Chemische Verfahrenstechnik - Fachbereich Maschinenbau und

FH Düsseldorf
Maschinenbau und Verfahrenstechnik
•Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniaksynthese
Chemische Verfahrenstechnik
Teil 9
Ammoniaksynthese
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse am Beispiel der Ammoniak-Synthese
ÄHRɵ = - 46 kJ/mol oder 2 * (- 46,2) kJ/FU = - 92,4 kJ/FU
N2 + 3 H2
2 NH3
ÄGɵ = - 16,66 kJ/mol oder 2 * (- 16,66) kJ/FU = - 33,3 kJ/FU
Standardbedingungen: 298 K, 1 bar
1. Untersuchung der Reaktion aus thermodynamischer Sicht
•
Exotherme Gleichgewichtsreaktion ÄHRɵ = - 92,4 kJ/FU
•
Exergonische Reaktion ÄGɵ = - 33,3 kJ/FU
•
Berechnung der Gleichgewichtslage
Die auf den Druck bezogene Gleichgewichtskonstante Kp berechnet sich über die Beziehung:
ɵ
- ÄG
Kp = e R*T
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
(vgl. Gleichung 7.10)
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
mit T = 298 K und R = 0,008314 kJ/mol * K ergibt sich:
Kp = 6,9 *105
Weil Kp einen hohen Wert annimmt, liegt das Gleichgewicht auf der Produktseite.
Schlussfolgerungen aus thermodynamischer Sicht:
•
Bei Standardbedingungen sollte sich wegen des negativen ÄGɵ -Wertes Ammoniak
freiwillig aus den Elementen N2 und H2 in hoher Ausbeute bilden.
•
Gleichwohl läuft die Reaktion unter diesen Bedingungen praktisch nicht ab! Dies liegt an der
hohen Aktivierungsenergie, so dass die Reaktionsgeschwindigkeit extrem langsam ist. Über die
Reaktionsgeschwindigkeit gibt weder ÄGɵ noch die Gleichgewichtskonstante Kp Auskunft.
Was ist zu tun, damit die Reaktion stattfindet?
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Untersuchung zur Beschleunigung der Reaktion durch Temperaturerhöhung
Wie ändert sich die Gleichgewichtslage der Reaktion durch Temperaturerhöhung?
Die Gleichgewichtslage kann über die chem. Thermodynamik mit Hilfe der Freien Enthalphie
bewertet werden:
ÄG = ÄHRɵ - T ÄSRɵ
(vgl. Gleichung 7.11)
Bei Standardbedingungen ist
(vgl. Gleichung 7.12)
ÄSRɵ = 2 SNH3 - 1 SN2 - 3 SH2
mit: SNH3 = 192,5 J/K * mol
SN2 = 191,5 J/K * mol
SH2 = 130,6 J/K * mol
ÄSRɵ = 2 * 192,5 - 191,5 - 3 * 130,6 = -198,3 J/K*FU
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Somit wird bei 298 K der negative Wert ÄG = -33,3 kJ/K*FU praktisch nur von den negativen
Enthalpiewert ÄHRɵ = - 92,4 kJ/FU getragen. Bei höheren Temperaturen überwiegt schnell das hier
positive Entropieglied T* ÄSRɵ . Bereits ab ca. 180 °C wird Kp < 1 (siehe Tabelle und Diagramm).
Das Gleichgewicht verlagert sich oberhalb von 180 °C auf die Eduktseite.
Ammoniakgleichgewicht
140
120
T in K
100
300
400
500
600
700
800
ÄG in kJ/FU
80
60
40
20
0
- 20
0
100
200
300
400
500
600
700
800
ÄG in kJ/FU
- 32,34
- 11,96
9,53
31,69
54,32
77,28
Kp
4,46*105
36,5
0,10
1,7*10-3
8,8*10-5
9,0*10-6
- 40
- 60
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Temperatur T in °C
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Situation:
Eine Temperaturerhöhung beschleunigt die Reaktionsgeschwindigkeit
(vgl. Arrhenius-Gleichung) verschiebt jedoch bei exothermen
Gleichgewichtsreaktionen das Gleichgewicht zu den Edukten!
Schlussfolgerung:
Es ist somit nach einem Kompromiss zwischen Thermodynamik und
Kinetik zu suchen.
