Verweilzeitverteilung

Chemische Verfahrenstechnik
Teil 2
Verweilzeitverhalten
von Reaktoren
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Ausgangspunkt: diskontinuierlich betriebener (Rührkessel)reaktor
Aufgabe: Es sollen Eier 5 Minuten für das Frühstück gekocht werden.
Lösung:
Die rohen Eier werden in einen Kochtopf mit kochendem Wasser
gelegt und nach 5 Minuten wieder herausgeholt.
Alle Eier haben die gleiche Konsistenz: Eigelb flüssig, Eiweiß hart.
Die Herstellung der Frühstückseier erfolgte in einem diskontinuierlichen
Prozess.
Aufgrund der hohen Nachfrage an 5-Minuten-Eiern muss die Produktion
erhöht werden. Sie sollen in einem kontinuierlichen Prozess hergestellt
werden
In welchem Reaktor soll dies geschehen?
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Gewählt wird ein Kochtopf, der kontinuierlich beschickt wird. Mit einem zweiten Greifer werden die Eier
wieder herausgeholt. Die Eier werden im Kochtopf langsam gerührt; der Topf ist also voll durchmischt.
Roheigreifer
Frühstückseigreifer
Gelingt es, dass alle Eier eine Kochzeit von 5 Minuten haben?
Die Qualitätskontrolle für 77 Eier ergibt folgendes Bild:
fast roh weich etwas zu weich
gut etwas zu hart
hart steinhart
Konsistenz
2
9
15
18
16
12
5
Minuten
2
3
4
5
6
7
8
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SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
E(t)
Verweilzeitverteilung
Verteilung in absoluten Zahlen
In einer zweiten Versuchsreihe wird die
gleiche Versuchsanordnung benutzt;
allerdings stehen nicht mehr 77 Eier, sondern
nur noch 50 Eier zur Verfügung.
22
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
Was ist zu tun, um beide
Versuchsergebnisse miteinander vergleichen
zu können?
1
2
3
4
5
6
7
8
Normieren der jeweiligen Versuchsreihe auf
die Gesamtzahl der eingesetzten Eier!
Minuten
Verteilungsfunktion (Balkendiagramm)
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SS 2015
E(t)
Verteilung in absoluten Zahlen
22
20
18
16
14
12
10
8
6
4
2
normiert auf die Gesamtzahl (77 Eier)
E(t)
1
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0.1
1
2
3
4
5
6
7
8
0
2
3
4
5
6
7
8
Minuten
Ät (= dt)
normierte Verteilungsfunktion oder
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
Verteilungsfunktion (Balkendiagramm)
mathematische Formulierung
Z(t)
Z(t)
E(t) =
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∫ E(t) dt = 1
1
Minuten
mit Z(t) = Zahl der Eier zum
Zeitpunkt t
Fläche unter der Kurve:
∞
Z(t)
E(t) = ∞
(2.1)
∫ Z(t) dt
0
SS 2015
Welche Aussage liefert die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (Verteilungsfunktion)?
1.
Nur die Form der Kurve sagt etwas über die Streubreite der Verweilzeiten der
einzelnen Eier.
2.
Die gestrichelte Fläche unter der Kurve gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein
Ei z.B. zwischen 4 und 5 Minuten im Kochtopf war. Die Wahrscheinlichkeit liegt
bei 21%. Die Gesamtfläche unter der Kurve ist 1 (also 100 %).
∞
(2.2)
∫E(t) dt
= 1
0
Wenn nur die Fläche eine quantitative Aussage zulässt, dann ist es sinnvoll, die Funktion E(t) zu
integrieren.
t
(2.3)
F(t) = ∫E(t) dt
0
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Chemische Verfahrenstechnik
E(t)
Verweilzeitverteilung
F(t)
1
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0.1
Fläche unter der Kurve E(t) = 1
1
2
3
4
5
6
7
8
Minuten
Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
(Verteilungskurve)
1
0,8
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
0.1
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eier länger als 5
Minuten im Topf waren, liegt bei 42%.
Die Wahrscheinlichkeit,
dass die Eier weniger
als 5 Minuten im Topf
waren, liegt bei 58%.
