FH Düsseldorf Maschinenbau und Verfahrenstechnik Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Chemische Verfahrenstechnik Teil 10 Heterogene Katalyse Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Einteilung der Katalyse in drei Teilbereiche: • homogene Katalyse Typisch ist ein in einem Lösungsmittel gelöster Übergangsmetallkomplex, an dem die Reaktanden reagieren. • heterogene Katalyse In der heterogenen Katalyse liegen Katalysator und Reaktanden in unterschiedlichen Phasen vor. Meist ist ein fester Katalysator gasförmigen oder in flüssiger Phase vorliegenden Reaktanden ausgesetzt. • Biokatalyse In der Biokatalyse werden Enzyme als Katalysatoren eingesetzt. Wegen ihrer Bedeutung wird der Schwerpunkt der folgenden Betrachtungen auf die heterogenen katalytischen Oberflächenreaktionen gelegt. Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Bedeutung katalytischer Oberflächenreaktionen Die kinetischen Vorstellungen für homogene Systeme, die in Teil 4 vorgestellt wurden, können meist nicht auf heterogene Systeme angewandt werden, weil die Reaktionsgeschwindigkeit bei diesen Systemen von Stoff- und Wärmetransportprozessen beeinflusst wird. Von besonderer Bedeutung ist der Einsatz von Katalysatoren. Die Durchführung industrieller Prozesse und die stoffliche Vielfalt der Produkte in unterschiedlichsten Branchen wäre ohne die Katalyse nicht denkbar. Mit Hilfe von Katalysatoren lassen sich Wertprodukte gezielt herstellen, unerwünschte Nebenprodukte vermeiden und Schadstoffe abbauen. Mittlerweile benötigen mehr als 90% aller chemischen Produkte auf ihrem Herstellungsweg mindestens einen Katalysator. Die Optimierung der Katalysatoren ist von herausragender Bedeutung, weil • Die Aktivierungsenergie von Reaktionen vermindert wird (Energieeinsatz). • Die Reaktionsgeschwindigkeit (bei unveränderter Gleichgewichtslage bei reversiblen Reaktionen) beschleunigt wird. • Die Selektivität zum gewünschten Produkt beeinflusst werden kann. Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Einfluss der Katalysatorauswahl für den Syntheseweg Ni CO + H 2 Cu/Cr/Zn-Oxid Fe, Co Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke CH4 + H2O Methanisierung CH3OH Methanolsynthese CnH2n+m + H2O Fischer-Tropsch-Synthese SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Hauptreaktionen der Methanolsynthese: Katalyse CO + 2 H2 CH3OH ÄHR = - 98 kJ/mol CO2 wird den Eduktgasen zugesetzt, wenn H2 im Überschuss enthalten, z.B. bei Verwendung von Spaltgas (CO + 3 H2) CO2 + 3 H2 CH3OH + H2O ÄHR = - 58 kJ/mol Nebenreaktionen: CO + 3 H2 CH4 + H2O ÄHR = - 207 kJ/mol CO2 + C 2 CO ÄHR = - 161 kJ/mol CO2 + H2 CO + H20 ÄHR = + 42 kJ/mol Aus Gleichungen erkennbar: stark exotherme Gleichgewichtsreaktion: Kompromis zwischen Reaktionsgeschwindigkeit und Gleichgewichtseinstellung notwendig Hauptreaktionen zeigen Molzahlverringerung: Verschiebung der Gleichgewichtslage zum Produkt durch Druckerhöhung nicht aus Gleichungen erkennbar: Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke Einsatz von Katalysatoren erforderlich SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Methanolherstellung CO / H2 nur für den Anfahrbetrieb Frischgas Katalysator Reaktor Gasausschleusung zur Begrenzung der Inertgase in Kreislauf Abscheider Kreislaufgas Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke Rohmethanol SS 2015 Synthesegas Bilanzraum für die Gesamtbetrachtung des Reaktors (Reaktion, Wärme- und