2013 Jahresbericht Schloss Thun 2013 © Stiftung Schlossmuseum Thun 2014 Titelbild: Schlosstor, um 1960. Lavierte Tuschzeichnung von Jules Unternährer (1894–1986). Inv. Nr. 10374–05 Inhaltsverzeichnis Jahresbericht der Museumsleitung 4 Bildung und Vermittlung 10 Jahresbericht der Stiftung Schloss Thun 13 Das Schlossareal im Umbruch – bauliche Arbeiten für das Museumsschloss 2013 / 2014 16 Zur Erneuerung der Dauerausstellungen im Schloss Thun 19 Jahresrechnung der Stiftung 21 Die Sammlung des Schlossmuseums 23 Eine grosszügige Schenkung: Die Majolika-Sammlung von Alfred Amstutz 28 Jahresbericht des Fördervereins 31 Ausflug des Fördervereins nach Rapperswil-Jona 34 Jahresrechnung des Fördervereins 35 Gerichtsort Steffisburg 37 Erfolgreiche Kriminalistik in Thun… einst 51 Auf den Spuren von Arnold Itten in Thun 53 Pyrorama übernimmt die Schlossbergspritze 65 Flugzeuge «made in Thun» 68 Jahresbericht der Museumsleitung Lilian Raselli-Nydegger Schon wieder ist ein Jahr vergangen. In dieser Zeit hat sich im Museum vieles verändert. Wir stehen mitten in der Umsetzungsphase. Diese wird uns alle noch eine geraume Zeit beschäftigen und fordern. Permanent bleiben die Bedenken wegen der engen finanziellen Situation. Dies hält uns aber nicht davon ab, vorwärts zu schauen und weiter zu gehen. FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN VON DRITTEN Eine erste Hürde für die Realisierung des Umbauprojekts war im Mai mit der Zustimmung des Thuner Stadtrats für den Umbaukredit von Fr. 650‘000 genommen worden. Im Juni stimmte der Förderverein des Schlossmu seums Thun dann einstimmig für einen Beitrag von Fr. 145‘000 als Unterstützung für die Realisierung der neuen Dauerausstellung. Der Verband Thuner Amtsanzeiger zeigte sich sehr grosszügig mit einem Beitrag von Fr. 40‘000. Im Dezember zog die Burgergemeinde Thun mit einem Beitrag von Fr. 46‘000 für das Stadtmodell in der neuen Dauerausstellung nach. Die Regionale Kulturkonferenz (RKK) hat schliesslich an die neue Besucherführung einen Beitrag von Fr. 7’000.– geleistet. All diesen Institutionen möchte ich ganz herzlich für ihre grosse Unterstützung danken. STUDIENAUFTRAGSVERFAHREN FÜR DIE NEUE AUSSTELLUNGSSZENOGRAFIE Der Studienauftrag für die szenografische Umsetzung der neuen Dauer ausstellung wurde von H. Kasimir Lohner geleitet. Mich hat sein zielgerichtetes und sachliches Vorgehen beeindruckt. Dass wir am Schluss einen für alle eindeutigen und klaren Entscheid fällen konnten, ist auch ein Resultat seiner Leitung. Ich möchte ihm an dieser Stelle meinen Dank ausdrücken. Er berichtet nachfolgend in diesem Jahresbericht genauer über das Vorgehen und das für die Szenografie ausgewählte Büro Atelier Oï aus La Neuveville. Mit den Projektverantwortlichen des Ateliers Oï hat gegen Ende des Jahres ein immer stärkerer, anregender Ideenaustausch über die Inhalte der Ausstellung, insbesondere der ersten Etappe, stattgefunden. Bei der Festlegung der Ausstellungsinhalte bin ich zeitlich gefordert, verfügt das Museum doch über keine finanziellen Mittel für die Bezahlung einer wissenschaftlichen Assistenz. 4 UMBAU IM DONJON UND im NEUEN SCHLOSS Bevor der erste Teil der neuen Ausstellung eingerichtet werden kann, mussten wir das unterste Stockwerk – den «Keller» – räumen. Zu den Umbaumassnahmen gehören auch Instandhaltungsarbeiten an Boden und Wänden und der Einbau einer neuen Lüftung. So zerlegten wir im Herbst die nostalgische Töpfereiausstellung mit Brennofen und Töpferwerkstatt, die 1958 zum ersten Mal gezeigt worden war. Im ersten Quartal 2014 werden in diesem Bereich die notwendigen Bauarbeiten durchgeführt. Dabei wird auch die neue Besucherführung installiert samt Inszenierung der Treppe (ehemaligen Notausgang), die durch die vier Meter dicken Grundmauern des Donjons führt. Beat Gassner leitet als ausführender Architekt das Projekt mit grosser Umsicht. Er berichtet weiter hinten in diesem Jahresbericht über die Bauarbeiten im Donjon, aber auch über die Bauarbeiten in den zukünftigen Museumsräumen des Neuen Schlosses. ZUM THEMENWEG «BAUEN IM MITTELALTER» Durch weitere finanzielle Beiträge unseres zukünftigen Nachbarbetriebs, der Firma Schlossberg Thun AG, und des Fördervereins Schlossmuseum Thun sind in Zusammenhang mit dem Bau zwei Projekte realisiert worden. Das erste Projekt war die Realisierung eines bedruckten Gerüstnetzes mit der Darstellung einer mittelalterlichen Baustelle entlang der hofseitigen Gefängnismauer. Dieses sollte den Eingangsbereich des Schlossmuseums aufwerten und den Weg zum Museumsbereich und zur Kasse kenntlich machen. Der Hersteller des Netzes, die Loyal Trade GmbH, kam uns mit einem Sachsponsoring entgegen, welches die Bedruckung des gesamten grossflächigen Netzes möglich machte. Die Darstellung auf dem Netz war vom bekannten Illustratoren und Künstler Jörg Müller nicht nur zur Verfügung gestellt, sondern von ihm auch gleich entsprechend grafisch aufbereitet worden. Die Darstellung wurde von den Besuchern durchwegs positiv aufgenommen, oft fotografiert und bei den Kassenfrauen lobend erwähnt. Der Loyal Trade GmbH und Jörg Müller gebührt auch für ihren schnellen und unkonventionellen Einsatz mein besonderer Dank. Die finanziellen Beiträge machten auch die Realisierung eines kleinen Themenwegs beim Aufstieg zum rückwärtigen Eingang zum Schloss möglich. Dieser wurde zur Sicherheit der Gäste zum Haupteingang umfunktioniert. Auf fünf Tafeln erstellte die Illustratorin Claudine Etter wunderbare Zeichnungen zum Bauen im Mittelalter. Die historischen Recherchen und 5 Texte für die Inhalte waren mein Part. Die Tafeln wurden neben einem Zeitungsartikel in mehreren Leserbriefen explizit besprochen und sehr lobend erwähnt. In der Hochsaison traf ich beim Gang von meinem Büro in der Oberen Hauptgasse hinauf zum Schloss oft viele Leute vor den einzelnen Tafeln lesend vor. Der Aufwand hat sich gelohnt und die positive Aufnahme freut mich sehr. Ich danke Claudine Etter ganz herzlich für ihren grossen Einsatz und Arbeit. Ich möchte an dieser Stelle der Firma Schlossberg Thun AG und dem Förderverein des Schlossmuseums ganz herzlich für ihre Unterstützung danken, ohne welche die Umsetzung der beiden Projekte nicht hätte realisiert werden können. ANLÄSSE Im Herbst fand wiederum die Thuner Kulturnacht statt. Dieses Jahr begann sie schon am Nachmittag mit einem rege besuchten Kinderprogramm. Am Abend wurden die Besuchenden mit einem bunten Programmmix verwöhnt. Mit von der Partie waren Stefan Heimoz, Recha-Maria mit Band und Julian Sartorius. Sie bekamen regen Applaus von den circa 700 Besucher innen und Besuchern. Von den Bauarbeiten nicht abhalten liessen sich die Organisatorinnen und Organisatoren der verschiedenen grösseren Musikanlässe, welche wiederum wunderbare Konzerte in den Rittersaal brachten. Dazu gehören die Schlosskonzerte Thun, das Gaia-Kammermusikfestival und die Bachwochen. BETRIEB Die laufenden Umbauarbeiten in der Umgebung des Donjons hatten einen grossen Einfluss auf unsere Betriebssituation. Von Seiten des Teams war dabei grosse Flexibilität gefragt. Oberstes Ziel war stets, Gäste und Schulklassen sicher durch die Baustelle zu führen. Unser Schlosswart Florian Arm hatte die Situation stets voll im Griff, so dass Besucherinnen und Besucher immer den Weg zum Schloss fanden. Durch seinen grossen Einsatz und sein vorausschauendes Denken sind uns bisher in Zusammenhang mit der Baustelle viele Probleme erspart geblieben! Die Kassenfrauen Lotti Bugmann, Erika Eschle, Anna Lore Hebler und Therese Zurbrügg harrten trotz Lärm und Staub das ganze Jahr tapfer im Kassenhäuschen aus. Sie freuen sich, zukünftig in einem adäquaten 6 Umfeld arbeiten zu dürfen. Im Juli waren sie zusätzlich durch den Umstand gefordert, dass wir in diesem Sommer Zielpunkt eines Postenlaufs waren, welche die Espace Media Gruppe in ihren Zeitungen Thuner und Oberländer Tagblatt, Berner Zeitung u.a. lanciert und kommuniziert hatte. Dies brachte trotz der Baustelle aber erfreulich viele Familien aufs Areal, welche den Weg zum Schloss sonst nicht gemacht hätten. Bei uns durften die erfolgreichen Absolventen der Schnitzeljagd kleine Geschenklein aus einer Schatztruhe entnehmen, welche von den Kassendamen immer zuverlässig aufgefüllt wurde. Zudem agierten wir als Anlaufstelle bei Problemen oder Fragen. Seit letztem Jahr bin ich in meiner Funktion als Museumsleiterin Mitglied in der Projektleitungsgruppe für die Feier zu den 750 Jahren Thuner Stadtrechten. Das Dokument der Thuner Handfeste von 1264, auf welche sich die Feiern beziehen, wurde von Frau Dr. Anne Marie Dubler im Jahresbericht von 2012 bereits eingehend diskutiert. Im Rahmen der Feierlichkeiten zu dieser Stadtfeier wird das Schloss einen zentralen Platz einnehmen, wie unten aus dem Programm 2014 ersichtlich wird. Die Sonderausstellung und das grosse Mittelalterfest, welche unserem Museum hoffentlich zahlreiche Besucher bringen werden, werden unter meiner Leitung ge plant und durchgeführt. Besucherzahlen 2013 Monat Erwach- sene1 Kinder2 Gratis3 Gruppen4 Anlässe5 Anzahl Personen Anzahl Personen Bildung & Vermittl. Total 362 Januar 251 41 7 1 63 0 0 0 Februar 438 97 54 3 46 0 0 0 635 März 1104 393 164 3 50 1 951 184 2846 April 1882 537 278 3 56 0 0 46 2799 Mai 2475 640 360 7 107 3 280 196 4058 Juni 2627 821 400 12 131 6 1001 365 5345 Juli 3463 941 392 3 40 1 849 87 5772 August 3954 1022 309 12 148 5 480 93 6006 September 2631 335 316 14 235 3 257 42 3816 Oktober 2200 454 496 10 203 3 919 16 4288 November 211 74 54 3 58 1 880 103 1380 Dezember 520 181 44 2 39 0 0 83 867 21756 5536 2874 73 1176 23 5617 1215 38174 Total 1 3 4 5 2 Eintritte normal, ermässigt, Familien (2 Erw.), Museumspass, Reka, Swiss Travel, Raiffeisen, Pfadi Eintritte normal, Familien (2 K.), Pfadi Gratis Erwachsene, Kinder, Kinder Museumspass, Kinder Raiffeisen Gruppen TTO, Führungen Schloss Schlosskonzerte, Welcome Rekruten, Kulturnacht, div. Konzerte, div. Anlässe 7 Der Einsatz des Teams hat sich in Bezug auf die Besucherzahlen gelohnt. Obwohl wir entscheidend weniger öffentliche Anlässe durchführen konnten, fanden trotz Baustelle doch über 38‘000 Gästen den Weg ins Schloss. DANK AN DAS TEAM Aufgrund der dichten Aufgabenmenge nehme ich derzeit meine eigentlichen Pflichten als Leiterin oft nicht in dem Masse wahr, wie ich es mir wünschte. So bin ich bin sehr froh, so gut auf das Museumsteam zählen zu können. Ohne sie wäre der Betrieb unter diesen Umständen nicht reibungslos möglich gewesen. Dazu zählt neben den Kassenfrauen, dem Schlosswart auch Heidi Frenzer, die mir zunehmend administrative Auf gaben abnimmt und mich sehr entlastet. Der Dank gebührt an erster Stelle unserem ganzen Team. Sein grosser Einsatz hat es möglich gemacht, dass die Besucher trotz aller Umtriebe meist zufrieden weiterzogen. Herzlichen Dank für Eure Geduld, Ausdauer und grossen Einsatz! Im Team ergeben sich im Jahr 2014 einige Änderungen. Im April geht Therese Zurbrügg in den verdienten Ruhestand. Ich danke ihr schon jetzt für ihren unermüdlichen Einsatz und die schöne Zusammenarbeit in all diesen Jahren. Ende Februar 2014 beendet Monika Loosli ihre Arbeit für unser Museum. Sie hat nun viele Jahre unzählige Schulklassen mit grossem Einsatz und Können durchs Schloss geführt. Die Umsetzung des immer noch weiter geführten Rittertrails für Kinder lag grösstenteils in ihrer Verantwortung. Auch bei anderen Aktivitäten konnte ich immer auf die Kreativität und Einsatzbereitschaft von Monika Loosli zählen. So lassen wir Monika zwar nur ungern ziehen, aber wünschen ihr dennoch alles Gute für ihren weiteren Weg! Wir danken ihr ganz herzlich für ihren grossartigen Einsatz, ihre Energie und ihren Humor! …UND ZULETZT möchte ich es nicht versäumen, noch einmal einen grossen Dank auszusprechen. Dank gilt all den Sponsoren und Geldgebern, ohne die all die oben beschriebenen Unternehmungen und Aktivitäten nicht möglich gewesen wären. Der Stadt Thun und hier besonders der Leiterin der Kulturabteilung Marianne Flubacher für ihren grossen Einsatz für das Schlossmuseum. Der Stiftung Schlossmuseum Thun für ihre strategische Unterstützung. 8 Ebenso möchte ich an dieser Stelle all den Thunerinnen und Thunern danken, mit denen ich bisher aufgrund der medialen Berichterstattung über das Projekt oder durch meine Kolumnen anregende Gespräche über Schloss und Museum führen konnte. Diese Unterstützung und Anteilnahme baut auf und lässt uns in der gleichzeitig angespannten, wie spannenden Situation dennoch positiv in die Zukunft blicken. MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER Museumsleitung Lilian Raselli seit 2006 Administration Heidi Frenzer seit 2009 Schlosswart Florian Arm seit Juli 2012 Bildung & Vermittlung Barbara Cadisch Monika Loosli seit 2000 Kasse Erika Eschle Lotti Bugmann Therese Zurbrügg Anne-Lore Hebler seit 1995 Reinigung Zeljko Knezevic seit 2012 seit 2002 bis Ende Februar 2014 seit 2001 seit 2002 bis Ende März 2014 seit 2005 PROGRAMM IM SCHLOSS 2014 25. April 2014 – Grosse Vernissage im Schloss: Eröffnung der neuen Museumsräumlichkeiten im Neuen Schloss. Eröffnung der Dauerausstellung «Burg, Stadt und Land – 900 Jahre Stadtentwicklung». – Sonderausstellung «Anno 1264 – Leben zur Zeit der Gräfin Elisabeth von Kyburg» im Rahmen der Feier zu 750 Jahre Thuner Stadtrechte (26. April – 31. Oktober 2014). – Beleuchtung des Schlosses und der Stadt «Rendez-vous Thun» im Rahmen der Feierlichkeiten zu 750 Jahre Thuner Stadtrechte (25. April – 1. Juni 2014). 21. und 22. Juni 2014 – Mittelalterfest Thun 2014. Schloss und Stadt bieten Handfestes und werden zur Bühne! 9 Bildung und Vermittlung Barbara Cadisch Klassen Schülerinnen Schüler Betreuer/ innen Ferienpass, Kinderclub Total 0 Januar 0 0 0 0 Februar 0 0 0 0 0 März 8 147 17 20 184 April 2 41 5 0 46 Mai 6 175 21 0 196 Juni 17 325 40 0 365 Juli 1 20 3 64 87 August 4 83 10 0 93 September 2 39 3 0 42 Oktober 1 13 3 0 16 November 4 75 6 22 103 Dezember Total 4 75 8 0 83 49 993 116 84 1215 Das Jahr 2013 war für uns ein besonderes Jahr. Denn vom April an begannen rund um unseren Donjon intensive Abbruch- und Bauarbeiten. So mussten wir einerseits schauen, dass wir uns einen Weg durch die Schuttmulden und Werkzeuge im Schlosshof bahnen und den Lärm der Baumaschinen übertönen konnten; andererseits bot die Baustelle aber die Gelegenheit, das Thema «Bauen im Mittelalter» neu in unsere Führungen aufzunehmen und direkt mit heute zu vergleichen. Die Schüler und Schülerinnen mussten zum Beispiel auf der Baustelle Bauhelme anziehen und konnten an einem dafür aufgestellten Nachbau eines mittelalterlichen Krans ausprobieren, wie viel Muskelkraft es braucht, um Steine mit Hilfe einer Seilwinde hochzuziehen. In diesem Jahr machten weniger Schulklassen von unseren Angeboten Gebrauch. Die grosse Baustelle hielt wahrscheinlich einige Lehrerinnen und Lehrer davon ab, unser Schloss zu besuchen. Ein anderer Grund könnte sein, dass das Schloss Spiez den Bereich «Bildung und Vermittlung» ausbaute und so mehr Schulklassen Spiez besuchten. 10 Von Januar bis Dezember führten wir 49 Schulklassen mit 993 Schulkindern und 116 Begleitpersonen durchs Schloss. Erfreulich war, viele bekannte Gesichter wieder begrüssen zu können. Dies zeigt uns, dass für viele Lehrpersonen der Schlossbesuch zu einem festen Bestandteil ihrer Schulplanung geworden ist. FERIENPASS Im Juli veranstalteten wir einen Anlass im Rahmen des Thuner Ferienpass-Programms. Unter dem Motto «Eine abenteuerliche Reise durch das Schloss Thun» waren die Kinder in der Rolle von Mittelalterspionen unterwegs, entdeckten die hintersten Ecken und Geheimnisse unseres Schlosses, ertasteten Gegenstände und bastelten ein kleines Thuner Schloss. KiTS – DER KINDERCLUB THUNERSEE SCHLÖSSER Auch dieses Jahr fanden für KiTS zwei Anlässe im Schloss Thun statt. Im März suchten wir mit einer grossen Kinderschar einen vergessenen Schatz im Schloss Thun und fanden diesen in einem Schlossturm. Im November waren zahlreichen Kindern abends im finsteren Schloss unterwegs. Auf der Suche nach Gespenstern erkundeten sie das Schloss, erfuhren viel Spannendes über diese Wesen und hörten Geschichten. Mit einem kleinen Imbiss beendeten wir diesen gelungenen Abend. KULTURNACHT An der Kulturnacht hatten unsere jungen Besucher die Möglichkeit verschiedene, schon im Mittelalter bekannte Gewürze und Kräuter zu riechen und so ihren Geruchsinn zu testen. Sie konnten sich auch über deren Gebrauch und Wirkung informieren. VON SCHLOSS ZU SCHLOSS ZUM RITTERSCHLAG Auch dieses Angebot erfreute sich grosser Beliebtheit. Wiederum machten viele Kinder von der Möglichkeit Gebrauch, sich zu Ritterinnen und Rittern auszubilden. Pagen, Knappen und Ritter entdeckten unser Schloss und lösten die ihnen gestellten Aufgaben. 11 PERSONELLE VERÄNDERUNGEN Nach langjähriger Mitarbeit hat Monika Loosli Ende Februar 2014 ihre Tätigkeit im Schloss Thun beendet. In den vergangenen 12 Jahren hat sie engagiert mitgeholfen, den Bereich «Bildung und Vermittlung» auszubauen. So plante und verwirklichte sie für das Schloss Thun den Schlosstrail «Von Schloss zu Schloss zum Ritterschlag» und half beim Erstellen des Kinderstadtplans mit. Mit ihrer mitreissenden Art und ihrem pädagogischen Geschick wusste sie Geschichte kindergerecht und mit Spass zu vermitteln. Wir wünschen ihr auf ihrem neuen beruflichen Werdegang alles Gute und danken ihr herzlich für die tolle Zusammenarbeit und ihren Einsatz. 12 Jahresbericht der Stiftung Schloss Thun Hans Kelterborn, Präsident Die Stiftung Schlossmuseum Thun hat ihren Namen in Stiftung Schloss Thun – das Museumsschloss geändert. Ursprünglich hiess unsere Institution «Historische Sammlung im Schloss». Mit der Zeit ist daraus das «Historische Museum im Schloss Thun» geworden. Nach dem 100-JahrJubiläum von 1988 hiess es dann «Schloss Thun – Historisches Museum». 