den individuellen Anwendungsfall im Auge zu behalten, damit Akzeptanz erreicht wird. Auch eine Einbindung des Patienten ist möglich. Wie groß ist das Interesse an mobilen Lösungen in Praxen, MVZ und Klinikambulanzen? unsere Lösung automatisch von zu Hause aus mit der Praxisinfrastruktur verbindet, sobald sie gestartet wird. Der Wunsch nach mobilen Lösungen ist ohne Zweifel vorhanden. Wer solche Lösungen Ist der mobile Zugriff auf Praxis-IT- nutzen will, sollte sich allerdings zuerst über Systeme sicher? Ja. Abgesehen von der Transportverschlüsseden individuellen Anwendungsfall im Klaren lung via HTTPS arbeiten wir zusätzlich mit einer sein, um nachher nicht eine mobile Lösung sogenannten Paket-Verschlüsselung (AES 256). zu erwerben, die dann nicht genutzt wird Darüber hinaus verbleiben bei unseren mobilen oder nicht passt. Eine typische Anwendung Lösungen keine Daten auf dem mobilen Client. im niedergelassenen Bereich ist der Hausarzt Es gibt immer noch Anbieter, die das anders beim Hausbesuch: Will er nur auf die machen. Aber aus unserer Sicht ist das nicht Karteikarte zugreifen? Will er auch Rezepte mehr zeitgemäß. drucken? Will er gar völlig uneingeschränkt online mit seinem AIS arbeiten? Das sind MICHAEL LATZ, MEDATIXX wichtige Fragen. Im ersten Fall reicht vielleicht Und wann wird der Patient mobil ein ein lesender iPad-Zugriff, im letzteren Fall ist gebunden? der Laptop mit gesicherter UMTS-Verbindung Jetzt. Wir stellen auf der conhIT 2015 unsere unter Umständen die bessere Wahl – sofern die Verfügbarkeit des neue Patienten-App x.patient vor. Sie erlaubt es Patienten, mit ihrer Mobilfunknetzes gewährleistet ist. Praxis und mit der Praxissoftware ihres Arztes zu kommunizieren. Der Patient lädt sich die App herunter und wird vom Arzt einmalig freiWie sieht es in Klinikambulanzen aus? geschaltet. Danach kann er je nach Praxis beispielsweise sichere Dort wäre ein typischer Anwendungsfall der Arzt, der in unterschiedE-Mail-Nachrichten an seinen Arzt versenden, Folgerezepte bestellen lichen Räumen beziehungsweise in unterschiedlichen Ambulanzen oder sogar eigene Messwerte eingeben, die dann automatisch mit der Karteikarte synchronisiert werden. Für unsere innovative Hybrid-Softarbeitet. Hier reicht oft eine iPad- oder sogar iPhone-Lösung, da es vor allem um den lesenden Zugriff und weniger um die mobile Dokuware medatixx werden in einem nächsten Schritt bei neu eingehenden mentation geht. Laborwerten Push-Mitteilungen auf dem mobilen Gerät angezeigt. Es bleibt spannend. Wie nähert sich ein Praxis-IT-Hersteller diesen unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen? Wir bieten für unsere Praxislösungen x.isynet und x.concept, für die MVZ- und Klinikambulanzlösung x.vianova und für unsere neue Software „medatixx“ jeweils ein Spektrum mobiler Lösungen an, um die Bedürfnisse individuell abdecken zu können. Wer mit einem etwas reduzierten Funktionsumfang in mobilen Szenarien leben kann, für den sind unsere Apps optimal. Wer dagegen unterwegs den kompletten Funktionsumfang der Praxis-IT zur Verfügung haben möchte, auch beispielsweise Arztbrieferstellung und Abrechnungsfunktionen, der ist mit einem Laptop besser bedient. Die Einwahl erfolgt entweder über das Heimnetz oder im mobilen Szenario über UMTS. Das kann mittlerweile sehr komfortabel umgesetzt werden, zum Beispiel, indem sich 72 conhIT Gold Partner KRANKENHAUS-IT: MITTELSTAND ALS STABILITÄTSFAKTOR Im Jahr 2014 gab es im Markt für Krankenhaus-IT einige Erschütterungen, die vor allem Kunden größerer Konzerne zu spüren bekamen. Matthias Meierhofer, Vorstandsvorsitzender und Gründer der MEIERHOFER AG, sieht viele Vorteile für Kliniken, die bei ihrer IT-Infrastruktur auf eigentümergeführte, mittelständische Unternehmen vertrauen. nur über Konzerne abgewickelt werden kann, zumindest nicht so lange diejenigen, die die Technologie nutzen, quasi selbst Mittelständler sind. Das mag bei Klinikketten oder großen Universitätskliniken anders sein. Im Übrigen gibt es ja auch die Möglichkeit, Kooperationen mit spezialisierten Anbietern einzugehen. So haben wir mit der RZV GmbH schon seit Jahren einen Kooperationspartner, der sich auf IT-Dienstleistungen im SAP-Umfeld spezialisiert hat. Das ist eine Kooperation auf Augenhöhe. Wir hängen nicht am Rockzipfel eines Konzerns. Entsprechend kundenfreundlich sind die Lösungen, die dabei herauskommen. Was spricht für ein eigentümergeführtes Unternehmen als Partner für die Krankenhaus-IT? Auf Unternehmensebene ist der Vorteil ganz klar die höhere Stabilität. Wer als Klinikum ein neues KIS einführt, legt sich damit auf Jahre fest. Konzerne, die den Shareholder Value im Auge haben müssen, denken oft nicht in so langen Zeiträumen. Ein Unternehmen wie die MEIERHOFER AG, für die Gesundheits-IT das Kerngeschäft ist, kann nicht einfach den Markt wechseln, wenn der Return on Investment nicht stimmt. Wir bleiben am Ball, und das bedeutet Stabilität und Berechenbarkeit. Verfügen internationale Konzerne nicht über mehr Mittel für innovative Entwicklungen? MATTHIAS MEIERHOFER, MEIERHOFER AG Das ist dann die zweite Ebene, die Produktebene. Natürlich können Konzerne eher als Mittelständler riesige Investitionsprogramme stemmen. Die Frage ist, wie viel davon beim Kunden in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ankommt. Von