Puppentheater und NS-Zeit NS

Das andere Theater 85 · UNIMA-Zentrum Deutschland · 24. Jahrgang 2014 · Einzelpreis 10 €
Puppentheater und NS-Zeit NS-Zeit im Figurentheater
85
Palmarum 1942 wurde Lübecks Altstadt als erstes
deutsches Ziel bombardiert. Da dieser Jahrestag –
wie auch in anderen Städten – zunehmend als Anlass für rechte
Propaganda missbraucht wurde, hat sich in Lübeck mittlerweile
eine Tradition von antifaschistischen Gegenkundgebungen etabliert. In diesem Rahmen hat das Figurentheater Lübeck eine
Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, die die vielfältigen Verbindungen zwischen der NS-Zeit und dem Figurentheater thematisieren soll. Die Auftaktveranstaltung war ein Informations­
abend; Christiane Klatt und Silke Technau hatten eine gründliche Dokumentation zusammengestellt, in der die Arbeit des
von Reichstheaterkammer und maßgeblich von der HJ konzipierten Reichsinstituts für Puppenspiel im Mittelpunkt stand. Zu
in­teressant für nur einen Abend, fand die Redaktion, und so
bildet eine schlanke Auswahl aus dieser Arbeit wiederum den
Kern eines Themenheftes zum Doppelthema: Figurentheater
und NS-Zeit – NS-Zeit im Figurentheater.
Aber schon die Hälfte dieses Doppelthemas wäre viel zu viel für
ein schmales Heft wie das DaT. Niemand war überrascht über
die Uferlosigkeit des Themas, das wir hier also nur anreißen können. Die letzten einschlägigen Forschungspublikationen zur NSVergangenheit des Figurentheaters und seiner Akteure sind gut
und gerne zwanzig Jahre alt – und vieles ist noch zu erforschen in
Archiven, Bibliotheken und Museen. Aber wer tut es noch?
Haben sich die Antriebe etwa erschöpft? Den Anspruch, die NSVergangenheit zu bewältigen, erhebt richtigerweise niemand
mehr. Auch der Zorn auf Täter, Mitläufer und Verschweiger
trifft zunehmend ins Leere (und hat seinerseits schon Geschichtswert). Und der Vorsatz, aus der Geschichte zu lernen, um ihre
Wiederholung zu vermeiden, das Nie-Wieder-Pathos der Nachkriegsjahrzehnte hat an Verve eingebüßt: Eine breite Mehrheit
hat verstanden, und die, die noch zu lernen hätten, wollens nicht
hören. Ein Ende der historisch-sachlichen Auseinandersetzung
mit der Nazizeit darf es nicht geben, doch wird jede Generation
ihr Verhältnis zu dieser Auseinandersetzung neu bestimmen
müssen.
Editorial
Herausgeber:
Union Internationale de la Marionnette (UNIMA)
Zentrum Deutsch­land e.V.
c / o Theater der Nacht, Obere Str. 1, 37154 Northeim
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Redaktion:
Silke Technau, Christiane Klatt, Dr. Vera Wunsch,
Stephan Wunsch, Stephan Schlafke, Martin Labedat
c / o Stephan Schlafke, Kleine Petersgrube 14, 23552 Lübeck
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Layout und Satz:
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Druck:
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2
Das gilt ebenso für die Auseinandersetzung mit ästhetischen
Mitteln. Ist es nicht erstaunlich, dass die NS-Zeit, dass Krieg,
Verfolgung und Judenmord für nicht wenige gegenwärtige Inszenierungen als Thema gewählt wurden? Immerhin gibt es für ein
solches Projekt eine ganze Reihe von Möglichkeiten des Scheiterns: ästhetisch, sachlich, moralisch. An die Sinnhaftigkeit der
Fiktionalisierung gerade dieses Themas lassen sich durchaus unangenehme Fragen richten: Wäre mit einer sachlichen Dokumentation nicht mehr erreicht? Muss fiktional verdichtet werden, was schon historisch-faktisch nicht eindringlicher sein
könnte? Lauert hinter der emotionalen Intensivierung des Sachlichen nicht die Gefahr des Betroffenheitskitsches? Wie lässt sich
der böse Vorwurf entkräften, man nutze den schrecklichsten der
Schrecken als ästhetisches Stimulans? – Wir stellen eine Reihe
von einschlägigen Inszenierungen vor und lassen ihre Urheber zu
Wort kommen über Ziele, Probleme, Resultate ihrer Arbeit, und
ihre Antworten sind erfreulich uneinheitlich.
Als gemeinsamer Beweggrund für die wissenschaftliche wie die
künstlerische Beschäftigung mit diesen Jahren lässt sich vielleicht
immerhin festhalten: Solange es den Menschen keine Ruhe lässt,
werden sie sich damit auseinandersetzen müssen, egal zu welchem Ende. Seit wir wissen, dass auch das zum Spektrum des
Menschlichen gehört, geht es um uns, wenn wir nicht aufhören
können danach zu fragen; um dieses Bedürfnis zu begründen
muss man keine moralischen Kategorien bemühen. Mit einer
Ausnahme allerdings: Die Erinnerung an das Leid der Opfer
wachzuhalten ist eine objektiv bestehende Aufgabe. Bewusst
haben wir diesen Aspekt von der Darstellung von Tätern und
Tatstrukturen herausgehalten.
Einzelne Schicksale von Puppenspielern unter der NS-Herrschaft
sollen Thema für ein künftiges, eigenes Heft im nächsten Jahr
sein.
Die Redaktion
Das andere Theater
ist das offizielle Mitteilungsblatt der UNIMA, Zentrum Deutschland e. V. mit Deutschem Bund für Puppenspiel. Die Bezugsgebühr ist im Mitglieds-/Abo-Beitrag ent­halten.
Im Interesse möglichst aktueller Informationen bittet die Redaktion um rechtzeitige Zusendung von Terminen, Ankündigungen
etc. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion. Alle Angaben ohne Gewähr. Keine Haftung für eingesandtes Material. Die
namentlich gekennzeichneten Beiträge geben nicht unbedingt die
Mei­nung des Herausgebers wieder.
Erscheinungsdatum DaT 85: Juni 2014
Redaktionsschluss DaT 86: 15. September 2014
Thema: Museen und Sammlungen
Erscheinungsdatum DaT 86: November 2014
ISSN 0944-2324
Titelbild:
»Schicklgruber«, Neville Tranter, www.stuffedpuppet.nl
Foto: Georg Pöhlein
Editorial2
Puppentheater in der NS-Zeit NS-Zeit im Figurentheater
Silke Technau · Theaterwissenschaftlerin,
Puppenspielerin/Kobalt Figurentheater Lübeck Puppenspiel in der Propaganda der NS-Diktatur
4
Silke Technau Das Fettnäpfchen war riesengroß
10
Silke Technau »Popanz gesucht«, Hanuš Hachenburg
12
»Hannes und Paul«
14
»Kinder der Bestie ...«
15
»1944 – Es war einmal ein Drache ...«
16
»Engel mit nur einem Flügel«
17
»Anne Frank – verstecktes Leben«
18
Stefan Kügel · Puppenspieler/Theater Kuckucksheim, Adelsdorf
»Der letzte Zug«
19
Mirjam Hesse · Puppenspielerin/Theater Miamou, Berlin
»Das Bootshaus«
20
»Herrmann geht nach Engelland«
21
»Schicklgruber«
22
»The House by the Lake«
23
NS-Zeit mit Pappfiguren
24
»Der überaus starke Willibald«
– Eine Mäuse-Diktatur-Parabel
28
Geschichte
Xaver Schichtl in Magdeburg
32
Adolph Friedländer – Schicksal einer Firma 35
Elke Schweiger · Puppenspielerin/Seifenblasen FT, Meerbusch
Frank Soehnle · Puppenspieler/FT Tübingen, Reutlingen
Gabriele Parnow-Kloth · Puppensp./Tandera Theater, Lüneburg
Ralf Kiekhöfer · Puppenspieler/Töfte Theater, Halle
Rudolf Schmid · Puppenspieler/Fliegendes Theater, Berlin
Hartmut Liebsch · Puppenspieler, Heilbronn
Neville Tranter · Puppenspieler/Stuffed Puppet, Amstelveen
Yael Rasooly · Puppenspielerin, Jerusalem/Israel
Christiane Klatt · Theaterwissenschaftlerin,
Puppenspielerin/puppen.etc, Berlin
Dieter Goergen · Sammler, Jugenheim
Johannes Richter · Puppentheaterarchiv, Magdeburg
Silke Technau Welt-UNIMA
Ruth Brockhausen · Puppensp./Theater der Nacht, Northeim Rätetreffen 2014 in Varadero / Kuba
Zur Diskussion
Christian Georg Fuchs · Regisseur, Dramaturg, Erfurt Puppentheater für alle!
Vera und Stephan Wunsch · Literaturwissenschaftlerin,
Germanist, rosenfisch figurenspiel, Aachen
Klaus Harder · Journalist, Meißen
Festival
»Wenn Puppen es machen ...« – 11. figuma in Eupen
Jens Welsch · Sammler, Osterholz-Scharmbeck
Christine Kümmel · Puppensp./Theater a. d. Köfferchen, Herrenberg
Andreas Kilger · Puppenspieler/ Theater KnuTh, Holzheim
Christiane Klatt
Silke Technau 36
38
40
Qualität und heitere Laune – Osterzgeb. Puppentheaterfest 42
Buchbesprechung
Silke Technau 40 Jahre Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt
Silke Technau Eintritt frei – Kinder die Hälfte
Silke Technau Olaf Bernstengel · Theaterwissenschaftler,
Puppenspieler/fundus-Marionetten, Dresden
Olaf Bernstengel
Inhalt
43
43
Marionetten. Kunst, Bau, Spiel
43
Familienpuppentheater – Schauspieler an Fäden
44
Bilder aus der Geschichte des tschechischen Puppenspiels
44
Nachruf
Bernhard Morgenstern
45
Willibald Meyer
45
Mo Bunte
46
Georg Offik
46
Dat Informativ
Berichte und Meldungen
47
Premieren
49
Festivals
50
3
Puppenspiel in der Propaganda der NS-Diktatur
A
b 1933 begannen Gleichschaltungen von Organisationen,
üble Denunziationen, wurde offener Widerstand brutal erstickt; es wurden Berufsverbote verhängt und wieder unterlaufen; auch im Puppentheaterbereich gab es innere Emigration,
gab es das Untertauchen in Nischen, gab es Flucht – oder die
ersehnte Karriere. Die Nazis trieben jedoch die Kontrolle und
vor allem die Instrumentalisierung des Puppenspiels für Propaganda und im Sinne nationalsozialistischer Erziehung zunehmend konsequenter voran. Hier engagierte sich besonders der
handpuppenerfahrene Oberbannführer Siegfried Raeck / Kulturamt der Reichsjugendführung.
Das Jahr 1937 wird für die Förderung des Puppenspiels entscheidend. Puppenspiel wird in die Abteilung Volkstum-Brauchtum
unter Leitung des Ideologen Otto Schmidt übernommen. Sein
Untergebener, Gottfried Anacker, ein Puppenspielspezialist,
vom Amt Feier­abend in der Abt. Volkstum / Brauchtum überprüft Puppenspieler und engagiert sie gegebenenfalls für die Freizeitorganisation KdF (Kraft durch Freude). Anacker vertrat das
deutsche Puppenspiel bereits politisch gelegentlich auch im Ausland.
Der Funktionär Gottfried Anacker berichtet 1937, dass nunmehr 35 Bühnen (13 Marionetten-, 3 traditionelle Stockpuppentheater und 19 Handpuppenbühnen) von KdF und Reichsjugendführung anerkannt seien und verpflichtet würden. Diese
Bühnen brauchten zur Sicherung ihrer Existenz jährlich 7000
Einsätze, von denen 1937 zwei Drittel durch KdF abgedeckt
worden seien. Puppenspiel kann nun politisch-weltanschaulich
im Sinne der Volkstumsarbeit der KdF ausgerichtet werden.
Dies führte 1938 zur Gründung des Reichsinstituts für Puppenspiel mit folgenden Aufgaben:
- Zentrale Koordinierungsstelle aller puppenspielerischen Akti­
vitäten;
- Belebung des Puppenspiels / Laienspiels der Hitlerjugend;
Modell des Reichsinstituts
für Puppenspiel, Stuttgart
4
- Schulung der Berufsspieler und des Nachwuchses – ideologische Ausbildungskurse und Versuchsbühnen;
- Überprüfung der Berufsbühnen, vertragliche Bindung an KdF;
- Verfassen und / oder Genehmigen von Stücken.
Den ideologischen Hintergrund lieferte Otto Schmidt. Die
künstlerische Leitung hatte Harro Siegel, die organisatorische
Siegfried Raeck; Dramaturg war Dr. Hermann Schultze; Anacker arbeitete als Geschäftsführer und Berater überall mit. Dazu
gab es noch ca. 15 weitere MitarbeiterInnen.
Xaver Schichtl, der in der Gewerkschaft Deutsche Arbeitsfront
die Fachschaft Puppenspieler im Ambulanten Gewerbe vertrat,
wies zu Recht stets eindringlich darauf hin, nicht durch staatliche
Tourneeorganisationen wie KdF die Erwerbsgrundlage entzogen
werden dürfe. Die Reichstheaterkammer beobachtete die zweifellos ehrgeizig vorangetriebenen Pläne der HJ misstrauisch und
versuchte, Einfluss zu bekommen.
1938 stellte Siegfried Raeck die Pläne des Reichsinstituts auf der
ersten Reichsarbeitswoche auf der Jugendburg Hohnstein ca. 40
ausgewählten Bühnen vor. Aus dieser Tagung entstand das
92-seitige Heft: Das deutsche Puppenspiel. Einsatz, Erfolge Zielsetzung, das 1939 in großer Auflage im ganzen Deutschen Reich an
professionelle Puppenspieler, Laien und KdF-Veranstalter verteilt wurde. Neben der weltanschaulichen Ausrichtung enthält
das Heft Stückausschnitte von Jacob, Kastner und Deininger,
Bezugsadressen, und Beschreibungen des Berufsbildes Puppenspieler mit handwerklichen und ökonomischen Hinweisen.
Harro Siegel geht 1943 nach Braunschweig, Siegfried Raeck und
Otto Schmidt werden eingezogen und fallen. Die Kölner Labolitwerke, die Siegels Handpuppenköpfe massenhaft vervielfäl­
tigten, werden 1943 zerstört.
Silke Technau
Au$züge au$: »Da$
deut$che Puppen$pi
el«
hg. v. Amt Feierab
end der NSG Kra
ft
du
rch Freude,
Abt. Volk$tum/Bra
uchtum, o. J. (1939
)
»Durch un
sere Geschichte und
durch unser Brauchtu
hen ewige Gestalten
m ge, Verkörperun­gen de
utschen Wesens:
ein Parzival, ein Sigfrie
d, [...] – ein Till Eulen
spiegel. [...]
Der Ulenspiegel ist ni
cht »der Dumme«. Er
selber muß ja
den Menschen »auf di
e Sprünge« helfen. [..
.] Er besitzt das
Entscheidende: er ist
der leid­ enschaftliche
Kämpfer gegen
Dummheit und Schw
ach­heit, Wankelmut
, rasches Vergessen und feilen Sinn, N
eid und Scheelsucht,
Faulheit, Eigennutz, Kurzsichtigkeit
und Bequemlichkeit
.
Hier allerdings
schwingt er schonun
gslos die Peitsche sei
nes beißenden
Spottes, hier zerreißt
er alle falschen Hüllen
und entlarvt die
verlogenen Fratzen. U
nd er tut es nicht aus
Lu
st an der Lüge, sondern mit dem
Nicht der Kasper verk
Willen zur Wahrheit
örpert eine nationalso
. Im Zerstören
beginnt er bereits zu
zialistische Haltung, der etwa von de
bauen. Er öffnet den
r Spielleiste herab »H
Menschen die
Augen und so setzt
eil Hitler« grüßt,
oder gar mit einer H
er an Stelle des Sche
akenkreuzfahne über
ins: das Sein; an
Stelle bloßer Worte:
die Bühne zieht;
vielmehr muß er in
den Wert; an Stelle de
sei
nem Tun und Hande
r
Ph
rase: die Sa- Ke
che selbst. Er ist der gr
ln ein ganzer
rl sein. [...] Wie über
oße Erzieher! [...] Nich
all, so kommt es auch
t anders als Till
Ulenspiegel, ihm inne
beim Puppenspiel auf die Haltun
rlich – und im Äuße
g und Gesinnung an
ren – tief verwandt, ist sein kleiner
. Und der größte
politische Wert liegt
Vetter mit dem Holzk
in einem Spiel, das au
opf, der deutsche Kasper!« (S. 10
s Haltung und
Gesinnung heraus de
f.)
n Menschen im Sinn
e
der Bewegung
formen hilft, ohne da
»Und indem ihr lacht
ß darum viel Worte
, indem ihr euer oft
gemacht werden.
so verschlossenes (S. 23 f.)
Innere auftut, nehm
t ihr eine Wahrheit
in euch auf. Ihr
nehmt sie gern auf;
»Wacht auf! Unsere
denn sie wird euch ja
östlichen Nachbarn
nicht mit erhobenem Zeigefinger
haben eine große
Anzahl (sie geht in di
lehrhaft und morali
e Tausende!) von Pu
sierend verpaßt.
Wenn einer schulmeis
ppenbühnen, die
vom Staate gefördert
tern will, klappt man
und im Kampf gegen
leicht die Ohren
und das Herz zu. Kasp
deutsches Volkstu
m eingesetzt werden
er will nicht schulmeis
. An der Universität
tern. Er spricht
nur aus seiner Lebens
Moskau ist ein
Institut eingerichtet,
erfahrung zu euch un
das nach psychologis
d niemand kann
sich seinem Wort versc
chen Gesetzen
Puppenspieltexte für
hließen.
die Gottlosenpropag
Kasper predigt auch
anda ausarbeitet.
Hier wie dort macht
nicht bloß mit Worten
man sich die eindrin
, sondern er ist
ein Kerl, der handelt
gliche Kraft des
Puppenspiels und sei
. Er kennt keinen Zw
ne starke Wirkung au
iespalt zwischen
dem, was er sagt, und
f alle unverbildeten Menschen zunu
dem, was er tut.
tze, um politische G
Kasper packt gewiß
edanken in die
Massen zu tragen. M
oft derb zu. Aber er
an beginnt damit sch
ist nicht bösartig.
Und wenn er jeman
on beim Kind. –
Werten wir die Dinge
d auf den Arm nimm
in einer wirklich posit
t, dann tut er es
nicht aus Schadenfre
iven Weise aus!
ude oder Niedertrach
t. Er will nur den Es ist deshalb unbedi
anderen zurechtrücken
ng
t notwendig, von jed
. Mag der andere ihm
er harmlosen
als der Typ des Betrachtung des Puppen
ewig Verzagten, des m
spiels abzurücken un
eckernden Nörglers,
d sich über
sei
des Dünkelhaftne politische Bedeutun
Hochnäsigen, des Nied
g endlich klar zu werd
rig-Gemeinen gegenü
en. Nützen
wir die noch weithin
berstehen.
Damit steht das Pupp
unausgeschöpften M
enspiel in der Front
öglichkeiten, die
der weltanschau- uns im Puppenspiel ge
lich-politischen Erzie
geben sind, im Dienst
hung; so wahr welta
der Erziehung
nschaulich-poli- des deutschen Menschen
tische Erziehung bede
in Stadt und Land!«
utet, Menschen für
(S. 32 f.)
das Wesen der »D
Gemeinschaft und fü
ort, wo deutsches Vo
r das Volk zu formen
lk
stum mit fremden Ei
.
Damit wendet sich da
nflüssen und
unablässigem Kampf
s Puppenspiel vor all
liegt, hat das Puppen
em auch an den de
Erwachsenen, nicht m
sp
iel
seine besonren Aufgaben.
ehr nur an das Kind.
Darum brauchen
wir es in unseren Gem
Der Kampf um das
einschaften – im Dor
Volkstum beginnt sch
f, im Betrieb, im W
Lager. Darum hat es
on beim Kind.
eil das Puppenspiel in
seine besonderen Au
gleicher Weise das Ki
fgaben im Volkstumskampf an den G
nd wie den
Er
wa
ch
renzen.« (S. 8 f.)
senen anspricht, ist es
eine Waffe, die wir in
»Wenn wir dem Pupp
Ka
mpf nicht entbehren
diesem
enspiel Aufgaben in
können. Es kommt hi
der politischen Pu
Erziehung zuweisen,
nzu, daß das
ppenspiel das politisc
dann reden wir da
he Geschehen den Er
mit nicht einer de
plump-tendenziösen
fordernissen
s Tages entsprechend
Spielgestaltung das W
in
s Spiel einbeziehen un
ort.
Eine politische Tend
d ihm seine
Sinndeutung geben ka
enz muss in der Halt
nn. Darum liegt in di
ung und im Handeln der spielenden Pu
ese
m
Q
Spiel eine
ue
lle der Kraft gerade fü
ppen zum lebendigen
r das Grenzvolk.
Ausdruck kom- [..
men. Sie darf nicht pl
.] Das beweisen die ho
att und grob dem ah
hen Besucherziffern in
nungslosen Besucher ins Gesicht gesch
den kleinen
Grenzdörfern, die m
leudert werden.
anchen größeren Ort
im satten und
selbstzufriedenen Binn
enland beschämen.«
(S. 24 ff.)
5
Au$züge au$: »Spiele und Köpfe für
da$ Ka$pertheater«
hg. v. Reich$­in$titut für Puppen$piel,
Vorbereitung$$telle in Berlin, o. J. (ca.
1939/40)
»Das deutsche Puppenspiel feierte seine
Wie- gesprochen politische Spieltex
te zur Verfüderauferstehung in den Schützengräben
des gung stellen.
Weltkrieges. Mit selbstgeschnitzten Köp
fen Spiele, die in ihrem inneren und
technischen
spielten damals unsere Soldaten mitten
in der Aufbau beliebig vom Kaspert
heater wie von
Trostlosigkeit und Schwere des Gestellu
ngs- der Marionettenbühne nach
Wunsch der
krieges fröhliche Szenen vom Tommy
und Verfasser eingesetzt werden kön
nen, darf es
Poilu und dem immer lustigen, alles
besie- künftig nicht mehr geben. Das
Handpuppengenden Draufgänger Kasper.
spiel hat seine eigenen Gesetze und
Wirkungen, und das Marionettenspiel kan
n
das
Und einige Jahre später war es die deu
tsche gleiche für sich beanspruchen.
Jugend, die auf dem im harten Volkstu
ms- [...] Wir haben mit geeigneten Aut
oren Thekampf stehenden Dörfern des Grenzla
ndes men ausgewählt, und Spiele gem
einsam erardas Puppenspiel einsetzte, um Kindern
und beitet, die unmittelbar im politisch
en TagesErwachsenen altes deutsches Kulturgut,
Mär- und Volkskampf Einsatz finden
können.«
chen und Heimatsagen, zu vermitteln. [...]
(S. 4 f.)
Nr. 11
: Zwei
ter Te
ufel
Während in Polen und der Tschech
ei das »Als ersten Anfang zu dieser
weitgreifenden
Puppenspiel in über dreitausend staatlich
un- Arbeit gibt die in Berlin eingeric
htete Vorbeterstützten Theatern auf das stärkste zu
glei- reitungsstelle des Reichsinstituts
nun
mehr bechen Aufgaben des Volkstumskampfes,
oft in sonders für den Einsatz im Krie
g
eine Serie
an sich ihm fremden, gehässigen Formen,
ein- von Handpuppenköpfen und eine
Reihe von
gesetzt wurde, mangelte es in Deutsch
land Puppenspielen heraus. [...]
immer dringender an wirklich guten Pup
penspielern und an geeigneten Stücken für
das Wir haben im ganzen 24 Köpfe [...]
herausgePuppentheater.« (S. 3.)
bracht [...], unter denen die Haupttypen
sowohl unserer politischen Spiele wie des
Kas»Einmal müssen wir für den vordring
lichen perspiels überhaupt vorkomm
en, und die so
und so wesentlichen Einsatz des Puppen
spiels gehalten sind, daß man mit ihne
n eine große
im Kriege unseren Spielern brauchbare,
aus- Reihe von Stücken spielen kann.
[...]
Nr. 2: Grete
Nr. 16: Spießbürger
6
Nr. 23: Mr. Lügenmaul
Nr. 22: Mr. Regenschirm
köpfen
ppen
on Pu
v
g
n
ellu
$piel
Her$t
äßige für Puppen
m
n
e
i
r
Se
tut$
$in$ti
Reich
de$
t dazu
können wir [...] nich
er
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D
.]
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pfe
s damit begnügen
m Angebot dieser Kö
. [...] Wir müssen un
rn
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Wir hoffen, mit de
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nen Kopf ein
sperspiel bereits
em von uns bezoge
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lieben und ausüben,
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fmenge dazuzuliefern
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Nr. 7: Erster Räu
Nr. 9: Hexe
Nr. 9: Zauberer
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zit. n. Gerd Bohlmeie
9
Auszug aus: Harro Siegel: Vom Puppenspiel
in Deutschland 1933-1945 (Erinnerungen an die NS-Zeit),
Frankfurt am Main 1981
»[Es] stellte sich zu meiner Bestürzung heraus, daß unser Dramaturg
inzwischen ein Stück geschrieben hatte: »Der Jude im Dorn«, nach
einem Grimmschen Märchen. Die Hauptfigur hatte er Levi Blauspan
getauft und mit allen Merkmalen des Vulgär­antisemi­tismus ausgestattet.
Diese Figur galt es nun [zur Figurenserie des Reichsinstituts] noch hinzuzufügen. Vergebens suchte ich nach einem Ausweg – fand aber keinen.
[...] Als mein bester Freund [...] Adolf Reichwein das Gebilde sah,
meinte er nur traurig: ›Das wird dir dein Leben lang leid tun‹.« (S. 18.)
Zur Diskussion
10
Nr. 24: Jude
Das Fettnäpfchen war riesengroß
Melchior Schedler hatte damit angefangen. 1973.
Sein provokantes Buch Schlachtet die blauen Elefanten1 beunruhigte nicht nur die deutsche Kindertheaterszene, sondern auch die deutschen Puppentheater. Provokant setzte er sich mit Kasperspiel im Na­
tionalsozialismus auseinander und
griff die interna­tionale Ikone Max Jacob an – das
Fettnäpfchen war riesig. Er tat es zu einer Zeit, als
eine junge Generation von Theaterwissenschaftlern und auch eine neue Generation Puppenspielernachwuchs sich vorsichtig am Horizont abzeichneten. Wir verstanden den Kult um Max
Jacob nicht mehr. Er war schon lange tot, Friedrich Arndt gab zwar noch Kurse, spielte aber nicht
mehr – wir Westdeutschen suchten in ganz anderen Richtungen nach Ausdrucksmöglichkeiten für
Figurentheater. Die Figur »Kasper« interessierte
uns nicht übermäßig. Eine Spielerin bezeichnete
den Kasper sogar öffentlich als ›faschistoid‹.