Stofftransport) Beheizung / Kühlung Katalysator Beheizung / Kühlung zeitlicher Ablauf einer Reaktion, z.B. am Katalysatorkorn Produktgas Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Bei heterogen katalysierten Prozessen spielen sich die entscheidenden Vorgänge an der Oberfläche des Festkörpers ab. Die Festkörperoberfläche bestimmt daher wesentlich die Leistungsmerkmale eines Katalysators, wie • • • Aktivität, Selektivität oder Deaktivierungsverhalten. Ein Katalysator umso aktiver, je mehr katalytisch aktive Oberfläche pro Masse des Katalysators vorhanden ist, je höher also die spezifische Oberfläche ist. Häufig geht es in der Katalyse darum, möglichst kleine Partikel der katalytisch aktiven Verbindung herzustellen, um hohe Aktivitäten zu erreichen. Dies erlaubt es einerseits, die Reaktoren kleiner zu bauen und somit bei großen Anlagen Investitionskosten zu verringern, andererseits wird so insbesondere bei teuren Katalysatormaterialien, wie den Edelmetallen Platin oder Rhodium, der Anteil „ungenutzter Atome“ im Inneren der Partikel verringert. Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Begriffsklärung Katalysatoraktivität Die Aktivität eines Katalysators (auch katalytische Aktivität genannt) ist ein Maß dafür, wie schnell ein Katalysator Edukte zu Produkten umsetzt (engl.: turnover frequency). Katalytische Produktivität Die Produktivität eines Katalysators gibt die Menge an Produkt P an, die mit einer bestimmten Menge an Katalysator (unter den gegebenen Reaktionsbedingungen) insgesamt zu erzeugen ist. Sie ist dimensionslos (z.B. [mol Produkt/mol Katalysator]) und wird als Umsatzzahl (engl.: turnover number) bezeichnet: Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Umsatz-Zeit-Kurven Aktivität und Produktivität eines Katalysators lassen sich aus Umsatz-Zeit-Kurven ableiten. Der Anstieg zu Beginn der Reaktion ist ein Maß für die Aktivität des Katalysators. Die Produktivität ist aus der Stoffmenge an Produkt abzulesen, bei dem die Reaktion zum Stillstand kommt. Solche Umsatz-Zeit-Kurven sind aussagekräftiger als die vielfach in Patenten übliche Angabe, welche Menge an Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. 80 % Umsatz nach 5 h) gebildet worden ist. Die Katalysatoren 1 und 2 haben eine vergleichbare Aktivität, aber sehr unterschiedliche Produktivität. Offensichtlich unterliegt Katalysator 2 einer raschen Deaktivierung. np Die Katalysatoren 3 und 4 sind von sehr geringer bzw. hoher Aktivität. Die Produktivität kann in dem zu schmalen Zeitfenster nicht angegeben werden, da beide Reaktionen noch nicht zu Ende gekommen sind. t Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Um die Stabilität eines Katalysator zu gewährleisten, wird das eigentliche Katalysatormaterial auf einen Träger aufgebracht. Trägerkatalysatoren werden auf der Basis der verschiedensten Trägermaterialien hergestellt, wie etwa Aluminiumoxid, Siliciumdioxid, Kohlenstoff in Form von Aktivkohle, Titanoxid etc. Im Gegensatz zu Trägerkatalysatoren stehen die Vollkatalysatoren, bei denen das gesamte Material des Katalysators katalytische Aktivität aufweist. verschiedene Katalysatortypen Autokatalysator Einflussfaktoren für die Wirksamkeit von Katalysatoren Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Modellvorstellung zum Verständnis der Vorgänge, die die Kinetik heterogener katalytischer Systeme beeinflussen: Mantelfläche des Volumenelementes ds = 2ðrpdx 1 Stofftransport der Reaktionspartner durch einen Diffusionsvorgang aus der Hauptmasse der fluiden Phase an die äußere Oberfläche des Feststoffs. 