Kunst und Marken - Professur für Marketing, insbesondere

Kunst und Marken
aufmerksam zu machen. Das „Spiel“ mit Marken
wurde berühmt gemacht durch die Pop-Art-Bewegung und insbesondere durch die Werke von Andy
Warhol (z. B. Campbells Tomato Soup). Heute findet
Von der Markenkunst über Kunstzitate bis hin zu
Kunst-Marken-Kollaborationen
Kunst und Marke:
Zwei (gar nicht so) fremde Welten
Kunst und kommerzielle Marken sind zunächst zwei
sehr unterschiedliche Welten. Dies zeigt sich auch
immer wieder in Gesprächen mit Künstlern und
Markenverantwortlichen, welche die jeweils andere
Welt ignorieren oder nur stereotyp-verzerrt wahrnehmen. In der Vergangenheit war die Verknüpfung
zwischen Macht und Kommerz auf der einen und
Kunst auf der anderen Seite aber gängiges Modell.
Viele der heute als Meisterwerke der Kunst gefeierten Bilder, Opern etc. waren Auftragsarbeiten
und viele Künstler konnten nur kreativ arbeiten,
da sie von Kunstpatronen oder Mäzenen finanziell
unterstützt wurden. Allerdings folgte diesem „Modell“ eine Phase in der sich die Kunst emanzipierte
und eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und
Marken abgelehnt wurde oder zumindest verpönt
war. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass der
britische Künstler Charles R. Sykes zwar das ikonische Symbol für die Marke Rolls-Royce („the Spirit
of Ecstasy“) entwarf, aber dies unter seinem Pseudonym (Rilette). Allerdings zeigt sich aktuell bei
einer aufmerksamen Beobachtung dieser beiden
Systeme überraschenderweise eine zunehmende
Vielzahl von Berührungspunkten, Überschneidungen und Kooperationen. Aktuell lassen sich insbesondere drei Beziehungsmuster identifizieren: Markenkunst, Kunstzitate in der Markenführung und
Kunst-Marken-Kollaborationen.
Kunst und Marke: Drei Beziehungsmuster
Unter Markenkunst werden alle künstlerischen Prozesse und Ergebnisse subsummiert, die Marken und
deren Symbole integrieren ohne explizit mit den
Markeninhabern zusammenzuarbeiten. Typische
Spielarten sind Bekämpfung von einzelnen Marken
durch Künstler, Nutzung von Marken zur Erzielung
einer hohen Aufmerksamkeit für soziale und/oder
ökologische Probleme sowie das „Spielen“ mit
Marken und deren Symbolen (vgl. Abbildung 1).
Exemplarisch für die erste Form ist beispielsweise
der amerikanische Urban Art-Künstler Ron English,
der durch verschiedene Aktionen (z. B. Shopdropping von Verpackungen) Marken wie Kellog’s oder
00 – SUPERBRANDS
Professur für Marketing
Hochschule für Wirtschaft
und Recht, Berlin
2014 kuratierte er die Pop-up Ausstellung „Far­
brausch trifft RAL 4010“, die sich mit den Berüh­
rungspunkten und Kollaborationen von Kunst und
Marke beschäftigt. Diese Pop-up Ausstellung wird
2015 in der DACH-Region in verschiedenen Orten
und Locations gezeigt werden.
McDonald’s seit Jahren bekämpft. Ein weiteres
bekanntes Beispiel liefert der französische Sprayer
und Streetartkünstler ZEVS, der aus einem Megaposter der Marke Lavazza das abgebildete Frauenmodel entfernte, entführte und 500.000 US-Dollar
Lösegeld verlangte.
Abb. 2: Beispiele für Kunstzitate in der
Markenführung
Kunstzitate von Piet Mondrian
Carsten Baumgarth ist seit 2010 Professor für Marke­
ting, insbesondere Markenführung an der HWR Berlin.
Darüber hinaus war er als Gast- und Vertretungspro­
fessor sowie in einer Vielzahl von Beratungsprojekten
und Seminaren in der Praxis tätig.
Er hat bislang rund 250 nationale und internationale
Publikationen mit den Schwerpunkten Markenpolitik,
B-to-B-Marketing, Kulturmarketing und Empirische
Forschung publiziert. Darüber hinaus ist er Verfas­
ser des Standardlehrbuches Markenpolitik, welches
2014 in vierter Auflage im Verlag SpringerGabler
erschienen ist. Ein umfangreiches Herausgeberwerk
mit über 30 Beiträgen zur B-to-B-Markenführung
ist Ende 2009 erschienen. Seine Forschungen sind
mehrfach national und international mit Best Paper
Awards ausgezeichnet worden.
Prof. Dr.
Carsten Baumgarth
sich diese Spielart in vielfältiger Weise wie die Werke des Einweg-Realismus des russischen Künstlers
Andrei Krioukov exemplarisch zeigen.