1981 Vom Pup­penspiel in Deutschland 1933-1945
(Erinnerungen an die N.S.-Zeit) von Harro Siegel 4
heraus. Siegel versucht – neben seinen Erinnerungen an Fakten – sich klarzuwerden über seine
Stellung in der NS-Propa­gandama­schinerie, in die
er blauäugig hineingeraten war und der er sich ca.
1943 mit seinem Umzug von Berlin nach Braunschweig wieder entziehen konnte.
Schedlers Text riss Fragen auf, spitzte einen Generationskonflikt zu, provozierte heftige Diskussionen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die
ausführliche Kritik und Rezension, der Hans
Richard Purschke 2 über diesen Text in PerlickoPerlacko eine ganze Heftausgabe widmete. In dieser Rezension brachte er vor allem die beiden völlig
unterschiedlichen dramaturgischen Funktionen
der Kasperfigur im Marionettenspiel bzw. im
Handpuppenspiel ausgezeichnet auf den Punkt
und korrigierte die offensichtlichen historischen
Fehler; mit Schedlers polemischen Stil (dem »haarsträubenden Unsinn« des Herrn Schedler) konnte
Purschke jedoch gar nichts anfangen.
Trotzdem hatte der Text etwas in ihm ausgelöst:
»... aber die historische Wahrheit hat Vorrang vor
persönlichen Gefühlen ...«3 Purschke brachte u. a.
Der Aufsatz Kasper und die Nazis I 5 von Matthias
Brand und mir war ein solches. Es gab unseres
Wissens vorher keine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema; für mich war es ein Anfang, das Material, was wir in Berlin und München
gesichtet hatten, überhaupt einmal zu strukturieren und zu veröffentlichen. Wir hatten aber bald
genug von diesem ideologischen Zeug. Die Forschungen von Bohlmeier 6 ab 1985 sind eine große
Fleißarbeit, was das gesammelte Material bzw. die
Darstellung der totalitären Pläne der Nazis angeht.
Bohlmeier vermittelt dabei jedoch immer den Eindruck, dass all diese Pläne verwirklicht worden
sind.
Nichtsdestotrotz stand der Text von Schedler in
einem westdeutsch-antifaschistischen Diskussionszusammenhang, an dem sich alle Geisteswissenschaften beteiligten. In der Theaterwissenschaft an
der FU Berlin wurde ein mehrsemestriges Hauptund Forschungsseminar »Theater im Exil« von
Walter Huder geleitet, der das Archiv in der Akademie der Künste verwaltete und zu Recht hoffte,
dass in diesem Zusammenhang Forschungsergebnisse (und Dissertationen) entstehen konnten.
Aber welche Auswirkungen hatten Pläne und Propaganda tatsächlich? Was überhaupt davon reali-
siert wurde und wie, wollten wir in biografischen Fallstudien
ursprünglich in Kasper und die Nazis II überhaupt erst einmal
anfangen zu untersuchen, aber die antifaschistische Zeitschrift
wurde eingestellt, und wir inszenierten 1983/84 »Zasper« von
Matthias Brand, unsere Puppenspielgroteske über den altgewordenen Kasper, der in seiner nunmehr großstädtischen Umgebung fehl am Platz ist und nicht mehr verstanden wird: Wir
verließen mit unseren Hand- und Stockpuppen den Guck­kasten.
Der Aufsatz und diese Inszenierung setzten heftige Diskussionen,
Befremden, Staunen im Verband deutscher Puppentheater in
Gang. Waren Kristiane Balsevicius und ich zunächst der ersehnte
Nachwuchs gewesen, entsprachen wir nun nicht mehr so ganz
den Erwartungen. Im Gegensatz zu Kristiane zog ich mich aus
der Verbandsarbeit zurück; »Zasper« ging seinen Tournee-Weg
durch West-Deutschland und West-Berlin; Kasper und die
Nazis II blieb ungeschrieben.
Walter Kipsch
Erreicht hatten wir, dass die KollegInnen sich widerwillig, doch
nach und nach öffneten und Gespräche in Gang kamen; Autobiographisches war nicht mehr gänzlich tabu. Es wurde möglich,
Fragen zu stellen und zu intensiven Gesprächen zu kommen.
Walter Kipsch7 stellte seine in den 80er-Jahren in den UNIMARundbriefen veröffentlichten klei­neren Artikel 1992 in seinen
Bemerkungen zum Puppenspiel 1936-1990 noch einmal zusammen. Die Ausstellung FrontPuppenTheater – Puppenspieler im
Kriegsgeschehen vom Puppentheater-Museum Berlin entstand in
enger Zusammenarbeit mit der UNIMA, dem Verband deutscher Puppentheater und dem Kulturamt Neukölln 1997/98.
Der Katalog 8 dazu besteht aus interessanten Fallstudien zu Propaganda und Kriegsalltag im 20. Jahrhundert.
Eine Leserbriefdebatte ergab sich aus einem biografischen Artikel
über Heidi Lohmann in den DaT-Ausgaben 45 bis 47 2001/02 9.
Das DaT 45 hatte als Thema Frauen Figuren Theater. Martha
Stocker und Heidi Lohmann hatten nach dem Krieg als 2-FrauenBühne das Mülheimer Kaspertheater gegründet und über Jahrzehnte auch mit großem kulturpolitischen Engagement betrieben. Kristiane Balsevicius hatte Heidis BDM-Vergangenheit als
Teil ihrer Jugend beschrieben. Sie provozierte damit einen recht
platten Kommentar einer Leserin, als hätte es die – zugegebener­
maßen zunächst westdeutschen – Diskussionen seit den 80er
und die Aufarbeitungen in den 90er-Jahren nicht gegeben.
Die daraufhin im DaT 47 erschienenen Antworten setzten sich
mit dem Umgang mit Lebensgeschichten auseinander, mit der
Diskrepanz von Ansprüchen, tatsächlich gelebtem Leben, mit
Erzähltem und Erzählbarem und mit dem modernen moralischen Wert der Empathie des Zuhörenden.
Wie gehen wir heute mit Auto-/Biografien um, mit ihrer UnVollständigkeit und aus welchen Blickwinkeln, mit welchen Fragestellungen, mit welchem Erkenntnisinteresse, mit welchem
Recht?
Silke Technau
1
elchior Schedler: Schlachtet die blauen Elefanten! Bemerkungen über das
M
Kinderstück, Beltz-Verlag Weinheim und Basel 1973, vgl. darin besonders:
»Der Kasper, das Kasperle, die Kasperei«, S. 60–169
2
ans Richard Purschke: Schuster, bleib bei deinem Leisten! In Perlicko-PerH
lacko, Fachblätter für Puppenspiel, Heft 10, I/1973, S. 150–168
3
ans Richard Purschke: Dokumente einer verabscheuungs­würdigen Tat, in
H
Perlicko-Perlacko, Heft 5, I/1985, S. 91. Hier veröffentlicht er Dokumente,
die belegen, dass Georg Deininger und der eigentlich beliebte Hilmar Binter
1933 gezielt Paul Brann denunzierten und ins Exil trieben.
4
ichael Harro Siegel: Vom Puppenspiel in Deutschland. Erinnerungen an die
M
N.S.-Zeit, in: Perlicko-Perlacko, Archiv für Puppentheatergeschichte Nr. 2,
Frankfurt am Main 1981, (24 S. mit Abb.)
5
atthias Brand, Silke Technau: Kasper und die Nazis I, in: Sammlung 5,
M
Jahrbuch für antifaschistische Literatur und Kunst, Röderberg-Verlag Frankfurt am Main 1982, S. 82–91 mit Abb.
6
erd Bohlmeier: Puppenspiel 1933-1945 in Deutschland. Das Puppenspiel im
G
Dienste der nationalsozialistischen Ideologie in Deutschland, Bochum 1985.
ders.: Das Reichsinstitut für Puppenspiel. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des
Nationalsozialismus, Phil. Diss. Braunschweig 1989. Erschreckend undistanziert und unkritisch übernimmt 2010 Ernst-Frieder Kratochwil: Deutsches
Puppen- und Maskentheater seit 1990 noch 30 Jahre später die Wertungen
(und Ungenauigkeiten und Fehler!) Bohlmeiers – als hätte es keine Diskussionen und neuere Forschungsergebnisse gegeben – und unterrichtete mit seinen
gefärbten Thesen noch bis 2009 die heutigen Puppenspiel-StudentInnen an
der Berliner Hochschule Ernst-Busch.
7
alter Kipsch: Bemerkungen zum Puppenspiel 1936-1990, Puppen und MasW
ken Frankfurt am Main 1992
8
orothea Kolland, Puppentheatermuseum Berlin (Hg.): FrontPuppenTheaD
ter. Puppenspieler im Kriegsgeschehen, Elefanten Press Berlin 1997.
17 europäische AutorInnen in 19 Artikeln mit zahlreichen Abbildungen.
9
ristiane Balsevicius: Die Lust aus dem Nichts etwas zu machen. Eine AnnäK
herung an die Puppenspielerin Heidi Lohmann, DaT 45
Barbara Fuchs: Leserbrief, DaT 46
S ilke Technau: Verständigungsmöglichkeiten zwischen den Ge­nerationen, DaT 47
Sylvia Deinert: Chance vertan?, DaT 47
Katja Spiess: Stellungnahme der Redaktion, DaT 47
11
»Popanz gesucht«, Hanuš Hachenburg
1992 findet der Autor Matthias Brand im Archiv
in Terezín ein Manuskript, ein Puppentheaterstück von Hanuš Hachenburg. Er bringt neben
Gedichten von Hanuš Hachenburg auch eine Kopie dieses Stücks mit nach Berlin. Mit dem in
Berlin lebenden tschechischen Autor und Journalist Bodja Košˇtál entstehen die Übersetzungen und
die Vortragsreihe für Schüler: »Ich bin allein / in
der Asche nach der Flamme …« Der jugendliche
Dichter Hanuš Hachenburg in Theresienstadt.
1
in Antrag auf InszenierungsE
zuschuss (Arbeitstitel: Popanz
gesucht! Fragmente einer Jugend in Theresienstadt) beim
Berliner Kultursenat wurde
1993 abgelehnt. Der Austra­lier
Gary Friedman inszenier­te das
Stück »Looking for a monster!«
erstmalig 2001
Mordechaj ist nicht nur ein
gängiger jüdischer Vorname.
Mordechaj ist der historische
Jude, dessen anmutige Adoptivtochter Esther mit dem persischen König Ahasver zusammenlebt. Mordechaj bringt sie
dazu, einen bereits angeordneten katastrophalen Judenpogrom mit einem Dekret zu unterlaufen, dass zuvor die Juden
im persischen Reich zwei Tage
lang all ihre Feinde ermorden
dürfen. Sie setzt dieses Dekret
bei Ahasver tatsächlich durch.
Diese Sage ist der Grund des
jüdischen Purimfestes.
Für Hachenburg ist Morde­chaj
offensichtlich kein Held sondern eher ein Kollaborateur.
2
12
Hanuš Hachenburg
Am 12.7.1929 in Prag geboren, wächst er zunächst
bei der Mutter auf und geht in die jüdische Schule.
1938 gibt sie ihn in ein jüdisches Waisenhaus in
Prag. Hier lebt er bis zur Deportation der Kinder
nach Theresienstadt am 24.10.1942.
Er wird als dünner, intelligenter Junge beschrieben, der seine grausigen Eindrücke in Theresien­
stadt täglich in Gedichte zu fassen versucht.
Die 10- bis 16-jährigen Jungen leben in L 417,
einer ehemaligen Schule.
Am 18.12.1943 werden die Jungen mit mind.
1000 anderen Menschen aus Theresienstadt nach
Auschwitz-Birkenau in das Familienlager transportiert. Dort werden Kinder und Jugendliche
noch 6 Monaten in Ruhe gelassen; sie haben jedoch Postkarten zu schreiben, dass es ihnen gut
gehe, die dann nach und nach verschickt werden.
In Auschwitz soll Hachenburg noch eine Hymne
geschrieben haben, die zur Arbeit gesungen wurde
und sich auf die Gongschläge bezog, mit denen die
Häftlinge zur Arbeit gerufen wurden: Zwei Eisenbahnschienen wurden dazu aneinandergeschlagen.
Hanuš Hachenburg wurde im Juli 1944 ermordet.
Die 10- bis 16-jährigen tschechischen Jungen waren in einer ehemaligen Schule untergebracht. Sie
arbeiteten nicht, möglicherweise war ihnen das
ausdrücklich verboten. Stattdessen hatten sie die
Zeit, von ebenfalls deportierten Lehrern intensiv
und ausgezeichnet unterrichtet zu werden. Sie organisierten sich die »Republik Schkid« mit einer
eigenen Verfassung und Fahne. Der Name spielt
auf ein russisches Experiment an, über das 1927
ein russischer Bestseller erschienen war.
»Republik Schkid« (Republik der Strolche) waren
Heime oder Schulen, in der obdachlose, schwer­
erziehbare Jungs, verwahrloste, verwaiste Straßenkinder unterkamen und sich Erzieher nach ihren
Vorstellungen formten; und diejenigen, die ihnen
nicht als Persönlichkeiten gegenüber treten konn-
ten, straften sie gnadenlos bis handgreiflich ab.
Randalierer, Musiker und Lyriker waren unter den
Schülern angesehen. Lehrer, die ihr Vertrauen errungen hatten, konnten sich des Respekts und der
Loyalität der Jugendlichen sicher sein. Die russi­
sche »Republik Schkid« galt als Vorzeigeschule.
Die Schule der tschechischen Jugendlichen lag in
Hitlers Vorzeigestadt Theresienstadt.
Zwei der Jungen, einer von ihnen war Hanuš Hachenburg, gaben die Zeitung Vedem heraus. Hier
schrieben die Jugendlichen ihre Beiträge und Hachenburg veröffentlichte seine verzweifelten, expressiven Gedichte – Gedichte über den täglichen
Tod in der grausamen Enge der kleinen Stadt,
über die mörderische Zeit, in der er lebte, über
seine verratene Jugend voller intellektueller Kraft.
Vedem hatte Ende 1943 einen Wettbewerb für
Theaterstücke ausgeschrieben. Das Puppenspiel
»Popanz gesucht« ist der Beitrag von Hanuš Hachenburg.
Dieses Stück ist vermutlich das letzte, was er in
Theresienstadt geschrieben hat, und es ist wohl
eines der ersten Puppentheaterstücke, das sich mit
der NS-Zeit auseinandersetzt.1
Hanuš Hachenburg:
Loutková hra: Hledáme Strašidlo
(Puppenspiel: Popanz gesucht)
Beilage der Zeitschrift Vedem (Wir führen)
Terezín 1943
1. Thronsaal
Der König Analphabet Maul I., regt sich darüber auf, dass die
Menschen sich gegen ihn auflehnen.
Sein Minister hat Lager eingerichtet, in denen denkende Menschen vernichtet werden. Beim Verkauf von Urnen hat der
König noch einen kleinen Nebengewinn.
Der König will keine Toten, sondern Menschen, die denken
wie er.
Sein Minister schlägt vor, mit der Dame Tod (im Tschechischen
weiblich) dem Volk Angst zu machen. Der König ordnet begeistert an, dass seine Untertanen Menschenknochen, die älter sind
als 60 Jahre, abzuliefern haben. Er möchte nämlich daraus ein
Gerippe zum Spuken zusammensetzen.
7. Zirkusarena
Im Zirkus »Geschichte, Schicksal und Co« kündigt ein Jude die
Hauptattraktion an:
Der König tanzt mit »Frau Tod, die ihn zu erwürgen droht«. Sie
werfen sich gegenseitig vor, dass der andere Schuld ist. Während
König und Tod immer schneller miteinander tanzen und streiten, klatschen die beiden Kinder, die Bäuerin und Honza Beifall.
Der Jude schließt die Aufführung.
Die letzte Szene ist noch hastig hingeschmiert.
Der Text endet hier.
Silke Technau
2. Straße
Eine weinende Bäuerin bringt ihren ausgemergelten, ängstlichen
Opa; der Tscheche Honza lacht sie böse aus. Sie wird aber mit
einer Auszeichnung belohnt. Der Vorschlag eines Bürgers, die
Knochen doch an der Front einzusammeln, da lägen doch genug
herum, wird gleich mit dem Tod bestraft.
Die Dame Tod kommt selbst, um ihre Knochen abzuliefern. Sie
wird sofort verhaftet.
3. Thronsaal
Frau Tod wird, ohne sich verteidigen zu können, dazu verurteilt,
sich von der Garde der »Rohen Salamiwürste« als Popanz durchs
Land führen zu lassen.
4. Straße, drei Jahre später
Drei Jahre später machen sich auf der Straße zwei Kinder über
Frau Tod und den Polizisten lustig, die entsetzte Mutter, die
Bäuerin, kommt dazu, Frau Tod spukt dazwischen immer wieder umher; alles endet mit einer wilden Verfolgungsjagd zwischen den Kindern und dem Polizisten, während Frau Tod festgehalten wird.
5. Gemach des Hexenmeisters
Der König ist entsetzt: Die Leute nehmen seinen Popanz Tod
nicht mehr ernst, sie wollen aus ihm Rindsknochensuppe kochen. Er weiß nicht weiter. Auch der Hexenmeister kann nicht
mehr helfen.
6. Thronsaal
Mordechaj2 kommt und schlägt mit pseudojüdischem, unter­
würfigem Pathos vor, die nackten Knochen der Dame Tod mit
Fetzen und Häuten zu bedecken. Er bietet sich selber an, Abfälle
und Personen, die älter sind als 60 Jahre, zu sammeln und wird
als Chef engagiert.
Der katholische Botschafter beschwert sich, dass beinerne Reliquien gestohlen wurden. Da der König daraus Leim gekocht hat,
kann er nichts zurückgeben.
13
»Hannes und Paul«
SEIFENBLASEN FIGURENTHEATER
1943, Bombennacht in einer deutschen Stadt.
Eine Frau sitzt allein in ihrer Küche. Sie hat gerade ihren Sohn verloren, nicht an den Krieg. Hannes tötete sich selbst – mit 16! Während sie so dasitzt und grübelt, einen Pappkarton auf ihrem Schoß,
ertönt der Voralarm, das bedeutet: noch zwanzig Minuten Zeit bis
zu einem erwarteten schweren Luftangriff. Die Frau hört den Alarm
nicht. Sie packt den Karton aus und Stück für Stück kommen Erinnerungen an ihren Sohn hoch.
Sie sieht Hannes als weinendes Baby und wie sein Vater – Soldat
und überzeugter Anhänger des aufstrebenden Nationalsozialismus
– sie daran hindert, ihr Baby zu trösten, denn »ein Deutscher Junge
muss hart werden!« Sie sieht noch einmal die Begeisterung ihres inzwischen 6-Jährigen, geschürt von der Euphorie des Vaters, als anlässlich der Machtergreifung Tausende von Kindern in Braunhemden singend durch die Straßen marschieren, sie sieht Hannes
im Alter von 10 Jahren als »Pimpf«, und schließlich sieht sie ihn
auch als Jugendlichen in sein Schicksal laufen.
Das beginnt in der Schule im Lateinunterricht. Hannes ist inzwischen 15 Jahre alt und muss sich mit »Pyramus und Thisbe« aus den
Metamorphosen von Ovid herumschlagen. Damit die Jungen Zugang zur lateinischen Poesie finden, sollen sie die Geschichte als
Schauspiel einstudieren, Hannes spielt Thisbe und sein Freund Paul,
mit dem er schon zeit seines Lebens befreundet ist, spielt Py­ramus.
Durch die Proben – vielleicht auch einfach nur gleichzeitig, wer
weiß das schon? – merken die bei­den Jungen, dass da mehr als
Freundschaft zwischen ihnen wächst, und plötzlich beginnen ihr
Leben und ihr Spiel sich miteinander zu verflechten. Genau wie die
Protagonisten in dem Gedicht müssen sie ihre Liebe geheim halten
– im Nationalsozialismus Homosexualität zu leben ist völlig unmöglich!
Von Hannes Vater wissen sie, was mit Homo­sexuellen geschieht:
KZ oder Zwangssterilisation oder gar beides – Hannes Vater macht
keinen Hehl daraus, dass für ihn das Letztere das einzig Richtige ist.
Diese Aussichten schockieren Paul dermaßen, dass er schwört, sich
umzubringen, sollte er je als »Homo« denunziert werden.
Eines Tages erwischt Hannes Mutter die beiden tatsächlich in
flagranti und zeigt Paul an, der ihrer Meinung nach Hannes »ver­
hext« hat, denn ihr Sohn kann und soll und darf nicht schwul sein!
14
Hannes, überzeugt davon, dass Paul sich wirklich umbringt, kann
den Gedanken nicht ertragen, ohne den Freund weiter zu leben und
wirft sich unter einen Zug. Paul ist aber nicht tot, findet den toten
Freund und ersticht sich aus Verzweiflung und Schuldgefühl. So
verschmilzt auch das Ende der beiden Jungen mit dem Ende der
Geschichte von »Pyramus und Thisbe«.
Als schließlich der Hauptalarm ertönt und Hannes Mutter endlich
klar sehen kann, was sie so lange verdrängt hat, erkennt sie auch
ihre eigene Rolle in dieser Tragödie. Und ihre Schuld ...
Über unsere Produktion
Dass wir uns für eine Inszenierung mit Figuren entschieden haben,
liegt natürlich vor allem daran, dass wir ein Figurentheater sind. Wir
denken immer ganz automatisch »in Puppen«!
Im Unterschied zu unseren anderen Stücken ist dieses Stück allerdings in der Hauptsache ein Schauspiel, es wird die Geschichte von
Frau Schumann erzählt, die über ihr Leben reflektiert. Sie
ist die einzig reale Figur in der Geschichte, alle anderen sind tot und
nur als Erinnerungen in ihrem Kopf vorhanden, deshalb lag es nahe,
sie als Puppen von ihr spielen zu lassen, gewissermaßen als ihre
Kopfgeburten.
Bei der Figurengestaltung standen wir vor der Frage, ob wir die Figuren naturalistisch oder stark vereinfacht bauen. Wir haben uns
hier für ein eher comichaftes Aussehen entschieden, um ganz deutlich zu machen, dass es sich nicht um reale Personen handelt, sondern um bildgewordene Gedanken der Mutter.
Die Reaktionen beim Publikum waren durchweg positiv bis enthusiastisch. Durch die Vielschichtigkeit der Inszenierung findet beinahe jeder im Publikum, unabhängig vom Alter, einen persönlichen
Zugang zum Stück, zur Geschichte und zur Problematik.
Die Reaktionen bei Veranstaltern hingegen sind vielfältiger. Die einen haben »auf so ein Stück gewartet«, andere sind zögerlich, buchen dann doch und sind von dem anschließenden Erfolg überwältigt, wieder andere trauen ihrem Publikum nicht zu, sich »mit sowas« auseinander setzen zu wollen und buchen »lieber nicht«.
Elke Schweiger
»Kinder der Bestie
oder Vom herrlichen Narrentalent, an den Menschen zu glauben«
FIGUREN THEATER TÜBINGEN
Eine Koproduktion des figuren theater tübingen mit dem TEATRON Theater (Arnsberg), nach dem Roman Stichwort: Liebe von
David Grossman
Grossmans Roman Stichwort: Liebe kombiniert in vier Büchern die
fiktive Geschichte seines Groß­vaters während der NS-Zeit mit den
heutigen Fragen der Kinder an die Generation der Opfer und Täter.
Die Inszenierung verwendet drei dieser Teile, die wie Schalen einer
Zwiebel ins Zentrum der Angst des Ich-Erzählers führen.
Erzählt wird vom 9-jährigen Momik, der als Sohn von HolocaustÜberlebenden versucht, mit kriminalistischem Spürsinn die Sprachlosigkeit seines Großvaters zu entschlüsseln und das Schweigen seiner Umgebung zu durchbrechen. Vom erwachsenen Schriftsteller
Momik (Shlomik), der versucht, Geschichten und Geschichte seines
Groß­
vaters Anschel Wassermann zu rekonstruieren. Und von
Großvater Anschel Wassermann, dem Autor der Kindergeschichten
Die Kinder des Herzens, der nun seinem Lagerkommandanten,
Obersturmbannführer Neigel, diese Geschichten weitererzählen
muss, um sterben zu dürfen.
In einem unheimlichen Kraftakt unternimmt Shlomik den Versuch,
in fiktiver Gemeinschaft mit dem Großvater und Neigel eine Fortsetzung der Geschichte zu wagen. Um Wassermanns Schicksal zu
verstehen, um überhaupt leben zu können, muss es möglich sein,
selbst die Nazi-Bestie Neigel »mit Menschlichkeit zu infizieren«.
Die Inszenierung spaltet den Ich-Erzähler in zwei Darsteller: einen
stummen Figurenspieler und einen deutsch und hebräisch sprechenden Schauspieler. Beide agieren auf zwei Ebenen (Fiktion und
Realität) in wechselnden Standpunkten und katapultieren die Geschichte in verschiedene Erinnerungs- und Möglichkeitsräume. Die
Ebene der Kindheitserinnerung entsteht durch Figuren und Objekte, die an alte Spielsachen erinnern. Die Ebene der Geschichte in
der Geschichte, der alt gewordenen Kinder des Herzens, entsteht aus
lebensgroßen, faltigen Stoff-Figuren, die sich aus einem Stoffkreis
schälen, der den Bühnenraum wie eine riesige Uhr abgrenzt.
Darsteller: Yehuda Almagor & Frank Soehnle
Assistenz: Oliver S. El-Fayoumy
Figuren und Bühne: Frank Soehnle
Technik und Projektionen: Karin Ersching
Musik: rat’n’X (Johannes Frisch & Stefan Mertin)
Adaption: Yehuda Almagor
Dramaturgie u. Deutsche Fassung: Ulla Almagor
Englische Fassung: Patricia Benecke
Die Inszenierung war von 2000 bis 2007 im Repertoire und wurde
auf zahlreiche Festivals ein­geladen. Figuren und Ausstattung befinden sich heute im PUK Museum in Bad Kreuznach.
Frank Soehnle
15
»1944 – Es war einmal ein Drache ...«
TANDERA THEATER
Figurentheater für Jugendliche und Erwachsene
Ausgangspunkt ist eine wahre Geschichte aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück (nach der gleichnamigen literarischen Vorlage
von Bodo Schulenburg): Dezember 1944, 10.000 sogenannte Schutzhäftlinge befinden sich im Lager, darunter fast 400 Kinder. Für diese
Kinder bereiten die Frauen von Ravensbrück ein Weihnachtsfest vor.
Gespielt wird mit verschiedenen Formen des Figurentheaters, verbunden mit Schauspiel und Objekttheater.