3 1 2 7 6 2 Diffusion der Reaktionspartner von der äußeren Ober-fläche des Feststoffs durch dessen Poren in das Innere. 5 3 Adsorption bzw. Chemisorption der Reaktionspartner auf der inneren (und äußeren) Oberfläche des Feststoffes. L ä Filmdicke Limitierung durch Filmdiffusion cA cAS Porendiffusion cA = f(x) keine Limitierung durch Diffusion x Filmdiffusion Porendiffusion Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke Katalyse 4 Reaktion auf der inneren (und äußeren) Oberfläche des Feststoffes. 5 Desorption der Reaktionsprodukte von der inneren (und äußeren) Oberfläche des Feststoffes. 6 Diffusion der Reaktionsprodukte vom Inneren des Feststoffs durch die Poren an die äußere Oberfläche. 7 Stofftransport der Reaktionsprodukte durch Diffusion von der äußeren Oberfläche des Feststoffs in die Hauptmasse des Fluids. SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Werden die Reaktionen so schnell, können Diffusionsprozesse limitierend wirken. Teilschritte 1, 2 sowie 6 und 7 sind nicht zu vernachlässigen!! Ursache: • besonders aktive Katalysatoren • hohe Temperaturen (Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit) Die Reaktanden werden dann schon in den äußeren Bereichen des Katalysatorkorns umgesetzt (Geschwindigkeitskontrolle durch Porendiffusion) oder gar, sobald sie das Korn erreichen (Filmdiffusion). Folge: • Verbesserung des Katalysators nicht durch eine Erhöhung der Katalysatoraktivität möglich. Verbesserung nur möglich durch: • • andere Verteilung der Aktivkomponente im Korn (Schalkatalysator Verwendung kleinerer oder anders geformter Katalysatorpartikel Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Einfluss wird minimiert bzw. eliminiert durch: 1 und 7 sind Diffusionsvorgänge zu und von der Kornoberfläche • hohe Strömungsgeschwindigkeiten 2 und 6 sind die Diffusionen der Edukte und Produkte im Porensystem des Korns • • genügend große Korndurchmesser genügend niedrige Temperaturen Nur die Schritte 3, 4 und 5, Adsorption, Oberflächenreaktion und Desorption, werden normalerweise im formalkinetischen Ausdruck für die eigentliche katalytische Reaktion berücksichtigt. Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke Reaktionsgeschwindigkeitsgleichungen auf der Grundlage der Sorptionstheorie nach Langmuir oder nach dem Wirkungsgradkonzept SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Das Wirkungsgradkonzept zur Beschreibung der Porendiffusion mit Reaktion Mantelfläche des Volumenelementes ds = 2ð rpdx ciS katalytisch aktive Oberfläche x x+dx Bei diesem Modell wird der Molenstrom betrachtet, der durch Diffusion in die Pore gelangt und dort reagiert. Die Poreninnenfläche ist die aktive Oberfläche, auf der die Reaktion stattfindet. Beispiele: Handelt es sich um eine schnelle Reaktion und die Diffusion langsam, wird die Pore nicht voll ausgeschöpft. Die Reaktion ist somit diffusionslimitiert. In diesem Fall nimmt die Konzentration des Stoffes i an der Katalysatoroberfläche ciS ab. L Modell zur Betrachtung von Stofftransport mit Reaktion in einer zylindrischen Katalysatorpore Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Molstrom, der in x-Richtung ins Innere der Pore diffundiert: Katalyse (10.1) ji = D dci V dx 1. Ficksche Gesetz D = Diffusionskoeffizient dji d(ciV) ∂c V = D i dx = ∂x dt dt d(ciV) dt Molstrom, der in der