Optimierung:
- Verringerung der Aktivierungsenergie und Beschleunigung der
Reaktion
- Verschiebung der Gleichgewichtslage hin zum Produkt
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Beschleunigung der Reaktion durch Katalyse
Durch den Einsatz eines Katalysators wird die Aktivierungsenergie vermindert und auf
diese Weise die Reaktionsgeschwindigkeit zur Erreichung des Gleichgewichtes erhöht.
Die Lage des Gleichgewichts wird nicht verändert:
Um zu wirtschaftlichen Umsätzen zu kommen, wurden in mehr als 20.000 Versuchen ein
Eisenoxid-Mischkatalysator entwickelt (Fe3O4 und K2O, CaO, Al2O3 und SiO2 als
Promotoren), der bis heute nahezu unverändert eingesetzt wird.
Durch den Katalysator wird die Aktivierungsbarriere für die Spaltung der Dreifachbindung des
Stickstoffmoleküls zwar stark abgesenkt, dennoch sind immer noch hohe Temperaturen für eine
angemessene Reaktionsgeschwindigkeit erforderlich.
Beim Haber-Bosch-Verfahren wird ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Stickstoff an einem
Eisenoxid-Mischkatalysator aus Eisen(II/III)-Oxid Fe3O4, K2O, CaO, Al2O3 und SiO2 bei etwa
300 bar Druck und 450 °C zur Reaktion gebracht. Der eigentliche Katalysator á-Fe (Ferrit)
entsteht erst im Reaktor durch die Reduktion von Fe3O4 mit Wasserstoff.
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Verschiebung der Gleichgewichtslage hin zum Produkt durch Druckerhöhung
Wie die Reaktionsgleichung zeigt, ist die Ammoniaksynthese mit einer Molzahlverringerung
verbunden. Dies bedeutet, dass das Gleichgewicht mit steigendem Druck zur Seite mit der
geringsten Molzahl verschoben werden kann.
Nachweis:
Das auf den Druck bezogenen MWG lautet (Gleichung 7.5):
Kp =
pNH32
pN2
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*
pH23
pi = Partialdruck der Komponente i
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Chemische Verfahrenstechnik
mit xi =
oder
pi
Pges
Kp =
1
Pges2
Kp * Pges
2
=
Beispiel: Ammoniaksynthese
xNH32
xN2 * xH 3
2
xNH32
xN2 * xH 3
2
Aus dieser Gleichung wird deutlich, dass die Ammoniakbildung direkt proportional zum Gesamtdruck ist. Selbst bei
höheren Temperaturen (= erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit)
und sehr kleinen Gleichgewichtskonstanten kann mit einer
ausreichend günstigen Ammoniakbildung gerechnet werden.
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Die Veränderung der Gleichgewichtslage wurde von Le Châtelier und Braun zwischen 1884
und 1888 beschrieben:
Übt man auf ein System, das sich im chemischen Gleichgewicht befindet, einen Zwang
durch Änderung der äußeren Bedingungen aus, so stellt sich infolge dieser Störung des
Gleichgewichts ein neues Gleichgewicht, dem Zwang ausweichend, ein.
Beispiele:
•
•
•
Erhöht man die Temperatur, wird die wärmeliefernde Reaktion zurückgedrängt und umgekehrt.
Erhöht man den Druck, weicht das System so aus, dass die volumenverkleinernde Reaktion
gefördert wird und umgekehrt.
Ändert man die Konzentration, z. B. indem man ein Produkt aus dem Ansatz entfernt, so reagiert
das Gleichgewichtssystem, indem dieses Produkt nachproduziert wird.
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SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Zusammenfassung aller Erkenntnisse:
1.
Hohe Reaktionsgeschwindigkeiten werden durch
- Einsatz eines Katalysators
- hohe Temperaturen erreicht.
2.
Hohe Temperaturen verschieben das Gleichgewicht von exothermen
Gleichgewichtsreaktionen zu den Edukten. Dieser Tendenz kann z.T. entgegengewirkt
werden durch Erhöhung des Drucks, wegen der Molzahlverminderung bei der
Ammoniaksynthese.
Schlussfolgerungen für die technische Umsetzung:
1.
Als Kompromiss zwischen Thermodynamik, Kinetik und technischer Realisierbarkeit
werden heute Drücke von 140 bis 210 bar und Temperaturen zwischen 400 und 500 ºC
verwendet.
2.
Damit die Reaktion immer einen Abstand zur Gleichgewichtslage hat (notwendig, damit
die Reaktion läuft) wird ein Hordenreaktor mit Zwischenkühlung eingesetzt.