1
2
3
4
5
6
7
8
Minuten
Wahrscheinlichkeitssummenfunktion
(Summenkurve)
An der Wahrscheinlichkeitssummenfunktion lässt sich die Wahrscheinlichkeit ablesen,
dass ein Ei kürzer oder länger in dem Kochtopf war. Z.B. ist die Differenz F(6)-F(5) genau
die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ei zwischen 5 und 6 Minuten im Kochtopf war.
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Chemische Verfahrenstechnik
Schlussfolgerungen:
Verweilzeitverteilung
1.
Unser Prozess kontinuierlich 5 Minuteneier herzustellen, ist
nicht optimal. Zu viel Ausschuss!!!
2.
Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion und der
Wahrscheinlichkeitssummenkurve lässt sich das hydrodynamische
Verhalten eines kontinuierlich betriebenen Reaktors beschreiben.
Es stellen sich folgende Fragen:
1. Wie verhalten sich reale Reaktoren und wie kann ich sie beschreiben?
2. Auf welche Weise kann ich messtechnisch meine Dichtefunktion
sowie meine Summenkurve ermitteln?
3. Welchen Einfluss hat die Verweilzeitverteilung auf den Umsatz?
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SS 2015
Ursachen der Verweilzeitverteilung kontinuierlich betriebener Reaktoren
Kontinuierlich betriebener Rührkesselreaktor
(Continuous Flow Stirred Tank Reactor: CSTR)
Zulauf
Strömungsrohrreaktor
(Plug Flow Reactor: PFR)
Ablauf
ux(r)
Kurzschlussströmung
Totzonen durch
Ablagerungen
E(t)
E(t)
t
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t
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Mischbecken
Absorber
Totzonen
Flüssigkeit
Gasaustritt
hydraulische Verweilzeit
(Raumzeit):
(2.4)
ôR
=
Kanalbildung
VR
.
V
(kann errechnet werden)
tatsächliche mittlere
Verweilzeit:
t
Gaseintritt
(muss messtechnisch mit anschließender
grafischen Auswertung ermittelt werden)
nur bei idealen Reaktoren gilt:
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Flüssigkeit
t = ôR
SS 2015
Hydrodynamisches Verhalten kontinuierlicher idealer Reaktoren
Um reale Reaktoren zu beschreiben, werden zunächst ideale Reaktoren betrachtet und
mathematisch erfasst.
ideales Strömungsrohr (Plug Flow Reactor: PFR)
kontinuierlich betriebener idealer Rührkesselreaktor
(Continuous Flow Stirred Tank Reactor: CSTR)
Betrachtet wird das hydrodynamische Verhalten der Reaktoren, nachdem eine Stoßmarkierung
(Tracer) in den Reaktor eingebracht wurde. (Tracer sind z.B. Farbstoff, Kochsalzlösung usw.)
Am Auslauf des Reaktors wird dann je Art der Stoßmarkierung z.B. die Änderung der
Farbkonzentration oder der Leitfähigkeit gemessen. Allgemein: Es wird die TracerKonzentration cT,ex am Ablauf des Reaktors gemessen.
Das hydrodynamische Verhalten ganzer Flussgebiete kann auf diese Weise erfasst werden.
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Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Ermittlung des Verweilzeitverhaltens ganzer Flussläufe
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ideales Strömungsrohr
Ablauf
Zulauf
ideales Verhalten durch
x
- Pfropfenströmung
Stoßmarkierung
(Tracermenge: nt,in)
- keine Rückvermischung
Messwertaufnahme von cT,ex
Antwortfunktionen:
E(t)
F(t)
Ct,ex
1
F(t) = 0 für t < ôR
F(t) = 1 für t > ôR
ôR
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t
ôR
t
SS 2015
idealer Rührkessel
Stoßmarkierung
ideales Verhalten durch
-
-
vollständige Vermischung
(z.B. keine Konzentrationsgradienten
innerhalb des Reaktors)
Ablauf
Zulauf
Messwertaufnahme
von cT,ex
Ablaufkonzentration = Konzentration im
Innern des Reaktors
Antwortfunktionen:
(2.6)
(2.5)
E(t)
F(t)
CT,ex
1
ôR
2 ôR 3 ôR
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t
ôR
2 ôR 3 ôR
t
SS 2015
Vergleich des hydodynamisches Verhalten kontinuierlicher idealer Reaktoren mit dem eines
realen Reaktors
E (t) idealer
Rührkesselreaktor
ideales Strömungsrohrs
F(t)
idealer Rührkesselreaktor
realer
Reaktor
realer
Reaktor
ideales
Strömungsrohr
t
0
0
t
Ergebnis: Die Verweilzeitverteilungsfunktionen sowie die Verweilzeitsummenkurven
unterscheiden sich signifikant.