Spiel: Gabriele Parnow-Kloth und Dörte Kiehn
Figurenspiel: Heike Klockmeier oder Manfred Fricke
Regieberatung: Regina Wagner
Ton/Musik: Karl-F. Parnow-Kloth
Wir hatten nie gezielt vor, ein Theaterstück zum Thema Nationalsozialismus zu machen, es hat sich tatsächlich ergeben. Der Ausschnitt
Kindheit im Konzentra­tionslager hat uns bewegt, und die Frage, ob wir
mit »Figurentheater« nicht ein theatralisches Mittel nutzen sollten, das
durch seine besondere Formensprache helfen kann, über diese Zeit zu
berichten.
Als Erstes haben wir die Gedenkstätte in Ravensbrück besucht. Die
Gedenkstätte zeigt eine Fülle an Material über die dort inhaftierten und
getöteten Menschen. Viele Gegenstände waren ausgestellt, kleine Geschenke aus Zahnbürsten, Holzresten oder Papier: So mussten also die
kleinen Geschenke, die anlässlich der Weihnachtsfeier verteilt wurden,
ausgesehen haben. Auch einen Teil der Figuren, die beim Puppenspiel
im Rahmen der Weihnachtsfeier aufgeführt wurden, waren erhalten
und gaben uns einen wichtigen Anhaltspunkt für die einfache Gestaltung unserer Figuren.
Keinen Anhaltspunkt erhielten wir über den tatsächlichen Inhalt des
Puppenspiels: Frauen aus ganz Europa waren in Ravensbrück inhaftiert, viele verschiedene Sprachen wurden gesprochen, Verständigungsprobleme bestimmten den Alltag, gerade gegen Ende des Krieges. So
haben die Menschen zwar das Puppenspiel während des Weihnachtsfestes gesehen, aber aus den gezeigten Figuren (Kasper, Prinzessin und
Drache) ihre eigene Geschichte gemacht. Auch wir wollten eine Kasperle-Geschichte im Theaterstück zeigen – diese Entscheidung lag für
uns Figurenspieler ja auf der Hand. Aber mit einem Kaspertheaterstückchen macht man noch keine Inszenierung über die Zeit des Nationalsozialismus! Würden wir eine weitere Form finden, die Bilder
schafft von Kindheit im KZ, die beschreibt, welchen zwiespältigen
Gefühlen die inhaftierten Frauen in dieser Zeit ausgesetzt waren, die
den Frauen, die dort gelebt, gelitten haben oder gestorben sind, Respekt
zollt für ihre Lebensgeschichte?
Wir entschieden uns für eine Rahmenhandlung, und zur Überraschung
der Zuschauer beginnt unser Theaterstück in der Gegenwart: Dörte
16
und ich als Töpferinnen werkeln die Weihnachtsbestellungen ab, Dörte
entdeckt zufällig das Buch. Das Gelesene bringt sie aus dem Trott – das
Thema wird von ihr zum Gesprächsstoff erhoben. Ich blocke ab, bis
ihre Schilderungen mich doch erwischen. Und nun drehen wir beide
am Zeitrad, schlüpfen in die Rolle der KZ-Insassen, empfinden das
ungewöhnliche Fest nach. Mit diesem Einstieg rechnen die Zuschauer,
Jugendliche ab 12 Jahren und Erwachsene, nicht.
Ein – für mich historisches – Aha-Erlebnis hatten wir aber mit den Figurenszenen. Zum ersten Mal ist mir die Suggestions-Kraft der Figuren
bewusst geworden. Berichte über die inhaftierten Kinder werden mit
einfachsten Tonköpfchen auf Stäben in schlichten Kitteln dargestellt –
unser Bühnen-Werkstatt-Schrank dient als Querschnitt durch ein Konzentrationslager. Diese Figürchen werden in ihrer Einfachheit von den
Zuschauern sofort als Zeichen für die vielen Kinder akzeptiert, werden
mit eigenen bekannten Kinderschicksalen verknüpft. Diese Darstellungsebene rührt auch und gerade die erwachsenen Zuschauer. Puppen- oder Figurentheater eilt nicht unbedingt der Ruf voraus, seriös mit
existenziellen Themen umzugehen. Hier überzeugen die Figurentheaterszenen genau vom Gegenteil, und jedes Mal hören wir nach einer
Vorstellung: Großartig, die Idee mit den Kinder-Figurenszenen – das
hätten wir nicht gedacht! Wir übrigens am Anfang auch nicht – aber ich
habe gelernt: Vertraue der Puppe!
Der Skepsis »Was? Puppentheater? Zu diesem Thema?« begegnen wir
aber immer wieder. Wir zeigen ca. 10 bis 20 Aufführungen im Jahr –
meistens zwischen November und Januar. Die ersten Jahre spielten wir
das Stück in vielen Lagergedenkstätten in der gesamten Republik, eine
völlig neue Zielgruppe für uns. Wir trafen, gänzlich unerwartet, auf einen Bedarf, und wurden, dank Mund-zu-Mund-Propaganda, weitergereicht. Ich habe vorher nicht gewusst, wieviele Gedenkstätten wir haben, in welchem Umfang die Vernichtungsmaschinerie im 3. Reich
arbeitete. Besonders erschütternd war für mich die Erkenntnis, dass
manche Konzentrationslager immer noch als Gefängnisse oder manche
Euthanasiestätten immer noch als Behindertenwohnheime genutzt
werden.
Neben Erwachsenen spielten wir für Zivildienstschulen, Gymnasialund auch Sonderschüler ab 14 Jahren, die diese Gedenkstätten besuchten. Für diese Aufführungen erhielten wir ein großes Presseecho.
Erst später haben wir uns mit dem Theaterstück direkt an Schulen gewendet. Aber wie bewirbt man sich mit so einem heiklen Thema an
Schulen und dann noch als Figurentheater? Gibt es überhaupt eine seriöse Art von Werbung zu diesem Themenbereich? Uns haben auf diesem Wege die vielen gesammelten Presseberichte geholfen, die wir an
die Schulen schickten, außerdem eine kleine Broschüre zu dem Buch,
das als Grundlage für unser Theaterstück diente, und ergänzendes Material von der Gedenkstätte Ravensbrück. So können die LehrerInnen,
je nach Bedarf, ihre Schüler vorbereiten oder über Nachbereitungsmaterial verfügen.
Gabriele Parnow-Kloth
»Engel mit nur einem Flügel«
TÖFTE THEATER
Erinnerungen aus der Kindheit des jüdischen Jungen Robert Goldstein.
Eine wahre Geschichte, erzählt mit zwei Figuren und einem Schauspieler für Menschen ab 8 Jahren
Robert Goldstein erzählt seine Geschichte, die Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend, die wunderbaren und auch die schrecklichen Ereignisse, die er als kleiner jüdischer Junge in Deutschland und in Frankreich miterlebt hat.
Auf seiner »Reise durch die Erinnerung« begleiten ihn seine Zuschauer
in die Schule, zu seinen Lieblingsplätzen und Geheimverstecken, lernen
Lehrer, Mitschüler und Freunde kennen, hören von ersten Anfeindungen und erfahren vom Judenstern.
Irgendwann sitzen Robert und sein Vater in einem Zug Richtung Konzentrationslager, aber der kleine Robert wird wie durch ein Wunder
gerettet. Er lebt bei einer Bauernfamilie in Frankreich, bis er nach Jahren durch eine glückliche Fügung seinen Vater in Paris wiederfindet.
Text: Franz Josef Fendt und Ralf Kiekhöfer
Spiel: Ralf Kiekhöfer
Dramaturgie und Figuren: Ulrike Speckmann
Regie: Franz Josef Fendt
Das Thema Nationalsozialismus ist durch Kriegserlebnisse meines Vaters und eines mir nahe stehenden Onkels seit frühester Kindheit präsent. In der Schule hatte ich LehrerInnen, die uns einfühlsam über
diesen Abschnitt deutscher Geschichte informiert haben. Während
meines Zivildienstes und auf Gruppenreisen in osteuropäische Länder
habe ich die Geschichten vieler Menschen, darunter auch Zeitzeugen,
gehört. Bei der Recherche zu einem Liederprogramm mit jiddischen
Liedern sind wir dann auf die Kerngeschichte von »Engel mit nur
einem Flügel« gestoßen, und es wurde schnell klar, dass wir versuchen
wollten, daraus ein Stück zu machen. Für mich, der ich diese Zeit nur
aus Erzählungen, Büchern und Filmen kannte, war das Spielen mit Figuren und Objekten und die dadurch entstehende Abstraktion die
einzige Möglichkeit, so eine tiefe, schicksalshafte Episode darzustellen.
Einer der Leitsprüche des Regisseurs Franz Fendt, mit dem ich in Improvisationen Text und Stück entwickelt habe, hieß: »Im Krieg und auf
der Flucht hatten die Menschen irgendwann nichts mehr, und genau
mit diesem ›Nichts‹ müssen wir spielen.«
Darum haben wir von Beginn der Probenarbeit an immer nur mit sehr
wenigen und sehr ausgesuchten Requisiten gespielt: ein Kerzenstummel, ein Löffel, ein zerrissenes Stück Zeitungspapier, ein altes Handtuch, eine Kartoffel ... So haben wir für uns die Gefahr umschifft, durch
Bühnenbild, Kostüme oder Requisiten eine Realität darzustellen oder
vorzutäuschen, die wir uns selbst nicht vorstellen konnten. Die Probenzeit dauerte fast 12 Wochen und bis wenige Tage vor der Premiere gab
es keine Puppen. Rollendialoge wurden oft nur mit Handbewegungen
und mit Tüchern bzw. Handschuhen gespielt, oder ich schlüpfte schauspielerisch in die Rollen. Erst im letzten Moment schnitzte ich aus
Schaumstoff zwei grobe Figurenköpfe ohne Körper, Arme und Beine
für die beiden Protagonisten. Erst mit diesen Köpfen gelang es mir,
unsere Geschichte auch »authentisch« zu erzählen. Erst in der Abstraktion über die Köpfe konnte ich an Gefühle vordringen, die mir als
Schauspieler unwahr und vielleicht sogar peinlich erschienen wären.
Das führt dazu, dass die Zuschauer das Unvollständige mit ihren eigenen Bildern und Erfahrungen vervollständigen können und müssen.
Fast noch wichtiger ist aber, dass durch diese Schlichtheit ohne Vordergründigkeit Witz und Skurrilität entsteht, die unbedingt notwendig
sind, um diese sehr dramatische und traurige Geschichte als Spieler und
Zuschauer aushalten zu können.
Ich habe das Stück in 16 Jahren nun über 400 Mal gespielt, zumeist vor
SchülerInnen der 3. und 4. Klassen, der 5. und 6. Klassen der weiterführenden Schulen, aber auch in vielen Abendveranstaltungen in Kirchen, Museen und Theatern.
Manchmal haben LehrerInnen oder Veranstalter­
Innen im Vorfeld
Angst, dass die Kinder mit dem Thema überfordert sind. Grundsätzlich
muss aber niemand auf die Aufführung vorbereit werden. Auch muss
man nichts über die Zeit des Nationalsozialismus wissen, denn die eigentliche Geschichte einer Ausgrenzung, aus der Sicht eines 10-jährigen Jungen erzählt, ist universal und kann ohne geschichtliches Wissen verstanden werden. Nach der Vorstellung können bei den jungen
Zuschauern aber Fragen auftauchen, die von Eltern oder Pädagogen
beantwortet werden sollten.
Da das Thema Nationalsozialismus in den weiterführenden Schulen
häufig erst in Klasse 8 bis 10 behandelt wird, werde ich immer wieder
gebeten für diese Altersstufe zu spielen. Das klappt als »TheaterzwangVeranstaltung« in der Regel nicht, da Kinder dieses Alters, besonders in
der Gruppe, oft Schwierigkeiten haben, sich auf die Figuren, die Objekte und vor allem auf die Ruhe und Zartheit der Auflösung meiner
Geschichte einzulassen. Darum spiele ich für diese Altersgruppe nur vor
Jugendlichen, die freiwillig in mein Stück kommen. Die vielen positiven Reaktionen von Publikum, Veranstaltern und Öffentlichkeit sind
der Grund, warum ich dieses Stück auch nach 16 Jahren noch immer
mit ganzem Herzen spiele.
Ralf Kiekhöfer
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»Anne Frank – verstecktes Leben«
Fliegendes Theater
Eine Theaterperformance mit Figuren, Objekten, Projektionen
und einem Musiker.
Anne Frank und ihre Familie lebten zwischen 1942 und 44 versteckt vor den Nazis in einem Hinterhaus in Amsterdam. In einer Theaterperformance wird die Geschichte dieses lebensbedrohlichen, extrem eingeschränkten Daseins erzählt. Mit Objekttheater, Schauspiel, Videoprojektionen und Livemusik schaffen wir assoziative Bilder zu Texten aus Annes Tagebuch, sowie
von Rudolf Höß, dem Leiter des KZ Auschwitz u. a.
Wir stellen die Frage, wie es sich wohl anfühlen muss, jahrelang
versteckt und in Angst zu leben. Und wir stellen die Frage nach
den Tätern, danach, wozu ein Mensch fähig ist in außergewöhnlichen Zeiten, und welche Bedingungen es dafür braucht. Das
Stück soll dem Zuschauer eine sinnliche Erfahrung dieses Teils
deutscher Vergangenheit vermitteln.
Regie: Edelgard Hansen
Spiel: Rudolf Schmid
Musik: Uli Wirwoll
Technik: Marie-Elsa Drelon
Warum habt ihr euch entschieden, dieses Thema mit dem
Mitteln des Figurentheaters zu bearbeiten?
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Ich habe mich immer auch für ernsthafte, abgründige Themen
interessiert. Ich finde nicht, dass das Figurentheater sich nur auf
lustige und komische Stoffe beschränken muss.
Inwiefern haben sich besondere ästhetische Probleme gestellt
und wie habt ihr sie gelöst?
Wir wollten nicht die vielen Schauspielinszenierungen, die das
Leben der Anne Frank im Versteck nachstellen, mit Puppen kopieren. So haben wir Mittel des rituellen Theaters und des Objekttheaters gewählt, um assoziative Bilder zu den Tagebuchtexten von Anne Frank und Rudolf Höß zu schaffen.
Welche Reaktionen hat das Stück bei Publikum, Veranstaltern, Öffentlichkeit hervorgerufen?
Das Stück hat starke emotionale Reaktionen hervorgerufen. Wir
hatten viele intensive Gespräche mit Zuschauern, auch älteren,
die die NS-Zeit noch selbst erlebt hatten. Als Problem stellte sich
heraus, dass das Tagebuch der Anne Frank bei den Veranstaltern
oft die Zielgruppe der 10 bis 14-Jährigen assoziiert. Wir hatten
das Stück aber für ein erwachsenes Publikum gemacht und haben es später nur noch für Abendveranstaltungen angeboten.
Rudolf Schmid
»Der letzte Zug«
Fotos: Andreas Riedel
THEATER KUCKUCKSHEIM
Figurentheater für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
Es ist das Jahr 1945. Siegfried, Margarethe und Jakob Goldberger sind die einzigen Überlebenden einer großen jüdischen Familie. Bei einem Schachspiel blicken sie Zug um Zug auf die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zurück.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1929: Siegfried Goldberger verlobt sich mit der Christin Marga­rethe. Noch sehen sie voller
Zuversicht in die Zukunft. Doch schon bald verändert sich ihr
ganzes Leben. Während das Paar sich frühzeitig in die USA absetzt, weigert sich der Vater Jakob, mit den übrigen Familienmitgliedern seine deutsche Heimat zu verlassen. Als er sich endlich
zur Flucht entscheidet, werden die Goldbergers von den Nationalsozialisten »evakuiert« ...
Jiddische Lieder, historische Originalaufzeichnun­gen und Berichte von aus Franken stammenden Zeitzeugen begleiten diese
Geschichte von Liebe und Leid, Vertrauen und Misstrauen, Heimat und Fremde.
Spiel: Stefan Kügel
Regie und Musik: Dietmar Staskowiak
Ausstattung: Frauke Lehmann-Hößle,
Stefan Hößle und Karin Tiefensee
Stefan Kügel
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Fotos: Klaus G. Kohn
»Das Bootshaus«
THEATER IM WIND / THEATER MIAMOU
Figurentheater für Jugendliche und Erwachsene
Ein kleiner Junge und sein großer Bruder werden von ihrer Mutter zu
einem Bootshaus gebracht, weil es in der Stadt zu gefährlich geworden
ist. Frida, eine junge Frau, kümmert sich um sie.
Zunächst erscheint ihnen das Leben am See – im Schilf und am Wasser
– als Abenteuer. Doch letztendlich kann auch die Abgelegenheit sie
nicht vor dem näher rückenden Krieg schützen.
Sie hören die Schüsse, erleben Bilder der Zerstörung und finden einen
Verwundeten ...
Vom schwankenden Schilf verdeckt begleitet Charon die Kinder. In
seinem Boot stakend zieht er die horizontale Linie zwischen Leben und
Tod.
Aus dem mit hohen Schilfstangen gefüllten Bühnenraum lösen sich
immer wieder Erzählpassagen, Bilder und Spielszenen heraus, die von
einer atmosphärischen Klangwelt getragen werden. Die Spieler agieren
im Rücken der Figuren und sind so teilnehmende Begleiter des Geschehens.
Ein Stück von Enno Podehl
Entwicklung und Spiel: Mirjam Hesse und Enno Podehl
Musik: Stefan Mertin
Regie: Frank Soehnle
Koproduktion mit Nordland Visual Theatre, Norwegen
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Das Thema der Inszenierung »Das Bootshaus« gärte schon lange in
Enno Podehl, da es einen biografischen Hintergrund gibt. Was für ihn
dabei allerdings wichtig war: Das Thema Kinder im Krieg sollte sich
nicht auf eine politisch und historisch konkrete Situation beziehen,
denn es gibt auch heute Kriege und es gibt auch heute Kinder, die die
Auswirkungen von Kriegen in einer Form erleben, die sie nicht verstehen oder gar verarbeiten können.
Von zentraler Bedeutung war für ihn, dass der Krieg nur peripher und
in seinen indirekten Auswirkungen gezeigt wird, die er bei den Betroffenen hervorruft – also der Ängste und Aggressionen.
Dabei gab uns das bewegliche Schilf als zentrales Bühnenelement die
Möglichkeit, das Gefühlsspektrum zwischen Verunsicherung, Unklarheit, Orientierungslosigkeit und Bedrohung atmosphärisch zum Ausdruck zu bringen. Direkte Kriegsbilder haben wir bewusst ausgeschlossen. In einer Szene fallen Schüsse, aber zu sehen ist nur eine Frau, die
vor Schreck die Linsen, die sie in der Schale hat, verschüttet. Wichtig
war uns die metaphorische Umsetzung der Erlebnisse und Leidenszusammenhänge, die Kriege auslösen und hinterlassen.
Die stille, metaphorische Erzählweise des Stückes gibt den Zuschauern
einen offenen Raum für eigene Assoziationen und Erinnerungen. So
sagte uns eine Frau nach einer Aufführung in Dublin erregt, dass das
Stück genau die Geschichte ihrer Mutter darstelle. In Berlin erzählte
uns ein Techniker das Schicksal seines Onkels, an das er sich durch das
Stück erinnert fühlte. In Moskau betonte eine Kritikerin, dass es wichtig sei diese Geschichten zu erzählen, da wir in unseren Familien alle
solche Schicksale zum Teil über Generationen mittragen – offen oder
verborgen.
Mirjam Hesse
»Herrmann geht nach Engelland«
HARTMUT LIEBSCH
Der deutsche Alleinunterhalter, Puppenspieler und Bauchredner
Herrmann wird im Mai 1941 vom Reichsinstitut für Puppenspiel ins
besetzte Frankreich zur Truppenbetreuung beordert. Mit einem
bunten Unterhaltungsprogramm soll er die Kampfmoral der deutschen Soldaten stärken.
Von der Ostfront an die Westfront geschickt, kann Herrmann sein
Erfolgsstück »Der Jude im Dorn« jedoch nicht mehr zeigen. Levi
Blauspan, sein Hauptdarsteller, ist spurlos verschwunden. Das neue
Stück »Kasper fährt nach Engelland« soll deshalb jetzt Pre­miere haben. Doch aus dem »lustigen« Propagandastück wird ein bitterböses
Spiel ums Überleben: »Herrmann geht nach Engelland«.
Herrmanns Ensemble ist ein Mikrokosmos der deutschen Gesellschaft. Er selbst ist ein unpolitischer Mitläufer, das Krokodil gezwungener Spitzel mit Blockwartmentalität, Kasper ein kernig brauner Überzeugungstäter, der Großmutter ist eigentlich alles zu viel
und Levi Blauspan merkt, dass gehörig was schiefläuft, weiß aber
nicht genau was. Über dem Ganzen schwebt als permanente Bedrohung das Reichsinstitut für Puppenspiel.
Spiel, Ausstattung: Hartmut Liebsch
Stückentwicklung: Gyula Molnar und Hartmut Liebsch
Puppenspielcoaching: Tristan Vogt
Regie: Gyula Molnar
Die Tätigkeit des Reichsinstitut für Puppenspiel und die von ihm erreichte Vereinnahmung des Puppenspiels als Propagandainstrument
legte es nahe, die Problematik der Verführbarkeit und der IndienstStellung der darstellenden Kunst auch in einem Theaterstück mit
Mitteln des Puppenspiels zu reflektieren.
Das Reichsinstitut für Puppenspiel wurde im Auftrag von Hitler­
jugend und der Organisation KdF (Kraft durch Freude) 1938 in
Stuttgart ins Leben gerufen. Es entwickelte politisch gefärbte Spielstücke und dramaturgische Anweisungen sowie zu den Stücken
passende Handpuppenköpfe – so z. B. die antisemitisch geprägte
Figur des Juden sowie die eines deutschen Kaspers, der sich in heldischer Furchtlosigkeit gegen alles Undeutsche durchsetzt. Durch
die Vorgaben des Reichsinstituts wurde aus dem unterhaltenden
Medium Puppenspiel ein Propagandainstrument chauvinistischer,
rassistischer und antisemitischer Agitation.
Am Anfang der Recherche zu »Herrmann geht nach Engelland«
stand die Auseinandersetzung mit der Figur des Jahrmarktkaspers,
dem unangepassten, egoistischen Kasper, der sich nimmt, was er
will, und aus dem Weg räumt, was ihn stört. Er wurde vom Bürgertum gehasst und vom einfachen Volk geliebt.
Max Jacob hat diesen Kasper Anfang des vergangenen Jahrhunderts
abgeschafft und stattdessen eine neue Figur geschaffen, die er »Kasper« genannt hat: einen penetrant gut gelaunten Kerl, der immer
weiß, was das Richtige ist, immer das Richtige tut und dabei immer
Erfolg hat. Einen Volkserzieher, benutzbar, missbrauchbar. Und er
wird und wurde missbraucht, als roter Kasper, Verkehrskasper, als
Zahnputzkasper oder wie hier, als brauner Kasper, als Propagandakasper.
»Herrmann geht nach Engelland« wird mit historischen Kasperpuppen aus den dreißiger Jahren und einem nicht ganz lebensgroßen,
aber fast lebensechten Klappmaulkrokodil gespielt. Die Bühne ist
eine nostalgische, leicht surreale Collage aus einem Kaspertheaterchen, Segeltuchstrand, innenbeleuchtetem Bauchrednerfunkturm
und einer sehr effektvoll projizierten Wasseroberfläche mit dem am
Ho­rizont kreuzendem Schlachtschiff Bismarck. Auf Symbole des
nationalsozialistischen Deutschlands wurde bewusst verzichtet. Die
Erwähnung des Reichsinstituts für Puppenspiel reicht aus, um die
Bedrohung durch das faschistische Regime zu thematisieren.
»Herrmann geht nach Engelland« zeigt exemplarisch, wie sich ein
Kasper­theaterensemble mit nur fünf Mitgliedern in eine totalitäre
Gesellschaft mit Strukturen von Angst, Misstrauen, Verrat verwandelt ... – und wie am Ende fünf verbogene Figuren doch einen
Hauch von Hoffnung ahnen lassen.
Hartmut Liebsch
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»Schicklgruber«
Foto: Georg Pöhlein
STUFFED PUPPET THEATRE (Niederlande)
Figurentheater für Jugendliche und Erwachsene
Der drohende Untergang des Nazi-Reichs schwebt über der erzwungenen Ausgelassenheit, mit der in einem klaustrophobischen Bunker der 56. Geburtstag des Führers gefeiert wird.
Während die Decke von Detonationen erschüttert wird, gerät Hitler
in helle Aufregung über seine Geburtstagstorte, träumt Eva Braun
von ihrer Ehe mit dem Führer, hält Goebbels Vorträge über die
Wichtigkeit der Propaganda, und Luftwaffenminister Göring lässt
sich nie ohne eine seiner imposanten Uniformen sehen. Niemand
scheint auch nur im Geringsten besorgt um diejenigen, die sie in
den Tod geschickt haben.
Als ein Selbstmord immer unausweichlicher wird, muss entschieden
werden, was mit den Kindern im Bunker geschehen soll ... – Hitler
macht sich allerdings mehr Gedanken um seinen Hund.
Die Geschichte hält sich an die historischen Ereignisse. Sie erzählt
von Menschen in einer Extremsituation. Sie konfrontiert den Zuschauer mit der Frage, ob er nicht doch Mitgefühl für eine der Figuren in diesem Spiel empfindet. Und schließlich ist es ein Stück
über Verweigerung: Verweigerung der Einsicht in die Nieder­lage,
eine Verweigerung von Verantwortung und des nahenden Todes.
Konzept, Figuren, Spiel: Neville Tranter
Text: Jan Veldman
Regie: Theo Fransz
Klangkulisse: Ferdinand Bakker und Kim Haworth
Lichtdesign: Desirée von Gelderen
Adrie van Dijk gewidmet
Schon in »Macbeth« und »Frankenstein« habe ich mich mit bösen
Menschen und ihren Motivationen beschäftigt. Alle Menschen
meines Alters sind mit dem Schatten einer Person aufgewachsen, die
soviel Böses verursacht hat: Adolf Hitler. Wir können Hitler nicht
ignorieren. Er hat gelebt und er hat unsere Welt beeinflusst – wenn
auch in einer schrecklichen Weise. Indem wir ihn auf die Bühne
bringen, können wir Hitler tun und sagen lassen, was wir wollen.
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Mein Stück »Schickl­gruber« sollte Hitler in keiner Weise Ehre erweisen, ich wollte ihn vielmehr in Geiselhaft nehmen.
Aber ich wollte nicht moralisieren oder Hitler lächerlich machen.
Das wäre zu einfach. Wir wissen ja, dass er böse und seltsam war.