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Gasgemisch Edukte
Chemische
Verfahrenstechnik
Gasgemisch Edukte
Beispiel:
Ammoniaksynthese
Reaktor mit direkter
Kühlung
Reaktor mit
indirekter Kühlung
Katalysatorschicht
Kaltgaseinspeisung
Gasgemisch Edukte, Produkt
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Gasgemisch Edukte, Produkt
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Vol.% NH3
Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
50
40
Gleichgewicht bei 250 bar
30
opt.
Betriebsbereich
20
10
Zwischenkühlung
durch Kaltgaseinspritzung
Reaktion
Aufheizen
200
400
600
Temperatur in °C
Temperaturführung zur optimalen NH3-Produktausbeute
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Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Die Ammoniaksynthese findet heute unter folgenden Reaktionsparametern statt:
- Mengenverhältnis Stickstoff zu Wasserstoff = 1 : 3
- Druck: 250 bar bis 350 bar
- Temperatur: 450 – 550 °C
- Verwendung von á-Eisen als Katalysator, welches durch Reduktion aus Eisen(II/III)-Oxid
Fe3O4 und K2O, CaO, Al2O3 und SiO2 als Promotoren gewonnen wird.
Woher kommen die Einsatzstoffe N2 und H2?
Ammoniaksynthese besteht aus 2 Produktionseinheiten:
1. Erzeugung des Synthesegasgemisches
2. Erzeugung von Ammoniak
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
Beispiel: Ammoniaksynthese
1. Schritt Spaltgaserzeugung
CH4, CO, H2, Wasserdampf
Ziel der Spaltgaserzeugung:
1. Gewinnung von H2
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
Beispiel: Ammoniaksynthese
2. Schritt Sekundärreformer
CH4, CO, H2, Wasserdampf
CO, H2 , N2
Stickstoff ist ein Inertgas
und nimmt nicht an der
Reaktion teil!
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Ziele der Umsetzung im Sekundärreformer:
1. Erhöhung des Partialdrucks von H2
2. Einstellung des H2/N2- Verhältnisses auf 3:1
3. Der Sauerstoff der Luft wird verbraucht
4. Stickstoff wird dem Reaktionsgemisch zugeführt
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
Beispiel: Ammoniaksynthese
3. Schritt Konvertierung
CO2, H2 , N2
CO, H2 , N2
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
Ziele der Konvertierungsreaktion:
1. Erhöhung des Partialdruckes von H2
2. Umsetzung von CO zu CO2 (CO2 lässt sich
besser als CO im Gaswäscher entfernen)
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
Beispiel: Ammoniaksynthese
4. Schritt Gaswäsche
CO2, H2 , N2
Druckerhöhung durch Kompressor
Druckabsorption zur Auswaschung von CO2
CO, H2 , N2
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CO2, H2O
N 2 , H2
Ziel der Gaswäsche durch Druckadsorption:
1. Auswaschung von CO2 (CO2 ist wasserlöslich)
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
CO2, H2 , N2
Beispiel: Ammoniaksynthese
5. Schritt Vorwärmung
Anheizen auf ca. 450°C
Ziel der Vorwärmung:
1. Zuführung der erforderlichen Aktivierungsenergie
CO, H2 , N2
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
CO2, H2O
N 2 , H2
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
CO2, H2 , N2
Beispiel: Ammoniaksynthese
6. Schritt Ammoniaksynthese
Vorwärmung auf N2 , H2, NH3
400 – 450 °C
Ziel der Reaktion:
1. Synthese von Ammoniak
CO, H2 , N2
CO2, H2O
N 2 , H2
Druckerzeugung auf 250 bis 350 bar
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
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Chemische Verfahrenstechnik
Ammoniak-Synthese:
CO2, H2 , N2
Beispiel: Ammoniaksynthese
7. Schritt Kondensation des Ammoniaks
N2 , H2, NH3
N 2 , H2
CO, H2 , N2
CO2, H2O
N 2 , H2
Ziele der
1. Abtrennung von NH3
Kondensation: 2. Rückführung der nicht kondensierten Gase N2 und H2 zum Reaktor
3. Ausbeuteerhöhung des Ammoniak bezogen auf die Menge der eingesetzten Stoffe H2 und N2
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Beispiel: Ammoniaksynthese
Temperaturführung im
Reaktor (vgl. Folie 14)
Aufheizen
Reaktion
Kühlen
adiabater Reaktor
Temperaturverlauf
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
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