Frage:
Auf welche Weise ist eine Beschreibung des hydrodynamischen Verhaltens
realer Reaktoren nun möglich?
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SS 2015
Entwicklungen zweier Modelle zur Beschreibung von kontinuierlich betriebenen realen Reaktoren
1. Zellenmodell oder Kaskadenmodell
2. Dispersionsmodell
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SS 2015
Zellenmodell oder Kaskadenmodell
Rührkesselkaskade (hier Kaskade mit 3 idealen Rührkesseln)
Zulauf
Ablauf
Messstelle
Stoßmarkierung
E(t)
F(t)
0
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t
0
t
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Wie verändert sich die Form von E(t) und F(t) mit steigender Kesselzahl?
2,5
E(t)
N=50
2,0
20
1,5
10
1,0
5
0,5
3
2
1
0
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0,5
1,0
1,5
2,0
ô
2,5
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverhalten
Vergleich Rührkesselkaskade (RKK) mit realen Reaktoren
E(t)
Die Dichtekurven sind ähnlich!
Reale Reaktoren lassen sich offenbar mit der Betrachtung einer Rührkesselkaskade
beschreiben.
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SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Verweilzeitverteilung und Wahrscheinlichkeitssummenkurve einer Rührkesselkaskade in Abhängigkeit von der
Kesselzahl n
Die Summenkurven sind ähnlich!
Wie lässt sich dies erklären?
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SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverhalten
Ideales Strömungsrohr
Propfenströmung (keine Rückvermischung)
Rührkesselkaskade mit n Kesseln
keine Rückvermischung analog der Pfropfenströmung
.
= 5 Minuten
keine Rückvermischung, kein Rührei
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SS 2015
Mathematische Beschreibung realer Reaktoren
Damit Reaktoren, die unterschiedliche Größen aufweisen und mit verschiedenen Raumzeiten
betrieben werden, trotzdem bezüglich ihres Verweilzeitverhaltens verglichen werden können, werden
die Funktionen E(t) und F(t) in Abhängigkeit von der normierten Zeit È dargestellt.
(Anmerkung: Die y-Achsen von E(t) und F(t) wurden schon zuvor auf 1 normiert; Division durch die
Gesamtzahl der Eier (Gleichung 2.1). Nun wird die x-Achse mit Hilfe der mittleren Verweilzeit
normiert:
Es gilt:
für ideale Reaktoren
(2.7) È = t/ôR
für reale Reaktoren
(2.8) È = t/ t
Zeit / mittlere Verweilzeit
Damit ergibt sich aus der Massenbilanz mit N Kesseln folgende Funktion für E(È):
(2.9)
E(È) =
N * (N * È)N-1
(N – 1)!
e
(-N * È)
Einziger Modellparameter ist die Kesselzahl N, die durch direkte Anpassung der gemessenen mit der
berechneten Kurve bestimmt werden kann. (Vergleichsbetrachtung)
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SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Dispersionsmodell
Mit dem Dispersionsmodell wird ähnlich wie beim Zellenmodell ein charakteristischer Parameter
entwickelt, mit dem das hydrodynamische Verhalten realer Reaktoren beschrieben werden kann.
Durch das Geschwindigkeitsprofil und Turbulenzen in Rohrreaktoren entsteht eine lokale
Rückvermischung (Dispersion) in axialer Richtung (z-Richtung). Dieser Effekt wird analog zum
Diffusionskoeffizienten mit einem axialen Dispersionskoeffizienten Dax beschrieben.