Das Beunruhigende ist, dass Hitler ein Mensch war. Man kann ein
Krokodil nicht wegen Mordes verurteilen, es ist ein Krokodil. Das
Schockierende ist, dass er ein Mensch war wie wir selbst (er hätte
genausogut unser Verwandter sein können). In meinem Stück
wollte ich, dass das Publikum fast Mitleid fühlt mit Hitler in den
letzten Tagen seines Lebens. Ich wollte, dass das Publikum sich unwohl fühlt.
Figurentheater kann expressive Bilder schaffen. Beispielsweise hat
mein Hitler keine Beine, und er hat sehr stark glänzende (Glas-)
Augen, die dem Charakter eine Anmutung fiebriger Intensität verleihen. Ich wollte keine Nazi-Symbole, und man wird auch keine in
meinem Stück finden. Ich wollte dunkle Farben. Die einzigen Figuren in Weiß sind die Goebbels-Kinder (sie sind noch unschuldig)
und der Tod, der gelb gekleidet ist. Der Tod ist die einzige Figur in
hellen Farben. Wenn ich an einem Stück arbeite, konzentriere ich
mich nicht auf Probleme. Ich sehe Möglichkeiten. Ich muss die
Puppen in der Hand haben, dann entwickeln sich die Charaktere
und die Situationen.
Es hat auch einige negative Reaktionen gegeben. Wenn ich diese
Leute dann gefragt habe, ob sie das Stück ge­sehen hätten, verneinten
sie das.
Ich kannte eine alte Dame, deren Familie in den Konzentrationslagern ermordet worden war. Sie hatte alle meine Stücke gesehen, aber
»Schicklgruber« wollte sie nicht sehen. Sie zweifelte nicht an meinen
guten Absichten, aber es war einfach ein zu schmerzhaftes Thema
für sie. Ich kann das verstehen. Aber ich glaube, ich habe ihr Vertrauen in mich nicht enttäuscht.
Ich habe »Schicklgruber« zuletzt im April 2014 gespielt. Ich habe
das Stück aus dem Repertoire genommen. Aber ich werde mich
weiterhin mit Gut und Böse beschäftigen.
Neville Tranter
übersetzt von Vera Wunsch
»The House by the Lake«
yael rasooly (Israel)
Figurentheater für Jugendliche und Erwachsene
»The House by the Lake« erzählt die Geschichte von drei Schwestern.
Irgendwo in der Mitte von Europa während des Zweiten Weltkrie­
ges. Sie kommen aus einem bürgerlichen Haushalt, in dem sie zu
gebildeten jungen Damen erzogen wurden mit Ballettstunden,
Fremdsprachen- und Musikunterricht genauso wie Benimmregeln.
Gezwungen zu fliehen, werden sie von ihrer Mutter zu einem Dachboden gebracht und warten dort auf deren Rückkehr.
Text und Regie: Yael Rasooly, Yaara Goldring
Spiel: Yael Rasooly, Edna Blilious, Rinat Sterenberg
Bühne: Maureen Freedman
Puppen: Maayan Resnick, Noa Abend
Komposition/Lyrics: Nadav Wiesel
Ton: Binya Reches; Licht: Asi Gottesman
Produktion: Hazira Performance Art Arena Jerusalem
Die Inszenierung »The House by the Lake« war und ist fortwährend
eine tiefgreifende Herausforderung in meinem Schaffen und mei­
nem Leben. In Bezug auf Produktionsprozess und Größe ist es die
ambitionierteste Arbeit, die ich bisher unternommen habe. Die Inszenierung bewegt sich zwischen Formen des Musikkabaretts und
zeitgenössischem Puppenspiel für Erwachsene.
In Israel aufzuwachsen und zu leben, bedeutet, mit der Erinnerung
und dem Gedächtnis an den Holocaust als dominanten Fakt konfrontiert zu sein, der jeden beeinflusst und sehr präsent ist.
Trotzdem eine Show über den Holocaust zu machen, würde einiges
Unbehagen und gemischte Reaktionen hervorrufen; weil die Leute
einfach übersättigt sind oder weil es zu schmerzhaft und überwältigend ist, damit konfrontiert zu werden. Dennoch hatte ich persönlich keine Wahl, ich musste das Thema aufgreifen und künstlerisch
erforschen. Als (womöglich zu) kleines Kind habe ich viele Ein­
drücke von den Nachwehen des Holocaust aus Büchern und Filmen
unterschwellig aufgesogen; die Verbindung meiner Familie zum
Holocaust blieb immer geheimnisvoll unausgesprochen und damit
unbearbeitet.
Yaara und ich haben ausgiebig Recherche betrieben. Wir hatten die
Chance, mit Überlebenden zu sprechen, die den Holocaust als Kinder im Versteck erlebt hatten. Ein El ement, das immer wieder auftaucht, war eine Habseligkeit, die jedes versteckte Kind hatte, wel-
che es an sein vertrautes Leben erinnerte – ein Kleidungsstück, ein
Foto, ein Spielzeug. Dies griffen wir auf. Wir wählten eine Puppe,
die jede Schwester im Versteck immer im Arm halten sollte. Das
Double ihrer selbst als Hinweis auf Kindheit und Spiel, auf Flucht
in eine vertraute, gefahrlose Phantasiewelt.
Wir starteten nicht mit fertigem Script, sondern erarbeiteten alle
Aspekte der Show simultan im Probenprozess – Dramaturgie, Kompositionen, Bühne usw. Für jede Schwester entwickelten wir eine
eigene, vielschichtige Persönlichkeit, und ihre Beziehungen unter­
einander sollten realistisch sein inklusive Geschwisterneid und -riva­
lität – nur in der Extremsituation: versteckt und in Lebensgefahr zu
sein. Wir wollten und mussten den Spielraum beschränken: drei
Schwestern in einem kleinen Raum mit drei kleinen Stühlen und
ihren drei Puppen. Im Verlaufe der Zeit, wenn sich ihre physische
und emotionale Not verschlimmert, verschmelzen ihre Körper mit
den Körperteilen der Puppen, die auseinanderfallen. Je mehr die
Dunkelheit um sie herum zunimmt, verblasst die Logik der Realität
und wird ersetzt durch eine Phantasiewelt, die sie sich erobern, um
zu überleben. Die Bühne ist schlicht ein Podest: Eine Boden-­diele
wird zur Ballettstange oder auch zu einem Fenster, das sie sich ersehnen. Durch eine leere Schachtel erscheint ihnen der Geist der Mutter. Ein Bündel Kleider wird zum Prinzen, der sie in ihrer Vorstellung liebt und rettet, später dann zu einem Soldaten mit Stiefeln,
der sie in den Tod schickt oder ihnen die Unschuld entreißt ...
»The House by the Lake« hatte auf dem Akko Fringe Festival 2011
Premiere. Obwohl es bei Publikum und Kritik ein großer Erfolg
war, ist es in Israel schwer, für eine derartige Off-Produktion über
einen längeren Zeitraum ein Publikum und ausreichende Finanzierung zu finden. Fast hätten wir aufgegeben, dann kam 2012 eine
Einladung vom Théâtre de la Cité zu einem Festival nach Paris. Das
Stück ist sehr visuell und der Text nutzt viele Sprachen (Englisch,
Deutsch, Französisch, Jiddisch, Hebräisch) gleichzeitig – es kommuniziert auf einer allgemeingültigen menschlichen Ebene, jenseits
von Nationalität. Nie zuvor hatte ich eine derartige Reaktion von
einem Publikum erfahren – es war enorm. Dieses Echo – zu sehen,
wie die Inszenierung die Menge gerührt hat – ermutigte uns, weiterzumachen. Weitere Einladungen folgten, wir spielten in Charleville, Berlin und Dänemark.
Jedes Mal ist für mich besonders, ich schließe meine Augen und
lasse mich ein – als geschehe es zum ersten Mal – immer wieder neu.
Yael Rasooly
übersetzt von Christiane Klatt
23
NS-Zeit mit Pappfiguren
Workshop mit Schülern der 7. Klasse
Im Rahmen unseres Festivals »Figurentheater in
der NS-Zeit – NS-Zeit im Figurentheater« letztes
Jahr in Berlin zum Themenjahr »Zerstörte Vielfalt« habe ich mit zwei Klassen des 7. Jahrgangs
zweitägige Workshops durchgeführt.
Die 13- bis 15-Jährigen haben meist mit Figurentheater nicht viel am Hut und vom Nationalsozialismus oder Faschismus, Weltkriegen – dem Ers­
ten wie dem Zweiten – noch nicht viel gehört. Ich
muss mir erst klar werden, warum ich zu diesem
Thema etwas mit den Schülern machen will, wo ist
der Bezug zu ihrem Leben heute? Ich wähle Ausgrenzung, Widerstand, Sensibilisierung für faschis­
tische Strukturen.
Diese Klassen sind Förderklassen: Schüler aus
schwierigen sozialen Verhältnissen, bei denen der
zu meisternde Alltag oft keine Zeit oder Energie
für Schularbeiten lässt oder Jugendliche, die sowohl Ausgrenzung kennen, Hoffnungs- und Zukunftslosigkeit und erhöhte Antennen für Spannungen haben. Da ergibt sich für mich der Einstieg; aber werden sie darüber mit mir reden und
arbeiten wollen? Jetzt schon ärgere ich mich, dass
ich mich wieder darauf eingelassen habe, dass »am
Ende was Vorzeigbares herauskommen soll«, damit die Schüler ein Erfolgserlebnis haben – dies
der Wunsch der Lehrer.
Die Klassen sehen sich »Engel mit nur einem Flügel« vom Töfte Theater / Halle (Westf.) an. Es ist ihre
erste Theatererfahrung, sie sind gebannt – nicht
24
nur von der Geschichte, auch von der live-Leis­
tung und Energie des Solo-Spielers Ralf Kiekhöfer.
Eine Woche später setzen wir uns zusammen und
resümieren, was wir vom Nationalsozialismus und
Hitlers Zeit wissen. Zunächst wird abgespult: »Das
war nicht gut«, »Hitler war schlecht« usw.
Durch Nachfragen präzisieren wir, dass Hitler
zwar den Krieg geführt hat, aber nicht als SoloProgramm. Warum sind ihm die Leute gefolgt?
»Er hat ihnen Versprechungen gemacht, aber das
war alles gelogen.« Sie würden niemandem glauben. Was hat er den Leuten versprochen? »Dass
alle Arbeitsplätze haben, dass jeder eine Wohnung
hat und genug zu essen.« Wieso war das attraktiv?
»Vielleicht, weil die Leute arm waren?« Warum? Es
hatte schon einen ersten Weltkrieg gegeben und in
dessen Folge eine Weltwirtschaftskrise mit Inflation. Inflation und Wirtschaftskrise sind durchaus
Begriffe des heutigen Alltags. »Aber er hat nur gelogen«, insistieren die Jungen. Dann erinnert sich
einer, dass das nicht stimmt, denn zunächst hätte
er Arbeitsplätze geschaffen usw., aber eben mit
dem Hintergedanken des Krieges. Aber heute geht
das nicht mehr, sie glauben nichts mehr. Aber
grundsätzlich denken sie auch nicht, dass ein Führer an sich etwas Schlechtes ist. In der Gruppe ist
nur einer, der gerne ein Führer wäre, die anderen
sind sich der Position und Verantwortung bewusst
und hätten lieber selber einen Führer. Was würde
man euch versprechen müssen, damit ihr einen
Führer interessant fändet? »Nicht mehr zur Schule
gehen!« »Nur noch Fernsehen!« Alle lachen kurz.
Aber dann kommt ganz Existentielles: »Dass ich eine Arbeit bekomme und eine Wohnung und genug Geld habe.« Damit sind
wir emotional näher an der NS-Zeit, denn wir erinnern uns, was
wir vor zehn Minuten über Hitlers Versprechungen sagten. Die
Aussagen decken sich, die Wünsche sind die gleichen.
Wir sprechen über Systeme und Ausgrenzungen. Natürlich sind
wir uns einig, dass die Verfolgung der Juden und anderer nicht
richtig war. Warum hat kaum einer was getan?
Was wenn heute verboten würde, die Musik zu hören, die ihr
mögt? Weil die nicht deutsch genug ist. »Dann würde ich das
heimlich tun, im Keller.« Aber man kann leicht verraten werden
und man kann das alles nicht mehr kaufen. »Dann gibt es das im
Internet – das kann keiner verbieten!« Oho! Stimmt das? Nein,
einige wissen, dass es Länder gibt, in denen das Internet verboten
bzw. kontrolliert und eingeschränkt ist. »Aber dann würden sich
bestimmt irgendwelche Leute dagegen wehren.« Ja, die Hoffnung, dass es jemand anders richtet, haben die meisten.
Wir nehmen an, dass wir eine Gruppe sind, die andere aufrütteln
will, mit Theater. Wir wollen in den zwei Tagen ein kleines
Stück erarbeiten, das die Strukturen der Machtergreifung und
Ausgrenzung verdeutlicht und auch die Möglichkeit des Widerstandes aufzeigt. Dazu bauen wir zunächst zweidimensionale
Stabfiguren aus Pappe und Schaschlikspießen.
Einen Führer, Mitläufer, Widerständler, Außenseiter. Dazu
haben wir eine Vorübung: Wie kann man z. B. diese Gegensätze
von zugehörig und anders zeigen? Durch Farbe, Form, Größe.
Welche Zeichen kann ich nutzen, um Mächtige von Unterge­
benen zu unterscheiden? Größe, Abzeichen, Bodyguards ...
Danach stellen wir unseren Puppenpool vor. Jeder zeigt seine
Figuren auf der Spielleiste. Die anderen geben Feedback, wie die
Figur auf sie wirkt. Der Spieler beginnt nun zu spielen mit oder
gegen das Image der Figur. Es entstehen sehr spannende Szenen.
Alle Figuren sind gut einsetzbar.
Neben Zeichen ist die Komposition wichtig. Ich lege eine große
Figur auf den Tisch, eine kleinere etwas weiter davor. »Es sieht
aus, als würde sie fliehen.« Dann kommen zwei weitere kleine
dazu, die Kleinen bilden eine Gruppe. »Jetzt sieht es so aus, als
machen sie sich über den Großen lustig und er wird gemobbt.«
Jeder sucht sich nun zwei bis vier Figuren und legt ein Bild, das
die anderen dann interpretieren. Die Geschichten sind oft verschieden, aber die Spannung im Bild wird meist ähnlich wahrgenommen. Wenn es nicht erraten wurde, gab es Änderungsvorschläge, die die Spannung deutlicher machen; oft reichte es, die
Abstände der Figuren minimal zu verändern.
Am Ende von Tag eins haben wir also das Thema, die Figuren
und die Grundlagen des Spiels mit Stabfiguren sowie den Aufbau
einer Szene durch Bilder.
25
Am nächsten Morgen starten wir mit unserem Stück. Dazu entwickeln wir ein Storyboard. Während wir ein Brainstorming ma­
chen, was in die jeweilige Szene gehört, malt einer das Bild dazu.
Jetzt werden die Figuren für die Szenen ausgewählt, und wir
improvisieren den Text und die Abläufe der einzelnen Szenen.
Die Kompositionen sind teils grandios, ein winziger Führer wird
zunächst von einer großen Menge Figuren, teils als Masse auf
einer Pappe gemalt, gemobbt, und sie rücken langsam immer
näher, während er vorne zittert und nervös hin und her läuft und
im Fliehen Rache schwört. Diese Idee, eine psychologischen Erklärung für Machtstreben zu geben, fand ich sehr interessant. Bei
der Ansprache des Führers, in der er große Versprechungen
macht, brüllt er wie auf einer Kundgebung und die anderen Figuren wabern als Masse und mit Ja-Rufen. Als alle mitgehen
wollen, grenzt er einen aus – es ist die einzige Figur, die auf brauner Pappe gemalt ist. Schnell findet sich eine plumpe große Figur
als Bodyguard, die dem Führer nicht mehr von der Seite weicht.
Sie ist so breit, dass sie dem Führer komplett den Rücken freihalten kann.
Die Widerstandsgruppe beschließt, die anderen in Einzelgesprächen zu überzeugen. Auch dieser Bodyguard wird von einem
Verwandten angesprochen, aber er will zunächst nichts hören.
Dann sagt der Verwandte, dass als nächstes alle ausgegrenzt werden sollen, die größer und breiter sind als der Führer. Jetzt langsam versteht auch er. Bei der nächsten Kundgebung ruft die
Masse nicht mehr: »Ja!«, sondern dass er gehen soll, weil sie alle
gemeinsam leben wollen. Der Bodyguard schmeißt den Führer
raus, er flieht.
26
Den Führer umzubringen war durchaus eine Option, die aber
umgewandelt wurde, nachdem ich angemerkt hatte, dass das ja
ebenso brutal wäre, wie sich der Führer verhalten hätte.
In der zweiten Gruppe gibt es keine Vorgeschichte, sondern eine
schnelle Anpassung an den Führer und seine Versprechungen, in
der nächsten Szene schon fahren die LKWs und holen die Leute
direkt von der Straße ab. Immer mehr werden ausgegrenzt. Der
Führer lebt in einer gut gesicherten Villa, der Widerstand trifft
sich im Keller. Nur mit Codewort kommt man hinein. Oben auf
der Straße patrouillieren die Mitläufer / Machthaber. Wem kann
man trauen? Die Widerstandsgruppe gräbt einen Tunnel zur
Villa und entführt den Führer. Er wird gezwungen, eine Videobotschaft aufzunehmen, in der er seinen Rücktritt erklärt, danach erschießen sie ihn ... Gefängnis wäre auch eine Option –
auf Nachfrage.
Ich war fasziniert, wie sehr die Schüler damit die Geschichte in
unsere Zeit geholt haben, als ich zugeben musste, dass ich das
Thema in ihre Realität holen wollte und dabei gar nicht wahrgenommen habe, was denn heute unsere Realität ist. Jeder Umsturz
der letzten Zeit führte zu Videobotschaften und Ermordungen,
und hier wird das ganz selbstverständlich reproduziert. Beide
Inszenierungen haben wir dann jeweils einmal durchgespielt und
aufgezeichnet. So konnten die Gruppen sich gegenseitig ihre Ergebnisse ansehen.
Vielen Dank an die zwei Klassen der Schule Grüner Trift in Berlin Köpenick für diese Erfahrung und die intensive Arbeit.
Christiane Klatt
27
»Der überaus starke Willibald«
– Eine Mäuse-Diktatur-Parabel
Vom Jugendbuch zum Figurenspiel
»Die Katze und die Ratten«
(Le chat et les rats) von Grandville
(1842). Diese Illustration zu einer
Fabel des französischen Dichters
Jean-Pierre Claris de Florian
(1755 –1794) zeigt das angeberi­
sche und pöbelnde Sich-Aufspielen
einer Rattenbande gegenüber einer
satten, schlafenden Katze.
28
Der bekannte deutsche Kinder- und Jugendbuchautor Willi Fährmann, 1929 in Duisburg geboren,
veröffentlichte 1983 im Arena-Verlag Würzburg
das Kinderbuch Der überaus starke Willibald 1, eine
Mäusegeschichte über Gruppenverhalten, über
den Machtanspruch eines Einzelnen, über Unterdrückung und Diskriminierung, aber auch über
den Wert von Freundschaft und den Wert demokratischen Verhaltens in einer Gemeinschaft. Viele
Bücher Fährmanns sind in der Zeit des Nationalsozialismus angesiedelt. Der Verlauf der Mäuse­
geschichte, das Verhalten des Protagonisten und
die Verwendung bestimmter Namen verweisen
eindeutig auf die Geschichte des Dritten Reiches
und seine Auswirkungen bis in unsere Gegenwart
hinein. Mit der Geschichte einer Mäusekolonie
unter der diktatorischen Führung der WillibaldMaus wird eine leicht zugängliche Parabel über die
Erscheinungsformen von Diktatur und Tyrannei
in Deutschlands brauner Vergangenheit erzählt.
Zwar als Kinder- und Jugendbuch konzipiert und
als Begleitmaterial für den Unterricht über Diktatur und speziell über die des NS-Regimes besonders geeignet, kann es auch zum Wachhalten und
Erinnern, zur Vergangenheits- und Gegenwartsbewältigung erwachsener Leser angeraten werden.
Zurückgehend auf die Fabelliteratur der klassi­
schen Antike ist die Verwendung von Tierpersonal
allgemein und insbesondere von Mäusen und Ratten wohl hervorragend geeignet zur parabelhaften
Zeichnung menschlichen Verhaltens. Gerade die
gespaltene und ambivalente Einstellung des Menschen zu den grauen Nagern macht sie nahezu
idealen Projektionsträgern verdrängter unbewusster Ängste und Wünsche. »Als hartnäckig verfolgter Schädling, als wissenschaftlich beobachtetes
Labortier, als bewunderte Trickfilmfigur, als süßer
Konditoreiartikel, als weiches Kuscheltier oder als
aufziehbares Spielzeug vermag die Maus wohl alle
möglichen Gefühle zwischen Ekel und Zuneigung
auszulösen und die menschliche Phantasie immer
neu zu beschäftigen«.2
Bei einer kursorischen Durchforstung von Literatur- und Kunstgeschichte weisen Mäuseparabeln
über Machtstreben und -missbrauch eine lange Erzähltradition auf. Eine der ältesten Belege hierfür
ist der altägyptische Katzen-Mäuse-Krieg, der nur
als Bilderfolge auf sogenannten »Märchen-Papyri«
(14. vorchristl. Jahrhundert) und Scherbenbildern
überliefert wurde.3 Textfassungen hierzu finden
sich vielfach in islamischen Dichtungen, in Fabeln
der Antike (Aesop), in Darstellungen auf Flug­
blättern aus der Zeit der Reformation und der
Bauernkriege4 und in kindgerechten Nacherzählungen in der Neuzeit.5 Erzählt wird vom kriegerischen Angriff der Mäuse auf die Katzenburg, von
ihrem lang erträumten Sieg über den mächtigen
Feind, von der Unterdrückung der Besiegten und
deren Herabwürdigung zu niedrigen Diensten,
aber auch von der Wiederherstellung der natürlichen Ordnung, dem Sieg der Katzen über die
Mäuse. Überhebliches Machtstreben führt zu Sieg
und Unterdrückung der Besiegten, aber Hochmut
kommt schließlich zu Fall.
Aus späthellenistischer Zeit stammt der ursprünglich dem griechischen Dichter Homer zugeschriebene Frosch-Mäusekrieg 6, ein Tierepos über den
Machtanspruch von Mäusen, ähnlich dem beschriebenen Katzen-Mäuse-Krieg, hier gerichtet
gegen die feindlichen Frösche. Überheblichkeit
der Mäuse führt auch hier zu einem blutigen Rachefeldzug, zur Unterwerfung und Demütigung
des Gegners, bis letztendlich im Gegenzug die
natürliche Ordnung wiederhergestellt wird und jede Tiergattung ihren angestammten Lebensraum
zurück erhält.
Der französische Karikaturist und Illustrator
Grand­ville (1803 – 1847) ist vor allem bekannt
durch seine detailgenauen und realistischen Darstellungen von Mischwesen in phantastischen Zusammenstellungen und satirischen Inhalten. Zur
Charakterisierung von Eigenschaften des Dargestellten benutzte er anthropomorphisierende Teile
von Menschen, Tieren und Gewächsen. Aus seinen Illustrationen zu literarischen und politischen
Gegebenheiten in Bilder aus dem Staats- und Familienleben der Tiere (Scènes de la vie privée et public
des animaux) von 1842 wurde hier der Holzschnitt
Weint nicht, sondern handelt! Vielleicht lauert nur
wenige Schritte von hier der Feind im Dunkel (Ne
pleurez pas, agissez! Peut-etre à quelques pas d’ici,
l’ennemi veille dans l’ombre) 7 ausgewählt. Eine in
einer Kastenfalle festgesetzte Maus oder Ratte fordert in verzweifelter Überheblichkeit zum Kampf auf. Die feindliche Katze
lauert verdächtig nahe.
Angeregt durch die Verwendung von Mäusepro­tagonisten in
bekannten US-Cartoons (Tom und Jerry)8, den nationalsozialistischen Ungeziefer-Ver­gleichen für Juden und den Stilmitteln
der Underground-Comics setzt der Zeichner Art Spiegelman in
zwei ambitionierten Graphic Novels Maus I u. II 9 die Geschichte
seines Vaters, eines Auschwitzüberlebenden, in bedrückenden
Schwarz­weiß­zeich­nungen um. Er zeichnet die Juden als Mäuse
und die SS-Schergen als Katzen10. Er benutzt bewusst die verfremdende Tiermetapher, um den persönlichen Abstand zum
erzählten Grauen wahren zu können, zum Betroffensein durch
die eigene Geschichte: »Ich muss die Ereignisse und die Erinnerung des Holocaust zeigen, ohne sie zu zeigen. Ich will die Maskierung dieser Ereignisse in ihrer Darstellung zeigen« (»I need to
show the events and memory of the Holocaust without showing
them. I want to show the masking of these events in their representation«).11 Spiegelmans Chiffre Mensch versus Maus reagiert
auf die Tiermetaphern des NS-Regimes. In dem politischen
Pamphlet Mein Kampf 12 finden sich an mehreren Stellen pseudowissenschaftliche Vergleiche von Juden und Mäusen (Ratten)
und damit ideologische Begründungen für deren Parasitentum.
»Jedes Tier paart sich nur mit einem Genossen der gleichen Art
... Feldmaus zu Feldmaus, Hausmaus zu Haus­maus ...« (S. 311)
und daraus wird ein »... in der Natur allgemeingültiger Trieb zur
Rassenreinheit« (S. 312) abgeleitet »... wie es auch keine Katze
gibt mit freundlicher Zuneigung zu Mäusen« (S. 312).
In dem wohl aggressivsten antisemitischen Propagandafilm Der
ewige Jude (Deutschland 1940)13 wird in scheinbarer dokumentarischer Manier das niedrigstehende14 Parasitäre des jüdischen
Vol­kes »bewiesen«. In einem Auszug aus der Originalvertonung
heißt es dazu: »Wo Ratten (Anm.: Ratten werden auch als große
Mäuse gesehen) auch auftauchen, tragen sie Vernichtung ins
Land, zerstören sie menschliche Güter und Nahrungsmittel. ...
Sie sind hinterlistig, feige und grausam und treten meist in großen Scharen auf. Sie stellen unter den Tieren das Element der tückischen unter­irdischen Zerstörung dar – nicht anders als die
Juden unter den Menschen.«15
Was bei Art Spiegelman als drastische Untersuchung einer Willkürherrschaft, als System der Unterdrückung daher kommt, wird
im Überaus star­ken Willibald von Willi Fährmann zwar in kinder- und jugendgerechter Sprache transportiert, dafür aber nicht
weniger heftig. Der ansprechend bebilderte Text wird quasi
zum Miniaturkompendium über Diktatur und über deren Nutz­
nießer und Opfer. Wesentliche Merkmale von Diktatur16 und
Autokratie werden herunterprojiziert auf eine Mäusegruppe und
deren Führer Willibald, eine besonders große Maus unterdrückt
eine in einem wohlgeordneten Menschen-Haushalt lebende
Mäuseschar. Er schafft ein Klima von Angst und Repression.
