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THEMA SHOAH
Tageblatt
Dienstag, 5. Mai 2015 • Nr. 104
Geplanter Eingang zum Zentrum
Gedenkstätte: Ein Konzept liegt vor
MÉMOSHOAH Herz-Jesu-Orden will gesamtes Kloster verkaufen
Robert Schneider
Die noch relativ junge
Vereinigung MémoShoah, die
sich aus interessierten
Bevölkerungsgruppen
zusammensetzt, hat zum Ziel,
das Gedenken an das
Schicksal der Juden
Luxemburgs während des
Zweiten Weltkrieges zu
pflegen und aufzuarbeiten.
Gestern erneuerte die
Vereinigung ihren Wunsch zur
Errichtung einer nationalen
Shoah-Gedenkstätte in
Fünfbrunnen.
Fünfbrunnen (Cinqfontaines) im
äußeren Norden des Landes gelegen, war während der Besatzung
ein Sammlungsort besonders für
ältere und kranke Juden. Der
Aufenthalt in Fünfbrunnen war
allerdings nur die Vorkammer
zur Hölle; die rund 700 dort inhaftierten Juden wurden alle in
Arbeits- oder Vernichtungslager
gebracht: Nur 50 überlebten. Bei
dem Kloster, das 1903 gegründet
worden war und nach dem Zweiten Weltkrieg von dem Orden der
Herz-Jesu-Priester übernommen
wurde, erinnert eine Skulptur
von Lucien Wercollier an ihr
Schicksal: MémoShoah tritt für
die Schaffung einer Erinnerungsstätte
mit
angeschlossenem
Zentrum für Jugendbegegnungen
ein. Ein Konzept ließ die Vereinigung bereits Ende 2013 vom Architektenbüro „planet+“ ausarbeiten.
Gleis der Erinnerung
Das Konzept berücksichtigt die
besondere Stellung des Ortes jüdischen Leidens, das Ausgangspunkt für noch größeres Leid im
Zug der Deportation war. Die
Symbolkraft ist groß.
Die Nähe zur Bahnlinie, so die
Konzeptbroschüre, rücke das
Unfassbare der Thematik der De-
portation ins Zentrum der Wahrnehmung. Deshalb soll parallel
zur bestehenden Bahnlinie als
zentrales Element des Projektes
ein imaginäres „Gleis der Erinnerung“ vorgeschlagen werden, das
den Leidensweg der jüdischen
Bevölkerung symbolisiert.
Die Besucher passieren auf
dem Gleisweg vier „Stationen“,
welche die Zielpunkte der Deportation (Auschwitz, Theresienstadt, Litzmannstadt und Izbica)
symbolisieren sollen.
Die sog. „Pafemillen“ soll laut
den Plänen zum Zentrum der
Gedenk- und Begegnungsstätte
transformiert werden. Neben einem multifunktionalen Raum
bietet sich hier Platz für eine
Dauerausstellung und für Wechselausstellungen. Auch Platz für
eine Bibliothek ist im Konzept
vorgesehen. Weiter regt das Konzept den eventuellen Bau einer
Jugendherberge neben der Stätte
an. Vor Kurzem ergab sich nun
ein neuer Moment in dem Dos-
sier. Die Herz-Jesu-Ordensbruderschaft, die in dem Kloster nur
noch zwei verharrende Brüder
zählt, will das gesamte Klostergelände verkaufen. Dies stellt
selbstredend eine gute Gelegenheit dar, das Projekt eventuell in
ausgebauter Form realisieren zu
können. Die politische Entscheidung ist allerdings zurzeit noch
nicht absehbar. Ebenso wenig
übrigens wie die Entscheidung
über einen weiteren Wunsch von
MémoShoah, jenem nach einer
nationalen Shoah-Gedenkstätte
in der Hauptstadt.
Die Nähe zur Bahnlinie wird durch ein Erinnerungsgleis dokumentiert
Geplante Gebäude neben dem aktuellen Kloster
3 Millionen Euro würde
die Gedenk- und
Begegnungsstätte
kosten, den Kauf des
Areals nicht eingeschlossen. Die Brüder
des Ordens erklärten
sich vor geraumer Zeit
bereit, die „Pafemillen“
für das Projekt zum
symbolischen Euro
abzugeben. Ob das
Angebot noch steht,
ist zurzeit unklar.
Foto: Jean-Claude Ernst
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Gedenkplakette vor dem Kloster Fünfbrunnen