1993 schliesslich ist der Begriff «Schlossmuseum Thun» entstanden. Schloss Thun ist jedoch weit mehr als ein Museum. Die mittelalterliche Burg ist zwar auch Ausstellungsort, aber viel mehr selbst ein erstrangiges Ausstellungsobjekt. Überdies ist sie ein Veranstaltungsort (Konzerte, Theater, militärische und private Anlässe im Rittersaal). Gleichzeitig mit dem neuen Namen hat sich die Stiftung auch ein neues grafisches Erscheinungsbild zugelegt. Es besteht in einem einheitlichen Schriftzug Schloss Thun – Das Museumsschloss und dem Logo, gebildet aus dem Grossbuchstaben S und den zwei kleinen Turmspitzen. Der Stiftungsrat trat 2013 zu fünf Sitzungen zusammen (9.1.; 7.3.; 23.5.; 5.9.; 25.11.), die Betriebskommission, gebildet aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und der Museumsleiterin, hat die anfallenden Geschäfte in monatlichen Abständen behandelt. Hauptthemen der ersten Jahreshälfte waren einerseits die Finanzierung der Investitionen im neuen Schloss (Neuer Eingang, Kasse, Garderobe und Toilette, Ausstellungsraum, Büro) und andererseits die Szenografie für die Ausstellungserneuerung im Donjon. Die neue Eingangssituation verlangt nach einer neuen Besucherführung und einer entsprechenden Zutrittskontrolle im Schlosshof. Künftig werden die Besucherinnen und Besucher ihr Ticket im neuen Schloss kaufen, anschliessend durch den neuen Ausstellungsraum gehen und schliesslich direkt beim ehemaligen Kelleraufgang durch eine elektronische Zutrittskontrolle in den Keller und damit in den ersten Raum der neuen Ausstellung gelangen. Im Mai hat der Thuner Stadtrat einen Kredit von 650‘000 Franken für den Ausbau des Neuen Schlosses bewilligt und der Projektleitung durch Beat Gassner zugestimmt. Die Räume im Neuen Schloss werden durch die Einwohnergemeinde von der Schlossberg AG gemietet und nach dem Ausbau durch die Stadt der Stiftung Schloss Thun untervermietet. 13 Im September hat das im Studienauftragsverfahren siegreiche Atelier «oï» dem Stiftungsrat sein Projekt vorgestellt. Aufgrund der verschiedenen Konkretisierungen musste der Stiftungsrat die langfristigen Investitions- und Betriebsbudgets (Businessplan 2013– 2021) immer wieder anpassen und schliesslich der Einwohnergemeinde ein Gesuch um Erhöhung der jährlichen Betriebsbeiträge einreichen. Die Stiftung Schloss Thun ist Beat Gassner für die umsichtige Projektleitung bei den Umbauten der neuen Betriebsräume und H. Kasimir Lohner für gute Vorbereitung und Begleitung des Szenografiewettbewerbs dankbar. Mit Philipp Stämpfli verliert der Stiftungsrat einen kritischen Begleiter des Schlossmuseums, einen gefragten Ratgeber und eine wichtige Verbindung zur Burgergemeinde Bern. Anstelle von Denkmalpfleger Michael Gerber, dessen tatkräftige Mitarbeit wir vor allem im Workshopverfahren (s. JB 2012) sehr geschätzt haben, hat der Regierungsrat nun Katharina Pfanner vom Amt für Kultur in den Stiftungsrat delegiert. Der Förderverein hat als neuen Stiftungsrat Simon Schweizer, Historiker im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Mitglied des Thuner Stadtrates gewählt. Wir begrüssen beide Stiftungsratsmitglieder herzlich. Ein ganz besonderer Dank geht an die Stadt Thun für den Ausbau unserer künftigen Räume im Neuen Schloss, an die Burgergemeinde Thun für die Finanzierung eines Stadtmodells, der RKK für den ausserordentlichen Beitrag an die neue Besucherführung und Familie Burger für den Zustupf an die Neugestaltung der Ausstellung. 14 STIFTUNGSRAT Präsident Hans Kelterborn, Vogelsangweg 4, 3600 Thun* Vizepräsident Beat Gassner, Marienstrasse 1A, 3600 Thun* Kassier Roger Hunziker, Weieneggstrasse 11A, 3612 Steffisburg Kantonsvertretung Michael Gerber, kant. Denkmalpfleger, Münstergasse 32, 3011 Bern (bis 31. Dezember 2013) Katharina Pfanner, Amt für Kultur, Sulgeneckstrasse 7, 3005 Bern (ab 1. Januar 2014) Stadtvertretung Marianne Flubacher, Amt für Kultur, 3602 Thun Vertretung Förderverein Daniel Bähler, Talackerstrasse 43 i, 3604 Thun Vertretung Regionsgemeinden Matthias Krähenbühl, Kreuzweg, 3614 Unterlangenegg Mitglieder H. Kasimir Lohner, Obere Hauptgasse 58, 3600 Thun Simon Schweizer, Scherzligweg 6, 3600 Thun (ab 1. Januar 2014) Philipp Stämpfli, Gryphenhübeliweg 40, 3006 Bern (bis 31. Dezember 2013) Kontrollstelle Dr. oec. Hans Peter Bieri, Steuer-, Finanz- und Wirtschaftsberatung AG Thun * Mitglieder der Betriebskommission Vorschau auf den Jahresbericht 2014 Im Jahresbericht 2014 (erscheint im April 2015) wird unter dem Titel «Ein internationaler Land- und Wasserflughafen in Thun?» der in den 1920-er-Jahren im Dürrenast geplante schweizerische Zentralflughafen behandelt. Der Bericht war ursprünglich im Rahmen von «Flugzeuge made in Thun» geplant, fand jedoch leider keinen Platz mehr. 15 Das Schlossareal im Umbruch – bauliche Arbeiten für das Museumsschloss 2013 / 2014 Beat Gassner Seit Monaten zeigt sich die Baustelle auf dem Thuner Schlossberg in Form von abgedeckten Dächern und einem Kran, der das Wahrzeichen der Stadt überragt. Die jüngeren Bauten – das Neue Schloss (früher Gerichtsgebäude), das ehemalige Gefängnis und das ehemalige Statthalteramt – werden vor allem im Innern einer umfassenden Verjüngungskur unterzogen. Bauherrschaft sind hier die Schlossberg Thun AG und die Schloss Hotel Thun AG. Das ehemalige Statthalteramt wurde im Jahr 2013 umgebaut und renoviert, mit einer Kinderkrippe im Erdgeschoss und mit je einer Wohnung im Obergeschoss und unter dem mächtigen Walmdach. Das alte Gefängnis – ursprünglich ein Bau von 1885/86 – wurde komplett ausgehöhlt, eine neue Tragstruktur eingebaut und das Dach um ein Geschoss angehoben. Hier entsteht ein Hotel mit 18 Zimmern. Diese Zimmer, in der Grösse von zwei ehemaligen Gefängniszellen, sind mit ihren modernen Glas-Erkern auf den Schlosshof ausgerichtet. Im Neuen Schloss entstehen im Südteil des Erdgeschosses ein Restaurant und ein Schlosscafé entlang dem Schlosshof. Anschliessend gegen Norden sind gemeinsame WC-Anlagen für Restaurant und Museum vorgesehen (die Damen werden beim Händewaschen den Ausblick auf die Stadt geniessen können!). 16 In den Obergeschossen und unter dem Dach des Neuen Schlosses gibt es ein sogenanntes KMU-Forum mit Plenarsaal, Gruppenarbeitsräumen und Büros, wobei hier vor allem die Mobiliar-Versicherung in Zusammenarbeit mit Universitäten spezielle Kurse und Workshops durchführen will. Der neue Zugang zum Museum liegt im Schlosshof versteckt in einem Rücksprung der Schlosshof-Fassade. Da wird es ein deutliches Hinweisschild in Form einer Stele brauchen, damit die vielen Besucher den Eingang finden (siehe Plan). Ein Knackpunkt in der Planung war denn auch die neue Besucherführung: Zukünftig werden die Besucher den Donjon nur betreten können, wenn sie vorgängig an der Kasse im Neuen Schloss ein Ticket gelöst haben. Als Zutrittskontrolle braucht es Drehsperren beim Zugang zum Keller des Donjons und auf dem Zwischenpodest der Treppe zum Rittersaal. Damit erhält das Museum endlich eine adäquate Empfangssituation mit der Kasse und dem Museums-Shop. Dazu wurden im Neuen Schloss im ersten Raum jüngere Zwischenwände entfernt und die ursprüngliche, grosszügige Raumeinteilung wiederhergestellt (Abb. 1). Abb 1: Kasse/Shop (Baustelle Februar 2014). Der zweite Raum mit der hölzernen Kassettendecke ist ein ehemaliger Gerichtssaal. Hier bleibt die Ausstattung aus den 1930er Jahren mit dem zugehörige Riemenboden erhalten, allerdings wird der «hölzige» Charakter durch überstreichen der Täferpartien an Wänden und Decken zurückgenommen (Abb. 2). Der Raum ist für temporäre Ausstellungen vorgesehen, diese brauchen eine möglichst neutrale Raumhülle. Es ist ein altes Anliegen des Museums, einen ganzjährig nutzbaren Raum für solche Ausstellungen zu haben. Früher stand dafür nur der Dachstock des Donjons – praktisch mit Aussenklima – zur Verfügung. Abb 2: Zukünftiger Ausstellungsraum (Baustelle Februar 2014). 17 Daneben erhält die Museumsleiterin ganz im Norden ein helles Büro, zwar nicht sehr gross, jedoch funktional eingerichtet und ein wesentlicher Fortschritt gegenüber dem ungedämmten düsteren Raum im sogenannten Chalet (altes Kassengebäude; Abb. 3). Es gibt auch Nebenräume für das Archiv mit einem Nebenarbeitsplatz, für die Gebäudetechnik und einen Putzraum. Was immer noch fehlt, ist zusätzlicher Lagerraum. Das Chalet ist zur Zeit bis in den hintersten Winkel mit Akten und Materialien gefüllt. Eigentlich sollte dieser unschöne Anbau an den Donjon, erbaut Mitte des 20. Jahrhunderts – auch nach Meinung der Denkmalpflege – zum Teil rückgebaut werden. Dort könnte eine attraktive Terrasse entstehen, es ist die sonnigste Ecke im ganzen Schlosshof. Ob da die Stadt eines Tages mithilft und gleichzeitig auch die grossflächige Rampe im Schlosshof (s. Abb. 3) besucherfreundlicher – und bei Nässe und Schnee sicherer – umgestalten wird, z.B. mit Sitzstufen und Terrassen? Abb 3: Das «Chalet». Nachdem die Bauarbeiten im Museumsteil letzten Herbst / Winter witterungsbedingt und wegen den massiven Eingriffen im Dach sowie den vielen Leitungen für die oberen Stockwerken nur schleppend vorankamen, sind sie jetzt, im Februar 2014 voll im Gang (Abb. 1 und 2). Der mieterseitige Ausbau der Räume wird Anfang April abgeschlossen sein; die museumsspezifischen Einrichtungen und Ausstattungen sind per Ende April pünktlich zur geplanten Eröffnung auch soweit. Finanziert wird der mieterseitige Ausbau durch einen Kredit der Stadt Thun, alle Betriebseinrichtungen für das Museum und die Möblierung sowie alle Aufwendungen für die neue Besucherführung gehen zu Lasten des Museums. 18 Zur Erneuerung der Dauerausstellungen im Schloss Thun Heinrich Kasimir Lohner Bereits vor vier Jahren hat die Stiftung Schlossmuseum Thun ihre neue Strategie «Museumsschloss» erarbeitet: Die Burg soll als Identifikationsmerkmal von Stadt und Region sowie als Erlebnisort und Ausstellungs objekt Nummer eins verstärkt inszeniert werden. Mit dem vor zwei Jahren verabschiedeten neuen Betriebskonzept wird diese Strategie nun umgesetzt. Der neue Eingang und die neuen Räume im ehemaligen Gerichtsgebäude erlauben eine neue Besucherführung: Die Dauerausstellungen im Donjon werden als aufsteigender Rundgang von unten nach oben erschlossen und – in derselben Logik – auch schrittweise erneuert. Anfang 2013 hat die Stiftung einen Studienauftrag – ein wettbewerbsähnliches Verfahren – unter drei spezialisierten Szenografieateliers durchgeführt: atelier oï-sa aus La Neuveville, Holzer Kobler Architekturen GmbH aus Zürich und Fabritastika Gestaltungsatelier AG aus Brüttisellen. Der Auftrag musste auf zwei verschiedenen «Flughöhen» erfüllt werden: – 1. Erarbeiten eines Szenografiekonzepts für den gesamten Donjon, d.h. für die Erneuerung aller Dauerausstellungen in fünf Etappen, – 2. Entwerfen der Szenografie für die erste Etappe – Darstellung der Stadtentwicklung im «Keller» des Donjons. Nach Auffassung der Jury – Vertreterinnen und Vertreter der Stiftung, verstärkt durch auswärtige Fachleute – ist das Konzept des atelier oï der Aufgabenstellung und der Idee «Museumsschloss» am besten gerecht worden: Durch die Konzentration der Exponate in begehbaren «Laternen» jeweils in der Mitte der Museumsräume und die Projektion von Schattenspielen auf die freigehaltenen Wände, soll ein stimmungsvoller Dialog zwischen dem Schloss und seiner Geschichte entstehen. Das 1991 gegründete, auch national und international renommierte Team aus La Neuveville steht für atmosphärisch innovative Architektur, Produkte- und Ausstellungsgestaltung. Im Mai 2013 hat der Stiftungsrat das atelier oï mit der Ausarbeitung des Projekts für die 1. Etappe beauftragt und im September sind das Ausführungsprojekt und der Kostenvoranschlag genehmigt worden: Blickfang wird ein Modell der noch vollständig ummauerten Stadt des 18. Jahrhun19 derts sein. Mit einer Lichtprojektion werden die Entwicklungsphasen seit dem 12. Jahrhundert – zähringisch, kiburgisch, bernisch – nacheinander sichtbar gemacht.1 Die Darstellung der rasanten Stadtentwicklung der letzten 200 Jahre erfolgt mittels einer kartografischen Zeitreise auf einem interaktiven Bildschirm. Bis heute noch nie ausgestellte Gegenstände erzählen Geschichten aus hunderten von Jahren Stadtgeschichte. Das Ringen um die Finanzierung des Projekts, die Formulierung der Inhalte und die Einhaltung des sehr sportlichen Zeitplans für die Realisierung beschäftigen unsere Museumsleiterin und den Stiftungsrat bis zur Eröffnung in diesem Frühjahr. Das Ziel unserer Strategie wird jedoch erst mit der Erneuerung der Dauerausstellungen auf allen Geschossen des «Museumsschlosses» in einigen Jahren erfüllt sein. 3D-Visualisierung der «Laterne» im Kellergschoss des Donjons. Im Hintergrund das Altstadtmodell (atelier oï-sa). Die Grundlage dazu bildet: Heinrich Kasimir Lohner: Thuner Stadtentwicklungsgeschichten, zum Stand der Forschung über die Gründung und räumliche Entwicklung der Stadt Thun vom 12. bis in das 18. Jahrhundert; Typoscript, Thun, März 2013, download auf: http://www.lohnerpartner.ch/ Stadtforschung.php (vgl. auch Jahresbericht 2012 Schlossmuseum Thun S. 54 ff.) 1 20 Jahresrechnung der Stiftung Bilanzen per 31. Dezember Flüssige Mittel Forderungen Vorräte Aktive Rechnungsabgrenzungen Total Umlaufsvermögen Finanzanlagen Museumsgüter Sachanlagen Projektkosten Total Anlagevermögen Total Aktiven 2013 / Fr. 766’901.28 27'394.15 0.00 813.15 795'108.58 76'425.90 5.00 37'449.00 82'372.00 196'251.90 991‘360.48 2012 / Fr. 756‘597.50 22‘114.05 1‘000.00 1‘407.60 781‘119.15 147‘231.95 5.00 50‘557.00 23‘918.00 221‘711.95 1‘002‘831.10 Total Fremdkapital 41'102.30 Gründungsbeiträge/Stiftungskapital – Verein Schlossmuseum Thun 100‘002.00 200‘000.00 – Kanton Bern – Stadt Thun 100‘000.00 – Einmalige Zuwendungen Dritter 509‘305.00 – Fonds für Spezialfinanzierungen (SF) 339‘569.55 -264'231.20 – Verlustvortrag – Jahresverlust -34'387.17 Total Eigenkapital 950'258.18 Total Passiven 991'360.48 70‘185.75 100‘002.00 200‘000.00 100‘000.00 509‘305.00 287‘569.55 -188‘826.65 -75‘404.55 932‘645.35 1‘002‘831.10 21 Erfolgsrechnungen 1.1. – 31.12. Betriebsertrag Personalaufwand Übriger Betriebsaufwand Total Betriebsverlust Museum Betriebsbeiträge und Spenden Finanzerfolg Total Ausserbetrieblicher Gewinn Total Jahresverlust 2013 / Fr. 202'939.60 -278'974.30 -243'139.56 -319'174.26 281'558.65 3'228.44 284'787.09 -34'387.17 2012 / Fr. 209‘795.60 -274‘361.80 -218‘268.26 -282‘834.46 202‘059.35 5‘370.56 207‘429.91 - 75‘404.55 S P EZ I AL FI NANZ IER U NG EN (S F ) Ausstellungserneuerung Anfangsbestand 1.1. Bildung SF für Ausstellungserneuerung Belastung SF Ausstellungserneuerung Schlussbestand 31.12. Total Veränderung SF 22 287‘569.55 52‘000.00 0.00 339‘569.55 52‘000.00 287'569.55 0.00 0.00 287‘569.55 0.00 Die Sammlung des Schlossmuseums Hans Kelterborn Ende 2013 umfasste die Datenbank 18'807 Objekte [Ende 2012: 18'520 Objekte]. Von 14'413 Objekten ist der Standort bekannt [2012: 14'130]. 13'777 Objekte sind fotografiert [2012: 13'487]. Jede digitale Abbildung ist mit dem entsprechenden Datensatz im Inventar verknüpft. Bereits in der Zeit von 1865–1869 sind im Hinblick auf ein künftiges historisches Museum in Thun einige Gegenstände in die Sammlung gelangt, in den ersten Jahren nach der Museumsgründung, also von 1887–1889 waren es bereits über 600. Die folgende Tabelle zeigt Zugänge und Abgänge des Sammelguts. Dass das daraus resultierende Soll (16‘528) nicht mit der Zahl der tatsächlich vorhandenen Objekte (18‘807) übereinstimmt, lässt sich wie folgt erklären: 1. Dubletten: Das gleiche Objekt wurde in verschiedenen Inventaren verschieden erfasst, so dass es nicht als das identische Objekt erkannt werden kann. Werden solche Dubletten nachträglich als solche erkannt, werden sie eliminiert. 2. Verluste: Vermisste Objekte (gestohlen, beseitigt) ohne entsprechenden Vermerk im Inventar. ZugangsperiodeZugängeAbgänge ohne Datum «Altbestand» 1865–1869 1887–1889 1890–1899 1900–1909 1910–1919 1920–1929 1930–1939 1940–1949 1950–1959 1960–1969 1970–1979 1980–1989 1990–1999 2000–2009 2010–2013 Total 5'432 1'161 8 602 345 602 1'479 1'956 902 379 165 621 1'520 877 904 904 950 18'807 142 0 0 3 3 3 16 8 33 24 6 4 6 6 1'827 144 2'225 Soll 5'290 6'451 6'459 7'061 7'403 8'002 9'478 11'418 12'312 12'658 12'799 13'414 14'930 15'801 16'699 15'776 16'582 16'582 «Altbestand»: Der Begriff wird häufig in Inventar 2 (1913–1947) ohne nähere Datumsangabe verwendet. Abgänge: Beseitigt, Dauerleihgaben, gestohlen, getauscht, verkauft, verschenkt, weiterverwendet, zurück. Mit entsprechendem Eintrag im Inventar. 