Ein bekanntes Beispiel für die Instrumentalisierung
von Marken zur Erzeugung von Aufmerksamkeit
ist das Bild Simple Living der dänischen Künstlerin
Nadia Plesner, welche die fast ikonische Darstellung von Paris Hilton mit Hund und Louis VuittonHandtasche nutzte, um auf die Armut in Darfur
Hommage an Piet Mondrian
Yves Saint Laurent (1965, FRA
„Henri Matisse“
Kleenex Collection
Kleenex (2013, USA)
„Gustav Klimt“ DDB (Brasilien),
KitchenAid (2011, USA)
Tab. 1: Anwendungsformen und -beispiele von
Kunst-Marken-Kollaborationen
Abb. 1: Beispiele von Markenkunst
Künstler bekämpfen
Marken
Künstler instrumentalisieren Marken
Sugar Smack
Ron English (*1966, USA)
Simple Living
Nadia Plesner (*1981, DK)
Künstler Spielen
mit Marken
Grundformen, Dreieck
Andrei Krioukov (*1966, RUS)
SUPERBRANDS – 00
Kunstzitate in der Markenführung beziehen sich
auf die Integration von Kunst in die Markenführung und Kommunikation ohne mit Kunst bzw.
Künstlern zusammenzuarbeiten (vgl. Abbildung 2).
Mit Kunstzitaten versuchen Marken im Sinne einer
Markenanreicherung bestimmte Assoziationsfelder
und Bedeutungen von Kunst wie Kreativität, Kultiviertheit, Exklusivität, Anspruch oder Rebellion
auf die eigene Marke via einem Imagetransfer zu
übertragen. Bekannte Beispiele sind die inflationäre Nutzung der kubistischen Bilder von Piet Mondrian durch Marken wie L’Oreal, Yves Saint Laurent
oder Kleenex. Ein weiteres Beispiel liefert die Marke
KitchenAid, die in einer Kampagne Kunstwerke und
-stile berühmter Künstler für die Werbung nachempfunden hat. Aktuell findet sich auch eine Reihe
von Marken, die solche Pseudoverbindungen mit
der Streetart einsetzen.
Special Editions
Das dritte Muster bezieht sich auf die explizite
Kollaboration von Künstlern und Marken. Eine genauere Beobachtung von Marken zeigt, dass es in
der Realität eine Vielzahl von Beispielen gibt, die
verschiedene Bereiche der Markenführung und
Organisationsmodelle umfassen. Die in Tabelle 1
dargestellte Aufzählung skizziert wichtige Formen
im Bereich der Markenführung mit jeweils einem
erläuternden Beispiel.
Kunstsponsoring
„Berlin“, Zhivago Duncan (*1980, USA), (2014)
„Unique Edition“, Zufallsgesteuerte Maschine (ab 2012)
„Blank Edition“, Dave Kinsey (*1971, USA), (2011/2013)
„Warhol“, Andy Warhol (*1928, †1987, USA), (1986)
„Yin“, Yiqing Yin (CN), (2013)
Made – Kulturförderprojekt in Berlin von ThadiROCK (D)
und Absolut Vodka
In Bezug auf die Organisation lassen sich unterschiedliche Zeithorizonte und verschiedene Arten
der Künstlergewinnung voneinander abgrenzen.
In Bezug auf den Zeithorizont lassen sich ad-hocProjekte von langfristigem Engagement in der Kunstintegration unterscheiden. Die im Jahre 2013 von
Schiesser initiierte Gestaltung von Unterhemden
aus der Revival-Serie lässt sich als ad-hoc-Projekt
interpretieren, da es sich um einen zunächst einmalige Aktion handelte. Hingegen ist die Kollaboration
mit Kunst bei der Marke Absolut Vodka, die seit der
Kampagne (1986) mit Andy Warhol läuft, ein Beispiel für ein langfristiges, umfassendes und identitätsbildendes Kunstengagement (vgl. Abbildung 3).
Bei der Künstlergewinnung lässt sich in der Realität
ein vielfältiges Spektrum erkennen. Dies reicht von
zufälligen und/oder freundschaftlichen Kontakten
zwischen Künstlern und Markenverantwortlichen
über eine wettbewerbsorientierte Künstlerauswahl
(z. B. offene und geschlossene Kunstwettbewerbe)
bis hin zur gezielten Suche, Ansprache und Briefing
von einzelnen Künstlern. Häufig wird die Künstlerauswahl und –gewinnung auch durch durch Mittler wie Agenturen, Galeristen oder spezialisierte
Dienstleister unterstützt.
Kunst und Marke: Stimulierende, aber unbekannte Begegnungen
Die Ausführungen haben die Vielfalt und Farbigkeit der Beziehungen zwischen Kunst und Marke
verdeutlicht. Für Marken eröffnet die Kollaboration mit der Kunst ein interessantes und vielfältiges
Feld. Kunst kann Marken mit Kreativität, Inspiration
und schwachen Signalen über Trends versorgen,
Ästhetik und Schönheit steigern, Aufmerksamkeit
in der (digitalen und klassischen) Medien- und
Konsumwelt hervorrufen, das Image mit Assoziationen wie trendy oder kultiviert anreichern oder
Verknappungseffekte via limitierten Editionen
evozieren. Auch ist die Zusammenarbeit zwischen
Kunst und Marke bei Weitem kein Modethema.