einem teuren Entwicklungsprogramm, für das an anderen Stellen gespart wird und das dann bei einem Eigentümerwechsel wieder in Frage gestellt wird, hat der Kunde wenig. Das ist bei Mittelständlern anders. Wir investieren seit Langem jedes Jahr mehrere Millionen Euro in die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Produkte. Dabei kümmern wir uns auch um Themen, bei denen nicht sofort Gewinne abfallen. Die E-Medikation und der Pflegeprozess sind dafür zwei Beispiele. Wir sind überzeugt davon, dass das wichtige strategische Säulen sind, und deswegen entwickeln und investieren wir weiter in diese Themen, auch wenn es sich nicht unmittelbar finanziell auszahlt. Als Mittelständler geht das. Die Anforderungen an Krankenhaus-IT-Lösungen werden komplexer. Wie können eigentümergeführte Unternehmen bei Themen wie Security oder Cloud-Diensten am Puls der Zeit bleiben? medatixx GmbH & Co. KG Monika Nolte [email protected] www.medatixx.de +49 (0)261 95 23 723 Die Argumentation, dass komplexe IT-Anforderungen nur von Konzernen bewältigt werden könnten, kommt alle paar Jahre wieder hoch. Bisher hat sich das nicht bewahrheitet. Ich persönlich glaube nicht, dass die Gesundheits-IT so kompliziert ist, dass sie 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe Ist die Zufriedenheit bei den Kunden eigentümergeführter Unternehmen höher? Ich würde es anders herum ausdrücken: Als eigentümergeführtes Unternehmen können wir die Kundenzufriedenheit zum obersten strategischen Ziel machen. Das kommt für uns vor Ertrag und Wachstum, und es zieht sich durch die ganze Unternehmensstrategie. Wir sorgen für einheitliche und konstante Ansprechpartner. Wir bringen unsere Entwickler in engen Kontakt mit den Anwendern, um deren Bedürfnisse optimal zu erkennen. Wir evaluieren ständig unsere Produkte. Das alles erhöht mittelfristig die Kundenzufriedenheit und sorgt für bessere, nutzerfreundliche Lösungen. MEIERHOFER AG Inga Twarok [email protected] www.meierhofer.de +49 (0)89 44 23 16-0 73 > conhIT Gold Partner DIGITALES MINDSET ASCOM MYCO BRINGT DIE MOBILE REVOLUTION IN DIE PFLEGE Die Feldtests für die Telematikinfrastruktur stehen an. Das E-Health-Gesetz räumt Bremsklötze beiseite. Krankenhäuser müssen Mobilität und intersektorale Kommunikation adressieren und Entwicklungen wie Cloud Services und Big Data Analytics im Auge behalten. Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer Telekom Healthcare Solutions, skizziert Chancen und Trends. Ascom Myco wurde auf die Bedürfnisse von Pflegekräften zugeschnitten, angefangen bei Größe und Gewicht über Belastbarkeit bis hin zur Darstellung der Informationen und dem Management klinischer Arbeitsabläufe. marktführende Software für die Erfassung von Hygieneprozessen und Hygienemaßnahmen, und wir spüren eine weiter steigende Nach frage. In Sachsen haben wir kürzlich landesweit Labore an das System angeschlossen, die ihre Daten elektronisch ans Robert Koch Institut übermitteln. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Klinikthemen zunehmend digital abgebildet und gemanagt werden. Der Entwurf des E-Health-Gesetzes liegt vor. Kann die eGK jetzt zügig kommen? Die elektronische Gesundheitskarte ist ja bereits da. Es geht jetzt darum, sie sinnvoll zu nutzen. Dass das E-Health-Gesetz einen Fahrplan formuliert, mit dem der Online-Rollout auf Mitte 2016 gesetzt wird, begrüßen wir. Das gibt Planungssicherheit. Trotzdem ist der Gesetzentwurf nicht hinreichend. Bei der finanziellen Förderung von Parallelnetzen ist einiges unklar. Auch beim Medikationsplan hätte man entschlossener sei können. Ein Plan aus Papier fördert nicht digitale Infrastrukturen. Schließlich halten wir den Gesetzentwurf im Hinblick auf die Interoperabilität für unzureichend. So wie er jetzt formuliert ist, entwickelt jeder Bereich eigene Schnittstellen. Das kann nicht sinnvoll sein. Inwieweit ist die Einbindung von Patienten in Kliniknetze denkbar oder bereits umsetzbar? Wo sehen Sie spannende IT-Trends im stationären Bereich, die es im Auge zu behalten gilt? Mobilität ist weiterhin ein Topthema für den stationären Sektor. Wie das aussehen kann, hat die Deutsche Telekom im Knappschaftskrankenhaus Bottrop gezeigt, wo wir auf Basis von iMedOne Mobile einrichtungsweit die mobile Visite eingeführt haben. Dabei werden KIS-Daten aufs iPad übertragen, und Aufträge werden mobil ausgelöst. Davon profitieren Ärzte, Pfleger, Verwaltung und natürlich auch die Patienten, weil die Ärzte mehr Zeit für die Visite haben und Krankheitsbilder auf dem Tablet besser erklären können. Die Cloud ist ein anderes Zukunftsthema, das in Deutschland bisher nur in Ansätzen entwickelt ist. Sie wird vor allem bei der Archivierung wichtiger werden. Hier haben wir das Problem, das die Datenschutzbestimmungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Das muss sich dringend ändern. Der dritte Bereich, wo wir trotz begrenzter IT-Budgets der Krankenhäuser von einer wachsenden Nachfrage ausgehen, ist der Bereich Analytics. Hat sich in den Krankenhäusern mittlerweile eine Art „digitales Mindset“ entwickelt? Das kann man schon sagen, ja. Es werden immer mehr Themen digital angegangen. Ein Beispiel ist das Hygienemanagement. Das ist für jedes Krankenhaus ein wichtiges Thema. Die Deutsche Telekom hat die 74 Das wird kommen, aber