23 NEUZUGÄNGE 2013 Von folgenden Personen und Institutionen durften wir Geschenke in die Sammlung aufnehmen: Alfred Amstutz, Binningen; Louis Hänni, Thun; Rosmarie Krähenbühl, Steffisburg; Andreas Laubacher, Baden; Magdalena Kratzer, Thun; H. Kasimir Lohner, Thun; NN; Familie Reinmann Thun; Jürg Schweizer, Bern; Rudolf Schär, Thun; Hanspeter Wüthrich, Thun; Damenturnverein Thun; Genossenschaft Vaporama; Schweizerisches Gastronomiemuseum; Kunstmuseum Thun. Apparate + Uhren Reisebügeleisen (Inv. 12147) Bauteile und Stein Erinnerungstafel C.F.L. Lohner (Inv. 12154) Inv. 12154: Vorderseite. Rückseite. Bilder, Drucke Zeichnung Ferienhaus Seehalde (Inv. 12145) Bücher Handfeuerwaffen System Vetterli (Inv. 12165) Dokumente Kleinplakat Lac de Thoune (Inv. 12149); Vergissmeinnicht-Album (Inv. 12152) Fahnen Fahne mit Zubehör Damenturnverein Thun (Inv. 12169) Foto Fotoalbum Bühlmann (Inv. 12151); Foto Stadtmusik Thun (Inv. 12167); Foto Musikgesellschaft Harmonie Wattenwil (Inv. 12179); Luftaufnahme von Thun (Inv. 12189); Foto Stadtturnverein Thun (Inv. 12199; 24 Keramik Deckelvase (Inv. 12185), Henkelvase (Inv. 12186) Sammlung Alfred Amstutz (Inv. 12201–12419), s. auch S. 28–30 35 Becher, Dosen, Schalen 43 Cachepôts, Jardinièren, Vasen 26 Dekorteller und -platten 14 Diverse 9 Figuren 26 Kannen und Krüge 10 Tassen (z.T. mit Untertassen) 56 Vedutenteller Küche Thuner Täfeli (Inv. 12153) Landwirtschaft Bänne (Handwagen; Inv. 12190) Mass und Gewicht Briefwaage (Inv. 12146) Möbel und Wohnen Ledertapete aus der Schadau (Inv. 12148); Velourstapete aus der Schadau (Inv. 12150) Musik Kadettenpauke (Inv. 12168) Postkarten Thun-Rathausplatz und Rathaus (Inv. 12180); Thun (Inv. 12181); Bächimatt (Inv. 12182); Thun und Berner Alpen (Inv. 12 183); Thun-Kasernen (Inv. 12184) Silber, Zinn Zinnteller Friedrich der Grosse (Inv. 12195) Tabak Aschenbecher Schloss Thun (Inv. 12166) Textilien Menukarte aus Stoff (Inv. 12198) Trophäen 5 Wimpel (Inv. 12170–12172, 12175, 12178); 4 Schleifen (12173, 12174, 12176, 12177) Uniformen Uniform Stadtpolizei Thun (Inv. 12159) 25 ANKÄUFE 2013 Foto Innere und äussere Aare (Inv. 12162); DS Blümlisalp (Inv. 12161) Keramik Wandteller (Inv. 12197), Ziervase (Inv. 12419) Küche 3 Kaffeemühlen (Inv. 12155–12157); Kaffeelöffel KABA Thun (Inv. 12188); Besteck KABA Thun (Inv. 12187) Inv. 12187. Postkarten Hauptgasse (Inv. 12134), Katholische Kirche (Inv. 12138), Landgasthof zum Bärnerhus (Inv. 12139), Strasse in Thun (Inv. 12131), Thun (Inv. 12132), Thunersee und Niesen (Inv. 12133), Schlosshotel Freienhof (Inv. 12135), ThunKursaal (Inv. 12136), Hotel Bellevue (Inv. 12137) Silber, Zinn Zinnteller KABA Thun (Inv. 12196) AUSLEIHEN 2013 Fotos Fotodokumentation über den Aufenthalt der italienischen Kronprinzessin Maria-José und ihrer Kinder während des 2. Weltkrieges in Oberhofen. Keramik 2 Eierbecher aus dem ehemaligen Hotel Thunerhof (Inv. 7013) Schuhe Bergschuhe der italienische Kronprinzessin Maria-José (Inv. 8171) ABGÄNGE 2013 Landwirtschaft Hühnerkäfig (Inv. 10393) Möbel + Wohnen Schrank (Inv. 1758); Tisch (Inv. 7876); Tisch (Inv. 7890); Wandkästchen (Inv. 7924); Buffet (Inv. 7914); Tisch (Inv. 8301); Kastenbett (Inv. 8319); Kas tenbett (Inv. 8323); Bank (Inv. 8696); Jägerschäftli (Inv. 8710); Truhe (Inv. 10248); Bauerntisch (Inv. 10396); Tischvasen (Paar). Geschenk an Schweiz. 26 Gastronomiemuseum (Inv. 10457); Waschkommode (Inv. 11085); Doppelbett (Inv. 11086); Bauerntisch (Inv. 11335) Staat + Recht Schöpfspritze von 1761, sog. Schlossbergspritze (Inv. 12191). Erworben im Dezember 1904. Geschenk an Pyrorama (s. S. 65–67) LAGER ALLMENDSTRASSE Im Lager an der Allmendstrasse konnten dank geschenkter Gestelle rund 60 Laufmeter neuer Platz gewonnen werden. Die Räumung der MajolikaAusstellung im Kellergeschoss des Schlosses bescherte dem Lager einige hundert Objekte, die in früheren Inventaren nur zum Teil erfasst worden sind und nun zum Teil noch erfasst und allesamt fotografiert und einge lagert werden müssen. LAGER BERNSTRASSE Im Lager an der Bernstrasse wurden einige Möbelstücke, die entweder stark beschädigt waren oder nicht der Sammlungsstrategie entsprachen, ausgesondert, um für wertvollere Objekte aus dem Kellergeschoss Platz zu schaffen (s. oben Abgänge 2013). Dank einem Grosseinsatz des Arbeitseinsatzes und unseres Schlosswartes konnte das Lagerabteil gegenüber dem Rest der unterirdischen Halle einigermassen Luftdicht abgetrennt werden, so dass die Luftfeuchtigkeit nun auf max. 52% gehalten werden kann. Dank einer Eigenentwicklung von Paletten auf Rollen können die einzelnen, zum Teil sehr schweren, Objekte ohne weitere Hilfsmittel von Hand verschoben werden, so dass der vorhandene Platz noch besser ausgenützt werden kann. 27 Eine grosszügige Schenkung: Die Majolika-Sammlung von Alfred Amstutz Hans Kelterborn Am 22. Mai 2013 konnten die Museumsleiterin und der Stiftungspräsident in Binningen die ausserordentliche Majolika-Sammlung von Alfred Amstutz entgegennehmen. Der Sammler hat über mehrere Jahrzehnte hinweg eine phantastische Sammlung von mehr als 200 Objekten zusammengetragen und sie nun dem Schlossmuseum geschenkt. Inzwischen haben wir die Sammlung vollständig erfasst, fotografiert und im Dépôt eingelagert. Die Objekte stammen aus der Zeit zwischen 1880 und 1930 und wurden seinerzeit in Thun, Steffisburg und Heimberg von den bekannten Töpferwerkstätten fabriziert. Wir zeigen hier hier eine kleine Auswahl aus der Sammlung: Inv. 12382 Einer von 56 Vedutentellern. Bild bezeichnet «Hilterfingen». 35.5 cm Durchmesser. Marke: Thoune Inv. 12299 Rechteckige Servierplatte mit Schuppenmuster. 30.5 x 22 cm. Marke: JW (Johann Wanzenried) Inv. 12247 Langhalsvase, aussen unglasiert. 18.5 cm hoch. Marke JW Inv. 12346 Milchkrug. 11.7 cm hoch. Aus der Werkstatt Loder-Eyer Inv. 12217 Schale auf drei Holzfüssen (Brienzer Schnitzerei). 14 cm Durchmesser Inv. 12233 Giessfass. 30 cm hoch. Inv. 12208 Deckelschale. 14.5 cm Durchmesser Inv. 12326 Kanne auf drei Füssen, mit Eulenkopf als Ausguss und Zapfendeckel. 17 cm hoch. Marke: H (?) 28 Inv. 12305 Wandapplike mit Jungfrau-Vedute. Bild bezeichnet «Jungfrau». 24 cm hoch. Marke und Pressstempel: MC Inv. 12314 Tintenzeuggarnitur. Tintenfass und Sandstreuer mit Deckelchen. Grauer Hund als Dekoration. 21 x 10.7 x 15 cm Inv. 12205 Deckelterrine. 10 cm Durchmesser. Marke (Stempel): MC Inv. 12258 Vierfachvase. 8.5 cm hoch. Marke: JW Inv. 12351 Viereckige Tasse mit Stielgriff und acht eckige Untertasse. T 5.3 cm hoch. UT 12.5 cm Durchmesser. Marke: Thoune Inv. 12231 Ziergefäss in Form eines eingerollten Blattes. 7.2 cm hoch Inv. 12312 Körbchenschale, unglasiert. 14 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12328 Kanne (blaue Katze). Kopf als Deckel, Pfote als Ausguss. 17.5 cm hoch. Marke: Thun Inv. 12219 Dreibeintopf mit Deckel. 18 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12273 Blumenampel. Drei Aufhängelöcher. 29 cm Durchmesser. Marke: JW Thoune Inv. 12313 Hutnadelschale. 12 cm Durchmesser Inv. 12321 Sparschwein. 8.5 x 5.1 cm. Marke: H (?) Inv. 12234 Topf mit sichelförmigen Griffen. 28 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12324 Ringkrug. 24.5 cm hoch. Marke: SL (SchochLäderach) Inf. 12220 Konfektschale. 20.5 cm Durchmesser. Marke: JW Thoune 29 Inv. 12318 Eule. 18.5 cm hoch Inv. 12237 Vase in orientalischer Form. 36 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12338 Teekanne. 13 cm hoch. Marke: Thoune Inv. 12240 Trinkgefäss/Kugelvase? Malerin: Erna Gross. 16.5 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12250 Wand-Vase in Tütenform. 21.5 cm hoch. Marke MC Thun 594 Inv. 12275 Gefäss auf drei Bocksbeinen. 41 cm hoch. Marke: GT (Gottfried Tschanz) 30 Inv. 12266 Vase mit breiten Bandhenkeln. 15 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12334 JugendstilKaffeekanne. 20 cm hoch. Marke: JW Thoune Inv. 12232 Abwasserkübel mit Traggriff aus Holz und Weidenruten. 33.5 cm hoch. Marke: WT Thoune (Wanzenried) Inv. 12327 Kanne mit Löwengriff. 23 cm hoch Inv. 12236 Wand-Vase. 36.5 cm hoch. Press-Marke: GT (Gottfried Tschanz) Jahresbericht des Fördervereins Daniel Bähler, Präsident Das Jahr 2013 stand auch für den Förderverein ganz im Zeichen des grossen Umbaus auf dem Schlossberg. Durch den Einsatz eines wesentlichen Teils seines Vermögens ermöglicht es der Förderverein, die Neugestaltung des Museums unter der Strategie «Museumsschloss» in Angriff zu nehmen. Der Vorstand des Fördervereins traf sich im Berichtsjahr zu vier Sitzungen. Er befasste sich mit der Neugestaltung des Museums, der Erneuerung des Stiftungsrates für das Jahr 2014 und Gesuchen der Stiftung um Beiträge. Ines Attinger, bisherige Geschäftsführerin der Schlosskonzerte, trat wegen beruflicher Veränderung auf die Mitgliederversammlung hin aus dem Vorstand zurück. Ihre Nachfolgerin bei den Schlosskonzerten, Gisela Trost, konnte auch für die Nachfolge im Vorstand gewonnen werden, womit die Kontinuität gewahrt bleibt. Als Wahlorgan für den Stiftungsrat wählte der Vorstand in der Dezembersitzung Simon Schweizer, Historiker und Mitglied des Thuner Stadtrates, in dieses Gremium. Der Stiftung wurden Mittel für Sonderausstellungen (Jean Moeglé, Canton Oberland und Dendrochronologie), die Realisierung eines Erlebnispfads im Zusammenhang mit dem Umbau und den Ankauf einer Vase aus der Majolika-Sammlung Alfred Amstutz zur Verfügung gestellt. Mit dem Ankauf der Vase kam die gesamte wertvolle Sammlung in den Besitz des Schlossmuseums. Im Weiteren beschloss der Vorstand den Ankauf eines bisher als Leihgabe ausgestellten prächtigen Wandtellers. Dieser wird im Jahr 2014 definitiv zur Sammlung stossen. An der sehr gut besuchten Mitgliederversammlung vom 17. Juni 2013 ging es um die Neugestaltung des Museums. Stiftungsratsmitglied H. Kasimir Lohner präsentierte die Ergebnisse des durchgeführten Studienauftrags für die Szenografie und informierte über die geplante Umsetzung der Resultate. In Etappen soll die Ausstellung so umgestaltet werden, dass das Schloss als historisches Bauwerk im Zentrum steht. Mit modernsten Mitteln werden verschiedene Themengebiete präsentiert werden. Im Keller als erster Etappe geht es darum, die Stadtentwicklung darzustellen. Der Antrag des Vorstands, dafür aus dem Vereinsvermögen einen Betrag von 125‘000 Franken zur Verfügung zu stellen, wurde von der Versammlung ohne Gegenstimme gutgeheissen. Damit schrumpft das Vereinsvermögen auf rund die Hälfte. Die Mitglieder anerkannten, dass der Zweck des Vereins darin besteht, zur Entwicklung des Museums beizutragen und nicht Vermögen zu horten. Weiter orientierte Susanne Kiener von der Schlossberg Thun AG die Mitglieder aus erster Hand über die Vorhaben im Neuen 31 Schloss und im früheren Gefängnis. Im Anschluss an die Versammlung wurden die Anwesenden durch die Baustelle geführt und erhielten so einen einmaligen Einblick in die Substanz des historischen Gebäudes. Am Grossmärit vom 8. Juni 2013 war der Förderverein mit einem Stand auf dem Rathausplatz präsent. Es wurden Majolika-Objekte aus der Sammlung gezeigt, was beim Publikum auf reges Interesse stiess. Der bereits für 2012 vorgesehene, vom Vorstandsmitglied Magdalena Kratzer-Boksberger organisierte Ausflug nach Rapperswil SG konnte am 19. Oktober 2013 durchgeführt werden. Die Teilnehmenden gelangten in den Genuss einer eindrücklichen Präsentation der Tätigkeit des Restaurierungsateliers Fontana in verschiedenen Sparten. Am Nachmittag wurden sie durch den historischen Stadtkern geführt und besuchten das vor wenigen Jahren modern umgestaltete Stadtmuseum Rapperswil-Jona. Für den Vortrag vom 13. November 2013 konnte mit Stiftungsratspräsident Hans Kelterborn ein kompetenter Referent aus den eigenen Reihen gewonnen werden. Das Thema «Flugzeuge made in Thun» lockte viele Interessierte an, die in den Genuss eines reich bebilderten Referats kamen, in dem die gesamte Geschichte der Schweizer Militärfliegerei bis zum Zweiten Weltkrieg zur Sprache kam. Eine Kollekte erbrachte eine Summe von rund 1000 Franken, die den Opfern der Flutkatastrophe auf den Philippinen gespendet wurde. VORSTAND DES FÖRDERVEREINS SCHLOSS(MUSEUM) THUN Präsident Daniel Bähler, Talackerstrasse 43 i, 3604 Thun Vizepräsidentin Barbara Cadisch-Wolf, Schlossberg 5, 3600 Thun Kassier Roger Hunziker, Weieneggstrasse 11A, 3612 Steffisburg Sekretärin Barbara Lehmann Rickli, Blümlimattweg 1, 3600 Thun Weitere Vorstandsmitglieder Ines Attinger, Schadaustrasse 21, 3604 Thun (bis 17. Juni 2013) Gisela Trost, c/o Schlosskonzerte, Bahnhofstr. 1, 3600 Thun (ab 17. Juni 2013) Georg Frank, Lauenenweg 12, 3600 Thun Christoph Im Obersteg, Steinackerweg 1, 4105 Biel-Benken BL Magdalena Kratzer-Boksberger, Rufeli 7, 3626 Hünibach 32 Revisoren Ruedi Keller, Dorfhalde 36, 3612 Steffisburg Christian Fröhlich, Hünibachstrasse 4, 3652 Hilterfingen Diese Institutionen und Personen haben das Schlossmuseum im vergangenen Jahr besonders grosszügig unterstützt: – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – Sibylle Andres, 3800 Interlaken Rosmarie Baumann-Lanzrein, 3626 Hünibach Fritz Baumgartner, 3052 Zollikofen Martin und Christine Burger, 3600 Thun Annerose Friedli, 3627 Heimberg Heini Gysel, 3006 Bern Emil Hollenweger, 3626 Hünibach Verena Holzherr, 3612 Steffisburg Peter Hutzli, 3713 Reichenbach i.K. Achilles und Marianne Koller-Messerli, 3654 Gunten Franziska Küng, 3123 Belp Beatrice Luder, 3703 Aeschi b. Spiez Robert Meier-Odermatt, 6045 Meggen Denise Moser, 4054 Basel Susi Nell-Thomi, 6300 Zug Peter Schafroth, 3600 Thun Gustav und Lore Schelling, 3600 Thun Andreas und Francisca Schwarzenbach-Saegesser, 3604 Thun Stauffer Metallbau, 3645 Gwatt Mathias und Elisabeth Tellenbach-Sommer, 3612 Steffisburg Erwin Thomi, 3600 Thun Anton Wenger-Thomet, 3612 Steffisburg 33 Ausflug des Fördervereins nach Rapperswil-Jona Magdalena Kratzer Bei schönen Wetterbedingungen starteten die Teilnehmer des diesjährigen Ausfluges am Bahnhof Thun nach Rapperswil-Jona am Zürichsee. Dank hervorragender Leistung der älteren Generation mit einem Spurt zu den Geleisen im Untergrund des Bahnhofs Zürich, erreichten wir das Städtchen Rapperswil trotzdem noch rechtzeitig. Bereits am Bahnhof wurden wir herzlich von Herrn Claudio Fontana der Firma Fontana & Fontana AG empfangen. Mit dem Bus führte uns Herr Fontana zu seiner Firma nach Jona. Schon beim Betreten des Gebäudes spürten wir viel guten Geschmack an Kunst und Architektur. Bei feinem Kaffee und einer grossen Auswahl an herrlichem Morgengebäck erläuterte uns Herr Fontana die Geschichte des Familienbetriebes. Die Firma wird bereits in vierter Generation geführt und hat sich durch bemerkenswerte Restaurierungen an wertvollen Gebäuden, Innenräumen, Kunstgegenständen sowie altem Kirchenschmuck weit über die Schweizer Grenze einen Namen gemacht. Die junge Generation der Familie Fontana vermittelte uns einen Einblick in das Handwerk des Restaurierens. Schliesslich wurden wir von der Firma Fontana zu einem Apero ins Res taurant Rathaus in Rapperswil eingeladen. Nach einem feinen Mittag essen mit einem guten Tropfen Wein aus der Umgebung waren wir gestärkt und bereit für einen Spaziergang durch die Altstadt von Rapperswil. Herr Hansulrich Baumgartner, Lokalhistoriker von Rapperswil, zeigte uns fachkundig die wichtigsten historischen Häuser und Gassen, verbunden mit der Geschichte von Rapperswil. Zum Abschluss führte uns der Leiter des Stadtmuseums Rapperswil-Jo na, Norbert Lehmann, durch seine neu gestaltete Ausstellung. Da wir uns bei unserem Museum ja gleichfalls mit neuen Strukturen auseinandersetzen, fanden wir es spannend, einen anderen, ebenfalls umstrukturierten Bau zu besichtigen. Die Bauherrschaft verband das Breny-Haus aus dem 16. Jahrhundert durch einen kühnen Neubau mit dem Stadtturm. Einmal mehr erlebten die Beteiligten einen wunderschönen, erlebnisreichen Tag. Müde aber glücklich kehrten wir beim Einnachten zufrieden wieder nach Thun zurück. 34 Jahresrechnung des Fördervereins Bilanzen per 31. Dezember Flüssige Mittel Forderungen Total Umlaufsvermögen Finanzanlagen Total Anlagevermögen Total Aktiven 2013 / Fr. 136'602.40 1'029.85 137'632.25 201'776.50 201'776.50 339'408.75 2012 / Fr. 201'878.66 1'391.35 203'270.01 151'900.55 151'900.55 355'170.56 Guthaben der Stiftung Anfangsbestand 1.1. Zuweisung aus Jahresrechnung Beiträge an Stiftung Schlussbestand 31.12. Total Fremdkapital Vereinskapital 1.1. Jahresgewinn Eigenkapital 31.12. Total Eigenkapital Total Passiven 72'444.45 20'000.00 - 37'295.85 55'148.60 55'148.60 282'726.11 1'534.04 284'260.15 284'260.15 339'408.75 52'444.45 20'000.00 0.00 72'444.45 72'444.45 280'379.78 2'346.33 282'726.11 282'726.11 355'170.56 35 Erfolgsrechnungen 1.1. – 31.12. Mitgliederbeiträge Spenden Gönnerbeiträge (Mailing) Finanzerträge Total Ertrag Porti Versand an Mitglieder Post- und Bankspesen übriger Verwaltungsaufwand Total Verwaltungsaufwand Dienstleistungen QDM AG Mailing sonstiger Werbeaufwand Büromaterial Porti Mailing an Gönner Total Werbeaufwand Mitgliederversammlung Anlässe/Ausflüge Total übriger Betriebsaufwand Zuwendung an Stiftung Schlossmuseum (Rückstellung) Total Zuwendungen an Stiftung Debitorenverluste Total Debitorenverluste Total Aufwand Jahresgewinn 36 2013/Fr. 15'100.00 1'580.00 17'875.94 3'099.12 37'655.06 2012/Fr. 15'140.00 1'030.00 19'025.25 3'567.00 38'762.25 343.65 419.27 1'330.30 2'093.22 1'283.65 1'455.90 5'203.40 2'376.00 10'318.95 1'425.70 1'543.15 2'968.85 584.20 520.87 1'329.50 2'434.57 1'565.40 1'492.55 5'168.15 2'991.60 11'217.70 795.90 1'307.75 2'103.65 20'000.00 20'000.00 740.00 740.00 36'121.02 1'534.04 20'000.00 20'000.00 660.00 660.00 36'415.92 2'346.33 Gerichtsort Steffisburg Georg Frank ZUR GESCHICHTE DER DINGSTATT, DES GERICHTSHAUSES UND DER FREISTÄTTE FÜR TOTSCHLÄGER Bereits im 13. Jahrhundert, als sich im Raum zwischen Berner Oberland und Jura rechts der Aare die Landgrafschaft Burgund herausbildete, war Steffisburg Gerichtsort. Der folgende Beitrag befasst sich mit drei Aspekten der Steffisburger Rechtsgeschichte: mit dem Standort der Steffisburger Dingstatt bzw. des Landgerichtsplatzes, damit in direktem Zusammenhang mit dem Bau des Gerichtshauses (Landhaus) und schliesslich mit der Frage, warum die Freistätte für Totschläger in Steffisburg Wolfstube genannt wurde. Zeitlich beschränken sich die Ausführungen im Wesentlichen auf das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit. Die Landgrafschaft Burgund gliederte sich im Hochmittelalter in fünf Gerichtsbezirke: in die Landgerichte Ranflüh (Emmental), Konolfingen, Zollikofen und Murgeten (Murgenthal) sowie das so genannte Äussere Amt mit Zentrum Steffisburg. Der Umfang des Äusseren Amts lässt sich anhand der Schriftquellen nur ungefähr bestimmen; indes gehörten die Hochwälder Grüsisberg und ein Teil des Heimbergs dazu, im Norden bildeten die Wälder von Röthenbach, Kapfern und Honegg die Grenze.1 In den Blutgerichtsbezirken übte anfänglich der Landgraf die hohe Gerichtsbarkeit aus; er hatte somit u.a. auch das Recht, als Strafe für schwere Verbrechen (u.a. Raub, Mord, Totschlag, Notzucht, Brandstiftung) die Todesstrafe zu verhängen (Blutgericht). Unter den Kiburgern (ab 1218) wurde das Äussere Amt von einem Amtmann verwaltet. Um 1323 war dies Werner Katterli bzw. Kätterli, weshalb das Äussere Amt zuweilen auch unter dem Namen Katterlis- bzw. Kätterlisamt in den Urkunden erscheint. Der Berner Karl Ludwig Stettler (1773–1858) überliefert in seiner Historischen Topographie des Kantons Bern (1839ff.), dass sich Katterlis Burg der Volkssage nach im Gebiet der Kirche bzw. des Pfarrhauses befunden habe, wo «vor einiger Zeit altes Gemäuer unter dem Boden entdekt worden seyn soll.»2 1 Zur territorialen und rechtlichen Verfassung der Landgrafschaft Burgund: Dubler, Region Thun, S. 161 ff. Stettler, Band 2, S. 69. 