Stoffstrom jax entgegen der
Strömungsrichtung z
uz
(2.10)
z=0
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z=L
jax = - Dax
dc
dz
mol
m2 *s
z
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Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Abgeleitet aus einer Massenbilanz für ein Strömungsrohr ergibt sich für E(È):
(2.11)
Bo e
E(È) = 1
2 ðÈ
(1 – È)2 Bo
4È
mit Bo = dimensionslose Bodenstein-Zahl
(2.12)
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Bo =
uz * L
Dax
interpretierbar als
Konvektion
Dispersion
SS 2015
Grenzfallbetrachtung:
'LVSHUVLRQ%R’
Dispersion
∞;
Bo
0
2,5
E(È)
2,0
50
1,5
20
1,0
10
5
0,5
1
0
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
SS 2015
Chemische Verfahrenstechnik
Verweilzeitverteilung
Obwohl die Verteilungsfunktionen für das Zellen- und das Dispersionsmodell einen ähnlichen Verlauf
aufweisen, sind sie nur für zwei Grenzzustände deckungsgleich:
N =
0
Bo = 0
N
∞
Bo
∞
Trotzdem wurde aufgrund der Ähnlichkeit beider Verteilungsfunktionen folgende Beziehung
zwischen Näq (äquivalente Kesselzahl) und Bo abgeleitet:
(2.13a)
Bo =
4 * (Näq-1)2 - 1
oder
(2.13b)
Näq = 1 +
Bo2 + 1
4
Ähnlich wie beim Zellenmodell wird die Verteilungsfunktion E(È) nur durch einen Parameter,
nämlich der Bo-Zahl, beschrieben. Diese wird durch eine Vergleichsbetrachtung analog zur
Kesselzahl N des Zellenmodells ermittelt. (Vergleich von gemessener Verteilungsfunktion mit der
nach Gleichung 2.11 berechneten E(È)-Funktion.)
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Wie kann eine solche Vergleichsbetrachtung erfolgen?
Vorgehensweise
Messtechnische Aufnahme einer Verweilzeitverteilung mit Hilfe
von Tracer-Messungen
Auswertung der erhaltenen Daten bzw. der
Verweilzeitverteilung mit Hilfe statistischer Methoden durch
Ermittlung der Parameter (mittlere Verweilzeit t und Varianz ó2).
Ermittlung der Modellparameter (Kesselzahl N oder Bo-Zahl)
durch eine Vergleichsbetrachtung bzw. mit Hilfe
mathematischer Zusammenhänge zwischen statistischen
Parametern (t, ó2) einerseits und Modellparametern (N, Bo)
andererseits.
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SS 2015
Messwertaufnahme durch Tracer-Messungen:
Es gilt:
(2.14)
.
Stoffmengenstrom zum Zeitpunkt t am Auslauf
nT,ex(t)
nT,in
E(t) =
(vgl. Gleichung 2.1)
Gesamtstoffmenge zum Aufgabezeitpunkt t=0
mit
.
.
nT,ex(t) = cT,ex (t) * V
und
.
∞
nT,in =
∫ cT,ex (t) * V dt
0
.
(2.15)
E(t) =
cT,ex (t) * V
∞
.
∫ cT,ex (t) * V dt
0
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=
cT,ex (t)
∞
∫ cT,ex (t) dt
0
SS 2015
Auswertung der gemessenen Daten mit Hilfe statistischer Methoden
ó
Maß für die Streuung der Verweilzeitverteilungsfunktion E(t)
um den Erwartungswert t (Breite der Verweilzeitverteilung)
ó2 Varianz bzw. Dispersion um den Mittelwert t (2. Moment einer
Verteilungsfunktion mit der Kesselzahl N des Zellenmodells
1. Moment der Verteilungsdichtefunktion
mit (2.15)
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(2.16)
(2.17)
SS 2015
Herleitung Gleichung 2.18:
2. Moment der Verteilungsdichtefunktion
∞
= ∫ (t2 – 2t t + t2) E(t) dt
0
(2.18)
∞
=
∫
0
∞
∞
0
0
t2 E(t) dt – ∫ 2t t E(t) dt + ∫ t2 E(t) dt
t (vgl. 2.16)
Aus den Gleichungen 2.15 und 2.18 ergibt sich:
=
∞
∫ t2 E(t) dt –
1 (vgl. 2.2)
2 t2 + t2
0
∞
=
∫ t2 E(t) dt –
t2
0
(2.19)
Umrechnung auf die dimensionslose Form
(2.20)
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Beispiel: Berechnung der mittleren Verweilzeit t für einen realen Reaktor sowie der Varianz ó2
