PERSPEKTIVEN SICHER.FAIR. 01 / 2015 NEWSLETTER DES IG METALL-PROJEKTS „ZUKUNFT OST“ IG METALL-PROJEKT „ZUKUNFT OST“ EDITORIAL BETRIEBSRÄTE GUTE ARBEIT Der Anspruch, die Lebensbedingungen für alle Menschen in Deutschland annähernd gleich zu gestalten, ist auch nach 25 Jahren Deutscher Einheit noch nicht verwirklicht. Soziale Gerechtigkeit und gleiche Lebensbedingungen bleiben daher für die IG Metall Ziel und Aufgabe. In Ostdeutschland haben Tarifflucht, Niedriglohnpolitik und oftmals Betriebsführung nach Gutsherrenart vielen Menschen die Zuversicht in eine gute Zukunft genommen. Die Abwanderung aus Ostdeutschland ist noch immer nicht gestoppt. Starke Geburtenjahrgänge gehen in Rente. Dies alles verschärft die Fachkräfteknappheit. Ein weiteres Problem sind die fehlenden Investitionen der Wirtschaft. „Gute Arbeit“ und gute Perspektiven sind aus unserer Sicht unverzichtbar. Dafür sind auch immer mehr Beschäftigte bereit zu streiten. Erste Lichtblicke: In den letzten Jahren ist es in vielen Verwaltungsstellen gelungen, mehr Betriebe in die Tarifbindung zu zwingen. Das Projekt „Zukunft Ost“ und sein regelmäßiger Newsletter sind Teil unseres Dialogs über Entwicklungen und Perspektiven in Ostdeutschland. Es geht um Fragen der industriepolitischen Entwicklung, um tarifpolitische Konsequenzen und darum, unsere Durchsetzungsfähigkeit zu stärken. Gerade sie entscheidet darüber, ob und wann wir weitere Angleichungen und damit soziale Gerechtigkeit erreichen. ANGLEICHUNG INDUSTRIEPOLITIK GEMEINSAM HANDELN INNOVATION TARIFBINDUNG VEREINBARUNG STRUKTURPOLITIK VERTRAUENSLEUTE ARBEITER BETEILIGUNG VIEL ALT UND JUNG ANGESTELLTE DIALOG PERSPEKTIVEN.SICHER.FAIR. DEMOGRAFISCHER WANDEL ERREICHEN MITBESTIMMUNG Gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen Auch ein Viertel Jahrhundert nach der Deutschen Einheit ist es für die IG Metall noch immer vordringlich, gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West zu erreichen. Der IG Metall Vorstand will mit dem Projekt „Zukunft Ost“ gemeinsam mit den Bezirken und Verwaltungsstellen die IG Metall vor Ort stärken, um bei der Angleichung der ostdeutschen Bundesländer weiterzukommen. Die Gewerkschaften – insbesondere die IG Metall – haben im tarif- und sozialpolitischen Angleichungsprozess eine herausragende Rolle eingenommen. Es ist nun an der Zeit für eine Zwischenbilanz. Was haben wir erreicht? Wie können wir für mehr Tarifbindung sorgen? Was sind die Voraussetzungen für weitere tarifpolitische Angleichungsschritte? Mit dem Projekt „Zukunft Ost“ will der IG Metall Vorstand gemeinsam mit den Be- zirken und Verwaltungsstellen einen Dialog darüber führen, ■welche industriepolitische Entwicklung in den Ost-Bundesländern zu erwarten ist und wie diese befördert werden kann, ■welche betriebs- und tarifpolitischen Konsequenzen sich daraus ergeben, ■ wie die IG Metall durchsetzungsstärker werden und ■ bei der Angleichung weiterkommen kann. Fortsetzung Seite 2 Aktuelle Handlungsfelder des Projekts „Zukunft Ost“ Organisatorischer Rahmen und Projektteam Länderblick: Thüringen Tagunsankündigungen Seite 2 Seite 3 Seite 4 1 » Eine starke tarifpolitische Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit im Osten ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die tarifpolitischen Differenzen zwischen West und Ost aufzuheben. Gesellschaftspolitisch geht die Angleichung der Lebensverhältnisse weit über die Tarifpolitik hinaus. Die IG Metall versteht sich als eine Gesamtorganisation mit der Aufgabe, die Unterschiede zwischen Ost und West