Willibald etabliert als Mittel der Unterdrückung die Angst vor
der eigentlich unrealistischen Gefahr in Gestalt der ›draußen‹
ums Haus schleichenden Katze. Seine Befähigung zum Führer
leitet er ab von den vermeintlichen Misserfolgen der alten Zeiten.
Er setzt eine alte erfahrene Maus (Georg-Maus) einfach ab. Es
kommt zur uniformen Gleichschaltung der Gruppe, sie muss im
29
Hans Weiditz (1522):
»Katze vor dem Mäusekönig«
Gleichschritt singend marschieren und antreibende Parolen
skandieren: »Flink wie Fledermäuse, hart wie Tirolerbrot, zäh
wie Schweineschwarte«. Die Parallele zu historischen Parolen ist
wohl mehr als deutlich.
Die Diskriminierung von anders­artigen Mäusen, so von LilliMaus, einer Albinomaus als ›Nichtmaus‹ (Aussage von Goebbels:
»Wir entscheiden, wer Jude ist und wer nicht«), führt zu Isolierung und Ghettoisierung in der Bibliothek. So werden einzelnen
Mäusen und kleinen Gruppen zwecks besserer Kontrollierbarkeit
bestimmte Bezirke im Haus zugewiesen. Dem Mäuseführer nahestehende Mäuse, die dicke Hermann-Maus und die JosefMaus, buhlen als Zuträger um die Gunst von Willibald, lassen
sich mit wenigen Zuwendungen abspeisen, während die übrigen
Mäuse Unterdrückung und Gleichschaltung erdulden. Als wahrhaft machiavellistische Maus ist Willibald jedes Mittel zum Erreichen seiner Ziele recht. Seinen überheblichen17 Anspruch auf
die Herrschaft, quasi auf die Weltherrschaft, demonstriert er
eindrucksvoll mit seinen Rennen über die Kontinente auf einem
Globus, aber es kann immer nur bei dem als-Ob-Tun bleiben.
Dies mag an die köstliche Szene des Spiels mit der Weltkugel in
Charles Chaplins Der große Diktator von 1940 erinnern. Der
Traum von der Weltherrschaft zerplatzt. Der OmnipotenzPhantasie zur Kompensation der eigenen unbewussten Ängste
des Führers18 – er will unter anderem die Mäuseschar in den
»Mäusehimmel« zu duftenden Schinken und Würsten führen –
steht die aufklärerische Lilli-Maus entgegen. Sie hat trotz Verbot
lesen gelernt und erzählt von den Auswirkungen früherer historischer Diktaturen. Sie leitet an, wie der Tyrann zu erkennen ist.
Sie warnt als Lesen-Könnende vor Giftködern und der gefährlichen Funktion einer Schnappfalle. Willibald negiert die Warnungen, giert nur nach dem stark duftenden Speckköder und
verliert mit dem Zuschlagen der Falle sein wichtigstes MäusePotenz-Merkmal, seinen langen Schwanz. Er ist kastriert, beraubt um sein imponierendes Herrschaftssymbol.
30
Die echten Mäuse, die Langschwanzmäuse definieren sich neben
zwei großen Ohren und einer spitzen Schnauze vor allem über
ihren Schwanz, einer idealen Kletterhilfe und ein sensibles Tast­
organ. Ohne Schwanz kann Willibald kein Boss mehr sein, er
verkriecht sich in sein Loch. Das Mäuserudel beschließt, demokratisch ohne Diktator ein genussreiches Mäuseleben zu führen.
Lilli-Maus sitzt gelegentlich am Fenster und wartet sehnsüchtig
auf die Rückkehr ihres ausgestoßenen geliebten Freundes Philipp-Maus.
Vor etwa elf Jahren hat das Dornerei-Theater mit Puppen (Eleen
und Markus Dorner) das Kinderbuch von Willi Fährmann Der
überaus starke Willibald für das Puppentheater adaptiert. Regie
und Mitarbeit an der Textfassung übernahm Ilsebyll BeutelSpöri. Die Ausstattung (Puppenbau und Bühnenbild) stammt
von Antje und Jürgen Hohmuth. Gespielt wird in halboffener
und offener Spielweise mit Handpuppen, Schattenfiguren und
beweglichen Flachfiguren. Unterbrochen wird das routinierte
Spiel von Schauspiel-Aktionen der beiden Puppenspieler. So
führt die Spielerin heiter-komisch als Hausmädchen (anders als
in der Buchvorlage) mit französischem Akzent par­lierend in die
Realität der Nicht-Mäusewelt zurück, während der Puppenspieler als Erzähler die Geschichte vorwärts treibt. Das wuselige unbeschwerte Leben des Mäuserudels kontrastiert eindrucksvoll
mit dem karikaturhaft gestalteten Willibald in seiner schier unbegrenzten Überheblichkeit und seinem gefährlichen Machtanspruch. Die begrenzte Anzahl der Handpuppen (zwei Spieler
haben nur je zwei Hände) wird kompensiert durch den raffinierten Einsatz von Schattenfiguren, der zackigen Bewegung von
auf Leisten montierten Flachfiguren, im Stechschritt von der
Puppenspielerin geführt, und von der witzigen Idee, verordnetes
Abstimmungsverhalten der Mäuse durch eine Reihe hochklappbarer Mäuseschwänze zu simulieren. Die Führung der Handpuppen nähert sich vielfach fast natürlichen Bewegungsmustern
von Nagern an, sodass der Zuschauer vermeintlich glaubt, echte
»Der überaus starke Willibald«, www.puppentheater-dornerei.de
Mäuse und Ratten zu sehen, was noch verstärkt wird durch die
Verwendung von Objekten in adäquaten Größenverhältnissen.
Die Figurenspieladaption übernimmt bei einer geschickten
Komprimierung und Kürzung der Originalvorlage alle wesentlichen Grundstrukturen der Textvorlage: Machtanspruch eines
Einzelnen (»ein Boss, ein Haus, ein Rudel«), die Unterdrückung
und Diskriminierung von Andersartigen, die befreiende Wirkung von erlesenem Wissen, der wichtige Wert von Freundschaft
und demokratischem Verhalten und schließlich die gerechte
Strafe in einer übergroßen Schlagfalle mit duftendem Käseköder.
Ausgehend von der Zielsetzung des Buches als Kinderbuch kann
die Aufführung an individuelle Erfahrungen mit Unterdrückung
und Mobbing in der eigenen Kindergruppe, aber auch an erlebte
Zuwendung und die Wichtigkeit von vertrauensvoller Freundschaft anknüpfen und zum Nachdenken anregen. Der Bezug zu
den immanenten Motiven aus der NS-Diktatur im Buch und in
der Aufführung muss inter­
pretierend mit Jugendlichen und
Oberschülern vor- und nach­bereitet werden unter Hinzuziehung
historischer Fakten.
Im Gespräch mit dem Puppenspieler war zu erfahren, dass die
Produktion hauptsächlich von Schulklassen und anderen Kindergruppen gebucht wird. Gerade für erwachsene Zuschauer, für
Bänker, für Politiker, für Wirtschaftsbosse wäre es wichtig, in der
Rezeption dieser großartigen Parabel eigenes Handeln auf dem
Hintergrund historischer Ereignisse zu reflektieren, um nicht der
Gefahr des Vergessens und Verdrängens zu erliegen. Stetes InFrage-Stellen hilft beim notwendigen Erinnern und damit dem
Vermeiden von gefährlichen Machtansprüchen. Die lesende LilliMaus gibt ihren aufmerksamen Zuhörern eine wichtige Erkenntnis beim Lesen von Tierparabeln mit:
»... wenn ich Mäusebücher lese. Oft kommt es mir so vor, als ob
die Menschen Maus schreiben und Mensch meinen.«19
Dieter Goergen
illi Fährmann: Der überausstarke Willibald. Illustriert von Werner Bläbst,
W
Würzburg 1983
2
Aus: Marianne Preibisch u. a.: Heimliche Untermieter. Veröffentlichungen aus
dem Natur-Museum Luzern Nr. 4., Luzern 1992, S. 26
3
Emma Brunner-Traut: Altägyptische Märchen, Düsseldorf-Köln 1963, S. 59 ff.
4
Hans Weidlitz: Katze vor dem Mäusekönig. Einblattholzschnitt, koloriert
(abgebildet nach dem Reichsdruck) mit xylographischem Text in drei Spruchbändern, um 1522. Aus: Flugblätter der Reformation und des Bauernkrieges
aus der Sammlung des Schlossmuseums Gotha, herausgegeben von Hermann
Meuche, Leipzig 1975
5
Emma Brunner-Traut: Tiergeschichten aus dem Pharaonenland, Mainz 1977
6
Victor Blüthgen: Der Froschmäusekrieg. Aus dem Griechischen des Homer. In
altdeutschen Kinderreimen nachgedichtet, mit zwölf Farbtafeln von Fedor Flinzer. Nachdruck der Ausgabe von 1878, München 1994. Eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Autor oder einer Ursprungsquelle ist bis heute
nicht möglich. Die große Zahl der erhaltenen Handschriften und viel­fältige
Bearbeitungen weisen auf die bereits frühe Verwendung als Schullektüre hin.
7
Aus: Grandville: Das gesamte Werk. Einleitung von Horst Kunze. Band 2,
Berlin 1971, S. 881
8 Der Palästinenserführer Jassir Arafat liebte die Cartoons mit Tom und Jerry,
weil hier immer der Kleinere und vermeintlich Schwächere gewinnt.
9
Die Originalausgabe von Band 1 erschien 1986 unter dem Titel »Maus. A
Survivor’s Tale« bei Pantheon Books, New York. Art Spiegelman: Maus – Die
Geschichte eines Überlebenden. Bd. 1: Mein Vater kotzt Geschichte aus, Reinbek 1989. – Band 2: Und hier begann mein Unglück, Reinbek 1992
10
Ausführliche Begründungen von Art Spiegelman für die Verwendung von
Mäusen finden sich in mehreren Interviews mit ihm in: Art Spiegelman: Meta
Maus. Einblicke in MAUS, ein moderner Klassiker, Frankfurt a. M. 2012
11
James E. Young: The Holocaust as vicarious past: Spiegelman’s Maus and the
afterimages of history, Critical Inquiry, S. 687
12
Adolf Hitler: Mein Kampf. Zentralverlag der NSDAP. 568. – 572. Auflage,
München 1940
13
Joseph Wulf: Theater und Film im Dritten Reich. Eine Dokumentation,
Reinbek 1966
14
http://de.wikipedia.org/wiki/Der ewige Jude. S. 2. 2014
15
Ebd. S. 2. Textzitat aus der Originalvertonung des Films
16
Vgl. Rainer-Olaf Schultze: Diktatur, in: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der
Politik, Band 7: Politische Begriffe, Directmedia, Berlin 2004
17
Überheblichkeit als Motiv gehört in vielen Mäusebilderbüchern und -geschich­
ten zu den ›großen literarischen Mäuse-Themen‹. Siehe dazu: Dieter Goergen:
Mäuseschloss und Mäuseturm oder Fräulein Maus sucht einen Bräutigam.
Eine literarische Mäuseweltreise mit Redensarten, Fabeln, Sagen, Witzen,
Liedern, Reimen, Märchen und anderen Texten von Mäusen, Katzen und
Menschen, Hrsg. Freilichtmuseum Sobernheim, Bad Sobernheim 1989
18
Anna Freud: Das Ich und die Abwehrmechanismen, Frankfurt a. M. 1984
19
Willi Fährmann (wie Anm. 1), S. 61
1
31
Geschichte
Xaver Schichtl in Magdeburg
Xaver Schichtl wurde vor 126 Jahren geboren, lebte von 1920 bis
1944 in Magdeburg und startete von hier aus seine jährlichen
Tourneen durch Mittel- und Norddeutschland.
In diesem Beitrag sollen seine Vorstellungen auf der Magdeburger Dommesse näher betrachtet werden. Für die Jahre 1930 bis
1933 sowie 1935 und 1936 standen entsprechende Geschäfts­
unterlagen1 zur Verfügung. Die Herbstmesse auf dem Domplatz
dauerte prinzipiell 15 Tage (1936: 14 Tage), und Schichtl reiste
hier im Regelfall mit seiner großen Bühne, »großer Brassel« genannt, mittwochs vor dem Messebeginn von der Magdeburger
Arndtstraße in der Magdeburger Wilhelmstadt aus an.
Die Zeltbude war 24 m lang und 12 m tief. Darin stand eine
Varietébühne, 12 m breit und 7 m tief, und auf dieser die Marionettenbühne, die bei den Auftritten von Artisten nach hinten
weggerollt wurde.
Schichtl-Theater auf dem Jahrmarkt
Foto: Archiv tfm Lübeck, Nachlass Schichtl-Dynastie
Die Messetermine lagen in diesen Jahren zwischen dem 17. September und 6. Oktober, Tagen, an denen es teilweise auch schon
regnete und kühler war. Das Wetter spielte für den Ablauf der
Messe ja eine wesentliche Rolle und wurde mit einer Kurzcharakteristik miterfasst. Schichtl's Theater gab in diesen Zeiträumen
jeweils 75 bis 89 Vorstellungen, meist fünf pro Tag, an den Wochenenden mehr. Die Zuschauerzahlen lagen dabei insgesamt
zwischen 2200 und 6900 je Messe. Die Vorstellungen begannen
meist 16.00; 17.15; 18.30; 19.45 und 21.00 Uhr, für Familienprogramme aus heutiger Sicht relativ spät, und dauerten etwa
eine Stunde.
Der Verfasser bedankt sich beim TheaterFigurenMuseum Lübeck für die Einsicht in die Geschäftsunterlagen
1
Theaterfassade mit »Parade«
32
Treckertransport mit zwei Wagen
In der Magdeburger Zeit gab es vier Preisgruppen:
Preisgruppe num. Galerie I. Platz
II. Platz Galerie
Erwachsene 50-100 Pfg. 35-80 Pfg. 25- 40 Pfg. 20- 40 Pfg.
Kinder
25-50 Pfg.
20- 40 Pfg. 15-30 Pfg. 10-20 Pfg.
Die höheren Preise waren 1930 bzw. 1931 und die billigeren
1935 gültig.
3-D-Schattenspiel durch Zauberbrille gesehen
Xaver Schichtl mit einer Fingerringmarionette, einer sehr seltenen Führungsart.
Kugelläufer von F. A.Schichtl, 1888, Foto: Fey
33
Das dargebotene Programm bestand meist aus drei Teilen von
vier Programmfolgen, wobei die Abfolge wechseln konnte:
ProgrammfolgeAnzahl Darbietung
1
max. 3
Artisten/Akrobaten (Menschen)
2
max. 1
Marionettenstück bzw. Märchen
3
4 - 7
Bunte Varieté-Marionettenschau
4
1
»Zauberbrille« (3D-Schattenspiel)
Schichtl konnte aus einem reichhaltigen Repertoire von ca. 40
Marionettenstücken sowie aus etwa 50 Nummern von Varietémarionetten und 10 Schattenspielen auswählen und somit seinen
Zuschauern immer neue und interessante Kombinationen anbieten. Dies garantierte ihm Zuspruch und Erfolg.
Johannes Richter
Im Einzelnen wurde konkret dargeboten:
Jahr
Artisten
Varieté-Marionetten
Zauberbrille (3D-Schattenspiel)
1930 Gertrude Gordonetti, Trapezkünstlerin; Russisches Ballett; Clown Tobi mit sei- »Zilles Miljöh«
Forkle-Xeri-Comp., 3 Zauberkünstler; nem dressierten Hund; Chinesen-Trio;
Sylvas, 6 fliegende Trapez-Affen
Schulreiter; Seelöwe
1931 Part & Part Parterre-Akrobaten;
Mac Wied, Jongleur;
N. Montaldos, dressierte Kakadus
Seiltänzer; Clown Tobi mit seinem
dressierten Hund; Stelzenclown;
Jumbo, der gelehrte Elefant;
Mickey-Maus-Tanz; Tiroler-Steiger
»Junges Gemüse«
1932 Ray Ray, komische Akrobaten mit Zebra
Kugelläufer; Kartoffelkäfer; Konzert;
Tiroler-Steiger; Bauchtanz; Lachneger
»Die Teufelsküche«
1933 3 Gordonettis, Trapez-Balance;
Gilberts dressierte Tauben
Antipode; Clown Tobi m. s. dressierten (unbekannt)
Hund; Venedig?; Hund auf Hand;
Flugzeug; Schulreiter; Clowns-Tänzerin
1935 (Marionettenstück »Die drei Wünsche« Kugelläufer; Bauchtanz; Lachneger;
nach Pocci)
Stelzen-Clown; Chinesen; Tod;
Konzert
1936 3 Kramer's Balance-Akt;
Irma Gordonetti, Trapez;
Maiders, Spanier, (?);
Drahtseiltänzerin; Teufelsprobe;
Steiger; Stelzentrompeter
»Junges Gemüse«
»Friede über allen Dächern«
Schichtl's Marionetten-Varieté – Feinstes und vornehmstes Familientheater
Sonderausstellung ab dem 6. Juli 2014
im TheaterFigurenMuseum Lübeck
Akrobaten, Artisten, Zauberkünstler und Clowns gehören zu den großen Stars der Varietébühnen. In einer
neuen Ausstellung werden ausgewählte »Stars« der berühmten Marionettenbühne Schichtl präsentiert. Zu
sehen sind der Stelzentrompeter Mr. Shelton, ein japanischer Kugelläufer, diverse Komiker und viele mehr.
»Ohne Konkurrenz in Europa«
Die Schichtl-Ausstellung ist eine Zeitreise in die Welt
des Varieté-Theaters der Zwanziger Jahre. Die Besucher betreten ein Zirkuszelt mit einer Marionettenbühne, die sowohl in ihrer Bauweise als auch in ihrem
Ambiente den Theatern von vor hundert Jahren nachempfunden ist. Außerhalb der Bühne wird die Werkstatt-Atmosphäre der Puppenspieler aufgegriffen, in
der Requisiten, alte Werkzeuge und Elemente zum
Bau einer Marionette zu finden sind. Die Ausstellung
vermittelt das schillernde Leben der Jahrmarktskünstler, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts die Welt
bereisten.
www.theaterfigurenmuseum.de
34
Adolph Friedländer – Schicksal einer Firma
Adolph Friedländer (1851–1904) war einer der bekanntesten deutschen Plakat-Lithografen des aus­
gehenden 19. Jahrhunderts; die von ihm gegründete
Druckerei produzierte zwischen 1872 und 1935 über
9000 verschiedene Plakatvorlagen für Artisten, Zauberkünstler, Zirkus und Varieté.
Mit einer nach dem Tod des Vaters geerbten alten
Steindruck-Presse ließ sich Adolph in Hamburg-St.
Pauli als Etikettendrucker nieder. Durch die unmittelbare Umgebung seiner Druckerei, in der sich Varieté-Theater, Singspielhallen und Bierhäuser befanden, insbesondere aber durch die Schaustellungen auf
dem Spielbudenplatz, spezialisierte er sich auf den seit
den 1870er-Jahren in Frankreich entwickelten aufwändigen Druck vierfarbig lithografierter Plakate.
Den Durchbruch erfuhr Friedländers Druckerei
durch einen Großauftrag von Carl Hagenbeck
1883/1884 mit Plakaten für dessen Singhalesen- und
Kalmücken-Karawane.
1884 schaffte sich Friedländer eine erste Steindruckschnellpresse an, mit der er etwa 600 Plakate in der
Stunde drucken konnte. In den folgenden Jahren erweiterte er seinen Maschinenpark und gliederte seiner
Druckerei sogar einen Verlag an: Adolph Friedländer
Buchdruckerei und Lithogr. Kunstanstalt Hamburg.
Friedländers Plakate spiegeln eine überschäumend
beschwingte und dramatisch bewegte Zeit voller
Neu­heiten und Sensationen wider, schillern mit farbenprächtigen Varianten der Attraktionen, Kuriositäten und Raritäten, den Blick in Neue Welten und
machen längst Entschwundenes lebendig: Zirkusund Zeitgeschichte.
Dass die Marionettendynastie Schichtl hier ihre Werbeplakate in Auftrag gab, zeugt für ihr künstlerisches
und ökonomisches Selbstbewusstsein und für ihre
Bekanntheit.
Adolph Friedländers Söhne Max-Otto und v. a. Ludwig führten den Betrieb mit wechselndem Erfolg
durch 1. Weltkrieg, 20er-Jahre und Weltwirtschaftskrise weiter. Sie wurden jedoch als Juden verfolgt, der
wieder florierende Betrieb wurde noch bis 1935 geduldet. Danach wurde das traditionsreiche bekannte
Signet des gezackten Blattes als »Judenkirsche« bezeichnet und dessen Gebrauch sowie die Nennung
des jüdischen Namens auf den Plakaten von den Nazis untersagt. 1938 wurde der Betrieb schließlich endgültig geschlossen. Beide Söhne konnten emigrieren.
»Löwe auf Elefant«, Carl Hagenbecks Zoologi­
scher Circus, Farblithografie Adolph Friedländer,
Hamburg 1895. © Stichting Circusarchief Jaap
Best/www.circusmuseum.nl
1890/91 taucht das berühmte Friedländer-Signet erstmals auf:
Neben der Nummer wird das Plakat mit einem herzförmigen
Blatt und dem Firmennamen versehen. Der Strahlenkranz wird
ab der Nummer 400 als Umrandung eingesetzt. Das Signet steht
für höchste Qualität und wird fast bis zum Schluss beibehalten.
Auf späteren Plakaten ab 1933 ist das Signet – symbolisch –
schwarz. Ganz zuletzt bleibt vom Druckvermerk nur noch die
Nummer übrig.
Im TheaterFigurenMuseum Lübeck fand eine Sonderausstellung vom 6. April bis 9. Juni 2014 statt:
Aus dem großen Fundus wurden historische Friedländer-Lithographien für die Marionettendynastie
Schichtl von 1883 bis 1912 sowie zahlreiche ausgewählte Werbeplakate aus fünf Jahrzehnten gezeigt.
Silke Technau
35
Welt-UNIMA
Rätetreffen 2014 in Varadero / Kuba
Am Karfreitag ging mein Flugzeug von Frankfurt
nach Wien und von da nach Varadero/Kuba.
Schon auf dem Wiener Flughafen traf ich die
UNIMA-Räte aus Kroatien, Polen und Slowenien.
Der Flieger war fast leer, und wir hatten luxuriös
viel Platz. In Varadero wurden wir sogleich empfangen und mit einem Bus in unser Hotel gebracht.
Was für eine große Überraschung! Wir waren im
Ferien- und Touristenressort gelandet.
Wir haben trotzdem gearbeitet:
Beim Rätetreffen waren 46 Räte aus 27 verschiedenen Ländern zugegen, es gab 28 Stimmübertragungen, so dass insgesamt 74 Stimmen vertreten
waren.
Wie immer wurden die Berichte vom Generalsekretär, vom Kassenwart und von den Kommissionen vorgetragen und die Berichte aus den einzelnen Ländern.
- Ich arbeite mit Nina Monova in der Europäischen Kommission.
Ich war verantwortlich für die Erstellung der Road
of Puppetry als Webseite. Da das Exekutivkomitee
kurz darauf die Erneuerung der Welt-UNIMASeite beschlossen hat, gibt es unter www.unima.org
einmal unter »Projekte« den Link zur Road of Puppetry und dann unter »nützliche Daten« eine Karte, auf der jeder Ort, für den es hier eine Kategorie
gibt, sich selbst eintragen kann.
- Das nächste Projekt der Europäischen Kommission ist eine Zusammenstellung europäischer Figurenbildner, um dann ein Buch darüber herauszugeben.
- Die internationale UNIMA hat das Projekt
Bed & Puppet ins Leben rufen. Auf der Homepage
der internationalen UNIMA www.unima.org kann
man sich dafür anmelden. Wer das tut, sollte sich
gleichzeitig in der deutschen Geschäftsstelle melden, damit der entsprechende Ort auch in die
Road of Puppetry eingetragen werden kann.
- Die englische Version der WEPA (World Encyclopaedia of Puppetry Arts) ist unter der Leitung
von Karen Smith fertiggestellt worden, die spanische Version existiert bereits zu 90% und soll im
September fertig sein. Diese Versionen sind keine
einfachen Übersetzungen aus dem Französischen,
sondern wurden noch einmal überarbeitet, um
Fehler zu beheben, sie zu aktualisieren und sie auf
der neuen Webseite der Welt-UNIMA zu präsentieren.
36
Die nationalen Zentren sind aufgefordert, sofern
möglich, die Bildrechte freizugeben, damit die
Bilder ohne zusätzliche Kosten für gemeinnützige
Zwecke veröffentlicht werden können.
- Die neue internationale Webseite wurde vorgestellt, und alle Räte wurden aufgefordert, die Seite
zu benutzen, damit sie für die Mitglieder informativ wird und vielfältige Kontakte möglich werden.
Die Seite ist verlinkt mit twitter und facebook.
Die Seiten der einzelnen UNIMA-Zentren und
der europäischen Kommission auf facebook tragen
schon jetzt sehr zur Kommunikation unter den
Puppenspielern bei.
- In einem weiteren wichtigen Punkt ging es darum, ein digitales Archiv zu schaffen, um das Puppenspielerbe zu dokumentieren. Ganz besonders
sollen dabei die vom Aussterben bedrohten Traditionen beachtet werden. Seit dem Tod von Miguel
Arreche als Präsident der Heritage Conservation
Commission hat Jacques Trudeau dieses Amt
übernommen. Jacques Trudeau hatte bereits in
den letzten zwei Jahren auf eigene Initiative mit
der Gruppe etcetera aus Spanien einen Film über
die Puppenspieltraditionen der Welt gedreht. Dieser Film wurde auf dem Festival gezeigt mit Puppenspielelementen und einem live-Vortrag in Spanisch: eine sehr professionelle Arbeit! Obwohl ich
wirklich wenig Spanisch verstehe, habe ich dem
Vortrag mit großem Vergnügen inhaltlich folgen
können.
- Der nächste UNIMA-Kongress findet in Tolosa,
Donostia und San Sebastian in Spanien vom 28.
Mai bis 5. Juni 2016 statt.
Die spanische UNIMA bereitet den Kongress vor.
Verantwortlich sind die einladenden Institutionen.
Das Thema des Festivals lautet: »Von der Tradition zur Avantgarde«. Theatergruppen aus fünf
Kontinenten werden erwartet, um in Theatersälen
und auf den Straßen zu spielen. Neben Theater­
aufführungen sollen Ausstellungen, Workshops
und ein von der Wissenschaftskommission begleitetes Symposium stattfinden.
Die spanische UNIMA will einen Festival-Club
einrichten und so ein besonderes Augenmerk auf
die Kommunikation der verschiedenen UNIMAZentren legen. Jedes Zentrum soll die Möglichkeit
haben, hier mit speziellen nationalen Spezialitäten
die Atmosphäre zu bereichern.