wir sind da noch im Frühstadium. Natürlich gibt es Kliniken, die versuchen, Patienten digital anzubinden. Aber das ist noch eher ein Marketingthema. Die Schnittstelle Patient ist in KI-Systemen einfach noch nicht vorgesehen. Das merkt man schon daran, wie umständlich es ist, wenn ein Patient die ihm gesetzlich zustehende digitale Abschrift der Akte tatsächlich einfordert. DR. AXEL WEHMEIER, TELEKOM HEALTHCARE SOLUTIONS Was sind neben der eGK wichtige E-Health-Themen im ambulanten Bereich? Sektorübergreifende Vernetzung und Mobilität sind auch hier wichtige Themen. Bei der Vernetzung haben die regionalen Netze eine Schrittmacherfunktion. Telehealth Ost-Sachsen ist ein gutes Beispiel, wie so etwas als offene Plattform, nicht als neue Insellösung, gestaltet werden kann. Wir zeigen dort mit Partnern, wie mit Tablets die Delegation medizinischer Leistungen effektiver gestaltet werden kann. Was noch fehlt, ist die Brücke zwischen den Apps und dem regulierten Bereich, sprich der Patientenakte. Auch deswegen muss die elektronische Patientenakte wieder auf die Tagesordnung. Deutsche Telekom AG Dirk Becker [email protected] www.telekom-healthcare.com +49 (0)228 18 19 45 38 42 N°4 HIMSS Europe Ascom Wireless Solutions, ein weltweit vertretener Anbieter von missionskritischen Kommunikationssystemen, hat mit der Markteinführung des neuen Ascom Myco eine Revolution in den Arbeitsabläufen von Pflegekräften eingeläutet. Es ist das erste Gerät, bei dem die Pflegekräfte und Patienten im Mittelpunkt stehen. Es verfügt über einzigartige Funktionen, die den Arbeitsalltag der Pflegekräfte vereinfachen, die Effizienz steigern und mehr Zeit für die Pflege am Patientenbett schaffen. Ascom Myco ist das Ergebnis umfangreicher Recherchen über die Arbeitsweise der Pflegekräfte, von der Interaktion mit Patienten und anderen Kollegen bis hin zu Informationsflüssen und missionskritischer Kommunikation. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in das Design des Ascom Myco Smartphone und der Benutzeroberfläche ein. Die Recherche-Ergebnisse zeigten, dass ein großes Problem in der Arbeitsumgebung einer Pflegekraft der Stress ist. Linnea Fogelmark, Portfolio Experience Designer bei Ascom, erläuterte die Vorteile des benutzerzentrierten Designs: „Wir möchten, dass Pflegekräfte weniger Zeit für die Technologie aufwenden müssen, damit sie mehr Zeit für den Patienten haben. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir eine komplett neue Anzeigemethode für Informationen, die wir die patientenzentrierte Benutzeroberfläche nennen. Mit Ascom Myco sieht die Pflegekraft auf dem Startbildschirm sofort, welche Patienten ihr zugewiesen sind und welche ihre besondere Aufmerksamkeit erfordern.“ Ascom fand zudem heraus, dass auch die Alarmmüdigkeit zu den größten Problemen in der Arbeitsumgebung einer Pflegekraft zählt. Ascom Myco stellt sicher, dass der richtige Alarm direkt an die verantwortliche Pflegekraft gesendet wird. Ein einzigartiges Top-Display zeigt an, um welchen Alarmtyp es sich handelt, woher der Alarm stammt und wie wichtig dieser ist. Ellen Österdahl, Lead Experience Designer für Ascom Myco: „Wir waren ziemlich schockiert, als wir die Flut an Alarmen, denen Pflegekräfte ausgesetzt sind, und das Ausmaß der Alarmmüdigkeit sahen. Nicht jede Pflegekraft muss sich auf jeden Alarm konzentrieren, der in ihrer Umgebung ausgelöst wird. Auf dem 42 N°4 HIMSS Europe Top-Display des Ascom Myco wird die Pflegekraft auf diskrete Weise informiert. So kann sie mit einem Blick auf das Gerät sofort erkennen, was geschehen ist und wie sie reagieren muss.“ Ascom Myco trägt auch zur Entlastung der Stationsleitung bei. In Verbindung mit der Ascom Unite Middleware erweitert das Smartphone die Reichweite vorhandener Systeme für den Krankenhausbetrieb, indem zeitkritische Informationen, direkt an das Mobilgerät der Pflegekraft weitergeleitet werden. Die Middleware verfügt über ein Modul für die Patientenzuweisung, mit dem die Stationsleitung den Pflegekräften ganz einfach Patienten zuweisen und eine automatische Eskalationskette aus zwei oder drei Pflegekräften festlegen kann, die auf die Alarme reagieren müssen. Das Ascom Myco Smartphone verfügt über ein robustes Design, das den physischen und hygienischen Anforderungen der Kranken hausumgebung standhält. Dank seiner Benutzerfreundlichkeit und der zahlreichen Funktionen für die Entscheidungshilfe und das Patientenmanagement erweist sich Ascom Myco als unentbehrlicher Begleiter der Pflegekraft. Mwila Kapema, Product Marketer bei Ascom: „Das Smartphone verfügt über eine viel längere Betriebsdauer als ein typisches verbraucherorientiertes Gerät, da es 24 Stunden pro Tag einsatzbereit ist und von Schicht zu Schicht weitergereicht werden kann. Die Lebensdauer des Ascom Myco ist auch um Jahre länger als die eines verbraucherorientierten Geräts, was dem Krankenhaus eine gute Investitionsrendite verschafft.