Messdaten
Zeit t (h)
Konzentration cT,ex
(mg/l)
t2
t * cT,ex
t2 * cT,ex
1
2
3
4
5
6
7
8
9
23
23,5
25
26,5
28
31
27
26
25,4
1
4
9
16
25
36
49
64
81
23
47
75
106
140
186
187
208
228,6
23
94
225
424
700
1.116
1.323
1.664
2.057,4
Summe
258,4
285
1.200,6
7.626,4
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
=
mittlere Verweilzeit t nach (2.17):
Varianz ó2 nach (2.19)
1.200,6
258,4
=
= 4,646 h
7626,4
258,4
7,93
oder normiert mit (2.20)
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
=
(4,646)
2
- (4,646)2 = 7,93
= 0,367
SS 2015
Ermittlung der Modellparameter (Kesselzahl N oder Bo-Zahl)
Schaffung einer mathematischen Verbindung zwischen statistischen Kennzahlen t (mittlere
Verweilzeit des realen Reaktors) und ó2 (Varianz) einer Verteilungsfunktion mit der Kesselzahl N
des Zellenmodells
Zellenmodell
für das Zellenmodell gilt:
damit ergibt sich:
(2.21)
N =
1
0,367
= 2,72
Dispersionsmodell
Eine erste Berechnung von Bo kann mit Hilfe der Gleichung 2.13a vorgenommen werden:
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
Bo =
4 * (Näq-1)2 - 1
Bo =
4 * (2,72 -1)2 – 1 = 3,29
SS 2015
Für eine genauere Betrachtung ohne Zuhilfenahme der Kesselzahl N muss folgende
Fallunterscheidung für das Dispersionsmodell vorgenommen werden:
Dax > 0
offenes
System
geschlossen
Dax = 0
geschlossen
Dax > 0
offenes
System
Der Reaktor ist bezüglich der Dispersion beidseitig
geschlossenes geschlossen. Am Ein- und Ausgang ändert sich der
System
Dax = 0
Dispersionskoeffizient sprunghaft von Dax = 0
außerhalb des Reaktors auf einen unendlichen
Wert.
Dax > 0
offen
Dax = 0
halboffene
System
Dax > 0
offen
Der Reaktor ist bezüglich der Dispersion beidseitig
offen bzw. unendlich lang. Es besteht hinsichtlich
der Dispersion keine Diskontinuität.
geschlossen
Der Reaktor ist bezüglich der Dispersion halbseitig
geschlossen. Der Dispersionskoeffizient ändert
sich sprunghaft von Dax = 0 auf einen endlichen
Wert am Eingang oder am Ausgang des Reaktors.
Dax = 0
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015
Bo = f ( t, ô)
Bo = f (óè2)
beidseitig offenes System
beidseitig geschlossenes
System
halboffenes System
(2.22)
(2.23)
(2.24)
1
óè 2
Boo-o
1
= 2 +
óè
Bog-g
1
= 2 -1+
óè
Boo-g = Bog-o
2
+
8
óè 2
Boo-o =
2ô
t-ô
2
1 -1
2
+
-2
2
óè
óè 2
1
= 2 +
óè
1
óè 2
2
+
3
óè 2
Bog-o =
ô
t-ô
Zur Bestimmung des Modellparameters Bo aus einer gemessenen Antwortkurve sind nur dann korrekte
Ergebnisse zu erwarten, wenn für das Modell die dem Experiment entsprechenden Randbedingungen
gewählt werden. Dies gilt jedoch lediglich bei kleinen Werten von Bo (Bo < 100). Für große Werte sind
die Verteilungskurven für alle genannten Randbedingungen nicht unterscheidbar.
Für Bo > 100 gilt:
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
(2.25)
Bo =
2
óè 2
SS 2015
1,0
F(È)
0,8
Bo = 6.667
0,6
experimentelle Kurve
0,4
0,2
Bo = 11,765
0
0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
È = t/ô
Messungen:
È
0
0,5
0,7
0,875
1,0
1,5
2,0
2,5
cT,ex/cT
0
0,1
0,22
0,40
0,57
0,84
0,94
0,98 0,99
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
3,0
SS 2015
1,0
F(È)
0,5
N = 25 (Zellenmodell)
Näq = 25 (Gleichung 2.13b)
N
=
Näq =
5 (Zellenmodell)
5 (Gleichung 2.13b)
0,0
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
Vergleich der berechneten Summenkurven für verschiedene Kesselzahl N nach dem
Zellenmodell und der äquivalenten Kesselzahl Näq berechnet nach dem Dispersionsmodell
Prof. Dr. rer. nat. K.-E. Köppke
SS 2015