2 37 DIE DINGSTATT – TAGUNGSORT DES LANDGERICHTS Der Ort, wo sich in regelmässigen Abständen die volljährige männliche Bevölkerung zum Landtag versammelte, um Gericht zu halten, wurde Dingstatt genannt. Mit dem Begriff Ding (ahd. thing, ding) bezeichneten bereits die Germanen die Volks- und Gerichtsversammlung, die immer unter freiem Himmel und nur bei Tage stattfand.3 Synonyme für Dingstatt sind die Begriffe Walstatt, Mahel- bzw. Malstatt und mallus (mlat.).4 Die Landgerichtsplätze befanden sich häufig im Schutz grosser Bäume (z.B. Linden, Eichen oder Sarbäume/Schwarzpappeln) oder Befestigungen, an öffentlichen Strassen, auf Kreuzungen oder auf Plätzen, aber auch an Flussübergängen.5 Die Öffentlichkeit sowohl des Landgerichtsplatzes als auch der Gerichtsverhandlungen war wichtiger Garant für die Rechtmässigkeit der Rechtsprechung. Sie wurde in den Urkunden denn auch ausdrücklich erwähnt. 1394 hält z.B. der Steffisburger Statthalter Heinrich in Zullhalten im Protokoll fest, dass «ich [...] ze Stefensburg an den lantgericht offenlich zu gerichte sass»6, oder Berchtold Vogt, der Schultheiss von Thun, schreibt 1576, dass er in Thun «offentlich under ploßem himel und ann offner, fryer lantstraß z˚ u rächt saß».7 Auf dem Landgerichtsplatz stand der sogenannte Landstuhl, d.h. der Sitz, auf dem der Landrichter während der Verhandlung sass. In der Regel war der Landstuhl in leicht erhöhter Lage aufgestellt, damit die Umstehenden den Richter gut sehen konnten. Nicht selten waren die Landstühle fest montiert. Das Verfahren an bernischen Landtagen folgte einer genau festgelegten Ordnung, an die sich alle Beteiligten zu halten hatten.8 Zu beiden Seiten des Landstuhls waren die Gerichtsbänke im Halbkreis aufgestellt, auf denen die Gerichtssässen – in der Regel waren es zwölf – Platz nahmen. Der Kläger hatte sich rechts, der Beklagte links vom Richter aufzustellen. Während der Richter und die Gerichtssässen ihre Köpfe bedeckt hatten, mussten die Parteien mit ihren Beiständen barhäuptig erscheinen. Bayer, S. 99f. und Kluge, S. 133. Zum Landtagsverfahren vgl. z.B.: Rennefahrt, Bd. 3, S. 145ff.; Welti, S. 227ff.; SSRQ BE I/7, S. 403ff. 3 4 Idiotikon, 11/1753. 5 Dubler, Gerichtswesen. 6 SSRQ BE II/11, S. 490, Nr. 236. 7 SSRQ BE II/11, S. 260, Nr. 126; auch Huber, D 172, S. 500. 8 Rennefahrt, Band 3, S. 146 ff. 38 Die zur Teilnahme am Landtag verpflichteten Personen hatten ihren Platz ausserhalb der Einfriedung, von wo aus sie die Verhandlungen schweigend verfolgten. Die Gerichtslinde von Mülhausen. Die Miniatur aus der Diebold-Schilling-Chronik von 1513 stellt den Abschluss des Bündnisses zwischen den Bürgern von Mülhausen und der Stadt Basel im Jahr 1506 dar. Der Vertrag wurde unter der ummauerten Linde vor den Toren der Stadt Mülhausen geschlossen, am Ort, wo in der Regel das Landgericht tagte. Diebold-Schilling-Chronik 1513, Fol. 213r (431). Eigentum der Korporation Luzern. Die Gerichtsstätte, d.h. der Landgerichtsplatz, ist nicht zu verwechseln mit der Richtstätte, wo die Todesurteile vollstreckt wurden. Dieser Ort wurde in Steffisburg mit Richtstatt (1604: der acher stoßt an die Richtstatt) oder Hochgericht (1615: under dem Hochgericht) bezeichnet und befand sich im Gebiet Glockenthal an erhöhter und somit gut sichtbarer Lage unweit der Landstrasse oberhalb der Dorfhalde, wo die Flurnamen Galgenrain (1692: by dem Galgenrein) und Galgenhubel (1833: Galgen Hubel) an die Richtstätte erinnern.9 Für die Einzelnachweise der im Text kursiv gesetzten Ortsnamen vgl.: Frank, Ortsnamen. 9 39 Die Dingstatt des Äusseren Amts und später des Freigerichts befand sich in Steffisburg an der Stelle, wo 1543 das Landhaus gebaut wurde, also im Oberdorf. Bezüglich des Standorts wird in der Steffisburger Geschichtsliteratur seit bald hundert Jahren ein Irrtum tradiert, der sich in Christian Schiffmanns Buch «Steffisburg» (1916) eingeschlichen hat und seither immer wieder in allen einschlägigen Publikationen kolportiert worden ist. Schiffmann, der sich um die Steffisburger Geschichtsschreibung äusserst verdient gemacht hat, schreibt, dass sich eine Dingstatt «nach einem alten Verzeichnis auch zu Steffisburg auf der von Kien Hofstatt (befand). Diese Hofstatt ist vor dem Höchhaus zu suchen, indem die von Kien dort ihren Wohnsitz hatten. Hier wurde also über schwere Verbrechen gerichtet.»10 Die Lokalisierung dieser Hofstatt im Gebiet Höchhus – mit Hofstatt wird die Hausstelle, im weiteren Sinne auch ein Platz bezeichnet, auf welchem ein Landhof nebst Garten steht, gestand hat oder von Rechts wegen stehen darf11 – ist falsch, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Zweifellos spielten die Freiherren von Kien im Hochmittelalter in der Region eine bedeutende Rolle. Um 1200 besassen sie u.a. Güter im Berner Oberland, vor allem im Frutigtal. Ein Zweig der von Kien erbte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Herrschaft Worb, ein anderer hatte im 14. Jahrhundert in Thun wichtige Positionen inne. Der Niedergang des Freiherrengeschlechts gegen Ende des 14. Jahrhunderts dürfte in Zusammenhang mit der zunehmenden Verschuldung stehen.12 Die Freiherren von Kien verfügten auch in Steffisburg über einen ausgedehnten Grund besitz, der ihre Bedeutung für das Dorf umrisshaft erkennen lässt. Bereits vor Schiffmann hatten sich drei andere Historiker mit der Frage nach dem Standort der Steffisburger Dingstatt befasst: Der Thuner C.F.L. Lohner ging 1849 davon aus, dass der Landstuhl «in der Mitte des Dorfes Steffisburg» gestanden habe. Allerdings begründet er seine Annahme nicht.13 Albert Jahn merkte 1850 in seiner Beschreibung von Steffisburg lediglich an: «Übrigens befand sich zu Steffisburg ein Mallus ‚uff der von Kien Hoffstatt’».14 Karl Ludwig Stettler schliesslich gab in seiner Topographie der Schiffmann, S. 22. 10 Idiotikon, 11/1729. 11 Hälg-Steffen, Kien. 12 Lohner, Chronik, Bd. 1, S. 136. 13 Jahn, S. 409. 14 40 Vermutung Ausdruck, dass «diese Gerichtsstätte wohl in dem auf dem rechten Ufer der Zull gelegenen [...] Theil des Dorfes» liege und dass «hier [...] auch wohl der sogenannte Landstuhl (stand)».15 Wie Lohner blieb auch Stettler eine Begründung schuldig. Beim «alten Verzeichnis», das Schiffmann erwähnt, handelt es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um den undatierten Eintrag aus dem 15. Jahrhundert im Berner Stadtbuch, wo zu lesen ist: «Dis sint die dingstet der lantgerichten, als si von alter har sint komen vnd als erberen lút vff dem lant darumb lutrung geben hant: [...] «ze Stefensburg im dorf vff der von Kien hofstat».16 Der Zusatz im dorf, der bei Schiffmann fehlt, lässt aufhorchen: Wie nämlich die Ortsnamenforschung zeigt, wird das Gebiet, wo sich das Höchhus befindet, zu keiner Zeit mit Dorf bezeichnet. Dorf meint in den Quellen immer das Gebiet zwischen Kirche und Dorfbrücke, also das heutige Oberdorf rechts der Zulg und damit das eigentliche mittelalterliche Siedlungszentrum auf dem Schüttungskegel des Dorfbachs, niemals aber das heutige Gebiet Höchhus, welches sich in leicht peripherer Lage einige Hundert Meter in südöstlicher Richtung auf der gegenüberliegenden Seite der Zulg befindet. Die im Jahr 1308 bezeugte Mühle in unmittelbarer Nähe zum Höchhus liegt am Zulla. Östlich schliessen sich das Mättenfeld (1317), die Zelg (1483) und etwas weiter südöstlich und über dem Talboden der Zulg die Erlen (1260) an. Die Bezeichnung Dorf suchen wir hier vergeblich. Zwar besassen die Freiherren von Kien im genannten Gebiet verschiedene Güter – unter anderem gehörten ihnen ein Teil der Oberen Mühle und die Säge17 – gleichzeitig verfügten sie aber auch über einen umfangreichen Besitz im heutigen Oberdorf, wie sich aus verschiedenen Güterverzeichnissen schliessen lässt.18 Ob sich das Höchhus bzw. seine Vorgängerbauten jemals im Besitz der Freiherren von Kien befanden, lässt sich anhand der Schriftquellen nicht belegen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Häuser zur Erbmasse gehörten, welche von Mechtild von Kien über Petermann von Stettler, S. 69f.. Der Beitrag zu Steffisburg stammt vermutlich aus dem Jahr 1857. 15 Schiffmann macht keine Quellenangaben. Im vorliegenden Fall kann aufgrund des Wortlauts auf die benutzte Quelle geschlossen werden: SSRQ BE I/1 und 2, Stadtrechte, S. 445. Lohner liefert bereits für das Jahr 1409 einen Nachweis für die «Dingstatt der Landtage im oberen Theil der Landgrafschaft Burgund oder des Landgerichts Konolfingen auf der Hofstatt der Herren von Kiehn» in Steffisburg. Lohner, Bd. 1, S. 432; ohne Quellenangabe. 16 Frank, Gewerbefleiss, Bd. 2, S. 130 und S. 215. 17 StAB C II a Thun 19 (Thun Urbar Nr. 19). 18 41 Krauchthal und Johannes von Muleren an Vinzenz Matter kam.19 Zusammen mit der Oberen Mühle und der Säge im Unterdorf könnten sie das Zentrum einer Grundherrschaft gebildet haben. Dass sich der von Kien hofstat im Oberdorf befand, entnehmen wir einer Urkunde von 1398, in der die Grenzen eines Gartens in Steffisburg mit «einendhalb an der scheitgasse, anderhalb an der von Kien hofstat» angegeben sind.20 Dank der Nennung der Scheidgasse lässt sich diese Hofstatt zweifelsfrei im Gebiet Oberdorf lokalisieren. Über den genauen Standort der Dingstatt gibt schliesslich eine Urkunde aus dem Jahr 1581 Aufschluss, in der Schultheiss und Rat der Stadt Bern den Steffisburgern die Verlegung der Freistätte für Totschläger gestatten: «Demnach unnsere lieben getrüwen der kilchhöri und gmeind z˚ u Stävisburg vonn ir besseren gelägenheit und gemeinen nutzes wegenn uff dem platz, da hievor der landtst˚ ul gstanden und der thodschlegerenn fryheit gewäsen, ein grichthus gebuwen und den landtst˚ ul an ein ander ort verruckt, und unns hieruf durch ire erbaren gsandten pittlich ans˚ uchen lassenn, inen zevergünstigen, das sy nun die vorberue rte fryheit in dem vorgemeltenn nüw erbuwnen hus gehaben mögind. [...].»21 Aus der Textstelle geht klar hervor, dass sich der Landstuhl und damit auch die Dingstatt an dem Ort befunden hatten, wo in der Mitte des 16. Jahrhundert das grichthus, d.h. das Landhaus bzw. dessen Vorgängerbau gebaut wurde, also an der Ecke Oberdorfstrasse/Schulgässli, direkt gegenüber dem Dorfplatz, der 1588 erstmals urkundlich erwähnt wird (uf dem platz). Über den Ort, wo nach dem Bau des Landhauses der Landtag zusammentrat, finden sich in den Quellen keine Hinweise. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass die Versammlungen auf dem Dorfplatz stattfanden. Die Auswertung der Quellen zeigt, dass die Steffisburger Dingstatt von Schiffmann irrtümlich mit dem Höchhus in Verbindung gebracht wurde und dass dieses somit – man ist versucht zu sagen: leider – nicht in Anspruch nehmen kann, jemals Ort der Dingstatt bzw. Sitz des Landgerichts gewesen zu sein. Schiffmann, S. 100f. 19 Huber, S. 112. 20 SSRQ BE II/11, S. 584, Nr. 294. 21 42 Lage der Steffisburger Dingstatt. Das Landhaus wurde 1543 an dem Ort gebaut, wo bis dahin der Landstuhl gestanden hatte. Kartenausschnitt aus dem Topographischen Atlas der Schweiz, Blatt 353 Thun, 1876. DER BAU DES LANDHAUSES Bis in die frühe Neuzeit fanden die Landtage in Steffisburg nach altem Herkommen unter freiem Himmel statt. Weil die Gerichtsorganisation – nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung – nicht mehr genügte, beschlossen Schultheiss und Rat von Bern im Jahr 1471, das Freigericht aufzuteilen und neu die beiden Gerichte Steffisburg und Sigriswil zu schaffen. Gleichzeitig hob man die Gerichtsstätte an der Lauenen in Thun auf. 1473 wurde die neue Gerichtsorganisation definitiv eingeführt und deren Verfassung den Orten Sigriswil und Steffisburg auf ihr Ansuchen hin bestätigt, «damit si des sicher sin, ir geschefft darnäch handlen und ettlich sachen darz˚ u notdurftig, namlichen húser darzue buwen, tafernen bestellen und anders, des stattlicher fúrnemen mogen.»22 Sigriswil und Steffisburg erhielten also u.a. das Recht, ein Gerichtshaus zu bauen und künftig wenigstens einen Teil der Rechtsgeschäfte unter dessen Dach, vor Wind und Wetter geschützt, abzuwickeln. Die Verlegung der Gerichtsverhandlung von den Landgerichtsplätzen in Gerichtshäuser spiegelt die Entwicklung der Rechtsprechung in der frühen Neuzeit: Die Urteilsfindung erfolgte nicht mehr länger ausschliesslich SSRQ BE II/11, S. 515f., Nr. 250b. 22 43 im Beisein des versammelten Landtags, sondern wurde einer gewählten Gerichtsbehörde übertragen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die zu behandelnden Rechtsgeschäfte im Laufe der Zeit immer mehr zunahmen. In der Zeit des Ancien Régimes tagte das Gericht, dem zwölf Gerichtssässen und der Gerichtsweibel angehörten, regelmässig im Landhaus unter dem Vorsitz des Statthalters, welcher den Schultheissen vertrat.23 Nicht nur in Steffisburg, sondern auch andernorts war man bestrebt, das Gericht nicht weiter im Freien abzuhalten. Schultheiss und Rat in Bern gestanden z.B. um 1521 den Lenzburgern zu, «so dise z˚ u zittenn wätters unnd annder unkumlichkeit halb under dem Sarboum nach alter gewanheit das Rächt nit mogent usfürenn aldann solchs dasselbs In der Statt Länzburg bruchen unnd z˚ u uerttigenn (fertigen; d.V.)», ohne dass der Stadt daraus ein Nachteil erwachsen solle.24 Vom Bau des Gerichtshauses in Steffisburg vernehmen wir erst in den Jahren 1543/44, also siebzig Jahr nach Erteilung der Baubewilligung. Warum bis zum Bau so viel Zeit verstrich, darüber geben die Quellen keine Hinweise. Einem Eintrag im Berner Ratsmanual ist zu entnehmen, dass die Obrigkeit «Denen von Stävisburg ein venster und 100 Pfund an iren buw des Grychtshus» bewilligte.25 1544 schenkte die Stadt Thun «in das neu erbauene Wirthshaus zu Steffisburg ein Fenster mit dem Wappen.»26 In diesem Gebäude, das 1549 in einer Urkunde erstmals als «wihrts- oder landhaus» erscheint,27 tagte künftig unter der Leitung des Statthalters das Gericht. Gleichzeitig diente es als Gastwirtschaft. Daneben befanden sich im Erdgeschoss Stallungen zum Einstellen der Pferde und der Pfandstall, in den Tiere verbracht wurden, die unberechtigterweise auf der Allmend weideten. Mitte des 17. Jahrhunderts befand sich auch die «Kefi» (das Gefängnis) im Landhaus.28 Die Gründe, die dazu führten, dass das Landgericht schon im Jahr 1549 das Landhaus an den Steffisburger Batt Surer verkaufte, kennen wir nicht. Im Kaufvertrag sicherte Surer den Verkäufern zu, dass das «obgemelt verkaufft hauß und hofstatt einer gantzen gemeind des freyen gerichts Stef SSRQ BE II/11, S. 1092 (Regionenbuch 1783/84). 23 StAB A I 329, S. 307. 24 StAB A II 155, Band 285: 21.5.–22.9.1543, S. 311. Vgl. auch: Haller, Band 3, S. 172. 25 Thuner Seckelamtsrechnung. In: Lohner, Band 1, S. 793. 26 SSRQ BE II/11, S. 570, Nr. 284. 27 KGAS 3, 2.8.1663. 28 44 fisburg, es sig zu landtagen, gmeinden, z˚ u gricht und recht, sprüchen, tädingen und allen anderen geschäfften, so ein g’meind antrifft, frey, offenn hauß seyn soll, z˚ u welchen zeiten mann des bedarff und notwendig seyn wird.» Weiter räumte Surer der Gemeinde das Recht ein, falls er «einer gmeind thäte, das unzimlich wäre», [...] «einen anderen wirt nebenst mir z˚ u setzen». Zudem sollten im Freigericht Sesshafte das Recht haben, ihre Pferde im Stall einzustellen, sofern dieser nicht mit «gastroß» belegt war. Die Gemeinde behielt sich das Vorkaufsrecht vor.29 Von diesem machte sie denn auch schon 1564 Gebrauch, kaufte das Landhaus zurück und gab es in Pacht.30 Das Landhaus Steffisburg, vor 1913. Das 1543 erbaute Landhaus wurde im Laufe der Zeit mehrmals umgebaut: Das geknickte Walmdach stammt aus dem ausgehenden 17., die Fassade datieren aus dem frühen 19. Jahrhundert. Der Saal (links) wurde 1876 angebaut.31 Postkartensammlung Einwohnergemeinde Steffisburg. Die Bestätigung des Wirts und eines Nebenwirts im grichtshuß Steffisburg fiel in die Kompetenz des Thuner Schultheissen. Dieser hatte auch über die Einhaltung der obrigkeitlichen Ordnung zu wachen.32 Ende des 17. Jahrhunderts war «das landthauß, alda gricht gehalten wird», in Stef SSRQ BE II/11, S. 570, Nr. 284. 29 Kasser, S. 173. 30 Bauinventar, S. 155. 31 SSRQ BE II/11, S. 570/34, Nr. 284. 32 45 fisburg das einzige Wirtshaus.33 Daneben gab es im heutigen Gemeindegebiet noch sechs Pintenschenken, wo aber nur Wein aus dem Dorf sowie Brot und Käse den Gästen serviert werden durften.34 Erst 1872, als die Landschaftsbehörde ihre Tätigkeit einstellte, verlor das Landhaus endgültig seine Funktion im Dienste der Verwaltung und Rechtsprechung.35 DIE FREISTÄTTE, WOLFSTUBE GENANNT Jeder Gerichtsbezirk verfügte über eine so genannte Freistätte (auch: Freistatt, Freiheit, Friung, Frihof u.