“ Ascom Wireless Solutions Oliver Laube [email protected] www.ascommyco.com +49 (0)69 5800 574 00 75 30 PROZENT MEHR PERFORMANCE DANK SCHNELLEM SPEICHERSYSTEM Im Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in Stadtlohn musste ein neues Speichersystem her. Es sollte zukunfts- und ausbaufähig, schnell und bezahlbar sein, um auch dem neuen ECM-System von OPTIMAL SYSTEMS ausreichend Platz zu bieten. Die Wahl fiel auf HP 3PAR. Das Krankenhaus Stadtlohn ist eine kapazitäten sofort wieder verfügbar Einrichtung der Stiftung Maria Hilf macht und kleinere Volumes flexibler Größe ermöglicht. So wird insgesamt Stadtlohn mit vielfältigen Leistungen die Speicherkapazität besser ausge(siehe Kasten) und rund 750 nutzt. Außerdem ist das System erMitarbeitern. Zur Stiftung gehören heblich performanter. weitere Einrichtungen, zum Beispiel Ein weiterer Pluspunkt lag in der ein Seniorenheim, ein Hospiz, ein Preisflexibilität des Partners Netgo, medizinisches Versorgungszentrum, eines Borkener Systemhauses, woeine Einrichtung des betreuten durch die Lösung im Vergleich mit Wohnens und ein Physiozentrum. dem evaluierten Konkurrenzprodukt 2014 erreichte die seit 2007 vom bei den Gesamtkosten über die volle Klinikum Maria Hilf verwendete HP 3PAR StoreServ 7000 Storage Nutzungszeit punkten konnte. SchließSpeicherlösung, eine HP EVA 4000 lich ergaben sich Vorteile bei der mit 15 TByte Kapazität, das Ende ihrer Lebensdauer. Eine neue Lösung musste also her, die die betagte Abwicklung. So lieferte HP-Partner Netgo das HP 3PAR-Speicher Anlage ersetzen würde. Zur Überbrückung mietete IT-Leiter Bernd system komplett vorkonfiguriert. Die Datenmigration war bereits Schwietering ein Mini-NAS-System an. im Gesamtpreis enthalten und erfolgte bei laufendem Betrieb. Zwei Dann begann die Suche nach dem neuen System. Neben HP 3PAR Schulungstage reichten, um das Fachpersonal in den Umgang mit wurde ein weiterer Anbieter evaluiert. Als erstes berechnete Schwiedem System einzuweisen. Der gesamte Aufbau bis zur Inbetriebnahme tering, wie groß die Kapazität einer Nachfolgelösung sein müsste. dauerte nur zwei Tage. Nach drei Tagen Testbetrieb, ebenfalls eine Nachdem das bisherige Datenvolumen von 15 TByte bereinigt worden Aufgabe von Netgo, war klar, dass alles wie gewünscht laufen würde. war, ergab sich ein erforderliches Datenvolumen von 10 TByte für die geplante Standzeit von fünf Jahren, sofern die neue Lösung die KapaHochverfügbarkeit und optimale Kapazitätsauslastung Inzwischen arbeitet die Lösung mit 10 TByte Speicherkapazität seit zitäten des neuen Systems optimal ausnutzte. knapp einem Jahr. Im Detail stecken derzeit in der Lösung 36 x 900 GB, Fachkundiger Support vom Experten steht obenan 10k SAS Disk pro Speichersystem. Auf der HP 3PAR 7200 laufen Am Ende machte die HP mit der 3PAR 7200 das Rennen. Dafür gab es gut 40 Server mit allen operativen Anwendungen – angefangen vom mehrere Gründe. So war das Klinikum mit den Service- und Support KIS (Krankenhaus-Informationssystem) über das Apotheken-Online leistungen von HP sowie mit der Qualität des Vorproduktes EVA 4000 bestellsystem, die Radiologie-, Labor- und Endoskopiedaten, Daten des ebenfalls zur Stiftung gehörenden Seniorenheims und des Medisehr zufrieden gewesen. „Uns ist wichtig, dass man immer geschultes und deutschsprachiges Personal am Apparat hat, wenn Fragen zu klären zinischen Versorgungszentrums, auch Daten von Verwaltung, Küche sind oder eine Störung auftritt“, sagt Schwietering. Beim evaluierten oder Risikomanagement sowie die Daten der IT lagern auf den zwei Mitbewerber war dies nicht garantiert – dieser verlagert die Service in zwei unterschiedlichen Brandabschnitten installierten, redundanten erbringung rund um die Uhr nach dem „Follow the Sun“-Prinzip in ferne HP 3PAR-7200-Maschinen mit jeweils 10 TByte Speicherkapazität, die Weltgegenden, wo das Personal am Telefon nur gebrochen Deutsch durch synchrone Replikation zu einer Hot-Standby-Konfiguration mitspricht. „Wir wollten deshalb eigentlich gern bei HP bleiben“, betont einander verbunden sind. Michael Saffé, der als Geschäftsführer des Klinikums das letzte Wort Im selben zeitlichen Umfeld führte das Krankenhaus auch die ECM über die Anschaffung hatte. (Enterprise Content Management)-Software des Berliner Software Neben dem Service trugen die technischen Vorteile der 3PARhauses OPTIMAL SYSTEMS ein. Sie löst das bisher bestehende Lösung dazu bei, dass es letztlich so kam: So bietet HP 3PAR mit Thin Papierarchiv ab und übernimmt alle Patienten- und Behandlungsdaten Conversion Software einen Mechanismus an, der freie Speicher entweder aus dem KIS oder aus der Patientenverwaltung SAP IS-H. Patientendaten aus dem KIS werden automatisch der richtigen Akte hinzugefügt. Auch Office-Dokumente werden mit dem ECM verwaltet und auf dem 3PAR-Speichersystem hinterlegt. Die Software konvertiert alle Dokumente automatisch in ein langlebiges Standardformat und bindet über integrierte Workflows auch Geschäftsprozesse wie automatischen Rechnungseingang oder Freigaben mit ein. Bei der Kapazitätsplanung musste diese Lösung, die für den Arbeitsablauf im Krankenhaus sehr wichtig ist, besonders berücksichtigt werden. Durch die zwei installierten Speicherysteme und die zwei Controller, die in jeder HP 3PAR-7200-Einheit stecken, ist Ausfallsicherheit garantiert: Fällt eines der Speichersysteme aus, kann man dank eines Quorum-Servers, der den Status beider Systeme ständig überwacht und Anfragen im Zweifel auf die intakte Maschine umleitet, trotzdem auf der anderen Seite ohne Unterbrechung weiterarbeiten. „Auf diese Weise ist es möglich, auch bei Ausfällen eine Operation im Operationssaal vollständig per Video zu