Ungefähr 50 km von Varadero entfernt in Mantanzas fand vor, während und nach dem Rätetreffen vom 19. bis zum 27. April das internationale
»Alicia en busca del conejo blanco«, www.teatrodelaestacion.com
Brasilianisches Kaspertheater, www.mamulengo.org
Puppentheaterfestival statt, an dem 13 kubanische Gruppen und
24 Gruppen aus Deutschland, Argentinien, Bolivien, Brasilien,
Canada, Ecuador, Spanien, USA, Finnland, Mexiko, Nicaragua
und Tschechien teilnahmen. Das Festival wurde mit viel politischer Prominenz eröffnet – aber statt großer Reden zeigte Eric
Bass vom Sandglass Theatre kleine Szenen mit sehr unterschiedlichem Charakter – mal mystisch – mal ganz erdig, mal zum
Mitmachen – aber immer sind sein Spiel und seine Figurenführung für den Zuschauer ein Genuss.
Der Schwerpunkt des Festivals lag auf Südamerika – ein traditionelles brasilianisches Kaspertheater konnte ich miterleben. Deftig und derb, rhythmisch präzise und mit den traditionellen
Schaustellerüberraschungen wie: Beine oder Hals werden lang
und länger. Am schönsten aber war, wie der Spieler es vermochte, sein Publikum einzubeziehen und damit eine ganz anrührende Stimmung im Saal zu verbreiten.
Eine völlig andere Inszenierung brachte ein Puppenspieler aus
»Vogel Phönix«, Kompanie Maria Baric, Finnland
Mexiko mit. Anknüpfend an eine ästhetische Bewegung aus den
zwanziger Jahren zeigte er Bilder und rezitierte dazu Gedichte.
An diesem Abend habe ich es bedauert, kein spanisch zu verstehen. Neben den Aufführungen hatten die Veranstalter 8 Ausstellungen organisiert und einige Vorträge und Workshops organisiert.
Das Team in Kuba hatte eine große organisatorische Arbeit zu
leisten – angefangen von der Logistik der Busfahrten über die
Übersetzung während des Räte-Treffens bis zu den Ausflügen zu
speziellen Orten – und darüber hinaus gab es täglich eine Überraschung für uns, entweder in Form einer musikalischen Begrüßung, eines Tanzes am Beginn des Tages oder das Konzert und
Fest zum Abschluss.
Vielen Dank für die Gastfreundschaft an die UNIMA Kuba!
Fotos: Karen Høie und Ruth Brockhausen
Ruth Brockhausen
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Zur Diskussion
Puppentheater für alle!
Das Theater Waidspeicher in Erfurt
»Elias und die Oma aus dem Ei«
»Der Ring des Nibelungen«
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Eine solche Ansammlung künstlerischer Energien
wird wohl noch lange Ausnahme bleiben: In der
Spielzeit 2012/2013 taten sich in Erfurt Opernhaus und Puppentheater – also Theater Erfurt und
Theater Waidspeicher – zusammen, um eine komprimierte Fassung von Richard Wagners VierOpern-Zyklus »Der Ring des Nibelungen« mit
Sängern, Kammerorchester und Puppenspielern
herauszubringen. Dieses aufwändige Projekt bedurfte einer langen Vorbereitung, und so fing auf
den Tag ein Jahr vor der Premiere Puppenbauer
Udo Schneeweiß mit dem Schnitzen der ersten
von achtzehn großen Bunraku-Puppen an. Auch
in anderen Bereichen war eine lange und gründliche Vorbereitung geboten. Diese war nur zu leis­
ten, weil ich, der Regisseur der Inszenierung, zur
gleichen Zeit Dramaturg des Theaters Waidspeicher
war. Nur so konnte ich neben meiner Tagesarbeit
das Projekt umfassend und kontinuierlich betreiben, nur so war es zum Beispiel möglich, dass ich
mich über viele Wochen mit dem musikalischen
Leiter der Produktion, Samuel Bächli, treffen
konnte, um die umfangreichen Kürzungen in der
Partitur gemeinsam vorzunehmen. Die riskante
Inszenierung wurde ein großer Erfolg und wird,
eine Besonderheit am Theater Erfurt, in der Spielzeit 2014/2015 ihre dritte Saison erleben.
Zu der günstigen Vorgeschichte dieser sparten­
übergreifenden Zusammenarbeit gehört, dass die
Intendantin des Theaters Waidspeicher Sibylle
Tröster und mich seit unserer gemeinsamen Zeit
am Deutschen Nationaltheater Weimar eine sehr
produktive künstlerische Freundschaft verbindet.
Sie war es, die mir, damals noch an der Kleinen
Bühne Naumburg, meine erste Regiearbeit am
Puppentheater anvertraute und damit meine Leidenschaft für das Theater der Dinge entfachte.
Diese erste Arbeit war auch ein musikalisches Puppentheater: »Don Giovanni«. Als Sibylle Tröster
2009 die Intendanz am Theater Waidspeicher in
Erfurt übernahm, hatte ich die Möglichkeit, mit
dem »Sommernachtstraum« von Shakespeare die
Eröffnungsinszenierung ihrer Intendanz realisieren
zu können. Und diese Inszenierung wiederum
führte uns einen Fan zu, der sich bald wirkungsvoll
zu erkennen gab: Samuel Bächli, erster Kapell­
meister am Theater Erfurt, initiierte die erste Koproduktion der beiden Theater: »King Arthur«
von Henry Purcell. Für die Inszenierung nutzten
wir die Mechanik des legendären Teatrum Mundi
aus Neubrandenburg, um Sängern, Puppenspielern und der großen Zahl mechanisch bewegter
Flachfiguren eine gemeinsame Bühne zu geben.
Das war im Frühling 2011, und im darauf folgenden Sommer begann ich nach Jahren der frei-
»Tintenherz«
schaffenden Regietätigkeit eine Festanstellung am Theater Waidspeicher als Dramaturg und Pressedramaturg. Ich lernte, dass sich
ein Theater »von innen« anders ausnimmt, als wenn man nur für
die Zeit der Proben Teil des Ensembles wird. Deshalb hier etwas
über das Theater Waidspeicher, wie ich es erlebt habe:
Es ist eine lokale Eigenheit, dass man in Erfurt sagen kann: »Meine Frau und ich, wir gehen heute Abend ins Puppentheater« –
und keiner guckt verwundert. Denn seit über fünfundzwanzig
Jahren ist das Puppentheater in dem großen alten Haus in der
Erfurter Altstadt und damit im Bewusstsein der Erfurter zuhause.
Es ist bekannt und wird geschätzt, dass hier auch Stücke für ein
erwachsenes Publikum gezeigt werden. Und seit mit einem heute
bedauerten Ratsbeschluss das feste Schauspielensemble am Erfurter Theater abgeschafft wurde, konnte das Theater Waidspeicher
mit Inszenierungen wie »Der Tod in Venedig«, »Das Fräulein
von Scuderi« oder »Drei Schwestern« das literarisch interessierte
Publikum für sich gewinnen. Selbstverständlich ist das Puppentheater eine feste Größe für die Kleinsten. Als Erfurter Kind
kommt man an den Grimmschen Märchen und Adaptionen
moderner Kinderbücher, wie »Elias und die Oma aus dem Ei«
nicht vorbei. Das konnte ich feststellen, wenn ich als Dramaturg,
um zum Beispiel den Theaterbesuch eines Abiturjahrgangs vorzubereiten, in die Schulen kam und auf meine Frage, wer denn
schon im Waidspeicher gewesen wäre, alle Finger hochgingen. So
ist das Puppentheater in Erfurt im besten Sinne ein Stadt-Theater, das für alle Altersstufen etwas bietet und von der Kindergartengruppe bis zum Unipräsidenten Fans und Freunde hat. Selbst
in der Altersgruppe 11 Jahre und älter, um die, so lernte ich, viele
Theater erfolglos kämpfen, hat das Theater Waidspeicher mit
»Peter Pan«
Stücken wie »Tintenherz« und »Peter Pan« (in der Inszenierung
von Moritz Sostmann) einen guten Stand. Dabei ist das Ensemble mit 27 Mitgliedern, davon 7 Puppen- und Schauspielern,
wirklich klein. Zu den rund 300 Veranstaltungen im 142-PlätzeSaal kommen zahlreiche Gastspiele, unter anderem nach Sibirien, und alle zwei Jahre noch das Internationale Puppentheaterfestival Synergura, das neben dem laufenden Betrieb organisiert
und veranstaltet wird. Wer die verwinkelten und lichtarmen
Räume des Theaters im historischen Fachwerkhaus zum ersten
Mal sieht, mag manchmal nicht glauben, was hier alles zustande
gebracht wird. Bei meinen zahlreichen Führungen durch das
Theater machte auf alle Besucher das Puppenbau-Atelier den
größten Eindruck, es ist wirklich einer der schönsten Räume:
Hier hängt der Himmel voller Puppen und die Wände voller
Entwürfe und aus dem Fenster geht der Blick auf das Postkartenmotiv des Erfurter Domberges mit seinen beiden Kirchen. Hier
arbeitet Kathrin Sellin als Puppengestalterin und Ausstatterin,
und hier lassen sich auch die Gast-Puppenbauer während der
Neuinszenierungen zur Arbeit nieder.
Ich, für meinen Teil, werde im August meine Stelle als Dramaturg am Theater Waidspeicher verlassen, um als freier Regisseur
gleich wieder bei diesem tollen Ensemble anzuheuern. Mit den
Inszenierungsvorhaben »Die unendliche Geschichte« und »Göttliche Komödie« geht meine Zusammenarbeit mit Sibylle Tröster
weiter. Darüber hinaus werde ich auch an anderen Häusern arbeiten. Meinen Schreibtisch im historischen Dachgeschoss des
Waidspeichers wird die Theaterwissenschaftlerin Susanne Heinke
übernehmen. Weiter geht’s!
Christian Georg Fuchs
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»Kleine Prozesse«
Festival
»Infinité/Unendlichkeit«
»Wenn Puppen es machen ...«
Eindrücke von der 11. figuma in Eupen (B)
Das belgische Städtchen Eupen ist ein außergewöhnlicher Ort –
einerseits eine Kleinstadt mit knapp 20.000 Einwohnern, andererseits ein Re­gierungszentrum mit allem, was an Staatstragen­
dem dazugehört: Vom Ministerpräsidentensitz bis zu Unterrichts-,
Gesundsheits- und Kulturministerium ist hier alles vorhanden,
womit in Deutschland höchstens Bundesländer mit mehreren
Mil­lionen Einwohnern prunken können. Eupen ist die Hauptstadt der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG), der kleins­ten
der drei Sprachgemeinschaften Belgiens, und liegt im »Dreiländereck« Deutsch­land – Belgien – Niederlande, wo die Sprachgrenze oft zwischen einem Dorf und dem nächsten verläuft.
Bedenkt man diese kulturelle Situation Eupens, so versteht es
sich fast von selbst, dass in dieser Stadt nur ein transkulturelles
Figurentheaterfestival beheimatet sein kann. Seit nunmehr 11
Jahren lädt der in der DG ansässige Kulturverein Chudoscnik
Sunergia zur figuma ein. Unter der künstlerischen Leitung von
Heinrich Zwissler (Figurentheater Heinrich Heimlich) bietet
Eupen jedes Jahr im November drei Tage lang Figurentheater für
Erwachsene aus Belgien, Deutschland, den Niederlanden und
Frankreich – und zwar auf höchstem Niveau. Da in Belgien wie
auch in Frank­reich das Objekttheater eine große Tradition hat,
sind oft Inszenierungen im Programm, bei denen sich das Sprachproblem gar nicht erst stellt. Doch auch da, wo Sprache im Spiel
ist, können die Akteure mit einem aufgeschlossenen Publikum
rechnen, das sich sprachlich immer irgendwie zurechtfindet. Das
gilt im Übrigen auch für die immer zahlreicher werdenden deutschen Besucher aus Aachen und Umgebung, von denen einige
über die Jahre zu echten figuma-Fans geworden sind.
In diesem Jahr gab es an zwei von drei Abenden je drei Kurz-Inszenierungen von je ca. 20 Minuten, die parallel gezeigt wurden,
so dass die in drei Gruppen aufgeteilten Zuschauer im Rotations­
system an drei verschiedene Spielorte im Eupener Jünglingshaus
geführt wurden. In den zwei Umbaupausen hatte man umso
mehr Gelegenheit, bei Chamay bleu oder Leffe blonde mit den
anderen Zuschauern über seine Eindrücke zu plauschen.
Den ersten Abend könnte man knapp mit drei Adjektiven zusammenfassen: skurril – poetisch – grotesk. Die Schwestern aus
Stuttgart zeigten in der Guckkastenbühne »Kleine Prozesse«, eine
Inszenierung auf der Grenze zwischen Puppen- und Objekttheater. Folgt man Jürgen Maaßens Definition »Eine Puppe ist alles,
40
»Dans l’atelier/In der Werkstatt«
wovon man sich angeguckt fühlt«, so sind die amöbenartigen
farbigen Gestalten, die sich da auf der Bühne balgten, keine Puppen, Dinge sind sie aber auch nicht, denn mit ihren seltsamen, an
Arme und Beine gemahnenden Ausstülpungen haben zumindest
einige von ihnen durchaus rudimentär anthropomorphe Züge.
Das sichtbar zu machen, was unter unserer eigenen Oberfläche
passiert, ist die Idee dieser originellen und amüsanten Inszenierung, die auch musikalisch frech daherkommt: Von der Opern­
arie bis zur Schlagerschnulze wird nichts ausgelassen.
Im scharfen Kontrast zur Comedy-Show der Bakterien, Viren,
Hormone und Spermien stand die Inszenierung »Infinité/Unendlichkeit« von der französischen Compagnie La Valise: »Es war
einmal eine alte Frau, die wünschte sich so sehr einen Mann, dass
er wirklich zu existieren begann«, so beginnt die poetisch-leise,
aber dann unerwartet laute und dramatische Geschichte um den
Wiedereinbruch der schon vergessen geglaubten Vergangenheit
in die Gegenwart. Hauptbühnenelement ist ein mit Holz befeuerter alter Küchenherd, den die aus Kuchenresten entstandene
Figur erkundet und der sich in der eindrucksvollsten Szene – einer Art Trauma-Sequenz – in eine von Bomben getroffene brennende Stadt verwandelt, in der die Küchenlöffel zu fallenden
Soldaten werden. Die Frage nach der Grenze von Realität und
»Erscheinung« wird hier anschaulich vorgeführt und zugleich
grundsätzlich gestellt: Ist am Ende nicht jede Figur eine Erscheinung, ein Traum, der ebenso schnell verschwindet, wie er gekommen ist?
Höhepunkt des Abends war für viele Zuschauer die Inszenierung
»Dans l’atelier/In der Werkstatt« des belgischen tof théâtre. Wer
wissen möchte, was eigentlich Figurentheater im Kern ausmacht,
findet hier eine klare Antwort. Offen geführt von zwei Spielerinnen, erschafft sich hier eine rudimentäre Figur selbst, in dem
sie sich, zunächst noch reiner Rumpf, einen Kopf aus Styropor
schnitzt und diesen mit Filzstiftaugen versieht. Die Menschwerdung vollzieht sich vor den Augen des Zuschauers. Doch der
Homunkulus ist noch nicht zufrieden und sägt und schnitzt sich
munter seinen Kopf zurecht, unter den Schmerzenslauten der
Zuschauer, die das nur schwer mitansehen können. Als sich der
Androide am Ende gegen seine Spielerin auflehnt und diese ihn
in wilder Panik am Tisch festtackert und ihm mit der Schlagbohrmaschine das Hirn zerfetzt, ist der Höhepunkt erreicht:
Man möchte schreien vor Entsetzen – und wohnt doch nur der
tof théâtre
Zerstörung eines Stückchens Styropor bei: ein groteskes Drama
von existentiellen Dimensionen, bei dem Lachlust und Schauder
ganz nah beieinander liegen.
Der zweite Abend wurde allein vom tof théâtre bestritten, das
diesmal Erotische Häppchen servierte: 3 wiederum parallel laufende Kurzinszenierungen zu nämlichem Thema, die in eine Art
Rahmeninszenierung eingebettet waren. Wer den in ein schummeriges Rotlicht-Etablissement verwandelten Zuschauerraum
betrat, wurde zunächst durch Pralinés in Venusbrüstchenform
und Parfumspritzer in die richtige Stimmung gebracht. Das erste
Stück spielte unter einem riesigen Bett, die Zuschauer verfolgten
das Geschehen in Voyeursposition, auf dem Bauch liegend und
mit dem Kopf unter der Decke. Die Metapher vom Erkunden
des weiblichen Körpers wurde hier einmal wörtlich genommen,
denn man wurde Zeuge, wie ein ziemlich drollig-kindlich aussehender Schniedel einen robinsoninselähnlichen Sandhügel
erobert, unter dem sich erwartungsgemäß bald eine Spalte auftut,
in die einzudringen nun des Pimmelchens Begehr ist. Unter eindeutigen Seufzern fährt er schließlich ein, und die Spielerin zündet sich ermattet die Zigarette danach an.
Eine weitere Episode führte in das voyeuristische Reich eines
Senioren, der mit aufwendigen Installationen von Überwachungskameras ein Paar beim Sex filmt. Wir sehen seine akribischen Vorbereitungen und schließlich – via Monitor – Standbilder von kopulierenden Plastikpüppchen: hier ein Blick in geöffnete Schenkel, da Missionarsstellung, auch Orales ist dabei;
alles ausgeführt von Modelleisenbahnfigürchen in Barbie-Rosa.
Banaler, prosaischer, billiger könnte »Erotik« nicht sein, wäre da
nicht die zauberhafte Voyeurskunst des sympathischen Rentners
im Strickpullunder, und wären es nicht Puppen, die es machen.
Und jeder im Publikum hat sich nach den Aufnahmen den Hals
verrenkt, jeder.
Dass es an diesem Erotik-Abend stets nicht um Erotik, sondern
vielmehr um »Erotik« ging, zeigte sich auch in der letzten Episode, die Alte-Leute-Sex in der Badewanne vorführte. Während er
noch im Bademantel bleibt, lässt sie schon bald das Handtuch
fallen; er darf sie im Bade belauschen. Dann aber gelingt es ihr,
ihn in die Wanne und in eine aktivere Rolle zu locken – mit Erfolg: Die kleine Erektion am Lebensabend wird vom Publikum
mit Hochachtung und von der Tischfiguren-Gespielin mit einem
Küsschen aufs niedliche Gemächt belohnt. Das Publikum, mehrheitlich im besten Alter und hormonell gut beisammen, blickte
mit der Rührung der Nichtbetroffenheit auf den vielleicht abgründigsten Beitrag des Abends.
tof théâtre
Das einzige Kinderstück des Festivals, »Löwe und Maus« von
Heinrich Heimlich und Compagnie Orange Sanguine, basiert auf
der gleichnamigen Fabel des Äsop. Das Thema »Groß und Klein«
bzw. »Stark und Schwach« wird hier unmittelbar in Figurenarten
übersetzt: Eine kleine Tischfigur tritt gegen einen mannshohen
Löwen an: den Spieler in Maske. Der eindrucksvolle Löwenkopf
könnte furchterregend sein, wäre das Dementi nicht bereits vorweggeschickt: Die Spielerin findet zu Beginn den Kollegen schlafend vor und muss ihn aufscheuchen. Der harmlose Schläfer
bleibt hinter der gefährlichen Maske stets präsent und verkleinert
den großen Löwen, so wie die Präsenz der Spielerin die kleine
Mausfigur vergrößert – der jeweilige Spielmodus stellt Gleichheit
zwischen den Kontrahenten her, so wie auch der Plot der Fabel
es will. Höhepunkt der Inszenierung ist ein faszinierendes Farbschattenspiel, das den Zuschauer in die afrikanische Savanne
entführt. Im Auge des Löwen erscheinen unter afrikanischen
Trommelrhythmen Antilopen, Elefanten und andere Tiere, werden, vor und hinter der Lichtquelle geführt, kleiner und größer.
Bilderreichtum, Musik und Lieder machen das Spiel zu einem
Musical im Kleinformat. Die Einfachheit der Fabel wurde hier
Anlass, verschiedene Möglichkeiten theatralen Spiels vorzuführen – suggestiven Figuren und Momenten zugleich ihr Gemacht­
sein entgegenzusetzen.
Nach einer figuma voller frecher Herausforderungen bildete der
klassischste der Klassiker den Abschluss: der »Faust« der Hohenloher, jahrzehntealt, wenn auch mehrmals renoviert; die einschneidendste der Neuerungen in der Geschichte dieser Produktion war sicherlich der Austausch der ursprünglichen de-KockFiguren durch Wunderwerke von Jürgen Maaßen. Vor kaum ein
Stück setzt man sich mit klareren Erwartungen, und sie werden
nicht enttäuscht: Es passiert, was immer passiert, und es sieht
aus, wie es aussehen muss. Warum sieht man sich das an? Weil es
so ungeheuer präzise gespielt ist, die Figurengestaltung sich mit
größter Freiheit im engen Korsett der traditionellen Ikonographie bewegt? Weil der differenzierte Bewegungsduktus der Figuren, die Diktion der Charaktere, die feine Führung der Hände
Puppenhandwerk auf höchstem Niveau vorführen? Ja, sicherlich.
Vor allem aber: Weil es Puppen sind, die es machen. Dieses
Phänomen bleibt das Gleiche, egal ob es einem im traditionellen
Faust oder in medial gebrochenen, ironischen, selbstbezüglichen
Meta-Kommentaren begegnet. So unterschiedlich das an den
Abenden Dargebotene auch war, der Grund der Schaulust hat sie
verbunden.
Vera Wunsch, Stephan Wunsch
41
Festival
Carsten Dittrich (Figurentheater
marotte) präsentiert seinen kleinen
König, ein Mädchen aus dem Publikum zeigt den ihren, den sie in
die Vorstellung mitgebracht hat.
Anne Swoboda in »Ein Ort zum
Glück« (Theater 7schuh, Görlitz)
»Meine Mama Muh« vom
Dornerei Figurentheater
»Debbsch & Lebbsch«: Wolfgang
Lasch und Frank Deutscher ent­
ledigen sich ihrer Kostüme und
nehmen den begeisterten Applaus
ihres Publikums entgegen.
42
Qualität und heitere Laune
Osterzgebirgisches Puppentheaterfest
Rückschau auf 2013 und ein erster Ausblick auf
den 10. Jahrgang des Puppentheaterfestes.
Die alte Bergstadt Altenberg liegt im östlichen Erzgebirge, dicht an der Grenze zu Tschechien. Die
ganze Gegend dort ist eine gefragte Urlaubsregion
– im Sommer wie im Winter, wenn es schneit.
Doch wenn im Oktober der Herbst in den Wäldern ringsum mit tausend bunten Farben spielt, ist
Kasperzeit in und um Bärenfels.
Im Jahr 2005 gab es das Osterzgebirgische Puppentheaterfest zum ersten Mal. Es erinnerte an
Paul Hölzig, den sächsischen Puppenspieler, der
nach dem Krieg und dem verheerenden Bombenangriff auf seine Heimatstadt Dresden hier ein
neues Zuhause fand. Über ein Jahrzehnt hat er
Kindern und Erwachsenen mit seiner Kunst Freude bereitet. Das ist auch der Grund, weshalb sich
in der gastlichen Region heute Puppenspieler aus
ganz Deutschland zu dem dreitägigen Festival
versammeln und für Jung und Alt aufspielen.
Doch abends können sie hier auch mal miteinander ein Bier trinken, Gedankenaustausch pflegen
oder die Seele baumeln lassen.
Der Herbst 2013 erlebte den neunten Jahrgang.
Elf Bühnen waren angereist – aus dem Sachsenland, aber auch über viele Autobahnkilometer:
von der Deutschen Weinstraße und dem Nieder­
rhein, aus der Hansestadt Lübeck und dem hessischen Darmstadt. Insgesamt spielten sie 21 Vor­
stellun­gen in neun Spielstätten. Zu ihnen gehören
Landgasthöfe und Ferienhotels, eine Grundschule
und sogar die evangelische Kirche Altenberg. Neu
in diesem Kreis war 2013 das Kulturhaus Johnsbach nahe der Uhrenstadt Glashütte.
13 Vorstellungen richteten sich an das jüngste
Pub­likum. Gezeigt wurden die unverwüstlichen
Märchen der Brüder Grimm oder aus der Hand
von Hans Christian Andersen sowie Stücke nach
aktuell beliebten Kinderbüchern. Alle waren Familienvorstellungen im besten Sinn und zogen eine
große Gästeschar an. Zu den Favoriten der Kinder
zählten das Spiel um den kleinen »Angsthasen Leo­
pold« vom Figurentheater Maskotte ebenso wie die
reizvolle Märchenadaption »Frau Fischer und ihr
Mann« vom Figurentheater Ernst Heiter (beide aus
Mecklenburg-Vorpommern), aber auch »Der kleine König« vom Figurentheater marotte Karlsruhe
oder »Meine Mama Muh« vom Dornerei Figurentheater aus Neustadt a. d. Weinstraße. Erst recht
drängten sie sich, als Jens Hellwig und sein Kasper
von »Heimlichkeiten in Kaspershausen« erzählte,
die zum wiederholten Mal auf dem Festspielprogramm standen und wiederum für Spaß und gute
Laune sorgten.
Zum Höhepunkt für die Erwachsenen wurde der
Operettenerfolg »Im Weißen Rössl«, präsentiert in
einer Version »für zehn singende Marionetten mit
Kuhstall, Blitz und Donner« vom Lübecker Kobalt Figurentheater. Immer wieder brandeten
Kaskaden der Heiterkeit durch den Saal, und am
Schluss klatschte das Publikum zu dem Gassenhauer »Im Salzkammergut, da ka’ mer gut lustig
sein ...« Entsprechend erschien die Lokalausgabe
Dippoldiswalde der Sächsischen Zeitung Dresden
am Montag nach dem Fest mit der Headline »Eine
himmelblaue Gebirgskuh in Geising« und berichtete über die heitere Stimmung, ausgelöst durch
das diffizile Marionettenspiel der beiden Akteure
Silke Technau und Stephan Schlafke sowie deren
Live-Gesang zur Tonkonserve und das in vielerlei
Hinsicht eindrucksstarke Bühnenbild.