ä.36), einen geschützten Raum, wo Totschläger, die nicht die Flucht ergriffen, vorübergehend Asyl fanden. Die Freistätten befanden sich an ganz unterschiedlichen Orten, z.B. in Kirchen, Burgen oder den Häusern der Gerichtssässen. In der Stadt Thun z.B. war die Freistätte im Freienhof an der Aare. Zweck der Freistätte war, den Täter vor der Blutrache zu schützen, damit er sich entweder mit der Familie des Opfers vergleichen oder sich einem öffentlichen Gerichtsverfahren stellen konnte. Letzteres machte für den Täter nur Sinn, wenn er annehmen durfte, freigesprochen zu werden.37 In Steffisburg wurde 1543 das Landhaus «uff dem platz, da hievor [...] der thodschlegerenn fryheit gewäsen», gebaut.38 Wegen des Neubaus wurde die Freistätte aber offenbar verlegt. Wir wissen allerdings nicht, wo sie sich zwischen 1543 und 1581 befand. 1581 erhielten die «lieben getrüwen der kilchhöri und gmeind z˚ u Stävisburg» auf ihr Ansuchen von Schultheiss und Rat in Bern das Recht, die Freistätte ins Gerichtshaus zu verlegen. Im Rahmen der Bewilligung wurde sehr genau festgelegt, welcher Teil des Hauses zur Freistätte diente: «Das wir [...] hiemit vorberue rte fryheit inn die stuben vorgemelts grichtshuß, die Wollffstubenn genampt, und inn dz gadenn oder gemach, so darob gelägen, welche ein viertheil diß huß und uff der stägen sind, trannsferiert und dieselbenn beyde obvermeltenn gmach zur fryheit erwölt, geordnet und bestimpt [...].»39 SSRQ BE II/11, S. 607. 33 Schiffmann, S. 133 und S. 165. 35 Schiffmann, S. 40. 36 Idiotikon, 1/1265. 37 Rennefahrt, Band 3, S. 42, Anm. 4; Band 3, S. 88f. 38 SSRQ BE II/11, S. 584, Nr. 294. 39 SSRQ BE II/11, S. 584, Nr. 294. 34 46 Dass die Freistätte Wolfstube genannt wurde (sie taucht auch im ausgehenden 17. Jahrhundert noch unter diesem Namen im Chorgerichtsmanual auf40), mag rätselhaft erscheinen. Die Forschung hat es bisher denn auch vermieden, den Namen zu deuten. Sowohl der Personen- als auch der Familienname Wolf ist in der Region bereits in der frühen Neuzeit verbreitet und mehrfach bezeugt.41 Denkbar wäre somit die Benennung z.B. nach dem Besitzer oder Bewohner der Liegenschaft, nach einem Gerichtsherrn, Statthalter oder Gerichtssässen. Allerdings lässt sich zwischen dem Namen und der Freistätte kein Bezug herstellen. Ein Zusammenhang mit Wolf (canis lupus) ist kaum wahrscheinlich. Zwar war der Wolf auch in unserer Gegend heimisch und wurde gejagt. Davon zeugt u.a. der Flurname Wolfgrube (1357: under der Wolfgruben), der auf eine (Fall-)Grube zurückzuführen ist, in der Wölfe gefangen wurden. Ein Bezug zur Freistätte lässt sich aber auch hier nicht erkennen. Viel wahrscheinlicher ist eine Deutung im Zusammenhang mit dem Heiligen Wolfgang42: Wolfgang von Regensburg (924–994), der aus dem süddeutschen Raum stammte, hielt sich u.a. auch im Gebiet der heutigen Schweiz auf, wo er im Benediktinerkloster Einsiedeln sein Gelübde ablegte. Im Jahr 972 wurde er von Kaiser Otto II. zum Bischof von Regensburg ernannt, wo er während 22 Jahren wirkte. Wolfgang, der im Jahr 1052 von Papst Leo IX. heilig gesprochen wurde, gehörte zu den volkstümlichen Heiligen und wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz verehrt, in unserer Gegend zum Beispiel im Kirchlein Würzbrunnen ob Röthenbach, wohin in vorreformatorischer Zeit aus der Region Thun/Steffisburg regelmässig Wallfahrten stattfanden.43 In Thun war die Kapelle zu St. Wolfgang beim elenden Kreuz dem Heiligen geweiht. Diese Kapelle, die sich vor der Stadt «an der Allmend» befand, wurde nach der Reformation 1531 abgebrochen.44 Der heilige Wolfgang mit seinen Attributen: Bischofsstab, Beil und Kirchenmodell. Marke der Deutschen Post, 1994 herausgegeben zum 1000. Todestag des Heiligen. Wikipedia. KGAS 5, S. 25, 1678. 40 Huber, S. 697 und SSRQ BE II/11, S. 1152. 41 Zum Leben und Wirken des heiligen Wolfgang: vgl. Schauber/Schindler, S. 559f. 42 Lohner, Kirchen: S. 126. Guggisberg, S. 18 und S. 31. Heim, S. 3. 43 Lohner, Chronik, Bd. 1, S. 481 und S. 757. 44 47 Kirche Würzbrunnen. Foto: Verkehrsverein Röthenbach. Der heilige Wolfgang wurde z.B. bei Lähmungen, Augenkrankheiten, Fussleiden, Ruhr, Hautentzündungen (Wolf), Missgeburten und bei Viehkrankheiten angerufen. Zudem ist er der Schutzheilige u.a. der Hirten, Schiffer, Holzfäller und der unschuldig Gefangenen – womit der direkte Bezug zur Freistätte gegeben ist: Wer in der Wolfgangsstube (kurz: Wolfstube) Zuflucht suchte, war in gewissem Sinne ein Gefangener, hielt sich aber für unschuldig und begab sich mit dem Aufsuchen der Freistätte in den Schutz des heiligen Wolfgang. Der Name Wolfstube erweist sich linguistisch somit als Klammerform, welche die zweite Silbe des Personennamens aus sprachökonomischen Gründen ausfallen lässt. Dass über sechzig Jahre nach der bernischen Reformation (1528) die Freistätte noch immer den Namen eines Heiligen trug, ist durchaus denkbar: Der alte Glaube liess sich nicht einfach per Mandat von einem Tag auf den anderen beseitigen, besonders nicht im Berner Oberland, wo die Reformation auf starken Widerstand gestossen war und alte Gewohnheiten und Zustände z.T. noch weiter bestehen blieben.45 So wurden z.B. im bernischen Staatsgebiet nach der Reformation anfänglich noch 26 Feiertage beibehalten und im Brauchtum lebten verschiedene Heiligentage noch lange weiter, nicht zuletzt wegen ihrer Rolle bei der Wettervorhersage und als Zinstermine.46 So dürfte denn auch der heilige Wolfgang in unserer Region noch längere Zeit im Volksglauben eine Rolle gespielt haben. Während der Heilige in Laufe der Zeit zunehmend an Bedeutung verlor und in Vergessenheit geriet, überdauerte sein Name in der Benennung der Freistätte. Schiffmann, S. 197. 45 Guggisberg, S. 125f. 46 48 Quellen- und Literaturverzeichnis Literatur Bayer, Erich: Wörterbuch zur Geschichte. Stuttgart 31974. Brandstetter, Josef Leopold: Beiträge zur schweizerischen Ortsnamenkunde. Dingstätten des Mittelalters. In: Der Geschichtsfreund: Mitteilungen des Historischen Vereins der Zentralschweiz, Band 51. 1896, S. 293–303. [Dubler, Burgund] Dubler, Anne-Marie: Burgund. In: Historisches Lexikon der Schweiz. Version vom 29.12.2013. www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8572.php. [Dubler, Region Thun] Dubler, Anne-Marie: Die Region Thun-Oberhofen auf ihrem Weg in den bernischen Staat 1384-1803. In: Dubler, Staatswerdung, S. 158–217. [Dubler, Staatswerdung] Dubler, Anne-Marie: Staatswerdung und Verwaltung nach dem Muster von Bern. Wie der Staat vom Mittelalter an entstand und sein Territorium verwaltete – und wie die Bevölkerung damit lebte. Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern, Band 90. Baden 2013. 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Schild, Wolfgang, Alte Gerichtsbarkeit. Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechts prechung. München 1980. Schweizerisches Idiotikon. Schweizerdeutsches Wörterbuch. Das Schweizerische Idiotikon digital (Bd. I–XVI, Grundwörter A – X). www.idiotikon.ch/index.php?option=com_wrapper&view=wrapper&Itemid=195. Welti, Friedrich Emil: Zwei Landtage zu Ins im XVI. Jahrhundert. In: Neues Berner Taschenbuch, Band 18. Bern 1912, S. 223–244. 49 Gedruckte Quellen Bauinventar der Gemeinde Steffisburg, Amtsbezirk Thun. Aufnahme des erhaltenswerten Baubestandes. Denkmalpflege des Kantons Bern (Hg.). Bern 1995. Haller, Berchtold: Bern in seinen Rathsmanualen 1465–1565. 3 Bände. Bern 1900, 1901 und 1902. Huber, Carl (Hg.): Die Urkunden der historischen Abteilung des Stadtarchivs Thun. Thun 1931. [SSRQ] Schweizerische Rechtsquellen: – SSRQ BE I/1 und 2. Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Erster Teil, Stadtrechte, Band 1 und 2. Das Stadtrecht von Bern I und II, Handfeste, Satzungsbücher, Stadtbuch, Stadtsatzung 1539, bearbeitet und herausgegeben von Friedrich Emil Welti, in zweiter Auflage bearbeitet von Hermann Rennefahrt unter Mitarbeit von Hermann Specker. Aarau 1971. – SSRQ BE I/7: Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Erster Teil, Stadtrechte, Band 7. Das Stadtrecht von Bern VII: Zivil-, Straf- und Prozessrecht von Hermann Rennefahrt. 1. Hälfte, 1963 (SSRQ BE I/7.1). 2. Hälfte, 1964 (SSRQ BE I/7.2). – SSRQ BE II/11. Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Zweiter Teil, Rechte der Landschaft, Band 11. Das Recht der Stadt Thun und der Ämter Thun und Oberhofen, bearbeitet von Anne-Marie Dubler. 2 Halbbände. Basel 2004. Ungedruckte Quellen Staatsarchiv des Kantons Bern StAB StAB A I 329, Band Z. Deutsche Spruchbücher des oberen Gewölbes 1411–1615. Band Z: 1520–1523. StAB A II 155, Band 285. Ratsmanuale 1465–1600. Band 285: 21.5.1543–22.9.1543. StAB C II a Thun 19. Urbar über Bodenzinse des Interlakenhauses zu Thun, ca. 1530. StAB C II a Thun 20. Urbar über Bodenzinse des Interlakenhauses zu Thun, 1604. Burgerbibliothek Bern BBB [Stettler] BBB Mss.h.h.XIV 60 und 61: Historische Topographie des Kantons Bern, abgefasst von K. L. Stettler, 2 Bände, 1839 (Vorrede zum ersten Band). Artikel «Steffisburg» in Band 2, S. 69–71. Die Datierung einer Miniatur, welche das Höchhus zeigt, legt nahe, dass der Beitrag zu Steffisburg aus dem Jahr 1857 stammt. Burgerarchiv Thun BAT Lohner, Carl Friedrich Ludwig: Chronik der Stadt Thun aus den Quellen gesammelt und zu sammengestellt. 2 Bände. Msc. Band I–1550, Band II 1551–1863. SBT VII 8700a1 + a2. Depositum Stadtbibliothek Thun. Burgerarchiv Steffisburg BAS BAS 1 Urbar über Einer Ehrenden Dorffs-Gmeind Steffisburg Brieffschafften und Gewahrsammen, aufgericht Ao 1727. Kirchgemeindearchiv Steffisburg KGAS KGAS 1–16, Chorgerichtsmanuale. 16 Bände. 1605–1852. Zentralbibliothek Luzern Diebold-Schilling-Chronik 1513. Depositum Korporation Luzern. 50 Erfolgreiche Kriminalistik in Thun … einst Jon Keller MARGINALIE ZU EINEM KRIMINALFALL VON 1851 Die Kriminalistik bedient sich heute verschiedenster Hilfsmittel, um Verbrechen aufzuklären. Einige sind seit Jahrzehnten bekannt, so etwa seit 1901 das Fingerabdruckverfahren, das heisst, die Auswertung der Merkmale der Fingerabdrücke, des Hautleistenreliefs, welche das Eruieren von Tätern ermöglicht. Seit geraumer Zeit ist die DNA-Analyse unverzichtbares Hilfsmittel der Kriminalistik. Da die Desoxyribonukleinsäure Träger der genetischen Information und Hauptbestandteil der Chromosomen ist, kann durch die DNA-Analyse ein Haar oder ein Speicheltropfen beispielsweise zur sensationellen Entlarvung von Tätern führen. Von derartigen Methoden konnten im 19. Jahrhundert Kriminalisten nur träumen. Aber: auch im 19. Jahrhundert konnten Erfolge verbucht werden, welche kriminalistischer Scharfsinn möglich machte. Dies zeigt der Fall eines Diebstahls mit Totschlag, der sich 1851 in Thun ereignet hatte. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1851 brach ein Dieb in das Verkaufsgeschäft des Käsehändlers Gerber an der Thuner Bernstrasse ein, wobei Gerber, der den Dieb hörte und dingfest machen wollte, im Handgemenge vom Schelm niedergestochen und getötet wurde. Da der Übeltäter fliehen konnte, blieb das Verbrechen vorderhand unaufgeklärt und der Mörder Staatsarchiv Bern Bez Thun B 1713. konnte nicht verhaftet werden. Im Oktober desselben Jahres indessen wurde in Weggis ein gewisser J. C. Ammann mit einem Kumpanen verhaftet. Er war 23 Jahre alt, stammte aus Württemberg und war gelernter Schriftgiesser. Bei seiner Festnahme konnten Ammann diverse Diebstähle in den Kantonen Bern und Zürich nachgewiesen werden. Einen Zusammenhang mit dem Einbruch bei Käsehändler Gerber in Thun jedoch stritt er vehement ab, ja er behauptete, überhaupt noch nie in Thun gewesen zu sein. Ammann trug jedoch bei seiner Verhaftung in einer Brieftasche beschriebene Papierblätter mit sich, die in einer nicht verständlichen Geheimsprache beschriftet waren. Die Blätter wurden einem Spezialisten aus Zürich namens Prof. Frei übergeben, dem es gelang, die Geheimschrift zu entzif51 fern. Und siehe da: die Blätter stellten tagebuchartige Notizen dar. Darin wurde unter anderem der Diebstahl mit Todesfolge bei Käsehändler Gerber am 20. Juli 1851 vermerkt. Wörtlich stand zu lesen: «Christian Gerber, Käshändler, Fr.100 auf meine Entdeckung ausgesetzt». Auch das Messer, mit welchem Gerber durch Ammann tödlich verletzt wurde, konnte gefunden werden, und ein Messerschmied befand, dass die Wunde im Schädel Gerbers vom Messer Ammanns herrühren würde. Dank dieser eindeutigen Beweislage gestand Ammann seine Tat. Ende Juni 1852 wurde er dann vor die Assisen in Thun geführt und von den Geschworenen wegen Totschlages verurteilt. Das Urteil lautete auf 20 Jahre Kettenstrafe, entgegen dem Antrag des Bezirksprokurators, der die Todesstrafe gefordert hatte. Klärung eines Verbrechens dank damaliger scharfsinniger Kriminalistik … Chapeau! Quellenhinweise Staatsarchiv Bern, Thun, Richteramt, Ausgewählte Prozeduren, 1850 – 1860, StAB Bez Thun B 1713. Staatsarchiv Bern, Thun, Richteramt, Allerlei Register von Verurteilten etc., ca. 1830–1870, StAB Bez Thun B 1749. Thuner-Blatt 3. Juli 1852. Adresse des Verfassers: Dr. Jon Keller, weiland Stadtarchivar, Schönmattweg 20, 3600 Thun, [email protected]. 52 Auf den Spuren von Arnold Itten in Thun Guntram Knauer Arnold Jakob Itten wurde am 27. Januar 1900 in Thun geboren. Er «studiert von 1918–1923 bei Karl Moser an der ETH Zürich Architektur, 1924 eröffnet er mit Otto von Bähler, der sich aber bald wieder zurückzieht, in Thun ein Architekturbüro. 1924/25 beschäftigt er den holländischen Architekten Mart Stam47. Wieweit Itten von diesem radikalen Vertreter der Moderne beeinflusst wird, ist nicht geklärt.»48 Nach seinem frühen Tod am 11. November 1953 übernimmt sein Sohn Jakob Itten (1930–1988) das Büro und führt es bis zum Zusammenschluss mit Otto Brechbühl 1957 zum Architekturbüro «Itten und Brechbühl» selbständig weiter.» Seine Enkelin Corinne Itten gründete zusammen mit Daniel Messerli 1992 ein Architekturbüro in Bern (heute GIM Gauer Itten Messerli Architekten). Abbildung 1 (von links nach rechts): Tochter Maja, Annie Smits (2. Ehefrau) mit Tochter Franziska, Arnold Itten, Sohn Jakob (Köbi). In seinem Lebenslauf49 hält er fest, dass er an 20 Wettbewerben 17 Mal mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Stolz schreibt er: «Mein bisher grösstes Werk war der Bau der Kantonal-Bernischen Ausstellung Thun 1949, den ich restlos selbständig projektierte und leitete.» Mart Stam, Eine Reise in die Schweiz. Die Zeit bei Arnold Itten.1923–1925, hsg von Werner Oechslin, gta Zürich. 47 Ursula Maurer: Lebenslauf und Werkauswahl, Beitrag für das Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Hg Isabella Rucki / Dorothée Huber, Basel 1998. 48 Lebenslauf, Beilage zu einer Bewerbung um Aufträge bei der Stadt Thun, dat. 27. Februar 1950. 49 53 Abbildung 2: Das 1930 entstandene Eigenheim «Am Rank» in Hünibach. «Itten gehört zu den frühen und wichtigen Pionieren der Moderne in der Schweiz. Die meisten seiner Bauten errichtet er im Raum Thun/Berner Oberland. Mit dem Doppelhotel Alpina/Edelweiss in Mürren macht er schon 1927 weit über die Schweizergrenzen hinaus auf sich aufmerksam: Wie Bauklötze komponiert er die Hoteltrakte nebeneinander; lang gezogene, stützenfreie Balkone gliedern den Bau horizontal, das Flachdach dient als Sonnenterrasse. Die Konstruktionsweise – ein Eisenbetonskelett hinter verputztem Mauerwerk – ist für den damaligen Hotelbau in der Schweiz ein Novum. Zum modernen Konzept gehören die Typisierung und Standardisierung von Innenraumstruktur und Einrichtung. Die schlichten, serienmässig produzierten Holzmöbel sind ebenfalls ein Entwurf Ittens. 1927/28 zeichnet Itten die ersten Pläne für das später von Emil Fahrenkamp, Düsseldorf, in modifizierter Form realisierte Hotel Monte Verità in Ascona.»50 Thun, EIDGENÖSSISCHE STADT Gibt man im elektronischen Telephonbuch von Thun «eidgenössisch» ein, bekommt man eine Reihe von Treffern. Sie erinnern daran, dass Thun nicht einfach ein regionales Zentrum im Übergang zwischen Mittelland und Berner Oberland ist, sondern eine eidgenössische Stadt. Aus der ganzen Schweiz kamen die Kader und Angestellten des Waffenplatzes und Ursula Maurer: Lebenslauf und Werkauswahl, Beitrag für das Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Hg Isabella Rucki / Dorothée Huber, Basel 1998. 50 54 der Eidgenössischen Betriebe. So kennt Thun eine «paroisse francaise», Katholische Ost- und Innerschweizer führten die Fas(t)nacht wieder ein. Pensionierte Instruktoren aus allen Landesteilen engagieren sich ehrenamtlich in verschiedenen Organisationen. Abbildung 3: Dufourkaserne Hofseite, 2012. Waffenplatz und Eidgenössische Betriebe gehören zu den Arealen, die Thun prägen. Sie sind neben der Altstadt und Seevorstadt (Seefeld) der einzige Teil, der systematisch angelegt wurde, geometrisch, mit der Allmendstrasse als Ausfallstrasse und ordnender Achse. Im Gegensatz zum Selve-Areal, das nach der industriellen Nutzung brach liegt und heute neu bebaut ist, wird auf der Kleinen Allmend die Koexistenz vorgelebt. Die Bauten weisen zwei Hausnummern auf, eine weisse militärische und eine blaue zivile. Die «verbotene» Stadt öffnet sich für zivile Unternehmen, die militärische Nutzung bleibt präsent. Während die neuen Bauten in der Stadt Thun eher der Tradition verpflichtet sind, wird im Militärareal modern in Eisenbeton gebaut. Der künstliche Stein «Beton» revolutioniert die Architektur. Beton ist beliebig formbar, kann mit verschiedenen Oberflächen geschalt, sogar eingefärbt werden. Beton wird als langlebig angesehen. Einen besonderen Reiz übt der ausdruckstarke Sichtbeton aus. Ausgewiesene Architekten wie Peter Lanzrein und Arnold Itten entwerfen mehrere Militärbauten, die so zu qualitativ hoch stehenden Zeugen moderner Architektur in Thun werden. Die Dufourkaserne wurde 1938/39 für die Panzertruppen errichtet. Der im Grundriss U-förmige Komplex setzt sich aus dem fünfgeschossigen Hauptbau der einbündig organisierten Mannschaftskaserne und zwei rechtwinklig dazu angeordnete Nebenbauten zusammen, dem zweigeschossigen Bau mit Verwaltung und Offizierskaserne und der eingeschossigen Geschützhalle. Die Fassaden des Hauptbaus sind nach den Vor55 Abbildung 4: Dufourkaserne, Allmendstrasse, 2012. stellungen der Moderne gestaltet. In einem strengen Raster angeordnete breite, liegende Fenster bilden die dem Kasernenhof zugewandte Fassade. An der Allmendstrasse ist der Bau durch Treppen und Sanitärtürme plastisch gegliedert. Ein schwach geneigtes Walmdach schliesst den Bau ab. Die strassenseitige Eingangspartie ist mit einem 1949 hinzugefügten Wandgemälde von Jean-Pierre Eichenberger geschmückt. Zwischen 2010 und 2012 sanierten die HMS Architekten Spiez die Kaserne und bauten das zentrale Verpflegungszentrum für den Waffenplatz ein. «Ein grosser Wurf gelingt Itten 1941/42 mit der Geschützmontagehalle / Versuchswerkstatt».51 Die Hauptfront dieses Sichtbetonbaus ist durch elegante Pfeiler und grosse Fenster mit Betonsprossen klar gegliedert. Bahnseitig ist ein niedriger Handwerkertrakt vorgelagert. Das flache Dach kragt nur wenig aus. Das Innere der Halle ist original erhalten: spezielle Fensteröffner für die Lüftungsflügel, eigens konstruierte Lampen, grazile Metallrahmen für die einfach verglasten Fenster. Abbildung 5: Nordwestfassade 2012. Ursula Maurer: Lebenslauf und Werkauswahl. 