dokumentieren“, erklärt IT-Leiter Schwietering. Freilich musste von dieser technischen Möglichkeit bisher kein Gebrauch gemacht werden, denn Ausfälle kamen nicht vor. „Anfängliche Probleme mit dem Quorum-Server, die auf unsere Unerfahrenheit beim Umgang mit der Lösung zurückzuführen waren, wurden vom Support innerhalb kürzester Zeit geklärt“, lobt Schwietering. Weil es im Krankenhaus auf stets verfügbare Technik ankommt, hat das Klinikum einen Supportvertrag mit durchgängig vier Stunden Reaktionszeit (24*7) abgeschlossen. „Die Reaktionen bei Anfragen waren aber sogar noch schneller“, berichtet Schwietering. Auch ansonsten haben sich die Erwartungen in das neue Speicherprodukt bisher voll erfüllt. „Die HP 3PAR-Lösung nutzt die vorhandene Speicherkapazität um bis zu 50 Prozent effizienter“, sagt Schwietering. Der Supportaufwand ist gering, wobei dies schon beim Vorläufersystem der Fall war. Anwendungen wie das KIS laufen laut Schwietering um 30 bis 40 Prozent schneller. Und Kapazitätsupdates erfordern nur noch ein paar Handgriffe statt aufwändiger Prozeduren. „Es genügt jetzt, einfach neue Festplatten hineinzuschieben, das geht viel schneller als bisher“, freut sich der IT-Manager, der davon ausgeht, sich mindestens in den nächsten fünf Jahren keine Sorgen mehr um seine Speicher infrastruktur machen zu müssen. 76 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe Herausforderung Ablösung eines am Ende der Lebensdauer befindlichen Speichersystems durch eine neue, flexible und zukunftsfähige Lösung mit universeller Verwendbarkeit und geringem Administrationsaufwand. Lösung Implementierung von zwei HP 3PAR 7200 Storage Systemen mit redundanter Dual-Controller-Ausführung. Diese haben jeweils 10 TByte Kapazität, die durch synchrone Replikation verbunden und als Hot-Standby-Konfiguration ausgeführt sind. Vorteile: •Bis zu 50 Prozent effizientere Ausnutzung der Speicherkapazität •Beschleunigung der Applikationen um 30 bis 40 Prozent •Geringer Administrationsaufwand •Schnelle Vergrößerung der Speicherkapazität durcheinfaches Hinzufügen von Festplatten •Support in Landessprache von fachkundigen Mitarbeitern • Erwiesene Zuverlässigkeit von Hersteller und Hardware Das Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in Stadtlohn Das Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in der 20.000-EinwohnerGemeinde Stadtlohn in der Nähe der niederländischen Grenze gibt es seit 140 Jahren. Zusammen mit weiteren Stiftungseinrichtungen – einem Seniorenheim, einem Hospiz, einem medizinischen Ver sorgungszentrum, einer Einrichtung des betreuten Wohnens und einem Physiozentrum – versorgt es die Einwohner von Stadt und Umland mit medizinischen und pflegerischen Leistungen. Das Krankenhaus hat neben einer zentralen Notaufnahme und der Ambulanz Abteilungen für Allgemeine Innere Medizin, eine Stroke Unit (zur Schlaganfall behandlung), Kardiologie, Gastroenterologie, Onkologie, Allgemeine, Visceral- und Unfallchirurgie sowie Orthopädie, dazu kommen ein Wirbelsäulenzentrum, Anästhesie und Intensivmedizin, Gynäkologie und Geburtszentrum sowie ein Zentrum für Palliativmedizin und Schmerzbehandlung. Hewlett-Packard GmbH Herrenberger Strasse 140 71034 Böblingen Fragen zu 3PAR: +40 (0)911 9339 2161 www.hp.com/de/storage 77 ERFOLGREICHES VERSORGUNGSMANAGEMENT DURCH EINRICHTUNGSÜBERGREIFENDE VERNETZUNG UND PROZESSKOORDINATION ICW Care Manager ist eine innovative IT-Lösung zur Steuerung von Versorgungsprozessen über Einrichtungsgrenzen hinweg. Er dient interdisziplinären Behandlungsteams als gemeinsames Werkzeug zur Koordination der Patientenversorgung und hilft ihnen dabei, auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten einzugehen und die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen. Eine moderne, patientenorientierte GesundVersorgungsforschung. Interaktive Dashboards und frei konfigurierbare Reports zur Datenaufheitsversorgung erfordert die enge Zusambereitung und Visualisierung runden das Leismenarbeit zwischen Niedergelassenen, tungsportfolio ab. Krankenhäusern, Pflege- und Sozialdiensten, Reha-Kliniken und vielen weiteren Einrichtungen. Reibungslose Abläufe und die bedarfsgeBesonderes Augenmerk legt der ICW Care rechte Nutzung regional vorhandener Angebote Manager zudem auf die teamorientierte Zusamsind die Voraussetzung dafür, dass Patienten menarbeit über Einrichtungsgrenzen hinweg. die bestmögliche Behandlung erhalten und Dank des webbasierten Designs steht die Anwendung auch nicht-ärztlichen Berufsgruppen sich dabei optimal betreut fühlen. Exemplarizur Verfügung, die normalerweise keinen Zugriff sche Anwendungsfälle sind das Entlass- und auf medizinische Informationssysteme haben. Überleitungsmanagement, die Nachsorge bei Die Überleitung von Patienten zwischen den Tumorerkrankungen oder die Umsetzung sektorenübergreifender IV-Verträge. Um dieses Ziel einzelnen Einrichtungen wird deutlich effizienDR. MARTIN HOFFMANN zu erreichen, ist das optimale Zusammenwirken ter, da der ICW Care Manager für transparente CHIEF MEDICAL OFFICER einer flexiblen, IT-gestützten Prozesssteuerung Arbeitsabläufe sorgt. Prozesse werden besser INTERCOMPONENTWARE AG und einer zuverlässigen und aktuellen Datenplanbar, da alle Beteiligten jederzeit über den und Wissensbasis notwendig. Die bisher im aktuellen Fortschritt