In ähnlicher Weise begeisterte das Kikeriki Theater
aus Darmstadt. Zum zweiten Mal seit 2009 zeigte
es »Siegfrieds Nibelungenentzündung«, und die
derb-deftige Comedy-Version der Heldensage erfreute auch diesmal Herz und Sinn sowie die
Lachmuskeln der Gäste. Letzteres ist auch den umwerfend komischen Musikanten »Debbsch &
Lebbsch« (Wolfgang Lasch und Frank Deutscher
als Ganzkörperpuppen) sowie Katharina Sell und
Ute Kotte mit »Zwei Damen – eine Absicht« zu
bescheinigen, die ebenfalls zum wiederholten Mal
im Osterzgebirge auftraten und früheren Erfolg
bestätigten. Vielfalt des Genres, präzises und hochprofessionelles Puppenspiel, Spaß und heitere Laune markieren den Anspruch, den das kleine, ehrgeizige Festival in der Osterzgebirgsregion ausmacht und der sich bei seinem immer zahlreicher
werdenden Publikum mehr und mehr durchzusetzen beginnt.
Mittlerweile wird es eng in manchen Sälen. Das
betrifft den Raum für das Gestühl, das in der
Mehrzahl extra bereit gestellt werden muss, wie
auch die erforderlichen Bühnenmaße. Zur Eröffnungsvorstellung trat die Puppenbühne des
Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen mit dem
Krimi »Acht Millionäre« auf, wobei es für den
Gasthofsaal in Bärenfels extra neu eingerichtet
wer­den musste, was schließlich bewirkte, dass zwei
der Akteure zeitweise auf Knien agierten. Dafür
erhielten sie jedoch einen Extra-Applaus des begeisterten Publikums. – Die Organisatoren warteten übrigens mit einer neuen qualifizierten Variante für die Online-Buchung auf. Die wurde bestens angenommen. Dass aus dem Stand etwa 15
Prozent der Karten via Internet erworben wurden,
wird berechtigterweise als Erfolg gewertet und lässt
für die kommenden Jahrgänge hoffen.
Im Augenblick wird der zehnte Jahrgang vorbereitet. Das Jubelfest findet vom 17. bis 19. Oktober
2014 statt. Neben herbstlich bunten Blättern gibt
es noch vielerlei Gründe, sich darauf zu freuen!
Klaus Harder
40 Jahre Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt
Martin Faller, Markus
Dorner (Hg.):
40 Jahre Robbi, Tobbi
und das Fliewatüüt.
Eine Jubiläumsbroschüre, Puppen&Masken
Frankfurt/Main 2013,
35 S. mit vielen Abb.
Alle kommen sie zu Wort, in Interviews, Erinnerungen und mit
z.T. bisher unveröffentlichten Bildern – die Spieler, der Musiker,
die Filmleute. Auch Tobbi und Robbi!
Buchbesprechung
Hier wird die Entstehung der berühmten Puppenfernsehfilm­
serie der 70er-Jahre gezeigt mit all ihren technischen Herausforderungen und Möglichkeiten: die spielerische und technische
Experimentierfreude, die strenge und doch humorvolle Ästhetik
der Figuren von der Skizze bis zum Bau und weiter bis zum Spiel.
Vor 50 Jahren erschien das Kinderbuch von Boy Lornsen, vor 40
Jahren wurden die Fernsehfilme gedreht, seit (fast) 10 Jahren
sind die drei Helden in der Dauerausstellung des PuK in Bad
Kreuznach zu sehen: – das Büchlein ist ein Muss für Fans und
solche, die es werden wollen!
Silke Technau
Eintritt frei – Kinder die Hälfte
Ueli Balmer-Krüger: Eintritt
frei – Kinder die Hälfte. Von
Puppenspielern, Gauk­lern und
Komödianten in Europa,
Books on Demand, Norderstedt 2013, 232 S., zahlreiche
z.T. farbige Abb.
Der Autor jagt durch die Jahrhunderte mit Anekdoten, kleinen Berichten, manchmal
tech­nischen Darstellungen,
manchmal längeren Zitaten
aus Biografien, Briefen, wissenschaftlichen Arbeiten oder dem
Stückabdruck eines Schweizer Marionettenspiels zu Wilhelm
Tell. Den Mittelpunkt bildet die Darstellung der Puppentheatergeschichte der Schweiz. Wenn die Schweizer Quellen nicht reichen, hilft schon mal der Blick in die gut erforschte sächsische
Tradition, um Puppentheatergeschichte darzustellen. Es wird zu
vieles angerissen, erwähnt, eingefügt.
Das liest sich erst einmal ganz assoziativ-vergnüglich, zumal
Schweizer Puppentheatergeschichte (mir) nicht so bekannt ist.
Schwieriger wird es mit der Darstellung der Entwicklungen in
der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Es sieht so aus, als hätte es in
West-Deutschland nur noch Zahnputz- und Verkehrskasper gegeben, und in der DDR starb außer Schröder und Simon alles
aus; Europa gerät ganz aus dem Blick.
Stattdessen hätte sich Puppentheater dann in Amerika mit Bread
and Puppet und den Muppets weiterentwickelt. Da werden die
Darstellungen dann wirklich verfälschend knapp. Der Beitrag
»Hochschulen entdecken das Puppentheater« bezieht sich leider
nur auf die Theaterwissenschaft und bricht 1990 ab.
Falsch ist die Bildunterschrift S. 187: Hier ist die »Hexe« aus der
Sammlung Chrudim abgebildet, die Harro Siegel für die Labolitvervielfältigung entworfen hatte – in der Bildunterschrift wird
behauptet, das sei der Jude Levi Blauspan. Im Text dazu ist klarzustellen, dass Harro Siegel die meisten Köpfe entworfen hatte,
sich aber bei der Karikierung von Chamberlain und Churchill
geweigert hatte; sie stammen von Karl Fritz Riedel.
Silke Technau
Marionetten. Kunst, Bau, Spiel
Marlene Gmelin,
Detlef Schmelz:
Marionetten. Kunst, Bau,
Spiel, Swiridoff Verlag
Künzelsau, 3. Auflage
deutsch/englisch und
neu überarbeitet, 148 S.,
zahlreiche farbige Abb.
Dieses Buch ist eine Darstellung der ca 40-jährigen Arbeit des
Künstlerpaares mit Marionetten. Sie berufen sich dabei ausdrücklich auf Kleist und Fritz Herbert Bross.
Handwerkliche und didaktische Beschreibungen stehen zwischen farbig fotografierten Bewegungsabläufen oder essay­
istischen Überlegungen zum Marionettenspiel – ein wunderschön gestaltetes vielschichtiges Lesebuch.
Silke Technau
43
Buchbesprechung
Familienpuppentheater – Schauspieler an Fäden
Jaroslav Blecha
Rodinná Loutková Divadélka
... herectvo na drátkách ...
(Familienpuppentheater –
Schauspieler an Fäden),
herausgegeben vom Mährischen
Museum Brno, 2013, 192 S.
Dr. Jaroslav Blecha ist der Leiter
der Abteilung Puppentheater am
Mäh­rischen Museum in Brno. Sein
Spezialgebiet ist das »Fami­
lienpuppentheater« – bei uns ist der Begriff »Haustheater« geläufiger. In Böhmen spielte man seit Ende des 19. Jahrhunderts mit
kleinen Stabmarionetten. 1901 begann sich Antonín Münzberg
mit der Herstellung von Stabmarionetten zu beschäftigen. 1913
gab er die erste Serie sogenannter »Aleš«-Figuren heraus. Es
folgten mehrere Figurensätze in unterschiedlichen Größen. Weitere Firmen stiegen nach dem Ersten Weltkrieg in das Geschäft
ein. In den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts produzierten 13
von J. Blecha nachgewiesene Firmen für die über 3.500 existierenden Familien-, Heim-, Schul- und professionellen Theater in
Tschechien und der Slowakei. Bis heute lebt diese Tradition fort,
wenn auch vor allem im Prager Souvenirverkauf.
Blecha beschreibt in kurzer Form das Familientheater, gespielt
mit Marionetten, als eine Eigentümlichkeit, die sein Heimatland
in die Geschichte des europäischen Puppenspiels einbringt. Er
geht ein auf den Figurenbau, die Kostümierung, die Requisiten,
das Repertoire und die Szenerie. Auf 120 Seiten werden die verschiedenen Figuren abgebildet und den Herstellern zugeordnet.
Blecha geht dabei von der unterschiedlichen Herstellung der
kleinen Spielkreuze bzw. den Firmenmarken auf den Kreuzen
aus. In der Regel wurden die Marionetten in vier Größen her­
gestellt: 8, 20, 25 und 35 cm. Die Abbildungen sind in Farbe
und nicht ohne Pfiff, denn immer wieder sind Figuren von hinten fotografiert. Dafür sind dann ihre Köpfe von vorn besonders
groß herausgehoben.
Das Buch ist also so etwas wie der Briefmarkenkatalog für den
Sammler dieser Wertmarken. Es sollte im Bücherregal aller
Sammler, Puppentheatermuseen und Liebhaber stehen. Und es
wäre zu überlegen, eine Möglichkeit zu finden, es ins Deutsche
zu übersetzen, denn auch bei uns kursieren viele dieser kleinen
Pimperl, die meist mit völlig falschen Datierungen angeboten
werden.
Jaroslav Blecha dürfte mit diesem Buch auf lange Zeit ein Standardwerk gelungen sein. Am Ende steht eine vierseitige Zusammenfassung in englischer Sprache
Olaf Bernstengel
Bilder aus der Geschichte des tschechischen Puppenspiels
Autorenkollektiv
Obrazy z de˘jin cˇeského loutkaˇrství
(Bilder aus der Geschichte des
tschechischen Puppenspiels),
herausgegeben vom Museum
für Puppenspielkultur Chrudim,
anlässlich des 40-jährigen Bestehens dieses Museums 2012, 180 S.
Das Buch gliedert sich in 6 Kapitel:
1. Pavel Jírásek Im tschechischen und internationalen Puppentheatermuseum
2. Alice Dubská Als Puppenspieler durch das tschechische
Land wanderten
3. Lucie Mikloviˇcová Das Phänomen der Familienpuppentheater in Tschechien
4. Marie Jírásková Die Künste und ihre Puppen (1900 –1950)
5. Nina Malíková Modernes tschechisches Puppentheater –
ein Meilenstein
6. Kollektiv des MLK Puppen aus der ganzen Welt
Die Autoren sind ausgewiesene Kenner der Szene. Pavel Jírásek
ist Musikologe, Dokumentarfilmer und Schriftsteller, der gemeinsam mit seiner Frau Marie das Buch die »Marionette und
die Moderne« verfasste sowie selbst über eine Figurensammlung
verfügt. Marie Jírásková ist bildende Künstlerin und Szenografin.
44
Dr. Alice Dubská kann man heute als die Grande Dame der
tschechischen Puppentheatergeschichte bezeichnen. Lucie Miklo­
viˇcová ist Kuratorin für die Familientheater am Chrudimer Museum. Und Nina Malíková ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Prager Theaterinstitut und die Vorsitzende der UNIMA Tschechien.
Am Ende aller Beiträge steht eine englische Zusammenfassung
und alle Abbildungen sind auch in Englisch untertitelt. Was das
Buch für uns deutsche Puppenspielfreunde so interessant macht,
ist die wunderbare Druckqualität auf mattem Papier und die
aufwendige Gestaltung. Mehrere Seiten sind herausklappbar
und werden genutzt, um die Figuren in den verschiedensten
Posen abzubilden. Kenner des Chrudimer Museums werden natürlich wenig neue Figuren entdecken. Aber einige historische
Fotos sind von Interesse und in diesem Zusammenhang auch
zwei Entwürfe aus dem Jahre 1966 für das Zentrale Prager Puppentheater. Wären diese realisiert worden, hätten sie das Zentrale
Moskauer Puppentheater unter Leitung von S. Obraszow in den
Schatten gestellt. Die angedachten Höhenflüge der Kulturbauten in den sozialistischen Ländern kamen in den siebziger
ˇ
Jahren auch in der CSSR
auf den Boden der Realität. Eines ist
aber geblieben, das zeigen die wissenschaftlichen Publikation der
letzten 20 Jahre und auch dieses Buch, verlegerisch stehen die
Puppentheaterleute in Tschechien an der Spitze der internatio­
nalen Szene.
Olaf Bernstengel
Bernhard Morgenstern
Willibald Meyer
Nachruf
Die Gemeinschaft der
Puppenspielerinnen
und
Puppenspieler
und alle Freunde des
Puppenspiels trauern
um einen ihrer großen
Förderer und begeisterten Spieler, Bernhard Morgenstern.
Ein leidenschaftlicher Figurentheaterschaffender, ein engagierter
Lehrer, zugleich ein lebenslang Lernender und ein großer Menschenfreund ist von der großen Bühne des Lebens gegangen.
Geprägt durch die Begegnungen mit den großen Puppenspielern
der Nachkriegszeit, Friedrich Arndt, Albrecht Roser und vielen
anderen war Bernhard ein leidenschaftlicher Handpuppen- und
Marionettenspieler. Ob mit Jugendlichen in den Ferien oder mit
seiner eigenen Bühne, er spielte am liebsten im Ensemble. 1983
übernahm er zusammen mit Monika Eger von Beate Paulus die
Leitung des Arbeitskreises Puppenspiel in Baden-Württemberg.
Mit großer Leidenschaft und Hinwendung zu den Menschen
prägte er 26 Jahre lang die vielen Puppenspielertreffen in Ravensburg und in Friedrichshafen. Begegnungen und Austausch waren
ihm dabei innere Antriebskraft. Die Teilnehmer fuhren nach den
Treffen nicht nur mit neuer Inspiration für ihre kreative Arbeit,
sondern oft sehr bewegt und mit neuen Impulsen für den eigenen Lebensweg nach Hause.
Auch nach Übergabe der Leitung im Mai 2009 an seine beiden
Nachfolgerinnen, Vera Weisser und Christine Kümmel, blieb
Bernhard dem Arbeitskreis als erfahrener Dozent verbunden,
und im Haus Morgenstern traf sich weiterhin das »verrückte
Völkchen der Puppenspieler«, wie er es immer mit einem Lächeln nannte.
Seine wahre Größe war nicht zuletzt durch seine Bescheidenheit
gekennzeichnet, wenn er zum Beispiel in Kursen mit wenigen
Handgriffen ein meisterhaftes Ergebnis erbrachte und das Werkstück dann als gemeinschaftliches Ergebnis würdigte »Schau mal,
ist das so geworden, wie du dir das vorgestellt hast? – Das haben
wir doch prima hinbekommen«.
So waren ihm auch seine kleinen Gäste beim Kasperspiel besonders wichtig. Ihm gelang es in besonders liebevoller Art, auf seine
Zuschauer einzugehen, ihnen die Angst vor Hexen, Teufeln und
Zauberern zu nehmen und ihnen Sicherheit in vertrauten und
beschützenden Bilderwelten zu geben. Sein Vermögen, Kinder
stark machen zu können, war sehr beeindruckend.
Als ein lebenslang der Sache und den Menschen Dienender hinterlässt er nicht nur als Referent, sondern besonders als Mensch
und Freund eine große Lücke in der Gemeinschaft der Puppenspieler. Wir sind dankbar, dass wir ihn kennenlernen und erleben
durften. Durch sein besonderes Wirken wird er immer in unseren Herzen sein und bleiben.
Lieber Bernhard, danke für alles!
Am 26. Januar 2014 ist Willibald Meyer verstorben.
Geboren 1928 in Berlin, verbrachte er die ersten Kindheitsjahre
in Neisse/Schlesien. Er machte eine Schreinerlehre und landete
nach Krieg und Vertreibung in Braunschweig, wo er in einer
Stahlgießerei Arbeit fand. In dieser Zeit reifte der Wunsch, Berufspuppenspieler zu werden. Aus einem spontanen Impuls heraus sprach der 25-Jährige den Konzernchef bei einer Betriebs­
begehung an und bat um seine Entlassung. Am darauffolgenden
Tag baute er seine ersten Handpuppen.
Er schaffte den Sprung in die Puppenspielklasse der Werkkunstschule Braunschweig unter der Leitung von Professor Harro Siegel. Diese Jahre prägten ihn nachhaltig für sein ganzes Berufs­
leben. Die Frage, warum er Puppenspieler wurde, beantwortete
er mit: »Als Puppenspieler kann ich gestalten in fast allen Bereichen: die Handlung, den Text, das Wort, die Puppen selbst,
ihre Umgebung, also den Bühnenraum sowie Klang und Farbe.
Nicht die heile Welt, sondern eine heilere Welt durch Einsatz für
das Gute und wirklich Schöne.«
1968 war er Gründungsmitglied des Verbandes Deutscher Puppentheater, dem Berufsverband der professionellen Puppen- und
Figurentheater in Deutschland, seit 2006 Ehrenmitglied. 1965
heiratete Willibald, und gemeinsam mit seiner Frau Margot zog
er vorerst ins Allgäu und ließ sich dann mit den beiden Söhnen
und der Stieftochter am Rand des Donaurieds in Eppisburg nieder. Dort bauten sie ihr Eigenheim mit Werkstatt, in welcher
Willibald Meyer bis ins hohe Alter an Puppen arbeitete und
Bühnen konstruierte. Dabei fertigte Margot Meyer sämtliche
Kostüme.
Im 50. Jahr nach seiner ersten öffentlichen Vorstellung spielte
Willibald Meyer zum letzten Mal in einem Kindergarten. Ein
kleines Jubiläumsfestival, mit den drei Berufspuppenbühnen, die
von ihm lernten, fand im Jahre 2006 im Landkreis Dillingen
statt. Zusammen mit Thomas Nastvogel brachte er 2009 im
Frankfurter Nold-Verlag die Kleine Lebensernte eines Puppen­
spielers heraus. Auf dieses Buch, mit den Abbildungen seiner geliebten Figuren, war Willibald Meyer sehr stolz. 2012 wurde der
Bayerische Rundfunk auf ihn aufmerksam. Für die Sendung
»Kasperl im 21. Jahrhundert« wurden Willibald und Margot
Meyer von der Journalistin Brigitte Kohn zu Hause interviewt.
Diese Sendung war bereits mehrmals auf Bayern 2 Radio zu
hören. Danach wurde es stiller um den Unermüdlichen.
Christine Kümmel, Jens Welsch
»Ich war ein unerwünschtes
Kind; aber ich kam auf die
Welt. Und damit begann auch
schon das Theater«. Mit diesen Worten beginnt Willibald
Meyer seine 2009 erschienene
Biografie in Kleine Lebensernte
eines Puppenspielers (NoldVer­lag, Frankfurt/M.).
Andreas Kilger
45
Nachruf
Mo Bunte
Am 12. Dezember 2013 starb nach
kurzer, schwerer Krankheit Mo Bunte. Mo kombinierte in ganz eigener
Weise Figuren- und Maskenspiel, sie
richtete sich recht kompromisslos
nach den Themen, die für sie gerade
relevant waren. Es entstanden Wel­
ten, in denen Ritual und Entblößung – nacktes, zerbrechliches Leben erfahrbar war. »Das verwaiste
Kind« beeindruckte mich zutiefst
und nach Mos letzter Inszenierung
»Der Fundevogel« (mit der sie auf internationalen Festivals ge­
feiert wurde) wollte ich sie unbedingt persönlich kennen lernen.
Wir trafen uns zum Kaffee. Ich sagte ihr, wie fasziniert ich von
ihrer Präsenz und ihrem Rhythmus auf der Bühne bin, von der
Stärke der Figuren und Masken als Seelenspiegel. Wie sehr ich
bewundert habe, dass sie vollkommen sicher zu sein schien, wie
lange eine Szene zu sein hat, auch wenn vielleicht das Publikum
schon mit den Füßen scharrt, weil es dem Tempo und der Intensität kaum Stand hält. Mo hat leicht verschmitzt gelächelt und
mich mit ihren strahlenden Augen angesehen: »Ich glaube, das
kommt mit dem Alter«, sagte sie sehr versöhnlich und mütterlich
nachsichtig. Diese Augen, die alles beobachtet und aufgenommen haben, unglaublich wach waren in dieser zugleich zäh und
doch sehr zerbrechlich wirkenden Frau, sehe ich jetzt noch vor
mir – und ich höre auch diesen Satz noch nachhallen ... Es war
der erste und letzte Kaffee, den ich mit ihr trinken durfte. Mo,
ich wollte noch so viel von Dir lernen ... jetzt kann ich nur hoffen, dass ich auch so alt und auf diese Art nachsichtig weise werde
wie Du. Vielen Dank, dass Du da warst.
Christiane Klatt
Georg Offik
Georg Offik (4.4.1935 – 11.12.2013) leitete
das Proseminar Puppenspiel im Fachbereich
Theaterwissenschaft an der FU Berlin. Er
setzte sich u. a. mit dem Drechseln verschiedenster Materialien für Figurenbau auseinander, gab 1972 bis 1981 die Hefte Technik des Figurentheaters heraus. Er inszenierte
Figurentheaterensemblestücke im Kleinen
Theater am Südwestkorso in Berlin und leite-
te zusammen mit seiner Frau Barbara Offik
das Theater Narrenspiegel in Berlin.
Angeregt durch sein Proseminar gingen einige StudentInnen den Weg in die Professionalität wie z. B. Kristiane Balsevicius und
Silke Technau/Kobalt Figurentheater oder
Rudolf Schmid und Bernd Niegemann/Fliegendes Theater, Berlin.
Silke Technau
»Technik des Figurentheaters« mit Georg Offik (links im Bild)
Figuren Literatur Theater
3. Figurentheater
Festival in Lübeck
3. – 26.10.2014
www.wolfsburger-figurentheater.de
46
www.figurentheater-luebeck.de
Preise
Die »Wunderkammer – Betrachtungen über das Staunen«, eine Ma­
rionetten-Inszenierung von Alice Therese Gottschalk, Raphael
Mürle und Frank Soehnle wurde in Bielsko-Biala, Polen beim 26.
Internationalen Figurentheaterfestival mit dem Spezialpreis der Jury
ausgezeichnet. Aus zehn Ländern, u. a. Italien, England, Israel, Russland und Spanien, waren die aktuell besten Produktionen eingeladen,
um ihre neuesten Arbeiten zu präsentieren. Im Rahmen einer PolenTournee gastierte das Trio neben Bielsko-Biała auch noch in den
polnischen Städten Cze˛stochowa und Mysłowice.
www.figurentheater-tuebingen.de
Der
Fonds
Darstellende
Künste vergab im Mai den
george tabori preis 2014. Aus
den sechs nominierten Ensembles wählte die Jury des Fonds
für den Hauptpreis, dotiert
mit 20.000 Euro, die 2002 gegründete Berliner Opernkompanie NOVOFLOT.
Den Förderpreis in Höhe von 10.000 Euro erhielt das Berliner Theater o. N. In seiner jetzigen Konstellation führt das Kinder- und Jugendtheater – einst hervorgegangen aus der freien DDR-Theatergruppe Zinnober – die Tradition der materialorientierten und körperbetonten Spielästhetik fort. Mit seinen experimentellen und zugleich
interdisziplinären Erkundungen der Welt von Kindern ab zwei Jahren
setzt das Ensemble in Deutschland und international künstlerische
Impulse und Maßstäbe für diese nicht nur für diese Theaterform.
Erstmalig vergab der Fonds einen »george tabori ehrenpreis«, der der
Compagnie Sasha Waltz & Guests für die außergewöhnlichen
künstlerischen Leistungen seit ihrer Gründung vor 20 Jahren überreicht wurde.
www.fonds-daku.de
Für den Visio-Wettbewerb um den Mediennachwuchs 2013 hat ein
Team des SWR im Oktober in der Figurentheaterwerkstatt von Raphael Mürle gedreht. Es entstand der Marionettenkurzfilm »Fisher­
man«, der im November 2013 den 2. Platz errang.
www.figurentheater-pforzheim.de
Christiane Klatt von der Berliner Bühne puppen.etc – Theater mit
Figuren erhielt für ihr Stück »Großer Wolf & kleiner Wolf: Das
Glück, das nicht vom Baum fallen wollte« den Kulturpreis der Stadt
Melle, die »Meller Else 2013«.
www.puppen-etc.de
Ausstellungen
»Alle Fäden in der Hand«
Sonderausstellung in der villa p., der Figurenspielsammlung am Puppentheater Magdeburg vom 28. März bis 28. Oktober 2014
Die Niederländerin Damiet van Dalsum hat aus ihren poetischen Inszenierungen und filigranen Puppen eine Ausstellung geschaffen, die
über magische Momente verfügt wie aus: »Zauberer der Smaragdenstadt«, »Lord Pech« oder »Der Himmel ist blau«.
www.puppentheater-magdeburg.de
»Theater Spielen! Hinterm Vorhang, drunter und drüber«
Ausstellung in Dresden in der Puppentheatersammlung im Museum
für sächsische Volkskunst, Jägerhof, vom 15. März 2014 bis 8. Februar 2015. Puppen- und Figurentheater umgibt ein ganz besonderer
Zauber. Auf der Bühne geschieht etwas, das eigentlich nicht sein kann.
Der Puppenspieler haucht toten Dingen Leben ein und erzählt mit
ihnen Geschichten. Theater ist stets Illusion, ein Abbild der Wirklichkeit und Phantasie. Diese Ausstellung wagt Blicke hinter die Kulissen,
stellt Spieltechniken vor und verrät auch manchen Trick.
www.skd.museum
»100 Jahre Salzburger Marionettentheater«
Sonderausstellung im PuK, Museum für PuppentheaterKultur, Bad
Kreuznach, vom 17. April 2014 bis 26. April 2015 mit 80 OriginalMarionetten aus vielen Mozartopern.
Genau 100 Jahre ist es her, dass der akademische Bildhauer Anton
Aicher im Jahre 1913 in Salzburg fein geschnitzte kleine Marionetten
um sich versammelt hat und mit Mozarts Oper »Bastien und Bastienne« unter Beweis stellte, wie lebensecht sich mit Marionetten Theater spielen lässt. Von Beginn an ist Familie Aicher daran gelegen, für
ihr Theater und ihre Kunst die erste Garde Salzburger Künstler und
Künstlerinnen zu gewinnen.
Mit der Inszenierung »Die Zauberflöte« und einem Amerika-Gastspiel
beginnt im Jahr 1952 die internationale Karriere der »Puppen Mozarts«.
Die Themen der Sonderausstellung sind:
1. Die Familie Aicher – Eine Theaterdynastie im Dienste Mozarts
2. In den Werkstätten des Salzburger Marionettentheaters
3. Mit Mozarts »Zauberflöte« um die Welt: Tourneen auf alle Kontinente von 1913 bis 2014
4. Ein Blick in den Puppenfundus – Die Marionettentechnik
5. Große Oper mit kleinen Darstellern: Szenen aus »Hoffmanns Erzählungen«, »Don Giovanni« und »Figaros Hochzeit«
6. Neue Wege: Musical und Wagners Welten
www.stadt-bad-kreuznach.de/puk
»Am seidenen Faden: Puppentheater – geliebt und verkannt«
Im 3. Rang des Meininger Theaters sind seit März 2014 liebevoll gestaltete Bilderrahmen mit bekannten und geliebten Stücken der Sparte
Puppentheater sowie eine feine Auswahl an Figuren zu sehen. Da das
Meininger Theater die spartenübergreifende Arbeit wertschätzt, ist
diese Ausstellung von Maria C. Zoppeck (Puppentheater-Direktorin)
und Helge Ullmann (Ausstattungsleiter) auch eine Zeitreise ihrer Zusammenarbeit.