51 56 Abbildung 6: Handskizze Treppenturm. Abbildung 7: Handwerkertrakt, bahnseitige Fassade, 2012. Abbildung 8: Inneres der Halle, 2012. Abbildung 9: Lampe, 2012. WOHNHÄUSER «Neben den in moderner Grundhaltung erstellten Bauten gibt es von Itten im Raum Thun eine grosse Anzahl von eher biederen Ein- und Mehr familienhäusern in Anlehnung an den Berner Landhaus-, bzw. den späten Heimatstil.»52 Im städtischen Bauinventar ist das Haus Jungfraustrasse 9 erwähnt, ein im Berner Landhausstil 1926 errichteter wohlpropor tionierter kubischer Putzbau unter Walmdach. Sein schlichtes Äusseres zeigt typische Art-Deco-Motive am Eingangsportikus und an den Fensterverdachungen aus Kunststein. Renovation und Umbau erfolgten durch den Thuner Architekten Christian Breitenstein. Ursula Maurer: Lebenslauf und Werkauswahl. 52 57 Abbildung 10: Situationsplan J.V. Widmannstrasse 10. Abbildung 11: Südfassade, 2012. Zwischen 1926 und 1930 entstanden am Brahmsweg und Scheffelweg mehrere Einfamilienhäuser. An der J. V. Widmannstrasse 10 baute Itten 1932 ein Dreifamilienhaus. Eines der grössten Bauvorhaben Ittens ist eine zwischen 1931 und 1953 erstellte Blockrandbebauung am Eigerplatz (Waisenhausstrasse 2, 4, 6 und 8). Die schlichten, in Eisenbeton und Mauerwerk aufgeführten Miethäuser unter Satteldach zeichnen sich durch klar gegliederte Hauptfassaden und individuell gestaltete Eingänge aus. Abbildung 12: Waisenhausstrasse 8, 6, 4 und 2, vom Eigerplatz aus gesehen. 58 Abbildungen 13–15: Verschiedene Eingänge. LADENEINBAUTEN «Seine zahlreichen Umbauten und Erweiterungen – insbesondere von Läden, Restaurants und Hotels – sind meist in einer historisierenden Stilmischung ausgeführt, doch gibt es darunter auch so hervorragende wie den 1936 ausgeführten Ladeneinbau der Berntor-Apotheke»53 an der Unteren Hauptgasse 31 und den schönen Ladeneinbau für Rudolf Heiniger, Elektriker (Bälliz 18). Abbildung 16: Untere Hauptgasse 31. Ursula Maurer: Lebenslauf und Werkauswahl. 53 59 VON DER KABA ZUM SPORTSTADION LACHEN Am 16. Oktober 1946 stellte Arnold Itten, Architekt BSA, an der Delegiertenversammlung des kantonalbernischen Gewerbeverbandes in Burgdorf die Kandidatur von Thun vor. Erst vierzehn Tage vorher war er angefragt worden. Sein Konzept überzeugte. Die Ausstellung wurde nach Thun vergeben. Als Chefarchitekt war er für den Bau der gesamten Ausstellung verantwortlich. Er entwarf auch die Mehrzahl der Restaurants. Architekt Livio Colombi entwarf den Kindergarten. Diejenigen Thunerinnen und Thuner, die an der Ausstellung waren, erzählen noch heute von ihren Erlebnissen. Die KABA war für sie das Ereignis. Obwohl die KABA eine temporäre Ausstellung war, wurde darauf geachtet, dass möglichst viel Arbeiten auch der anschliessenden Entwicklung dienten. So bildeten die Aufschüttungen und Planierungen die Grundlage für das Stadion Lachen. Eine Ausstellungshalle steht noch. In ihr sind heute das Partylokal Wendelsee und der FC Dürrenast beheimatet. Die Bauten im Lachen zeigen, wie Itten mit einfachen baulichen Mitteln hervorragend gestaltete. Von den Kassahäuschen der KABA sind noch einige in Betrieb. Das plumpe heutige Welleternitdach lässt fast vergessen, was für ein gut gestalteter kleiner Zweckbau darunter erhalten geblieben ist. Was für ein Unterschied zu den daneben stehenden umgenutzten BauContainern! Abbildung 17: Partylokal Wendelsee. 60 Abbildung 18 (links oben): KABA Plakat. Abbildung 19 (rechts oben): Flugaufnahme 1949. Abbildung 20 (rechts): Kassahäuschen. Die Tribüne des Stadions, eine sparsame, karge Sichtbetonkonstruktion, bildet axialsymmetrisch mit dem Olympiator eine Einheit. Die Symmetrie ist durch den Umbau des Geräteraums heute gestört. Einzelne Details der Fenster stammen noch aus der Bauzeit. Das 1954 fertiggestellte Garderobengebäude ist ein langgezogener niedriger Pavillon unter zwei gegenständigen Pultdächern. Die zurückhaltende zeittypische Detailgestaltung ist noch weitgehend erhalten. Mit seiner klaren Linie im Aufriss stellt dieser Bau ein gutes Beispiel einer wenig beachteten Zweckarchitektur dar. Das Garderobegebäude, das heute noch rege benutzt wird, lässt seine ursprüngliche Schönheit noch erahnen. Begibt man sich in das Innere des Gebäudes, erkennt man das zum Teil verkleidete, zum Teil erblindete Oberlicht. Wie würde der Gang wirken, wenn ihn das Tageslicht wieder ungehindert von oben erhellte! 61 Abbildung 21: Garderobegebäude, Situation. Abbildungen 22, 23 und 24: Eingang, Gang, Nordfassade. Neben diesem einfachen Zweckbau fällt das Olympiator auf. Dieser Wettkämpferportalbau enthält verschiedene Nebenräume, u. a. waren darin lange Zeit die Speakerkabine und das öffentliche WC untergebracht. Er ist ein typologisch einzigartiger Bau, stellt er doch einen Portalbau ganz im Geist der architektonischen Moderne dar. Einzelne Details sind noch original, wie das runde Fenster, eine Eingangstüre, ein Teil der Verglasung. Das Gebäude schmücken das Thuner Wappen und die olympischen Ringe, die in der Zeit kurz nach dem zweiten Weltkrieg symbolisch auf Frieden und Völkerverständigung hinweisen. 62 Abbildung 25: Olympiator. Abbildung 26: Entwurf für ein Volkshaus in Thun, 1924. DANK Für wertvolle Hinweise über Leben und Werk von Arnold Itten danke ich Franziska Itten, Corinne Itten und Daniel Weiss vom Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) an der ETH Zürich. IN THUN ERSTELLTE BAUTEN (AUSWAHL) Die mit * gekennzeichneten Objekte sind im städtischen Bauinventar von 1995 näher beschrieben. Adresse Objekt Baubewilligung (*) oder Fertigstellung Allmendstrasse AFB 267 Dufourkaserne, zusammen mit Architekt Peter Lanzrein, Thun* 1939 AFB 619 Apparatewerkstatt 1942 AFB 620 Geschützmontagehalle und Versuchswerkstatt, zusammen mit Architekt Otto Fahrni, Thun* 1941 / 42 Bälliz 18 Ladeneinbau* 1936 Brahmsweg 3, 9. 10 Einfamilienhäuser 1934–1936* Eigerplatz (Waisenhausstrasse 2, 4, 6 und 8) Mehrfamilienhäuser* Gwattstrasse Partylokal Wendelsee / Garderobe 1949 Gwattstrasse 19 Garderobentrakt Sportstadion Lachen* 1954 Gwattstrasse 21 Tribünengebäude 1954 Gwattstrasse 21 II Wettkämpfer-Portalbau («Olympia-Tor»)* 1950* J.V. Widmannstrasse 10 Dreifamilienhaus 1932* Jungfraustrasse 9 Villa* 1926 Kasernenstrasse 5 Kinderwagenfabrik «Tivoli» Aufbau 1953, Um und Anbau 1991 durch SHS Thun 1934 Scheffelweg 5, 6, 7, 10, 11 Einfamilienhäuser 1926–1928* Untere Hauptgasse 31 Ladeneinbau Berntor-Apotheke 1936 63 Abbildungsverzeichnis Franziska Itten (Abb. 1 und 2), KABA (Abb. 18 und 19), Mart Stam, Eine Reise in die Schweiz (Abb. 26), Andrea Zellweger (Abb. 5 und 7), alle übrigen Abbildungen Guntram Knauer 2012, Pläne in den Archiven des Bauinspektorates Thun und des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich aufgenommen. Literaturverzeichnis Ursula Maurer: Lebenslauf und Werkauswahl, Beitrag für das Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Hg Isabella Rucki / Dorothée Huber, Basel 1998. Lebenslauf, Beilage zu einer Bewerbung um Aufträge bei der Stadt Thun, dat. 27. Februar 1950. Mart Stam, Eine Reise in die Schweiz 1923–1925, Hg von Werner Oechslin, gta Zürich. Ursula Maurer und Daniel Wolf, Bauinventar der Stadt Thun, Thun 1995. Siegfried Moeri, Dokumentation zum Inventar der militärischen Hochbauten der Schweiz (HOBIM), Hg VBS, 2009. Der Nachlass befindet sich im Archiv des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) an der ETH Zürich. KABA, hsg. von Kantonal-Bernische Ausstellung 1949, Thun; KABA-Buchverlag 1950. Auf den Spuren von Arnold Itten, Vorschau auf die Führung im Thuner Tagblatt von Dienstag, 23. Oktober 2012, Seite 5. Blick hinter verbotene Mauern, Bericht von Dino Dal Farra über die Führung am Tag des Denkmals im Thuner Tagblatt vom 10. September 2012, Seite 4. 64 Pyrorama übernimmt die Schlossbergspritze Hans-Ulrich Gerber, Peter Soltermann Im Januar 1994 gründeten aktive und ehemalige Thuner Feuerwehrleute den Verein «Pyrorama». Zweck des Vereins war es, alte und erhaltenswerte Feuerwehrfahrzeuge und Gerätschaften zu erhalten und zu pflegen. Solche Fahrnisse und Gegenstände landeten bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Schrottplatz. Das Pyrorama zeigt die Entwicklung des Feuerwehrwesens rückblickend bis in das 17. Jahrhundert, im Wesentlichen aber ab der Motorisierung und Mechanisierung (ab ca. 1900 bis in die Gegenwart). Es verdeutlicht den Fortschritt in der Beziehung zwischen dem Element Feuer, dem Feuerwehrmann und seinen Mitteln in der entsprechenden Epoche. Im Weiteren sammelt der Verein auch Utensilien der Feuerwehr wie Lederhelme, Löscheimer, Laternen und Gaslampen, Signalhörner, Uniformen, Helme und viele weitere Kuriositäten. Fahrzeuge jeder Art und Grösse (alle strassentauglich), Handdruckspritzen, Motorspritzen, Hand- und Anhängeleitern sowie Schlauch- und Kombiwagen werden in der ehemaligen Militärbaracke im Hüniboden zwischen Goldiwil und Heiligenschwendi gelagert. Die restlichen Materialien (Helme, Uniformen, Bildmaterial usw.) sind in einem Zivilschutzraum in der Gemeinde Thun gelagert. Bereits im Januar 1994 konnte der Verein als erstes Geschenk eine Schenk-Motorspritze aus dem Jahre 1941 von der Hoffmann AG entgegennehmen. Seither hat der Verein viele weitere «Schmuckstücke» geschenkt erhalten. Als letzte Schenkung durfte der Verein im vergangenen Jahr die sogenannte «Schlossbergspritze» aus dem Jahr 1761 vom Schlossmuseum entgegennehmen (siehe Bildergalerie auf den kommenden Seiten). Im Namen der Mitglieder des «Pyrorama» Thun bedanken wir uns herzlich für diese Schenkung. Im Mai 2007 wurde der Verein Pyrorama als Beobachter in den Verband der Museen der Schweiz (VMS) aufgenommen. Ein eigenes Museum konnte bisher aus finanziellen Gründen nicht realisiert werden. Für weitere Auskunft sowie Besichtigung der Materialien wenden sie sich bitte an die Kontaktadresse: Feuerwehr Thun, Pyrorama, Frohsinnweg 5, 3600 Thun oder www.feuerwehr-thun.ch. 65 FAHRZEUGE Das Tanklöschfahrzeug Mercedes-Benz LAF 312 war von 1958–1995 beim Löschzug Thun im Einsatz. 1980 wurde es zum Ölwehrfahrzeug umgebaut. Das Motorspritzenfahrzeug Haflinger Steyr 703 AP war bei der Feuerwehr Thun in der Kp 2 Goldiwil von 1970–2003 im Einsatz. Das Schlauchtransport- und Zugfahrzeug Dodge WC war bei der Armee von 1944–1964 und danach bis 1995 beim Löschzug Thun im Einsatz. Das Material- und Zugfahrzeug Mowag GW 3500 war bei der Armee von 1955–1982 und danach bis 1998 bei der Feuerwehr Thun im Einsatz. SPRITZEN Die Motorspritze Ferdinand Schenk Worblaufen Typ SF10 2A war von 1933–2002 bei der Feuerwehr Horrenbach-Buchen im Einsatz. 66 Die Motorspritze Ferdinand Schenk Worblaufen Typ 1 Nr. 8 war von 1941–1993 bei der BFW Hoffmann in Thun im Einsatz. Schlauchwagen ca. 1890, «Hohle Mäz Wägeli». Löschzug Thun No. 1, wurde im Schlossberg eingesetzt. Schlossbergspritze von 1761. LEITERN MATERIAL Lederhelm. Atemschutzgerät. 67 Flugzeuge «made in Thun» Hans Kelterborn Die Eidgenössische Konstruktionswerkstätte (K+W Thun) wurde 1863 im Hinblick auf eine einheitliche Waffenherstellung gegründet. Zwischen 1916 und 1940 wurden in der K+W Thun, teils in Eigenentwicklung, teils in Lizenz, auch Flugzeuge gebaut. Orville (Pilot) und Wilbur Wright am 17.12.1903 bei Kitty Hawk, North Carolina. Am Anfang der Fliegerei standen einzelne ausländische Flugpioniere. In den USA ist am 17. Dezember 1903 den Gebrüdern Wilbur und Orville Wright der erste erfolgreiche Motorflug gelungen. Der Franzose Louis Blériot flog 1909 in seinem von ihm entwickelten Eindecker über den Ärmelkanal, und in der Schweiz absolvierte am 10. Mai 1910 das von René Grandjean in Lausanne entwickelte Flugzeug L-1 seinen Erstflug. Und nur einen Monat später war das Flugzeug auch in Thun angekommen. Das Tagblatt der Stadt Thun vermeldete am 29. Juni 1910, dass der Monoplan der société jurassienne d’aviation bei Flugversuchen auf der Allmend abgestürzt und beschädigt worden sei. Der Pilot sei jedoch unverletzt geblieben. Mit der Eröffnung des ersten Schweizer Flugplatzes am 8. Oktober 1910 wurde Dübendorf zur eigentlichen Geburtsstätte der schweizerischen Aviatik. Ein grosses Schaufliegen auf dem neueröffneten «Aerodrom» vom 22.– 26. Oktober 1910 soll jeden Tag bis zu 30‘000 Zuschauer angezogen haben. Obwohl die Gebrüder Wright seit 1903 zahlreiche weitere Wright Flyers verkaufen konnten, versuchten viele Flugbegeisterte ihr Glück mit einem Eigenbau, so auch Erwin Schwarz aus Bern, über dessen Versuchsflüge auf der Thuner Allmend einige Zeitungsberichte aus der Zeit existieren: 68 Geschäftsblatt vom 15.5.1912: Die Flugversuche von Herrn Schwarz auf der Allmend haben bis jetzt keinen grossen Erfolg. Dem Flieger-Aspiranten gelangen zwar kleine Hüpfer, aber mit rührender Anhänglichkeit kehrte die Flugmaschine immer wieder schleunigst auf den sicheren Boden zurück. Zu bewundern waren die nicht gerade zahlreichen Zuschauer, die bei brütender Hitze stundenlang warteten. Geschäftsblatt vom 11.9.1912: Als der bernische Flieger Erwin Schwarz am Abend um 20 Uhr erneut mit seinem Flieger in die Luft stieg und eine Kurve zu eng flog, stürzte er mit lautem Krachen aus 15 bis 20 Metern Höhe zu Boden. Die Flugmaschine wurde vollständig zerstört, Schwarz blieb jedoch unverletzt. Während dem Sturz konnte er noch die Zündung ausschalten und die Benzinzufuhr unterbrechen. Im März 1913 erlitt Erwin Schwarz einen weiteren Absturz, konnte jedoch sein Fluggerät wieder reparieren. Im Oktober 1913 gibt Schwarz nach einem Motorschaden die Versuche auf. Zusammengebaut hatte er seinen Flugapparat an der Rütlistrasse, just an dem Ort, an dem 1918 die Militärhangars zu stehen kamen. FLUGZEUGE FÜRS MILITÄR? Nur Tage nachdem Grandjean im Mai 1910 seinen Erstflug absolviert hatte, konnten die Gebrüder Armand und Henri Dufaux aus Genf der schweizerischen Militärkommission ihren Einplätzer Dufaux 4 vorführen; aus der Erprobung ergab sich jedoch die Unzweckmässigkeit für militärische Aufgaben, die damals ausschliesslich in der Beobachtung aus der Luft bestand. Immerhin gelang es Armand Dufaux schon zwei Monate später, mit dem Dufaux 4 den Genfersee der Länge nach zu überfliegen (66 km in 56 Min.). Anfang September 1911 charterte die Armee für Aufklärungsflüge während der Herbstmanöver des 1. Armeekorps eine verbesserte Dufaux 5 (Zweiplätzer). Trotz Bruchlandung waren die Militärs nun von der Nützlichkeit des Flugzeugs für militärische Zwecke überzeugt, schliesslich hatten alle Nachbarländer bereits Flugzeuge in ihren Armeen. Schon 1912 konnte FranDufaux 5. Militärischer Erfolg trotz Bruchlandung. kreich 450 Piloten und 500 Flugzeuge mobilisieren. Vor diesem Hintergrund lancierte die Schweizerische Offiziersgesellschaft Ende 1912 eine nationale Sammlung für eine schweizerische Militäraviatik, die in unzähligen lokalen und regionalen Flugtagen die Summe von 1.7 Millionen Franken erbrachte. Oskar Bider (1891–1919), der im Januar 1913 mit seinem sensationellen Flug von Südfrankreich über die Pyrenäen nach Madrid Schlagzeilen gemacht hatte, trug mit seinen Werbeflügen durch die ganze Schweiz wesentlich zu diesem Erfolg bei. 69 Im Dezember 1913 und im Januar 1914 machte die schweizerische Kommission für Militäraviatik Studienreisen zu den grossen Flugzeugherstellern in München, Wien, Paris, Mülhausen, Leipzig und Berlin. Bei Farman in Paris lernte man den Schweizer Chefkonstrukteur August Haefeli und bei Aviatik in Mülhausen (damals zu Deutschland gehörend) den Schweizer Chefkonstrukteur Robert Wild kennen. Im April 1914 beschloss der Bundesrat auf Grund eines Probefliegens zwischen französischen, deutschen und österreichischen Flugzeugen den Ankauf von 6 deutschen LVG-Doppeldeckern für die neu zu schaffende Fliegertruppe. Die in Deutschland vom Schweizer Ingenieur Franz Schneider konstruierten Flugzeuge wurden bestellt, wegen des kurz danach ausbrechenden Krieges jedoch nicht mehr geliefert. LVG C-III. Einzig der vom Chefpiloten der LVG, dem Hilterfinger Albert Rupp, pilotierte LVG C-III landete im April 1914 nach einem Rundflug über den Thunersee auf der Thuner Allmend. Danach wurde der Vorführapparat an der Landesausstellung in Bern ausgestellt. Mit dem Ausbruch des Krieges im Sommer 1914 durfte er nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Kurzerhand hat ihn die Eidgenossenschaft zusammen mit andern ausgestellten Flugzeugen (einem Aviatik C-1 und einem weiteren LVG C-III) angekauft. Im Mai 1914 bestimmte die Kommission für Militäraviatik Dübendorf auch als eidgenössischen Militärflugplatz. Ende Juli 1914 wurde der Kavallerie-Instruktor und Pilot Theodor Real mit der Aufstellung einer Fliegertruppe betraut. Die ersten neun Piloten, acht Romands und der Deutschschweizer Oskar Bider, rückten zum Teil mit ihren eigenen Flugzeugen und Mechanikern auf dem Beundenfeld bei Bern ein (freies Feld zwischen BEA-Gelände und Schermenweg). Sie bildeten die neugeschaffene Fliegertruppe. Bider wurde Chefpilot der Fliegertruppen und Cheffluglehrer auf dem Flugplatz Dübendorf. Aus der Not (keine Flugzeuge im Ausland kaufen zu können) machten die Militärpiloten eine Tugend und bauten nach Plänen von Militärpilot und Ingenieur Robert Wild zwei Doppeldecker. Die beiden Flugzeuge vom Typ WTS wurden 1915 in Seebach konstruiert, in Dübendorf zusammengebaut und im Juni 1916 an die Fliegerabteilung ausgeliefert. Ingenieur Robert Wild hatte 1914 bei Aviatik in Mülhausen im Elsass das Flugzeug Aviatik C-1 entwickelt und an der Landesausstellung in Bern 1914 ausgestellt. 