informiert sind und die zu Gesundheitswesen eingesetzten IT-Systeme einem bestimmten Zeitpunkt benötigten Inforbilden dies leider nur unvollständig ab, da sie meist ausschließlich für mationen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Dr. Martin Hoffmann, Chief den Einsatz innerhalb einer Organisation ausgelegt sind. Medical Officer der ICW, erläutert hierzu: „Die gemeinsame Nutzung des Systems durch Mediziner, Pflegefachkräfte, Sozialdienst sowie Der ICW Care Manager wurde entwickelt, um diese Lücke zu schließen. Angehörige zahlreicher anderer Gesundheitsfachberufe eröffnet völlig Er ist ein leistungsstarkes Werkzeug zur Modellierung und Steuerung neue Möglichkeiten der effizienten Kooperation. Die dadurch erreicheinrichtungs- und sektorenübergreifender Arbeitsprozesse. Dynamibare Steigerung der Versorgungsqualität kann nicht nur gemessen sche Abläufe lassen sich gemäß den individuellen Anforderungen eines werden, sondern ist auch für die Patienten spürbar.“ Versorgungsmodells abbilden. Eine leistungsfähige Workflow-Engine ermöglicht die Modellierung von Leitlinien, klinischen Behandlungspfaden und einrichtungsübergreifenden Standards. Die Datenerhebung und Verlaufsdokumentation erfolgt dabei unter anderem mit Hilfe von intelligenten Formularen, die mit dem ICW FormDesigner individuell gestaltet werden können. Eine integrierte medizinische Akte sorgt zudem dafür, dass alle an der Versorgung eines Patienten Beteiligten einen einheitlichen Zugriff auf alle relevanten Daten haben. Der reibungslose Datenaustausch mit vorhandenen Systemen und die Vermeidung einer redundanten Datenerfassung werden durch ein breites Angebot an Schnittstellen, z.B. zu Krankenhaus- oder Arztinformationssystemen, sichergestellt. Durch die Möglichkeit, alle Informationen in strukturierter Form zu erfassen und abzulegen, ist der ICW Care Manager auch ein ideales Tool zur Gewinnung von Daten für die 78 InterComponentWare AG Markus Freudenberger [email protected] www.icw.de +49 (0)6227 385 39 87 42 N°4 HIMSS Europe IM HERZEN EIN RIS 230.000 Untersuchungen an 4 Standorten mit 150 Mitarbeitern und einer integrierten IT-Infrastruktur: In der Radiologie Herne sichert das Radiologie Informationssystem (RIS) der Firma medavis standortübergreifendes Arbeiten der Mitarbeiter, kurze Warte- und Behandlungszeiten für den Patienten und zeitnahe Abrechnung der erbrachten Leistung. Alle Unterlagen stehen ohne Zeit- und Informationsverlust jederzeit zur Verfügung. „Wir vertrauen jetzt über 12 Jahre unserem „Das medavis RIS ist sehr intuitiv. Auch eine medavis RIS, einem Werkzeug, das uns in den Aushilfskraft oder ein Kollege, der aus der Klinik vielen Jahren, die wir es nun nutzen, nie im Stich zu uns wechselt, kann die wesentlichen Funktigelassen hat“, beschreibt Dr. Labisch, Radioloonen nach 30 Minuten bedienen und damit arge und Verantwortlicher für Bildarchivierungbeiten“, lobt Dr. Labisch. Als Folge des aktiven und Kommunikationssysteme in der Radiologie digitalen Arbeitens, verkürzen sich Warte- und Herne, das Verhältnis seiner Mitarbeiter zum Behandlungszeiten für den Patienten. Mehrere zentralen IT-System. Ihm war es 2002 wichtig, Arbeitsschritte können parallel angestoßen werein Produkt auszuwählen, das die technischen den, wenn zum Beispiel die Abrechnung einer und medizinischen Anforderungen erfüllt und Leistung oder eine weitere Untersuchung zeitgleich erstellt bzw. geplant werden. dessen Hersteller mit den Kunden interagiert und partnerschaftlich zusammenarbeitet. Deshalb fiel die Wahl auf das inhabergeführte, mitNeben den Vorteilen in der medizinischen Vertelständische Unternehmen medavis. Dass diesorgung bietet das RIS auch für die GeschäftsDR. MED. CHRISTOPH LABISCH, se Entscheidung richtig war, hat sich mehrfach leitung wertvolle Funktionen. Mithilfe von AusRADIOLOGIE HERNE bestätigt. Die Anwender werden bei Neuerunwertungen einzelner Prozessschritte werden gen am System stets mit eingebunden, „denn Analysen zur Wirtschaftlichkeit durchgeführt. Die Optimierung des Workflows führt dazu, dass ihre Akzeptanz ist Voraussetzung dafür, dass jeder einzelne Arbeitsschritt schneller von statten geht. Durch die Eindas System unsere Arbeit verbessert“, sagt Dr. Labisch aus eigener Erfahrung. Deshalb findet grundsätzlich eine gemeinsame Prozessanaführung des medavis RIS konnte beispielsweise die durchschnittliche lyse statt, bevor ein neues Feature eingesetzt wird. Befundungszeit von 48 auf 26 Stunden gesenkt werden. Weitere Kennzahlen dienen der Qualitätsprüfung, die regelmäßig im Rahmen der ISO-Zertifizierung durchgeführt wird. Da die Radiologie Herne als externer Dienstleister drei Krankenhäuser der Region betreut, muss dieser Prozess auch über die eigenen Orga„Die Software muss dem Anwender dienen. Das zu erreichen funktinisationsgrenzen hinaus gedacht werden. Der verlässliche Datenaustausch zwischen dem RIS, den Krankenhaus Informationssystemen oniert mit medavis sehr gut“, freut sich Dr. Labisch über das freund(KIS) verschiedener Anbieter, einem leistungsstarken Bildarchiv (PACS) schaftliche, fast familiäre Verhältnis zwischen der Radiologie Herne und anderen Modalitäten sowie die Integration der Spracherkennung und den Mitarbeitern des Anbieters. Aufgrund der guten Zusammensichern medizinische Versorgung auf höchstem