Zusammenarbeiten zwischen Kunst und Kommerz
bestehen schon seit der Antike und auch konkrete Zusammenarbeiten zwischen Kunst und Marken
sind schon vor rund hundert Jahren in der Plakatwerbung, im Produkt- und Verpackungsdesign oder
bei Reklamemarken nachweisbar.
Trotz dieser Potentiale, der langen Historie sowie
der Vielzahl von aktuellen Beispielen ist dieses Feld
für Marken nicht einfach, da bislang kaum belastbare Forschungsergebnisse zum Management und/
oder zu den (langfristigen) Wirkungen von Kunstzitaten oder Marken-Kunst-Kooperationen existieren.
Zwar können Erkenntnisse aus verwandten Gebieten wie Limited Editions, Co-Branding oder Sponsoring erste Hinweise geben, aber die spezifische
Welt der Kunst und die besonderen Wirkungen von
Kunstwerken erfordern sowohl im Bereich der Management- und Kooperationsforschung als auch
der Wirkungsforschung eigenständige Forschungsansätze. Erste Schritte wurden an der Hochschule
für Wirtschaft und Recht Berlin im Rahmen des
IFAF-Forschungsprojektes „Arts push Business“
gegangen. Auch die darauf aufbauende Pop-upAusstellung „Farbrausch trifft RAL 4010“, die 2015
in verschiedenen Städten der DACH-Region gezeigt
wird, beschäftigt sich mit Kunst und Marken.
Auch verlangen solche Zusammenarbeiten sowohl
auf der Ebene der Markenverantwortlichen als auch
der Künstler besondere Voraussetzungen. Auf Ebene der Markenverantwortlichen können folgende
Erfolgsfaktoren genannt werden:
• Bereitschaft und Neugier, sich auf Kunst und
Künstler einzulassen und Künstlerklischees zu
überwinden
• Kunstexpertise aufbauen und Renommee in den
Kunstmärkten erarbeiten
• Kunst nicht als reinen Dienstleistungserbringer
verstehen, sondern als Partner interpretieren, mit
dem auf „Augenhöhe“ und empathisch zusammengearbeitet wird
• Einfluss von Kunst auf die Marke und deren Führung zulassen und Kunst nicht als „billige Dekoration“ missbrauchen
• Systematisch und professionell Künstler aussuchen und nicht dem eigenen Geschmack folgen
oder nur auf private Kontakte zurückgreifen
• Kunst-Marken-Kooperationen als „normale“ Ressource interpretieren und nicht als Hype-Thema
oder als einmalige Aktion verstehen
• Fair gegenüber Künstlern in Bezug auf vertragliche und geschäftliche Aspekte einer Zusammenarbeit verhalten
Prof. Dr. Carsten Baumgarth
Quellen zum Vertiefen:
Baumgarth, C. (2014):
Kunst und Marke, Teil I, in: transfer – Werbeforschung & Praxis, 60. Jg., H. 2, S. 32-41.
Baumgarth, C. (2014): Kunst und Marke, Teil II,
in: transfer – Werbeforschung & Praxis, 60. Jg.,
H. 4, S. 28-42.
Baumgarth, C. (2014): Kulturbranding vice versa –
Potentiale von Kunst für die Markenführung,
in: Kulturbranding IV, Hrsg.: Baumgarth, C.;
Höhne, S.; Ziegler, R. P., Leipzig, S. 267 – 284.
Baumgarth, C.; Lohrisch, N.; Kastner, O. L. (2014):
Arts meet luxury brands, in: The Management of
Luxury, Hrsg.: Berghaus, B.; Müller-Stewens, G.;
Reinecke, S., London, S. 127-142.
Informationen zu der Pop-up-Ausstellung
„Farbrausch trifft RAL 4010“
2014 wurde von Prof. Dr. Carsten Baumgarth die
Pop-up-Ausstellung „Farbrausch trifft RAL 4010“
entwickelt und Ende 2014 erstmalig Mal in Berlin
gezeigt. Die mobile Ausstellung zeigt rund 100
Exponate in verschiedenen Stationen und soll
Künstler, Markenverantwortliche und Öffentlichkeit für die Schnittstelle von Kunst und Marke
sensibilisieren.
Facebook unter den Suchbegriffen
„Farbrausch trifft RAL 4010“
Baumgarth, C. (2014): Katalog „Farbrausch trifft
RAL 4010“, o. O. Kontakt: [email protected]
Abb. 3: Kunst-Marken-Kollaborationen am Beispiel Absolut Vodka
00 – SUPERBRANDS
SUPERBRANDS – 00