aufzuheben. « (Auszug: Frankfurter Erklärung der IG Metall) Fortsetzung von Seite 1 Mit diesem Auftrag ist das Ziel verbunden, im Osten noch handlungsfähiger und durchsetzungsfähiger zu werden. Deshalb braucht die IG Metall weitere organisationspolitische Erfolge. Die Kolleginnen und Kollegen wollen einen strukturierten Austausch. Die Erwartung, einen solchen Dialog zu führen und verwaltungsstellen- und bezirksübergreifend zu organisieren, will der IG Metall Vorstand mit Hilfe des Projekts „Zukunft Ost“ erfüllen. Im Focus stehen organisationspolitische Fragen ebenso wie die wirtschaftliche Entwicklung unter industrie-, struktur- und regionalpolitischen Aspekten. Mögliche tarifpolitische Konsequenzen sind in den Tarifkommissionen zu diskutieren. Bereits bestehende Initiativen in einzelnen IG Metall-Bezirken und -Verwaltungsstellen werden berücksichtigt und einbezogen. UNSERE HANDLUNGSFELDER Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen, sozial- und tarifpolitischen Situation, der Ergebnisse der IG Metall-Beschäftigtenbefragung 2013 sowie auf Grundlage der im Projektteam zusammengetragenen Anliegen, Überlegungen und Impulse wurden zunächst folgende Handlungsfelder identifiziert: ■Angleichung der Einkommen und Arbeitszeiten ■„Gute Arbeit“ für die Beschäftigten in den Unternehmen ■Abbau der immer noch zu hohen Arbeitslosigkeit ■ Strategien gegen den Fachkräftemangel 2 Erfolge sind letztlich nur dann erreichbar, wenn es gelingt, die aus dem Projekt „Zukunft Ost“ entwickelten Positionen und Forderungen mit den organisationspolitischen Schwerpunkten in den Verwaltungsstellen und Bezirken zu verzahnen. Dadurch soll die IG Metall im Osten tarifpolitisch handlungs- und durchsetzungsfähiger und als wichtige Akteurin im Angleichungsprozess Ost wahrgenommen werden. Das verleiht ihr als starke Gesamtorganisation mehr Gewicht gegenüber der Politik und Wirtschaft. ■Angleichung im sozialpolitischen Bereich ■investive Förderung strukturschwacher Regionen ■Stärkung der Wachstumsdynamik, Innovationskraft und Internationalisierung der ostdeutschen Wirtschaft ■ weiterer Ausbau der Infrastruktur Das Projekt „Zukunft Ost“ will sich in diesem breiten Spektrum von wirtschaftsund sozialpolitischen Feldern und Aufgaben positionieren. Gleichzeitig soll eine Vernetzung mit anderen Initiativen und Akteuren stattfinden. Beschäftigtenbefragung 2013: Arbeit – sicher und fair Ergebnisse aus Ostdeutschland 1. Wenn Sie an gute Arbeit denken, was ist Ihnen dann wichtig? sehr wichtig wichtig 0% weniger wichtig 25% 50% Ein unbefristeter Arbeitsvertrag (38.958) 75% 86% Ein ausreichendes und verlässliches Einkommen (38.872) 15% 45% Ein gutes Betriebsklima in der Abteilung (38.804) 48% 59% Eine interessante Arbeit (38.612) 52% 54% 1% 0% 0% 7% 0% 39% 41% 32% 100% 12% 84% Planbare Arbeitszeiten (38.732) Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten (38.612) unwichtig 2% 0% 7% 0% 13% 1% 3 Das Projekt-Team „Zukunft Ost“ Projektverantwortung Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandmitglied Projektleitung Administration Astrid Knüttel Petra Lehnert Projektteam: Michael Ebenau 1. Bev. VS Gera/ Jena-Saalfeld Stefan Kademann 1. Bev. VS Zwickau Klaus Abel 1. Bev. VS Berlin Ralf Köhler 1. Bev. VS Cottbus/ Süd-Brandenburg Almut Kapper-Leibe 1. Bev. VS Halle-Dessau Peter Hlawaty 1. Bev. VS Rostock/ Schwerin Bernd Lösche BRV Opel Eisenach Helga Schille BRM Johnsons Controls, Zwickau Holger Wachsmann BRV Arcelor Mittal, Eisenhüttenstadt Carmen Bahlo BRV ZF Getriebe, Brandenburg Bernd Klocke BRV ThyssenKrupp