Niveau. Darüber hinarbeit wurden Ideen und Wünsche in die Produktentwicklung aufaus wird in Herne jedes Dokument über eine integrierte Scanfunktion genommen. So ist eine stimmige IT-Lösung mit dem Herzstück RIS mit Barcode-System konsequent digitalisiert, so dass sämtliche Daten entstanden, die rund läuft, eine hohe Akzeptanz aufweist und immer im zentralen „Diagnostic Patient Center“ des RIS verfügbar sind. Die verfügbar ist. Mitarbeiter rufen gemäß ihrer Benutzerrolle alle Dokumente und Akten auf, egal an welchem der vier Standorte sie sich befinden. So ist es beispielsweise üblich, dass Zweitmeinungen von einem spezialisierten Kollegen, der an einem anderen Standort arbeitet, in Echtzeit gegeben medavis GmbH Heidi Kußmaul werden. Eine 100 MBit-Leitung gewährleistet die Datenübertragung. [email protected] „Würden wir heute noch das Papier von a nach b tragen, wären wir www.medavis.com weniger effizient und hätten ein geringeres Leistungsniveau“, fasst Dr. +49 (0)721 92910-360 Labisch zusammen. 42 N°4 HIMSS Europe 79 MEHR EFFIZIENZ AUF ALLEN EBENEN MIT DEM MEDIZINISCHEN ARCHIV ALLES KÖNNTE SO EINFACH SEIN, IST ES ABER NICHT! Eine Konsolidierung der medizinischen Daten verbessert den Workflow und die Behandlungsmöglichkeiten sowie den einrichtungsübergreifenden Datenaustausch. Das wirkt sich extrem positiv auf die Zusammenarbeit mit Belegärzten aus, erläutern Christoph Kreutner, Leiter Technik Radiologie an der Merian Iselin Klinik in Basel und Guido Bötticher, Geschäftsführer VISUS, im Gespräch mit HealthTech Wire. Eine neue Studie zum Thema „Aufwand für die Dokumentation im Krankenhaus“ zeigt, wie viel Zeit durch schlechte Organisation und fehlende Technologie für die Dokumentation ver(sch)wendet wird. HIMSS Europe hat im Auftrag von Nuance Healthcare in den vergangenen Monaten Ärzte und Pflegende zu ihrem Dokumentationsverhalten befragt. Ziel war es herauszufinden, wie weit Wahrnehmung und Realität über den Aufwand auseinander liegen und in welchem Umfang bewährte Hilfsmittel zur Dokumentation genutzt werden. Die Ergebnisse stimmen nachdenklich. Warum dokumentieren Ärzte vier, Pflegende durchschnittlich drei Stunden pro Tag? Und finden am Ende doch nicht die notwendige Information? Die Studienergebnisse stehen hier im Detail zur Verfügung: www.dokumentationsfalle.eu Fachkräftemangel, weil Ärzte lieber dokumentieren? Die Auswertung der Studie zeigt, dass Ärzte und Pflegekräfte ihren Dokumentationsaufwand unterschätzen. Vielen von ihnen geben an, dass sie Daten doppelt, mal auf Papier, mal elektronisch erfassen. „Solange die Patientenakte in Papierform immer noch existent ist, muss man viele Prozesse duplizieren. Das heißt, zuerst schreibt man etwas auf und später gibt man es im PC ein.“ Ausgehend von einem „normalen“ Arbeitstag mit neun Stunden inklusive Pause, nutzen Ärzte durchschnittlich 44 Prozent ihrer Zeit für die Dokumentation, bei Pflegenden sind es 37 Prozent. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es unverständlich, warum Möglichkeiten ungenutzt bleiben, ihnen diese Aufgaben abzunehmen oder zu vereinfachen. Informationen nicht verfügbar sind. Dass diese Probleme gelöst werden könnten, wissen die Befragten, die zu ihrer Erfahrung mit digitaler Dokumentation antworten: „Mit einem Klick kann der Arzt sofort einen Überblick zur Patientenhistorie bekommen (Vorgeschichte, Medikation und Diagnosen).“ Warum also wird die IT nicht konsequent genutzt? Viele der Befragten sehen die Vorteile einer durchgängigen Digitalisierung. „Der größte Vorteil in meinen Augen ist Zeitersparnis, höhere Genauigkeit, gute Übersichtlichkeit und Lesbarkeit.“ Warum lenkt keiner gegen? Vor diesem Hintergrund stellen sich die Initiatoren die Frage: Laborieren die Entscheider in Krankenhäusern an der falschen Stelle? Folgt man den Studienteilnehmern, so kann eine konsequente Digitalisierung viel bewirken. Deshalb ist das Fazit gleichzeitig ein Appell an die Entscheider, den Blick auf den operativen Alltag zu richten und mit einfachen, verfügbaren Lösungen, die Arbeit des medizinischen und pflegerischen Personals zu verbessern. Sicher sind auch strategische Entscheidungen, beispielsweise zur Personalgewinnung wichtig, doch macht es nicht mehr Sinn, zunächst die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die vorhandenen Mitarbeiter besser und lieber arbeiten? Schwindendes Interesse am Beruf, weil dieser auslaugt? Weil Arbeitsverdichtung und Personalmangel stetig zunehmen, steht das Fachpersonal in vielen Fällen kurz vor dem Kollaps. Die Befragten geben an, dass Überstunden, auch wegen des Dokumentationsaufwands, unvermeidbar sind. Die Folgen sind logisch und machen den Beruf für junge Menschen wenig attraktiv. Während die Befragten ihre Berufswahl mit Ethos begründen, könnten sich Neueinsteiger überlegen, ob sie sich mit ihrer Berufswahl für Überstunden und Stress entscheiden. Viel dokumentiert hilft viel? Trotz des immensen Dokumentationsaufwands, den die Befragten betreiben, gaben 25 Prozent an, dass ihnen durch fehlende Informationen zusätzliche Arbeit entsteht. Warum ist das so, wo doch so viel aufgeschrieben wird? Scheinbar tragen Medienbrüche dazu bei, dass 80 www.dokumentationsfalle.eu Für alle Besucher der diesjährigen conhIT (14.