Pore reagiert: Annahme: Reaktion 1. Ordnung mit ks bezogen auf die spezifische Oberfläche A/V = D ∂2 (ciV) ∂x2 dni d(ciV) = = íi V r dt dt d(ciV) = íi V k ci dt k ks = A/V d(ciV) = íi A ks ci dt Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke mit n = V*c mol s SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Für ein differenzielles Volumenelement dV ergibt sich somit insgesamt: ∂2 (ciV) d(ciV) + íi A ks ci D = ∂x2 dt (10.2) Diffusionsterm Reaktionsterm Für die Reaktion A + B C ist für die Eduktkomponente A der stöchiometrische Koeffizient -1. Bei stationären Verhältnissen gilt: d(ciV) = 0 dt damit Übergang zum totalen Differenzial Für das differenzielle Volumenelement dV ist dV = ð rp2 dx Für das differenzielle Volumenelement ist die Oberfläche dA: 0 = D ðrp (10.3) Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke 2dx d2 (ci) dx2 d2(ci) dx2 - 2 ks rp D dA = 2 ð rp dx rp = Radius der Pore - 2ðrp dx ks ci ci = 0 SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse x L c c´ = i ciS x´ = Mit Einführung von folgenden dimensionslosen Größen: d2 (c´ ciS) d(x´L)2 L und ciS sind keine Variablen und können daher aus dem Differenzial herausgeholt werden: 2 ks rp D c´ ciS = 0 ciS d2 (c´) 2 ks rp D L2 d(x´)2 c´ ciS = 0 L = Länge der Pore Ci,S = Konzentration der Komponente A an der Partikeloberfläche d2 (c´) - 2 2 ks c´ = 0 L rp D d(x´)2 Thiele Modul (10.4) Ø≡L 2 ks rp D chemisch umgesetzte Stoffmenge Ø2 = durch Diffusion nachgeführte Stoffmenge d2 (c´) Ø2 c´ = 0 2 d(x´) Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse d2 (c´) Ø2 c´ = 0 d(x´)2 Die Lösung dieser Differenzialgleichung lautet mit folgenden Randbedingungen: x´ = 0 x´ = 1 c´ = 1 dc´ dx = 1 (Randbedingung für den Anfang der Pore) (Randbedingung für das Ende der Pore) cosh (Ø (1-x´)) c´(x´) = cosh Ø 1,0 0,8 Ø=1 Dimensionslose Konzentrationsverläufe entlang der Pore mit der Länge L bei verschiedenen Thiele Moduln Ø=1 keine Diffusionslimintierung Ø=5 deutlicheDiffusionslimintierung ci/c iS 0,6 0,4 Ø=5 0 Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke Ø=2 0,2 0,2 0,4 0,6 x/L 0,8 1,0 SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Die Diffusionslimitierung macht sich auch im Wirkungsgrad eines Katalysators bemerkbar. (10.5) effektive Reaktionsgeschwindigkeit ç= = Reaktionsgeschwindigkeit, wie sie sich für Kornoberflächenbedingungen ergeben würde 1,0 0,8 reff rS n=1 0,6 n=0 n=2 ç 0,4 0,2 0,1 0,2 0,4 0,6 1,0 2,0 4,0 6,0 10 20 Ø Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Bereich A: Ø sehr klein Ursache: große Poren (D sehr groß) Folge: kleine Katalysatordichte; mehr Katalysator erforderlich; größere Reaktoren notwendig) Bereich B: optimaler Arbeitsbereich Bereich C: Ø sehr groß Ursache: zu kleine Poren Folge: Katalysator wird nicht voll genutzt, mehr Katalysator und somit höheres Reaktorvolumen erforderlich. ç A 0,1 C 0,01 0,1 Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke B 1 1 10 100 Ø SS 2015 Chemische Verfahrenstechnik Katalyse Beispiele von Anforderungen an Katalysatoren • hohe Produktausbeute und Selektivität • hohe und möglichst dauerhafte Katalysatoraktivität • optimale Abtrennbarkeit des Katalysator aus der Reaktionsmasse - besonders wichtig bei Wirkstoffsynthesen - notwendig auch bei teuren Katalysatoren (Edelmetallkatalysatoren) • Kosten (Edelmetalle)! Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke SS 2015
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