Die Ausstellung ist ein Jahr lang für alle Gäste kostenlos begehbar.
www.das-meininger-theater.de
»Einmal Wüste und zurück – Steine, Sand und Sonnenbrand«
Eine Sonderausstellung für die ganze Familie im Augsburger Puppentheatermuseum »die Kiste« vom 26. Februar bis 5. Oktober 2014
Dieses Mal erzählen die Marionetten der Augsburger Puppenkiste von
ihren Reisen in den mehr als 6000 Kilometer entfernten Oman, einem
Staat im Osten der arabischen Halbinsel, und in die Golfstaaten Abu
Dhabi und Kuwait. Sie treffen auf nationale und internationale Puppentheater z. B. aus Mali und Großbritannien, deren Theaterstücke
das Thema Wüste zum Inhalt haben oder in der Wüste spielen. Außergewöhnliche Leihgaben werden von der Mineralogischen Staatssammlung München, vom Naturmuseum der Stadt Augsburg und
vom Internationalen Maskenmuseum Diedorf zur Verfügung gestellt.
Beeindruckendes Bildmaterial kann Dank der großzügigen Unterstützung von Herrn Bruno Baumann, einem österreichischen Reiseschriftsteller, Filmemacher, Trekking Spezialisten und außerordentlichem
Wüstenkenner, präsentiert werden.
www.diekiste.net
47
Jubiläen
30 Jahre Theater Fadenscheinwww.fadenschein.de
30 Jahre Theater Töfte
www.toefte.de
10 Jahre flunker produktionenwww.flunkerproduktionen.de
10 Jahre Ulrich Chmel's Papiertheater
www.papiertheater.at
5 Jahre Eppinger Figurentheaterwww.eppinger-figurentheater.de
Das Theater Koblenz hat ab der Spielzeit 2014/15 die neue Sparte
Puppentheater mit vier jungen Puppenspielern besetzt. Für die Spielzeit sind die Premieren »Pinocchio«, »Der Dieb, der nicht zu Schaden
kam« und »Der Junge mit dem Koffer« anvisiert.
www.theater-koblenz.de
Und Sonst
Rechtzeitig zum Weltpuppenspieltag 2014 wurde nach einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Lothaire Claudel, Raphaele Fleury und
dem Executive Committee die neue Welt-UNIMA Website online
geschaltet.www.unima.org
Das Studio Roser arbeitet wieder! Ingrid Höfer hat vom 17.–21. Juni
2014 den ersten Kurs mit dem Titel: »Der Zauber der Marionette:
Bau und Spiel. Die Rosersche Tüchermarionette und Rosers Papier­
skulptur« geleitet.
Infos über weitere geplante Kursangebote: Telefon 07151/6046072
oder 07151/9452506 oder per Mail [email protected]
»Suhl lässt die Puppen tanzen«
Unter diesem Motto fand am 18. Januar der 1. Tag des Figurentheaters in Suhl statt. Organisiert und durchgeführt wurde dieser Tag vom
Suhler Marionetten-Theater unter der Leitung von Christian Lusky.
Die Idee dazu hatte er schon lange und traf auch bei Suhls Oberbürgermeister Dr. Jens Triebel und der Geschäftsführerin des Congress
Centrum Suhl (CCS) Brigitte Schulze auf offene Ohren. Seit nunmehr sieben Jahren gibt es das Suhler Marionetten-Theater und seit 3
Jahren ist das Türmchen im Congress Centrum Suhl die feste Spielstätte mit 50 Plätzen.
Doch der 1. Tag des Figurentheaters fand im Saal Simson des CCS
statt. Als erstes Gasttheater konnte das Figurentheater con Cuore aus
Schlitz gewonnen werden. Mit der Kindervorstellung »Robbi, Tobbi
und das FlieWaTüüt« begeisterten sie die Kleinsten am Nachmittag,
und so mancher sagte am Schluss: »Oooh, schade, dass es schon zu
Ende ist.« Denn auch die großen Zuschauer wurden mit diesem Kinderbuchklassiker von Boy Lornsen an ihre Kindertage erinnert, nicht
zuletzt durch die Serie im NWDR-Kinderfernsehen.
Am Abend gingen dann »Die furchtlosen Vampirkiller« auf die Jagd
nach dem Blut saugenden Grafen Krolok. Die Adaption nach Polanskis Horror-Komödie »Tanz der Vampire« traf absolut den Nerv der
begeisterten Zuschauer und die dankten mit langem Applaus und
»Bravo«-Rufen. Exzellentes
Puppenspiel präsentiert von
Virginia und Stefan P.
Maatz, die vom Suhler Publikum sehr angetan waren:
»Wir sind sehr warmherzig
aufgenommen und verwöhnt worden. Für das tolle Catering und natürlich
die Einladung durch den
Chef des Theaters am nächsten Tag zu den berühmten Thüringer
Hütes (Klöße!) in die Gaststätte »Büch’s« sagen wir danke. Wir kommen bestimmt wieder, denn dieser Tag war auch für uns ein Erfolg in
Suhl und wird in sehr angenehmer Erinnerung bleiben.«
Ein Erfolg auch Dank der Unterstützung durch die Rhön-Rennsteig
Sparkasse, der Firma TTM Tapeten- und Teppichboden Markt, dem
Rhön-Rennsteig Verlag und der Stadt Suhl sowie der Pension Am
Markt Familie Fleischmann, die mit zum Gelingen dieses schönen
Tages beigetragen haben.
Für mich steht fest: Am 17. Januar 2015 lässt Suhl wieder die Puppen
zum 2. Tag des Figurentheaters tanzen. Dann mit dem Hohenloher
Figurentheater.
Christian Lusky
Eine UNIMA-Mitgliedschaft von weit her
Es ist nicht neu, dass in der UNIMA-Deutschland auch Mitglieder
sind, die Bürger anderer Staaten sind. Waltraude Stehwien, ka­
nadische Staatsbürgerin, trat im Herbst 2013 der UNIMA-Deutschland bei.
Damit schloss sich ein Kreis, hinter dem die spannende Biografie ihres
Vaters Oka Barthold steht. Der Maler, Grafiker und Bühnenbildner
Oskar Barthold (geb. 1904 in Halle) interessiert sich schon ab Mitte
der 20er-Jahre für Handpuppen- und Marionettenspiel. In den 30erJahren engagiert er sich auch kulturpolitisch. 1946 gründet er als
Ausstattungsleiter der Landesbühne Halle die Marionettenbühne Barthold, das erste ostdeutsche
Ensembletheater mit ca.
25 Mitarbeitern.
150.000 Besucher sehen. Seine differenzierten kulturpolitischen Forderungen nach einer umfassenden staatlichen Förderung des Puppenspiels in der DDR jedoch werden nicht gehört. Erst nach dem Gastspiel von Sergej Obraszow 1951 wird Puppenspiel in der DDR nach
und nach neu strukturiert. Enttäuscht und verbittert geht Oskar
Barthold nach Süddeutschland. In der DDR wird er konsequent totgeschwiegen. Er stirbt 1980.
Erst 2012 im Zuge der Eröffnung der Magdeburger Dauerausstellung
zur politischen Entwicklung des Puppentheaters wurde seine interessante Biografie wiederentdeckt. In diesem Zusammenhang meldete
sich auch seine Tochter Waltraude Stehwien aus Kanada, die viele
Jahre Puppenspiel an der Universität in Saskatoon lehrte. Sie war
überaus erfreut, dass die Rolle ihres Vaters in der deutschen Puppentheatergeschichte wieder neu beleuchtet wird. Sie trat der UNIMADeutschland bei, um nun mehr vom Puppentheatergeschehen in
Deutschland zu erfahren.
Waltraude Stehwien (rechts) mit Olaf Bernstengel
und .... im .... 2014 in Lübeck
48
Trotz guter Zuschauerzahlen und bester Kritiken
wird ihm die Leitung 1949
entzogen und das Theater
klar in den Konkurs getrieben. 1950 kuratiert er noch
die große Weihnachtssausstellung in Dresden, die
Zu Oka Barthold liegt der Redaktion ein umfangreicher Bericht vor.
Doch möchte sie die Forschungen noch weiter vorantreiben und
Bartholds Lebensleistung mit weiteren Puppenspielern des 20. Jahrhunderts vorstellen, die ebenfalls bedingt durch die politischen Verhältnisse komplizierte Biografien aufweisen.
Olaf Bernstengel / Silke Technau
bis Redaktionsschluss gemeldet
Januar
April
6. »Karni und Nickel«
www.fex-theater.de
2. »ZYRKL - im Kopf von Nr. 45«
Stuttgarter Studentenproduktion im
www.wilhelma-theater.de
4. »Jojo am Rande der Welt«
www.puppentheater-magdeburg.de
5. »Die Zauberlampe«
www.velvets-theater.de
31. »Piraten sind das Wildeste,
was es gibt«, www.tjg-dresden.de
31. »Robin Hut«
www.theater-knuth.de
Juni
1. »Wo ist mein Bär?«
www.theater-bautzen.de
7. »Michael Kohlhaas«
6. »Oma Adele und das Glück aus der Kiste« www.tpthueringen.de
www.wolfsburger-figurentheater.de
6. »Aus dem Lehm gegriffen«
13. »Der Sturm«
www.fex-theater.de
8. »Die Rückkehr der Tiere«
www.waidspeicher.de
Theater Couturier
7. »Wir werden alle unsere Mütter«
21. »Das tapfere Schneiderlein«
www.buehnen-halle.de
11. »Der Riese Tunichtgut«
www.theater-plauen-zwickau.com
www.marionettenoper.de
8. »Kriminell GRIMMig«
21. »A Midsummer Night's Dream«
www.theater-bautzen.de
11. »Menschen im Hotel«
www.georg-jenisch.com
8. »Das Leben geht weiter als man denkt« www.waidspeicher.de
28. »Mein Freund Wickie – Der
www.gingganz.de
11. »Biedermann und die Brandstifter« kleine Wikinger«
www.theater-bautzen.de
www.theater-plauen-zwickau.com
11. »Die Göttin nebenan«, Berg Werz 29. »A - E - I - O - U – raus bist du!«
in der www.schaubude-berlin.de
www.artisjoktheater.de
12. »Hänsel und Gretel«
???. »Rote PiRatte über Bord!«
[email protected]
www.toefte.de
14. »Der Untertan«
13. »Alberta geht die Liebe suchen«
Juli
www.puppentheater-magdeburg.de
www.tandera.de
Februar
15. »Schnüffler, Sex u. schöne Frauen« 19. »Mama, wo ist eigentlich das Gestern hin?«
www.theater-chemnitz.de
www.theater-plauen-zwickau.com
15. »Drei dicke Freunde«
www.waidspeicher.de
15. »Allerhand«
www.krokodiltheater.de
»Drei dicke Freunde« 15.2.
10. »Jumbo und Winz«
www.marotte-figurentheater.de
»Bounty – Meuterei in der Südsee« 20.2.
»Der Meteor« 28.3.
»Oma Adele und das Glück aus der Kiste« 6.4.
12. »Sommerhofspektakel: Oscar«
www.puppentheater-magdeburg.de
August
16. »Der Froschkönig«
www.theater-bautzen.de
1. »Mir scheint da mancherlei nicht
20. »Rico, Oskar u. die Tieferschatten« klar«, www.puppen-etc.de
www.theater-chemnitz.de
16. »Pollux, der kleine Stern«
9. »Vincelot und der Feuerdrache«
www.puppentheaterfirlefanz.de
www.theater-con-cuore.de
20. »Die kleine Hexe«
19. »Der dicke, fette Pfannekuchen« www.das-meininger-theater.de
24. »Emil Elch sucht einen Freund«
www.tanyas-figurentheater.de
26. »Das Geheimnis des roten Katers« www.kobalt-luebeck.de
20. »Bounty – Meuterei in der Südsee« www.marmelock.de
September
www.puppentheater-gugelhupf.de
29. »Georg & George«
6. »Der kleine Prinz«
22. »Ich will fliegen!«, Theater Cou- www.buehnen-halle.de
turier in der www.schaubude-berlin.de 30. »Pirat Eberhard auf Kaperfahrt« www.figurentheaterkuenster.de
19. »Herr Minkepatt und seine
27. »Kleiner Prinz«, Ateliertheater Er- www.kobalt-luebeck.de
Freunde«, www.rosenfisch.de
furt, www.puppe-thueringen.de
Mai
28. »Räuber«
Oktober
3. »1000 und eine Puppe«
www.buehnen-halle.de
www.buehnen-halle.de
6. »Der Gleichmacher«
März
10. »Die Geschichte vom friedlichen www.moussong.de
Stier«, Alexandra Kaufmann
1. »Nebensache«
12. »Mit einem Knall aus dem All«
www.tpthueringen.de
www.figurentheater-wolkenschieber.de
17. »Ivan Olsen, der Gummiheld«
www.puppentheater-magdeburg.de
8. »Lütt Matten und die weiße Mu17. »Zwerg Nase«
schel«, www.theatergeist.de
www.theater-der-nacht.de
17. »Doing it«
www.tjg-dresden.de
8. »Idas Geheimnis«
25. »Paulchen Bär findet das Glück«
www.tjg-dresden.de
www.koefferchentheater.de
18. »Der Räuber Hotzenplotz«
16. »Die Geschichte vom kleinen On- www.handmaids-berlin.de
November
kel«, www.artisjoktheater.de
29. »Pelles neue Kleider«
www.kuckucksheim.de
9. »Die drei Schweinchen«
21. »Prinz Hamlet«
www.puppentheater-schoppan.de
www.theaterdeslachens.de
23. »Rotkäppchen«
www.figurentheater-martinshof11.de
24. »Michel feiert Weihnachten«
www.pantaleon-figurentheater.de
28. »Der Meteor«
www.die-spieldose.de
29. »Schneewittchen«
www.theater-september.de
»Alberta geht die Liebe suchen« 13.4.
»Das Geheimnis des roten Katers« 26.4.
»Pirat Eberhard auf Kaperfahrt« 30.4.
»A Midsummer Night's Dream« 21.6.
49
bis Redaktionsschluss gemeldet
April
29.
3. DOMINO Sommerbrise
5. – 12.
Familientheaterfest 2014
26. Gernsbacher Puppentheaterwoche www.domino-theater.de
www.gernsbach.de
Oktober
24.4. – 4.5.
Festwoche 60 Jahre Puppentheater
Halle, www.doppelgänger.de
3. – 26.
Figuren / Literatur / Theater
3. Figurentheater Festival in Lübeck
www.figurentheater-luebeck.de
Mai
1. – 4.
Blickfang – 2. Int. Figurentheater­
festival – Kloster Haydau
www.klosterhaydau.de
5. – 12.
Imaginate Festival – Edinburgh,
Schottland, www.imaginate.org.uk
Juli
2. – 6.
Synergura 2014 – 10. Int. Puppen­
theaterfestival Erfurt
www.waidspeicher.de
4. – 11.
6. – 11.
21. Incanti Festival - Italien
Int. Märchenhafte Festwoche Stuttgart www.festivalincanti.it
www.theater-in-der-badewanne.de
4. – 15.
22. Steinauer Puppenspieltage
August
www.steinau.eu
1. – 3.
1. Wolgaster Papiertheatertage
14. – 18.
28. Festival Internacional Titirimundi www.insideusedom.de
Segovia, www.titirimundi.com
1. – 9.
La Strada – Int. Festival für Straßen15. – 25.
kunst und Figurentheater Graz
Fidena 2014, www.fidena.de
www.lastrada.at
22. – 25.
15. – 17.
26. Int. Festival of Puppetry Art KulturblütenFestival Wahlsdorf
Bielsko-Biala, Polen
www.flunkerproduktionen.de
www.banialuka.pl
22. – 31.
Homunculus 23 – Hohenems
www.homunculus.info
23. – 25.
29. Hohnsteiner Puppenspielfest
www.hohnsteiner-puppenspielfest.de
September
6.
Prignitzer Märchentag
www.wahrberge.de
12. – 14.
27. Preetzer Papiertheatertreffen
29.5. – 1.6.
die wo spielen – Studentisches Festival www.preetzer-papiertheatertreffen.de
des Studiengangs FT an der MH12. – 16.
Stuttgart, www.die-wo-spielen.de
LUTKE 2014 – 12. Int. Puppet
Theatre Festival - Ljubljana, Slovenia
Juni
www.lgl.si
13. – 19.
12. – 17.
hellwach – 6. Int. Theaterfestival
Puppenspieltage »figura magica«
für junges Publikum
www.detmolder-sommertheater.de
www.helios-theater.de
13. – 21.
Goslarer Tage der Kleinkunst
www.tagederkleinkunst.de
18. – 22.
PannOpticum – Neusiedl am See
www.figurentheater.at
19. – 22.
3. Figuren-Theater-Tage – Dörenthe
www.kulturspeicher.net
20. – 26.
10. Int. Figurentheaterfestival Blickwechsel Magdeburg
www.blickwechselfestival.de
12. – 21.
Gaukler, Gnome und Giganten
4. Int. Figurentheater-Festival in
Wolfsburg
www.wolfsburger-figurentheater.de
12. – 21.
16. Int. Puppentheaterfestival
im Elbe-Elster-Land
www.puppentheaterfestival-ee.de
12. – 21.
Pole Poppenspäler
31. Int. Figurentheater Festival – Husum, www.pole-poppenspaeler.de
17. – 21.
Int. Poppenspelfestival Meppel
22.
27. Kasperiade am Kulturbahnhof Ra- www.poppenspelfestival.nl
debeul, www.radebeul.de
20. + 21.
Fantakel 2014 – Greifswald
24. – 29.
www.greifswald.de
11. Figura Theaterfestival – Baden
www.figura-festival.ch
21. – 27.
21. Int. Festival of Children's Theatres
25. – 29.
Subotica, Serbien
Spurensuche – Hamburg
www.lutfestsubotica.net
www.spurensuche-theatertreffen.de
50
3. – 5.
4. Pendel Marionettenfestival
www.pendel-marionetten.de
11. + 12.
3. Dietramszeller Larifari
www.larizell.de
21. – 26.
36. Internationalen PuppenTheaterTage Mistelbach
www.puppentheatertage.at
23.10. – 9.11.
Int. FigurenTheaterTage Brühl
www.bruehl.de
23.10. und 2.11. – 15.11.
Dachauer TheaterTage
www.theatertage-dachau.de
28.10. – 1.11.
UNIDRAM 2014
21. Int. Theaterfestival Potsdam
www.unidram.de
30.10. – 2.11.
16. Figurentheatertage Dülmen
www.profi-ev.de/figurentheatertage
November
15. – 21.
24. Brandenburger Figurentheatertage
1. – 2.
www.brandenburgertheater.de
Meller Puppenspielfestival
www.melle.info
17. – 19.
Osterzgebirgisches Puppentheaterfest 1. – 30.
Bärenfels
marionettissimo (6)
www.puppentheaterfest.de
www.bad-kreuznach-tourist.de
17. – 26.
3. Int. Marionetten-Festival Lüchow- 7. – 9.
21. herbst-speci-spectacel
Dannenberg
www.de-strippkes-trekker.de
www.marionettenfestival.de
F IGURENTHEATER -K OLLEG
PROGRAMM SOMMER 2014 Kurse ab Juni
Hohe Eiche 27, 44892 Bochum, Tel: 0049 (0)234 - 28 40 80, Fax: 0049 (0)234- 32 43 745
E-Mail: [email protected] www.figurentheater-kolleg.de
Das Figurentheater-Kolleg ist eine Weiterbildungseinrichtung. Es greift in seinen Kursen, die in Wochen-, Wochenend- oder Projektform stattfinden, Themen aus den Bereichen Darstellender und Bildender Kunst sowie aus Pädagogik und Therapie auf. Das Figurentheater-Kolleg bietet Kurse
im Rahmen der beruflichen Bildung an.
Das ausführliche Programm Sommer 2014 wird gerne zugesandt. Das Programm Winter 2014/2015 erscheint im Juli.
FORTBILDUNG FIGURENTHEATER
ORIENTIERUNGSKURS - 14-wöchig
Der Orientierungskurs findet einmal pro Jahr von April bis Juli statt.
Der Besuch ist Voraussetzung, um anschließend Fortgeschrittenenkurse und
Projekte der Aufbaustufe besuchen zu können.
Der Orientierungskurs 2015 findet vom 13.04. - 17.07.2015 statt.
13.04.-17.04.15
20.04.-24.04.15
27.04.-01.05.15
27.04.-01.05.15
04.05.-08.05.15
11.05.-15.05.15
18.05.-22.05.15
27.05.-29.05.15
01.06.-05.06.15
08.06.-12.06.15
15.06.-17.07.15
Aller Anfang ist leicht! Spielen - Darstellen - Gestalten
Die Kunst des Schauspielens
Die Stimme
Skizzieren, Zeichnen, Malen
Plastizieren: Kopf und Portrait
Maskenbau
Maskenspiel
Figurentheater Geschichte & aktuelle Tendenzen
Handfigurenführung
Einführung in die Dramaturgie
Inszenierungsprojekt - Bauen & Spielen
FORTBILDUNG FIGURENTHEATER
AUFBAUSTUFE WOCHENKURSE
In der Aufbaustufe werden die im Orientierungskurs erworbenen
Kenntnisse und Fertigkeiten vertieft und erweitert. Nach 50 besuchten
Kursen kann eine Abschlussprüfung mit Zertifikat abgelegt werden.
Ein Quereinstieg ist möglich.
02.06.-06.06.14
10.06.-14.06.14
17.06.-20.06.14
30.06.-04.07.14
03.07.-06.07.14
07.07.-11.07.14
12.07.-17.07.14
28.07.-01.08.14
10.08.-13.08.14
14.08.-17.08.14
09.02.-21.02.15
Schritte in die Selbstständigkeit
Existenzgründungen-Bewerbungen-Projekte Johanna Pätzold
Atmosphäre Die wichtigste Meta-Sprache
Horst-J. Lonius
des Theater - theoretisch & praktisch
Als der Hammer einmal die Torte besuchte
Figur & Objekt - Ein Grenzgang
Stefan Mensing
The power of the puppet Die Puppe als Schauspieler
Fortgeschrittene
Neville Tranter
Die Klappmaulfigur Anfänger/innen
Bodo Schulte
Bau nach Schnittmustern
Figuren im Dialog Fortgeschrittene
Hendrikje Winter
Figurenbau aus Schaumstoff & anderen
Bodo Schulte
Materialien - Fortgschrittene
Figurenbau aus Latex
Annekatrin Heyne
Hände und Köpfe
Das Spiel mit der Klappmaulfigur
Bodo Schulte
Grundkurs
Das Spiel mit der Klappmaulfigur
Bodo Schulte
Fortgeschrittene
Wenn jemand eine Reise tut...
Anne Swoboda
Reisegeschichten im Koffer
Annekatrin Heyne
Inszenierungsprojekt I/II
Dorothea Theurer
FREIE KURSE WOCHENKURSE
Die Freien Kurse sind - falls nicht anders vermerkt - ohne Voraussetzungen
zugänglich.
Solo-Clown & Rampensau Fortgeschrittene
Thilo Matschke
Stimme genießen Stimm- & Sprechtraining
Dorothea Theurer
Improvisationstheater Fortgeschrittene
Bernd Witte
Kabarett & Comedy IV Den eigenen Komikstil finden
Renate Coch
Radierwerkstatt
Ortrud Kabus
Nähen & Schneidern Anfänger & Fortgeschrittene
Imke Henze
Nähen & Schneidern Schnitttechniken - Fortgeschrittene Imke Henze
Sommerferienkurs in Varel / Nordsee
Ortrud Kabus
Zeichnen & Malen in der Landschaft
11.08.-15.08.14 Instrumentenbau Rhythmus und Klang
Werkstatt für ungewöhnliche Musikinstrumente
Christoph Studer
03.11.-07.11.14 Theaterarbeit nach Lecoq Grundlagen
Auf dem Weg zum physischen Theater
Andrea Kilian
02.06.-08.06.14
23.06.-26.06.14
07.07.-10.07.14
17.07.-20.07.14
21.07.-25.07.14
21.07.-25.07.14
28.07.-01.08.14
09.08.-16.08.14
FREIE KURSE WOCHENENDKURSE / TAGESVERANSTALTUNGEN
13.06.-15.06.14 Klinikclownerie
für Fortgeschrittene mit Clownserfahrung
Bernd Witte
15.06.2014
Märchen - Ruhe - Inspiration
Veronika Uhlich
20.06.-22.06.14 Für ein Theater der Zukunft - Chaos & Form
Körper-, Energie-, Kreativarbeit n. M.Tschechow
Jürgen Larys
21.06.-22.06.14 Geschichten-Bausatz
Figurenentwicklung und Storydesign
Turid Müller
21.06.-22.06.14 Akt & Figur Zeichnen & Malen
Ortrud Kabus
22.06.2014
Von Sehnsucht und Fülle I Kreistänze
Conny Foell
28.06.-29.06.14 Stimme - Rhythmus - Obertöne
Lothar Berger
28.06.-29.06.14 Stimme und Präsenz
Sich ins rechte Licht setzen
Rolf Peter Kleinen
26.07.-27.07.14 Clownscoaching Fortgeschrittene
Thilo Matschke
10.08.2014
Von Sehnsucht und Fülle II Kreistänze
Conny Foell
12.09.-14.09.14 Figurentheater in Pädagogik und Therapie
Von der Geschichte zum Spiel
Margrit Gysin
26.09.-28.09.14 Improvisation und Tanz nach Anna Halprin
Anne-Kathrin Klatt
Fortbildung Der Clown - Das clowneske Spiel
Dozent Thilo Matschke
28.07.-01.08.2014 Der Clown I - Anfängerstufe
auch unabhängig von “Der Clown II/III” zu belegen
29.09.-03.10.2014 Der Clown II - Aufbaustufe
17.11.-23.11.2014 Der Clown III - Abschlussseminar
Der Clown II und III sind nur zusammen zu belegen. Werkschau
22.11.2014
Teilnahmevoraussetzung für“DerClown II/III” ist derBesuch von “DerClown I”.
Fortbildung Märchenerzählen
Tag der offenen Tür
Sonntag 26.10.2014
15.00 - 18.00 Uhr
Dozent Rolf Peter Kleinen
Einführungsseminar (nicht verpflichtend) 15.11.2014
Sa 15-18 Uhr, Kursgebühr € 17,Kurstermine 2015 17./18.01.; 21./22.02.; 21./22.03.; 25./26.04.; 13./14.06.;
22./23.08.; 26./27.09.; 07./08.11. Abschluss 28.11., 10-17 Uhr & Erzählabend
»The White Woman«, www.magalichouinard.com, Straßenperformance aus Kanada während des UNIMA-Rätetreffens in Varadero / Kuba, Foto: Karen Høie, Norway