-16. April, Berlin) steht das Team am Nuance Stand Halle 2.2, A-106 für Fragen und eine personalisierte Kostenanalyse zur Verfügung. Terminvereinbarungen unter: [email protected] Nuance Communications Healthcare Germany GmbH [email protected] www.nuance.de/healthcare +49 (0)4121 800 48 10 Welche Aufgaben muss ein medizinisches Archivierungssystem erfüllen und welche Anforderungen hat die Merian Iselin Klinik an ein solches? CK: Die Merian Iselin Klinik ist ein Belegkrankenhaus. Da die Ärzte ungefähr zur Hälfte ihre Zeit in unseren Operationssälen, zur anderen Hälfte in ihrer eigenen Praxis verbringen, möchten wir ihnen ein System zur Verfügung stellen, bei dem GUIDO BÖTTICHER sie alle Patienteninformationen elektronisch gebündelt aufrufen können – egal, von welchem Ort aus. Wir wollten ihnen einen Workflow anbieten, der sie bei ihrer Arbeit maximal entlastet und den administrativen Aufwand so gering wie möglich hält. Das setzt voraus, dass das Archivierungssystem eine gesetzeskonforme Datenspeicherung sicherstellen kann. GB: Das Grundanliegen ist es, eine konsolidierte Sicht auf eine ePA zu ermöglichen. Es muss komplett herstellerneutral und interoperabel sein, sodass es mit den existierenden IT-Systemen einer Einrichtung arbeiten kann. Es sollte zudem ein zugelassenes Medizinprodukt sein. Was hat Sie zur Anschaffung eines medizinischen Archivierungssystems bewogen? CK: Wir haben uns aus mehreren Gründen dafür entschieden, insbesondere aus solchen der Revisions- beziehungsweise Migrationssicherheit. Da wir Daten aus verschiedenen Systemen, die physikalisch nicht an einem Ort sind, aufbewahren müssen, möchten wir diese Daten in einem Archiv zusammenführen. Gleichzeitig bestand der Wunsch, sich für die Zukunft zu wappnen. Die Schweizer eHealth Strategie sieht vor, dass sich Kliniken mit öffentlichem Leistungsauftrag einer privatrechtlichen Gemeinschaft zum Zweck des Datenaustausches anschließen. Wir wollten mit dem Medical Archive jetzt schon alle Voraussetzungen dafür schaffen, um unsere Daten zum Stichtag in das große, nationale System einspeisen zu können. Warum hat sich die Merian Iselin Klinik für JiveX Medical Archive entschieden? CK: Die zentrale Datenbündelung des JiveX Medical Archive in einer Oberfläche ist ein enormes Plus für den Anwender und es ist viel einfacher, weil wir damit nur eine technische Infrastruktur warten müssen 42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe CHRISTOPH KREUTNER −zumal wir JiveX auch als radiologisches PACS einsetzen. Wir benutzen die Lösung nicht nur als klinikinternes System, sondern im Rahmen der Bildverteilung auch extern mittels eines Webviewers und eines Portalzugangs. Hier war ausschlaggebend, dass JiveX die IT-Ausstattung unserer Belegärzte reibungslos unterstützt. Wichtig ist für uns auch, dass das System alle medizinischen Daten archiviert, also auch EKGs, Aufnahmen aus dem OP oder Wundbilder. Was sind die Besonderheiten des JiveX Medical Archives aus Herstellersicht? GB: Als eine ganzheitliche Plattform für ausschließlich medizinische Objekte fokussiert JiveX auf das Wesentliche unter Verwendung von fünf anerkannten Standards: DICOM, HL7, HL7 CDA, PDF/A,IHE XDS. JiveX ermöglicht es, neben radiologischen Bildern auch nicht-radiologische und nicht-DICOM Bild- und Signaldaten wie EKGs in das DICOM-Format zu überführen. Es ist zudem herstellerneutral, interoperabel und ein Medizinprodukt der Klasse IIb. Wie setzen Sie das JiveX Medical Archive an der Merian Iselin Klinik ein? CK: Wir haben einen mehrphasigen Einsatz geplant, der Ende 2016 abgeschlossen ist. Momentan werden die DICOM-kompatiblen Systeme (C-Bögen, Ultraschallgeräte und Arthroskopietürme) an JiveX angeschlossen und die wichtigsten Belegarztpraxen inkl. Dokumentenaustausch integriert. Anschließend erfolgt der Ausbau dieser Belegarztpraxen. In der dritten Projektphase werden auch Biosignaldaten archiviert. VISUS Technology Transfer GmbH [email protected] www.visus.com +49 (0)234 93693 400 81 In Kooperation mit 14. – 15. September 2015 | Kursaal Bern 14. – 15. Septembre 2015 | Kursaal Berne SAVE THE DATE 14. – 15. Sept. 2015 plus PDMS CONFERENCE D.A.CH 18. Juni 2015 Das Forum für ICT im Gesundheitswesen Le forum pour les TIC dans le système de santé Eröffnungskeynote 18. Juni 2015 Prof. Dr. Otmar Wiestler Gesundheit neu denken: Personalized Health Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums; Designierter Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft eHealth Summit Austria 18. - 19. Juni 2015 Schloss Schönbrunn Apothekertrakt und Orangerie, Wien www.ehealthsummit.at Keynotespeaker 19. Juni 2015 Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr. Wolfgang Dorda Digitales Ökosystem Gesundheitswesen – Vorgaben umsetzen, Versprechen einlösen Écosystème de la cybersanté – traduire la vision en réalités, tenir les promesses Universitätsprofessor für Angewandte Medizinische Informatik; Leiter des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente Systeme der www.ehealthsummit.ch Medizinischen Universität Wien (CeMSIIS) Präsentiert von In Kooperation mit Präsentiert von Österreichische Gesellschaft für Biomedizinische Technik Austrian Society for Biomedical Engineering ® OESTERREICHISCHE CO M P U T E R GESELLSCHAFT AU S T R I A N CO M P U T E R S O C I E T Y ch N°4
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