70 Das Ausstellungsstück wurde noch im gleichen Jahr ohne Erprobung für die Fliegerabteilung gekauft. Wild entwickelte das Flugzeug 1916 weiter zum Trainings- und Aufklärungsflugzeug WT-1, von dem er 6 Stück abliefern konnte. In den Jahren 1917–1926 wurden weitere 21 Flugzeuge der Typen Wild Spezial, WT (Wild Training) und WTS in der K+W Thun in Lizenz gebaut. Von nun an bis 1958 (Abbruch des Projekts P 16) galt die nicht ungeteilte Devise, dass die Eigenentwicklung von Kampfflugzeugen für die militärische Verteidigung der Schweiz von grösster Bedeutung sei. Und diese Aufgabe wurde jetzt der K+W Thun übertragen. Eine fast 30-jährige Epoche des militärischen Flugzeugbaus nahm 1915 in der K+W Thun ihren Anfang. Es begann mit einem Beschluss der Eidgenössischen Militärkommission. Mit Schreiben vom 27. April 1915 der Kriegstechnischen Abteilung (KTA) an das EMD wurden bei der K+W Thun 6 Flugzeuge System Farman in Auftrag gegeben. Im Schreiben der KTA wird ferner die Anstellung von Oberleutnant und Ingenieur August Haefeli (1887–1960), derzeit im Aktivdienst bei einer Haubitzen Batterie, als Chefkonstrukteur der neu aufzubauenden Abteilung Flugzeugbau angeregt. Die K+W Thun war insofern für die Herstellung von Flugzeugen prädestiniert, als ihr mit der Allmend ein (Flug)platz für Probe- und Abnahmeflüge zur Verfügung stand. Der vordere Teil der Allmend (in Stadtnähe) konnte dank des kiesigen Untergrunds ohne grössere Planierarbeiten sogar nach lang anhaltenden Regefällen als Flugfeld benutzt werden. Der junge August Haefeli. Obwohl die K+W ein Bundesbetrieb war, wurde die Anstellung Haefelis durchaus mit privatwirtschaftlichen Elementen ausgestaltet. So betrug sein fixes Monatsgehalt 600 Franken. Hinzu kamen aber noch 1500 Franken Gratifikation pro abgeliefertes Flugzeug. Andererseits erhielt Haefeli entgegen seinem Wunsch keine Zusage, während des Krieges beschäftigt zu bleiben. FLUGZEUGE AUS DER K+W THUN Bis dahin war die K+W Thun ein gutausgerüsteter Fabrikations- und Reparaturbetrieb für Gebirgsfourgons, Maschinengewehre und Haubitzen. Ohne jede Erfahrung (mit Ausnahme jener Haefelis) sollten die K+W nun die leichten und fragilen Flugzeuge der damaligen Zeit bauen. Ab Juni 1915 entwickelte Haefeli in Thun den Doppeldecker Haefeli DH-1, einen Zweiplätzer mit offenem Cockpit, einem Doppelrumpf und einem 71 Haefeli DH 1. Druckpropeller (nach hinten wirkend). Das Konzept stammte vom französischen Flugzeugbauer Farman, bei dem Haefeli gearbeitet hatte. Erstflug war an Sylvester 1915. Im Juni 1916 wurden die ersten 4 Aufklärungsflugzeuge DH-1 zum Überflug nach dem Militärflugplatz Dübendorf bereitgestellt. Offenbar waren die Flugeigenschaften aber unbefriedigend. Die Piloten lehnten insbesondere das Konzept des Druckpropellers ab. Zwar hatten Pilot und Beobachter eine ungestörte Sicht nach vorn, doch war die Verteidigung gegen hinten im Luftkampf erschwert. Haefeli DH-2. Noch im gleichen Jahr folgte DH-2, ein zweisitziger Doppeldecker mit Zugpropeller und einfachem Rumpf, der ebenfalls als Aufklärer eingesetzt werden konnte. Von den beiden Flugzeugen DH-1 und DH-2 wurden durch die K+W in den Räumen der heutigen Ruag an der Allmendstrasse je 6 Exemplare gebaut. Doch auch der Typ DH-2 entsprach den Anforderungen der Truppe offenbar nicht. Diese bevorzugte weiterhin die Flugzeuge von Wild. Aus der Kritik von Theodor Real am DH-2 vom 26. September 1916 geht immerhin ein interessantes Detail hervor. Real bemängelt nämlich den geringen Platz für Flieger & Beobachter im DH-2. Der Beobachter sei nicht imstande, Fotografenapparat, Signalspiegel, Tauben-Körbe, etc. und Waffen mit Munition unterzubringen & ungehindert zu gebrauchen. Somit wissen wir nun auch, wie die Beobachter ihre Beobachtungen vor Einführung des Funks aus dem Flug an den Boden weitergeben konnten: mit Brieftauben! Schon im September 1915 wird in einem Schreiben Haefelis an die KTA die Rivalität zwischen Haefeli und Wild offensichtlich: Wild soll offenbar 125 PS Argus-Motoren erhalten, während für Haefeli dann nur die 100 PS Motoren von Benz übrig blieben. Haefeli ist nicht einverstanden. 72 Um dem Wunsch der Flieger zu entsprechen, erhielt die K+W Thun im Dezember 1916 den Auftrag, 10 Wild-Apparate (WT und WTS) zu bauen. Damit ist die Rivalität zwischen Wild und Haefeli fürs Erste begraben. K+W Thun, Schreinerei (Flugzeugbau). Tragflächen (Halle 603). Motorenprüfstand. Lackiererei (Anbau Halle 603). Im folgenden Jahr (1917) wurden in Frankreich 5 Flugzeuge vom Typ Nieuport 23 Typ C-1 gekauft, während Haefeli in Weiterentwicklung des DH-2 bereits 24 Stück des Typs DH-3 bauen konnte. Dieser zweisitzige Doppeldecker hatte einen mit Stoff bespannten Gitterrumpf. Die Tragflächen wurden aus Holzspanten hergestellt, die man mit Stoff bespannte. Die erste Serie umfasste 60 Maschinen mit einem 130-PS Argus-Motor aus Winterthur. Danach wurde der DH-3 mit einem noch stärkeren Motor, einem Hispano-Suiza von 150 PS, in Lizenz gebaut von der Schweizerischen Lokomotivfabrik in Winterhur, ausgerüstet. Erst mit dieser zweiten Serie des DH-3 konnte die K+W einen ersten Erfolg verbuchen. Der Typ DH-3 wurde noch während des ersten Weltkrieges in zwei Modifikationen hergestellt. Der Typ M IIIa hatte ein stärkeres Triebwerk, hergestellt bei Hispano-Suiza Motorenbau in Paris. Es handelte sich um einen V8-Motor mit einer Leistung von 150 PS. Mit einer Maximalgeschwindigkeit von 145 km/h konnte der M IIIa bereits auf eine Höhe von 4500 m ü. M. klettern. Vom M IIIa wurden insgesamt 33 Stück gebaut, die bis 1939 ihren Dienst versahen. 73 Der Typ M IIIb hatte ein schweizerisches V8-Triebwerk von der Lokomotivund Maschinenfabrik in Winterthur und eine revolutionäre Bewaffnung, nämlich 2 fest eingebaute synchronisierte Maschinengewehre sowie ein Beobachter-Mg. Somit ist aus dem ursprünglichen Aufklärungsflugzeug ein eigentliches Kampfflugzeug geworden. Gebaut wurden die Flugzeuge in der K+W (heute Ruag) an der Allmendstrasse, geflogen wurden sie jedoch ennet der Allmendstrasse. So mussten die neu gebauten Flugzeuge angehängt an einen Lastwagen über die Allmendstrasse zu den Hangars an der Rütlistrasse oder auf den Werkflugplatz westlich des Allmendhofs transportiert werden. Transport auf das Flugfeld. Gegen Ende des Krieges wurde Häefeli mit der Entwicklung eines einsitzigen Jägers beauftragt. Der DH-4 (M IV) war damit der erste in der Schweiz entwickelte Jäger. Die Grundkonstruktion wurde vom DH-3 übernommen. Der im Mai 1918 an die Flugwaffe zur Erprobung übergebene Prototyp erfüllte jedoch die Anforderungen nicht. Der Widerstand der Fliegertruppe war zu stark. Im August 1918 wurde die Maschine an die K+W in Thun als untauglich zurückgegeben. IM HAIFISCHBECKEBN DER KRIEGSMATERIALBESCHAFFUNG Zwischen der Generalstabsabteilung mit ihrer Kriegstechnischen Abteilung und der K+W einerseits und der Flugplatzdirektion mit den Militärfliegern und der Privatindustrie andererseits gab es andauernde Querelen, was die Planung und Beschaffung von Militärflugzeugen betraf. So sind auch aus jüngeren Fachpublikationen, die über die schweizerische Flugzeugproduktion geschrieben worden sind, noch gewisse Vorbehalte der östlichen Schweiz mit dem Flugplatz Dübendorf und den Herstellern Wild, Comte, Wagonfabrik Schlieren, Lokomotivfabrik Winterthur gegen die Zentrale in Bern und ihrer «Monopolwerkstätte» in Thun spürbar. 74 Im August 1916 bemängelt der Kommandant der Ballon Pionier Kompanie, Hauptmann Sorg gegenüber dem Chef des Generalstabs in seinem Bericht über den Stand des Flugwesens, über die Verwendung der Schweizer Flugspende (1.6 Mio) sei nun beinahe vollständig verfügt, ohne dass es unsern Fliegern möglich wäre, im Kriegsfalle auch nur einen einzigen Luftkampf mit Aussicht auf Erfolg bestehen zu können. Ferner übt Sorg Kritik an der KTA und an den (von Haefeli gebauten) Flugzeugen. Diese seien zu langsam. Ohne Jäger hätten die Beobachter keinen Schutz. Theodor Real, der bei Kriegsausbruch 1914 mit der Bildung einer Fliegerabteilung (innerhalb der Genietruppen) betraut worden war, hat schon nach 2 Jahren um Befreiung von dieser Aufgabe ersucht. Er äusserte sich jedoch auch noch später kritisch zur Militäraviatik, so z.B. in einem Bericht vom 15. Oktober 1917, nachdem die Fliegertruppen direkt der Generalstabsabteilung unterstellt worden waren. Real bemängelte, dass die Fliegertruppe auch nach 3 Kriegsjahren noch nicht kriegsbereit gewesen sei. Die Flugzeuge Theodor Real (1881–1971). seien alt und oft in Reparatur. Die Fliegerschule (in Dübendorf) sei ungeeignet. Die Aviatik-Kommission sei eher hemmend als fördernd. Sein schwerster Vorwurf trifft die KTA, welche das Monopol im Flugzeugbau habe, nicht mit der Fliegerabteilung zusammenarbeite und der schweizerischen Flugzeugindustrie systematisch entgegenwirke. Überdies werde der Flugplatz Dübendorf nur mangelhaft ausgebaut. Am Schluss seines Berichts fragt Real ganz unverblümt, was eigentlich aus den 1.7 Millionen der Nationalspende geworden sei. Die Fronten zwischen staatlicher und privater Rüstung verliefen nicht immer ganz klar. Auch innerhalb der Generalstabsabteilung gab es Kritiker. Immenhauser, der Chef des Militärflugdienstes versuchte 1922 gegenüber seinen vorgesetzten Stellen Haefelis militärische Qualifikation in Zweifel zu ziehen (wie wenn diese für die Eignung als Konstrukteur hätte massgebend sein können). Eine regelrechte Hetzkampagne gegen Thun führte 1928 nach dem Absturz Cartiers die Zeitung Sport. Der Sport warf der KTA vor, das ExpertenGutachten über den Fall Cartier zu verheimlichen. Zudem ergriff Der Sport Partei für Alfred Comte, der mit seinem AC-1 gegenüber den DewoitineFlugzeugen aus Thun absichtlich benachteiligt worden sein soll, nachdem sich sogar EMD-Chef Bundesrat Scheurer persönlich für Comte ausgesprochen hatte. 75 ERSTE BEWAFFNUNG In Deutschland wurde 1912 bereits an der festen Bewaffnung der Flugzeuge gearbeitet. 1913 erhielt der Schweizer Franz Schneider, Technischer Direktor und Chefkonstrukteur bei der deutschen Luft-Verkehrs-Gesellschaft LVG in Berlin-Johannisthal für seine Erfindung des synchronisierten Maschinengewehrs, das zwischen den laufenden Propellerblättern hindurch schiessen konnte, das Reichspatent. Ein Jahr später (1914) liess er seinen drehbaren Maschinengewehrturm patentieren, der sich rasch bei der Fliegertruppe durchsetzte. Fliegerpfeile. Da die schweizerischen Militärflugzeuge ursprünglich reine Beobachtungsaufgaben hatten, war ihre Bewaffnung anfänglich nur zur Verteidigung gegen Angriffe von feindlichen Jägern ein Thema. Dies geschah in der Regel mit einem nach hinten wirkenden Maschinengewehr. Als erste Offensivwaffe gegen feindliche Bodentruppen wurden 1915 10‘000 Fliegerpfeile beschafft. Diese rund 15 cm langen und gegen 100 g schweren Stahlpfeile konnten bündelweise abgeworfen werden und erreichten dank der hohen Fallgeschwindigkeit eine so grosse Energie, dass sie einen Stahlhelm durchschlagen und einen Soldaten hätten töten können. DIE K+W THUN IN DER ZWISCHENKRIEGSZEIT Noch in den letzten Kriegsmonaten erhielt die K+W Thun den Auftrag, ein Beobachtungsflugzeug zu bauen. Im Herbst 1918 entstand in Thun der DH-5, ausgerüstet mit einem 200 PS Motor der Schweizerischen Lokomotivfabrik Winterthur. Insgesamt 83 Stück verliessen die K+W Thun. Ein schweizerischer Höhenrekord mit einer Gipfelhöhe von 7250 m, geflogen am 13. September 1919 von Leutnant Progin mit Haefeli als Passagier, dokumentiert die guten Flugeigenschaften diese Flugzeugs. Die K+W Thun hatte aber nicht nur in Wild Dübendorf einen Konkurrenten. Als das Militärdepartement im September 1918 ein Pflichtenheft für den Bau eines Militärflugzeuges für die Nahaufklärung und das Flugtraining vorlegte, gelang den beiden Konstrukteuren der Schweizerischen Wagonfabrik in Schlieren (und ehemaligen K+W-Mitarbeitern!), Adolf Schädler und August Hug, innerhalb eines halben Jahres der Bau eines Doppel decker-Prototyps SWS C-1. Es handelte sich dabei um einen klaren Rivalen 76 zum DH-5. Nach einem Absturz im folgenden Jahr wurde das Projekt allerdings nicht mehr weiterverfolgt. Die Hoffnungen auf einen langdauernden Frieden in den ersten Nachkriegsjahren brachten drastische Kürzungen der Militärbudgets. Die Flugabteilung der K+W Thun entliess zwei Drittel ihrer Belegschaft. Die Verbliebenen überholten und modifizierten die im Krieg requirierten oder nach dem Krieg zum Teil aus Kriegsbeständen angekauften Flugzeuge (Albatros, de Havilland, Fokker, Halberstadt, Hanriot, Nieuport, Potez, Rumpler, Sablatnig, SiemensSchuckert, Zepp). In kleinerem Rahmen konnte die K+W Folgeserien ihrer Flugzeugtypen bauen, so 1919 eine zweite Serie des DH-3 (M IIIa). Vom Typ DH-3 wurden in den Jahren 1916–1925 insgesamt 109 Flugzeuge in mehreren Serien gebaut. 1924 wurden 12 Wild WT-1 und WTS-1 in Lizenz gebaut. August Haefeli (links) und Pilot Léon Progin (rechts) vor DH-5. Neben der Beschaffung aus schweizerischer Konstruktion kaufte man immer auch einzelne Flugzeuge im Ausland ein und erprobte sie in der Schweiz. Nach der Erprobung wurden entweder Lizenzbauten oder aber eigene Weiterentwicklungen angestrebt. Zudem sind im Verlaufe des Krieges über ein Dutzend französische und deutsche Flugzeuge in der Schweiz notgelandet oder zur Landung gezwungen worden. Auch diese Maschinen konnten teilweise repariert und in Dienst genommen werden. Dies führte zu einem Flugzeugpark von vielen Einzelstücken. Erst 1938 und 1939 wurden die zahlreichen Exoten in einer grossangelegten Liquidation in Dübendorf und auf der Luzerner Allmend verschrottet. Im Dezember 1921 wurde von der KTA, der K+W sowie der Eidgenössischen Flugplatzdirektion ein Bauprogramm für ein dreiplätziges schweres Beobachtungsflugzeug MA-6 (Militärapparat 6), einen Jagdeinsitzer MA-7 und einen leichten Beobachtungsdoppelsitzer MA-8 ausgearbeitet. Die entsprechenden Vorgaben (Pflichtenhefte) fanden für alle drei Flugzeuge zusammen auf einer halben Schreibmaschinenseite Platz! MA-6. Haefeli baute bis 1923 einen Prototypen des MA-6 in bewährter Doppeldecker-Manier und in Holzbauweise. Als Triebwerk diente ein 450-PS77 Zwölfzylinder von Renault. Nach zahlreichen Motorpannen war der MA-6 erst 1926 flugbereit, doch die Fliegertruppe weigerte sich, den Prototypen zu erproben. Neben der gescheiterten Entwicklung des MA-6 lief in den Jahren 1922–1924 in Thun die Produktion von zwei Serien von insgesamt 59 Flugzeugen des Typs DH-5. Der zweisitzige Doppeldecker hatte einen Holzrumpf, einen Motor mit 180 PS Leistung, konnte 175 km/h schnell fliegen und bis auf 5000 Meter steigen. Der Beobachter hatte bereits eine Funkanlage zur Verfügung. Die Schussauslösung des Maschinengewehrs war mit dem Motor synchronisiert. Das Pflichtenheft für den Jagdeinsitzer MA-7 forderte eine Maximalgeschwindigkeit von 225 km/h, eine Steigzeit von 15 Minuten auf 6000 m und eine Nutzlast von 300 kg. Testpilot Max Cartier vor einem MA-7. Der Aufbau des Doppeldeckers in Holzbauweise mit Stoffbespannung und Tragflächenverstrebungen entsprach der aus dem Jahre 1918 stammenden Fokker D.VII. Der Erstflug fand 1925 statt. Dank dem 300 PS starken Hispano Suiza Achtzylindermotor erreichte das Flugzeug zwar eine Geschwindigkeit von 235 km/h und konnte im April 1925 mit 9‘800 m einen schweizerischen Höhenrekord aufstellen (Max Cartier), doch die geforderte Steigleistung konnte es bei weitem nicht erbringen. Der Prototyp wurde von den Fliegertruppen wegen unbefriedigender Flugleistungen wieder an den Hersteller retourniert. Haefeli antwortete darauf mit dem Einbau eines 400 PS starken Motors der Lokomotivfabrik Winterthur. Dieser Motor war jedoch zu gross und zu schwer. Daraufhin wurde das gesamte MA-7 Projekt eingestellt. Mitgespielt haben dürfte auch der Wunsch des Instruktorencorps nach einem Flugzeug in moderner Leichtmetallbauweise. Diesen Vorstellungen entsprachen offenbar die französischen Dewoitine-Jagdflugzeuge besser. 78 Im Juli 1924 konnte der Prototyp des leichten Aufklärers MA-8 seinen Erstflug absolvieren. Nach zahlreichen Pannen wurde das Flugzeug schliesslich im Februar 1925 der Fliegertruppe vorgestellt. ein Beschaffungsantrag für 8 Flugzeuge wurde jedoch vom Instruktorencorps wegen mangelnden Vertrauens abgelehnt. Etwas gar unprofessionell kommt das Urteil der Flugplatzdirektion in Dübendorf daher: Die Linienführung ist nicht glücklich gewählt. Man vermisst das elegante Bild des eleganten (sic!) Jagdeinsitzers. Die Formen ... wirken plump. Die Schweiz sah sich wieder in Frankreich um und wurde bei Emile Dewoitine fündig. Bereits 1925 hatte die Armee eine Dewoitine D-1 und eine Dewoitine C-1 beschafft, die bis zum Krieg im Einsatz standen. Während Haefeli in Thun immer noch weiter Doppeldecker baute, baute AC-1. Alfred Comte in Oberrieden 1927 auf eigene Rechnung bereits den modernen einsitzigen Eindecker AC-1 in Leichtmetallbauweise. Dessen 9-Zylinder Sternmotor brachte eine Leistung von 420 PS und machte das Flugzeug 250 km/h schnell. Der Pilot hatte einen Fallschirm und eine Sauerstoff-Maske. Das Maschinengewehr schoss, wie bei Haefeli, motorsynchronisiert durch die Propellerebene. Obwohl der AC-1 der Dewoitine D-27 ebenbürtig war, zog die KTA den AC-1 nicht in die engere Auswahl. Vielmehr wurde Comte mit dem Vorwurf des Plagiats konfrontiert, den er nur mit dem Erwerb einer Nachbaulizenz von Dewoitine abwenden konnte. Im Januar 1927 war der französische Konstrukteur und Flugzeugbauer Emile Dewoitine gezwungen, seine Firma zu liquidieren. In dieser Situation konnte er samt einem kleinen Mitarbeiterstab in die K+W Thun verpflichtet werden. 1927/28 entwickelte er hier die Prototypen D.9, D.19 D.27. Das Ganzmetallflugzeug D.27 wurde im Sommer 1928 eingeflogen. Es besass ein Hispano-Suiza-Triebwerk mit 500 PS Leistung und war 300 km/h schnell. Schon im März 1928 verliess Dewoitine Thun wieder und machte sich mit der Société Aéronautique Française – Avions Dewoitine erneut selbstständig. Der Lizenz-Bau von 60 Dewoitine D.27 erfolgte in zwei Serien 1931 und 1932 in Thun. Die Hispano-Suiza-Motoren wurden von der Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur in Lizenz gebaut. Schon 1928 bestellte Argentiniens Regierung bei der K+W Thun 7 Jagdeinsitzer vom Typ Dewoitine 79 D.21 (gemäss argentinischen Angaben waren es sogar 9), die von 1929 bis 1936 im Einsatz bei den Marinefliegern waren. Auch nach Rumänien sollen einige D.21 aus Thuner Fabrikation geliefert worden sein. Trotz Projektabbruch versuchte die K+W Thun zwischen der DewoitineProduktion den MA-8 weiterzuentwickeln. 1927 baute man den neuen 490 PS starken V-12 Motor der Lokomotivfabrik Winterthur in das Flugzeug ein. Nun zeigte es sich am Internationalen Alpenrundflug der ausländischen Konkurrenz durchaus ebenbürtig. Doch der Einbau des (zu) starken Motors in den alten Prototypen erwies sich als verheerend. Am 24. Januar 1928 stürzte der mit Haefeli befreundete Hauptmann Max Cartier mit dem MA-8a wegen des Bruchs einer Flügelstrebe in Thun ab und fand dabei den Tod. Bei den anschliessenden Unfalluntersuchungen konnte der K+W eine falsche Versuchsanordnung bei den Belastungsversuchen nachgewiesen werden. Haefeli kündigte im September 1928 seine Stelle. Seine Demission wurde ohne Verdankung der geleisteten Dienste angenommen. K+W-Direktor Jeannin erhielt einen Verweis und Ingenieur Jenny wurde disziplinarisch aus dem Bundesdienst entlassen. Im August 1929 stürzte schliesslich auch noch ein Beobachterflugzeug DH-5 bei Uebeschi ab, wobei Fliegerleutnant Küpfer den Tod fand. Nun mussten die Arbeiten an den Holzflugzeugen endgültig eingestellt werden. In Thun trat Max Buri von der Munitionsfabrik Altdorf als Fabrikationschef an die Stelle von Haefeli. Ingenieur M. Thouret wurde Chefingenieur. Seine erste Entwicklung war das zweisitzige Doppeldecker-Mehrzweckflugzeug C-35 mit einem 860 PS starken Hispano-Suiza Motor, das bis 1936 in einer grossen Stückzahl von 90 Exemplaren gebaut wurde. Die C-35 war eigentlich eine Kopie der 650 PS starken holländischen Fokker C-X, ausgelegt für Aufklärung sowie Bombenabwurf aus dem Horizontal- und Sturzflug. C-35. 80 Ende der Dreissigerjahre setzte in ganz Europa eine stürmische Aufrüstung ein. In der Schweiz war kein genügendes Know-how mehr vorhanden und so griff man erneut zum Lizenzbau. Die Wahl fiel auf den französischen Ganzmetall-Einsitzer Morane-Saulnier 405, wohl wissend, dass die modernsten und neusten Waffen nicht auf dem Markt erhält- C-36. lich waren. In Zusammenarbeit mit der ETH wurde 1938/39 in der K+W Thun das zweisitzige Beobachter- und Mehrzweckflugzeug C-36, ein freitragender Tiefdecker aus Leichtmetall, entwickelt. Mit der C-36 haben die K+W Thun den ersten modernen Tiefdecker in Ganzmetallbau für die Schweizer Flugwaffe entwickelt. Es handelte sich um ein zweisitziges Aufklärungs- und Erdkampfflugzeug. Bei einem Versuchsflug des Prototyps C-3601 am 11. August 1939 musste Oblt. E. Wyss von der KTA das Flugzeug im letzten Moment verlassen, da Schäden an einer Trimmklappe aufgetreten waren. Das Flugzeug stürzte nördlich von Herbligen ab. MILITÄRFLUGPLATZ THUN Schon vor dem Ersten Krieg stellte die Generalstabsabteilung die Frage nach einem künftigen Militärflugplatz in Thun. In Aussicht genommen wurde dafür die Burgerallmend. Die Burgergemeinde verlangte für das rund 500‘000 m2 haltende Gelände einen Kaufpreis von 1 Franken pro m2 plus eine Entschädigung der zahlreichen Pächter von weiteren 20‘000 Franken. Als die Generalstabsabteilung ob des hohen Kaufpreises zögerte, versuchte die Einwohnergemeinde der Generalstabsabteilung das Geschäft mit der bereits vorhandenen Infrastruktur (Konstruktionswerkstätte) schmackhaft zu machen. Das Geschäft kam nicht zustande und so wurden 1916 auf der der Eidgenossenschaft gehörenden grossen Allmend für die Flugzeuge aus der K+W-Produktion zwei Pisten als Werkflugplatz eingerichtet. Zivil- und Militärfliegerei waren damals noch nicht strikt voneinander getrennt. Bekanntlich waren nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges die ersten im Militär eingesetzten Flugzeuge private Flugzeuge. Andererseits wurden nach dem Krieg Schnupperflüge für das zahlende Publikum auch mit Militärflugzeugen angeboten. Und auf der Thuner Allmend begegneten sich nebst den Flugzeugen auch noch Kano81 niere, Kühe, Reiter zu Pferd und Spaziergänger. Ein Zeitgenosse beschrieb 1955 die akustische Kulisse folgendermassen: «Der rege Flugbetrieb mit den brummenden Motoren und das Gedröhn der aufgestellten Batterien stellten einen ausgezeichneten Zweiklang her, der nur noch den Alten in der Erinnerung haftet» und «wurde geschossen drehten die Flieger nach links, sonst wurde Rechtsvolte geflogen». Das Nebeneinander war nicht immer ganz ungefährlich, wie ein Zwischenfall im August 1919 beweist: Tagblatt der Stadt Thun vom 25. August 1919: Beim Start des Flugzeugs 528 [ein Haefeli DH-3] auf der Thuner Allmend rannte eine Kuh auf die Startbahn. Das Flugzeug überschlug sich, die Insassen blieben unverletzt, doch die Kuh musste abgetan werden. Das Problem wurde auf unkomplizierte Art mit Fliegerhund Rex gelöst, der leider nach 3 Jahren Dienst auf tragische Weise ums Leben kam: Oberländer Tagblatt vom 20. Oktober 1922: Der Thuner Fliegerhund Rex half auf den Ruf hin «es chunt eine» das Vieh vom Flugplatzgelände wegzutreiben. Rex flog öfters als blinder Passagier selber mit, doch letzthin wurde er von einem Flugzeugpropeller getötet. Im Frühling 1918 wurden an der Rütlistrasse vier Holzhangars für die Unterbringung der flugbereiten Flugzeuge aufgebaut. Im gleichen Jahr erbaute die KTA weiter südlich an der Rütlistrasse die grossen Hangars 20 und 22, in welchen auch Haefelis Konstruktionsbüros 82 untergebracht wurden. Die beiden Gebäude wurden 1943 durch einen Shed-Anbau miteinander verbunden. Vier Hangars an der Rütlistrasse. Hangar 20 und 22 (Shed-Zwischenbau 1943). Im Sommer 1919 bezieht ein erstes Detachement der schweizerischen Fliegerabteilung ihren Stützpunkt in Thun. Wachtmeister Léon Progin ist Chef des Detachements. Bei einem Flugzeugabsturz mit seinem privaten Flugzeug am 21. November 1920 kommt Progin ums Leben. Tagblatt der Stadt Thun vom 22.11.1920: Flieger Progin ist mit dem Morane-Eindecker, auf welchem er in Thun zahllose kühne Sturzflüge geflogen hatte, gestern Nachmittag in Freiburg tödlich verunglückt. Er war 34 Jahre alt, und wohnte an der Mittleren Strasse in Thun. Das Training des Fliegerdetachements begann 1919 mit vier DH-3. Im darauffolgenden Jahr standen den Thuner Fliegern bereits 7 DH-3 und 2 bei den Zeppelin-Werken in Lindau gekaufte Zepp LZ C-II zur Verfügung. Nicht nur die Allmend, auch der Zielhang diente beiden Waffengattungen als Schiessgelände. Sogar nach der Aufhebung des Militärflugplatzes diente der Zielhang noch für Schiessversuche mit Düsenflugzeugen aus dem Flugzeugwerk Emmen. 1922/23 wurde die Flugzeughalle mit dem repräsentativen Kopfbau und dem (später hinzugefügten) Kontrollturm erstellt. 1932 war der Flugplatz zu klein geworden. Die schwereren Flugzeuge brauchten längere Pisten. Die Querpiste (N-S) wurde planiert und verlängert. Nun umfasste der Flugplatz annähernd 500‘000 m2. 1944/45 wurde ein letztes Mal erweitert und planiert. Der Flugplatz umfasste nun über 600‘000 m2. Flugzeughalle. 83 Im September 1951 war im Oberländer Tagblatt zu lesen, «Die Bevölkerung Thuns ist besorgt über diesen Beschluss». Gemeint war der Beschluss des Nationalrates, den Militärflugplatz Thun zu Gunsten eines Panzerwaffenplatzes aufzuheben. Sofort bildete sich ein Aktionskomitee zur Erhaltung des Flugplatzes, dem sich u. a. auch Quartierleiste und Wohnbaugenossenschaften anschlossen! Der Bund liess durchblicken, dass eine Beibehaltung des Flugplatzes nur mit einem Ausweichen auf die Burgerallmend zu erreichen sei. Dagegen sträubte sich die Burgergemeinde. Zudem landeten 1946 und 1948 auch die ersten Vampire-Düsenflugzeuge in Thun. Der neuartige Lärm, den die Vampire-Flugzeuge verursachten, brachten einen raschen Stimmungsumschwung. Schon Ende 1952 konnte der Gemeinderat dem EMD mitteilen, dass Thun keinen Ausbau zu einem Trainingsflugplatz für Düsenflugzeuge wünsche. Ein Jahr später fiel die Entscheidung im EMD, den Militärflugplatz Thun auf Ende 1955 aufzuheben. Ein Insider liess sich einige Jahre später, nicht ganz frei von Schadenfreude, so vernehmen: Am 12. Dezember verliess um 14.45 Uhr das letzte Militärflugzeug Thun in Richtung Emmen. Der Militärflugplatz wird geschlossen. Damit nahm eine 40-jährige Tradition in Thun ein Ende. Sehr zur Freude der Lärmgegner! Es gab aber ein böses Erwachen, als die Panzer nach Thun verlegt wurden. Diese lärmten nun Tag und Nacht. Auf einer Erinnerungstafel an der grossen Flugzeughalle sind heute noch die Namen der im Dienste des Fliegerstützpunktes Thun abgestürzten Wehrmänner und Werkpiloten aufgeführt: 84 Gottfried Guéniat, Charles Bitterlin 20. Januar 1918 Louis Pagan, Adolf Schoch 8. März 1918 Léon Progin 21. November 1920 Walter von Tobel, Hans Hugi 14. Oktober 1927 Max Cartier 24. Januar 1928 Justus Küpfer 27. August 1929 Albert Cuendet 5. Januar 1933 Die Liste ist nach 1933 noch länger geworden: 30.5.1934 Hptm. L. Künzli. Absturz mit einer Dewoitine D-27 aus 1200 Metern Höhe in den Kandergrienwald hinter dem Zollhaus. 6.4.1935 Lt. A. Berger. Absturz mit einer Fokker D-VII nach einem Trainingsflug aus geringer Höhe über der Uetendorf-Allmend. 7.3.1940 Absturz einer Morane wegen Schneesturms auf den Exerzierplatz der Mot. Art. RS 5. Dabei wurden fünf Kanoniere getötet. Der Pilot überlebte. 23.6.1940 Lt. A. Magres und Lt. Ch. Huber. Absturz mit einer C-35 beim Schiessen auf der Allmend. 17.12.1941 Lt. G. Staub. Absturz mit einer Morane wegen Motorenbrands in den Thunersee. 6.6.1942 Jean Roubaty, Werkpilot K+W. Absturz mit C-3603. 10.12.1949 Wm. G. Huot. Absturz mit Bücker Bü-133 Flugplatz Thun. 24.4.1951 Oblt. W. Aebersold. Mustang P-51. Kollision mit Morane D-3801 über dem Belpberg. Der Morane-Pilot rettete sich mit dem Fallschirm. Aebersold konnte nach Thun zurückfliegen, stürzte jedoch beim Landeanflug ab. FLUGZEUGWERK EMMEN In Thun machten ab 1938 bei den Mitarbeitern Gerüchte die Runde, dass ein Teil des Flugzeugbaus von Thun nach Emmen disloziert werden solle. In einem Brief der K+W Thun vom 10. Juni 1938 an die KTA wird um Auskunft gebeten. Im Dezember 1938 wurden die Pläne bereits konkreter, indem nun eine neue Montagehalle für die Flugzeugproduktion in Emmen geplant wird. Im Jahr 1939 wird nun offen darüber gesprochen, die Flugzeugmontage von Thun nach Emmen zu verlegen, wobei der Betrieb Emmen organisatorisch an Thun anzugliedern sei. Man war sich uneinig, ob das Konstruktionsbüro und der Prototypenbau vorläufig noch in Thun verbleiben sollten. Doch in weiser Voraussicht setzte sich die Direktion der K+W Thun selbst für eine radikale Lösung ein. In Thun wurden noch die beiden Prototypen C-3601 und C-3602 gebaut, wegen Unzulänglichkeiten bei der Konstruktion und Ausführung wurde 85 der Bau der Serie aber 1940 in die neue Flugzeugmontagehalle nach Emmen verlegt. Während der beiden Kriegsjahre 1939 und 1940 schwankte die Zahl der Beschäftigten im Flugzeugbau in Thun zwischen 370 und 380 Mitarbeitern; im Sommer 1941 erreichte die Zahl der Beschäftigten das Maximum von 480 Beschäftigten. Ab dem 4. Januar 1943 war das Flugzeugwerk Emmen ein eigenständiger eidgenössischer Betrieb (F+W Emmen). In Thun wurden fortan nur noch Einzelteile hergestellt. Der Grossteil der Flugzeugbauer in Thun erhielt im Dezember 1942 von der KTA eine Verfügung, wonach Emmen als neuer Dienstort zugewiesen wird. Über Entschädigungen werde in nächster Zeit Mitteilung gemacht. Flugzeugbau K+W THUN 1916–1940 Flugzeugentwicklung Flugzeugbau und -umbau – davon aus eigener Entwicklung – Lizenzbauten 20 Flugzeugtypen 600 Flugzeuge 380 Flugzeuge 220 Flugzeuge Flugzeuge der Luftwaffe 1914–1955 2‘129 Beschaffte Flugzeuge 427 Verluste* 277 Todesopfer* * 87 Flugzeuge sind erst nach 1955 verloren gegangen (mit 57 Todesopfern). Fazit: Jedes fünfte zwischen 1910 und 1955 beschaffte Militärflugzeug ist durch Absturz oder Karambolage verloren gegangen, von den in Thun produzierten Haefeli-Apparaten sogar jeder dritte. 86 Quellen Aeroclub Thun; Festschrift zum 75-Jahr-Jubiläum, Thuner Flugtage 2009 Charly Berner: Entstehungsgeschichte unseres Flugplatzes Aero-Revue, 8/1989 75 Jahre Schweizer Militäraviatik ASMZ 1986, Nr. 6, S. 347 ff. Die Eidgenössische Konstruktionswerkstätte Thun (K+W) Bundesarchiv E 27 | 1000/721 | 15705 .... 18922 Bürgergemeinde Balsthal Homepage/download: Flugpionier August Haefeli Cockpit, 10/1988, S. 38 ff. Ulrich Haller: Einzelstücke aus Thun Cockpit, 11/2012, S. 48 ff. Hans-Heiri Stapfer: Die erfolglose Dewoitine D.27 Dietschi Eugen Max Cartier. Ein Lebensbild, Basel 1928 Eidgenössisches Militärdepartement 1819–1969; 150 Jahre Waffenplatz Thun und seine Zeit. Thun 1969 EMD DOK 266 / 1592 Hermann Hofmann: 100 Jahre Eidgenössische Konstruktionswerkstätte und Eidgenössische Munitionsfabrik in Thun, 1963 Konstruktionswerkstätte Thun Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun 1863 – 1963, Thun 1963 125 Jahre Eidgenössische Konstruktionswerkstätte Thun, 1988 Oberländer Tagblatt vom 16.1.1956 Samuel A. Gassner: Als Thun Militärflugplatz war Gemeindeinformation Hilterfingen- Robert Ganz: 4 Kurzbiografien zur Geschichte Hünibachs Hünibach; Sonderausgabe Dezember 2007 Historisches Lexikon der Schweiz Hervé de Weck: Rüstungsbetriebe Küng P. Die Militärfliegerei in Thun 1915–1955 Krebser Markus Thunersee linke Seite; Thun 1996 NZZ 27.11.2000, S. 18 Alfred Waldis: Ein vergessener Flugzeugkonstrukteur NZZ 17.10.2011, S. 14 Esther Geiger: Träume vom Fliegen und ihr Preis Offiziersgesellschaft Thun Thun und seine Wehrbereitschaft RUAG Fotoarchiv Scherrer Th., Lauber P. 125 Jahre Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun Schürmann Roman Helvetische Jäger; Dramen und Skandale am Militärhimmel. Zürich 2009 Siegenthaler Hans Eidg. Konstruktionswerkstätte Thun 1863–1963 Simons D., Withington Th. Die Geschichte der Fliegerei Stadtarchiv Thun Zeitungsdatenbank SAT 1-1 MO1 D1 49, SAT 1-6 MO 135, D683, SAT D683 MO 1 1/1 Thuner Tagblatt 17.8.2011 Im Dienst der deutschen Luftwaffe Unternährer Jules (1894–1986) Chronologische Aufzeichnungen zum Militärflugplatz Thun. Maschinenschrift, o.J. 87 Urech Jakob Die Flugzeuge der schweizerischen Fliegertruppe seit 1914 Verein für wirtschaftliche Studien Fünf Pioniere des Flugzeugbaus www.glique.ch Hans Giger: Die Auswahl der Flugzeuge der Schweizer Fliegertruppe www.old.hermannkeist.ch Gründung der Fliegertruppe Geschichte der Luftwaffe 1914–1968 Ausgemusterte Mittel der Schweizer Luftwaffe www.oskar-bider-archiv.ch www.wikipedia.org www.wordpress/gletscherflug.ch www.wrd.ch/Luftwaffe Walter Düring: Zur Geschichte der schweizerischen Eigenentwicklung von Flugzeugen. Mit einem Anhang und Bildern Dank – Walter Akermann, Ruag Land Systems (vorm. K+W) – Charles Berner, Uetendorf – Fritz Egger, Ruag Ammotec (vorm. M+F) – Anita Egli und Maya Hürlimann, Stadtarchiv Thun – Robert Ganz, Hünibach – H.-U. Haldimann, Waffenplatzkommando Thun – Peter Heim, Olten – Herbert Hunziker, Ruag Thun – Stefan Keller, Längenbühl – Arnold Kettiger-Haefeli, Hünibach – Paul Küng, Thun – Jürg Reimann, Thun – Hans Schaffer, Oberdiessbach – Jürg Stüssi und Cornelia Albert, Bibliothek am Guisanplatz – Eduard Tschabold, Bern – Ruth Unternährer, Thun. Die Tochter von Jules Unternährer hat dem Schlossmuseum Thun im Jahr 2009 neben einer Sammlung von 56 Tuschzeichnungen ihres Vaters mit Motiven aus dem alten Thun (s. Titelbild) eine Dokumentation zum Militärflugplatz Thun geschenkt. Die Aufzeichnungen von Jules Unternährer waren der Ausgangspunkt für diesen Beitrag. 88 Schlossmuseum Thun Schlossberg 1 · 3600 Thun · Tel. 033 223 20 01 · Fax 033 223 20 84 [email protected] · www.schlossthun.ch Öffnungszeiten Februar, März April – Oktober November – Januar Weihnachten – Neujahr täglich täglich jeden Sonntag täglich 13 – 16 Uhr 10 – 17 Uhr 13 – 16 Uhr 13 – 16 Uhr Die Stiftung Schlossmuseum Thun wird unterstützt durch: Dr. oec. Hans Peter Bieri Steuern-, Finanz- und Wirtschaftsberatung AG Thun Mitglied der Gerber Druck AG, Steffisburg Kanton Bern Canton de Berne
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