Presta Detlef Schüler BRV Neptun Werft Thomas Müller BS Bezirk NDS/LSA Heino Bade BS Bezirk Küste Dajana Kratzer-Rudolf BS Bezirk Mitte Nele Heß BS Bezirk Berlin Brandenburg Sachsen Wolfgang Nettelstroth BS Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen Alrun Fischer Beratung für Betriebsräte Dresden, Wissenschaftliche Begleitung Abkürzungen: VS: Verwaltungsstelle; BRV = Betriebratsvorsitzender; BRM = Betriebsratsmitglied; NDS/LSA = Niedersachsen/Land Sachsen- Anhalt; BS = Bezirkssektretär/-in Bernd Lösche Betriebsratsvorsitzender von Opel Eisenach, Mitglied des Projektteams » Es war eine gute Entscheidung, ein Projekt „Zukunft Ost“ aufzulegen. Wir IG Metall-Betriebsräte im Projektteam bringen die betriebliche Wirklichkeit ein. Wir befassen uns mit Fragen des Angleichungsprozesses und organisieren Input aus den Unternehmen. Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben entwickeln beispielsweise zum Thema „tarifliche Angleichung“ Konzepte, um die Durchsetzungskraft der IG Metall zu stärken. Bei allen betrieblichen Aktivitäten gilt der Grundsatz: gute Beispiele präsentieren, damit anderswo ähnliche Projekte gelingen. Beim Thema „Erweiterung der industriellen Kraft“ kommt uns IG Metall-Betriebsräten eine offensive Rolle zu. Für den Ausbau der Technologie- und Beratungszentren in Ostdeutschland müssen wir verstärkt auf Politik und Wirtschaft einwirken. Das Projekt „Zukunft Ost“ kann eine stärkere Vernetzung zwischen allen Beteiligten herstellen. Wenn Politik, Wirtschaft und Forschung einbezogen werden, eröffnet dies neue Wege, um den Ausbauprozess der Industrie voranzutreiben. Die IG Metall ist in der Lage, einen solchen Prozess aktiv zu gestalten. Als Betriebsratsvorsitzender werde ich im Team meinen aktiven Beitrag dazu leisten. « 3 Michael Ebenau Erster Bevollmächtigter der Verwaltungsstellen Jena-Saalfeld und Gera, Mitglied des Projektteams » Ich freue mich sehr darüber, dass die IG Metall das Projekt „Zukunft Ost“ eingerichtet hat. Die Angleichungsthemen haben in unseren Verwaltungsstellen in Ostthüringen mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert. Wir vertreten keine Sonderinteressen, sondern fordern die gleiche Behandlung im gleichen Konzern. Dies stößt auch in immer mehr Betrieben auf Resonanz: Die Beschäftigten bei Siemens, Kaeser und Carl Zeiss wollen genauso bezahlt und behandelt werden, wie ihre Kollegen und Kolleginnen in Erlangen, Coburg und Oberkochen. Dafür haben sie sich in der letzten Tarifbewegung engagiert, als wir vom Thüringer Arbeitgeberverband gefordert haben, die Sonderzahlung auf 55 Prozent zu erhöhen. Ich freue mich, dass wir nun in diesem Projekt die Möglichkeit haben, unsere speziellen ostdeutschen Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. Schließlich gibt es in den Ost-Ländern viele gute Ideen und Erfahrungen, von denen auch andere profitieren können. « Länderblick: Thüringen Thüringen wird durch die Städtekette Eisenach – Weimar – Erfurt – Jena geprägt und verfügt über industrielle Zentren in der Peripherie. Die ehemals strukturschwachen Regionen in Ost- und Nordthüringen haben in den letzten Jahren deutlich aufgeschlossen. Bei der Betriebsdichte liegt die Industrie im bundesdeutschen Vergleich mit 39 Betrieben je 100 Tsd. Einwohnern an zweiter Stelle, knapp hinter Baden-Württemberg (41 Betriebe). Die vergleichsweise starke Internationalisierung der Wirtschaft führte zur zweithöchsten Exportquote (30,2 Prozent) im Osten. Zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten in technologieorientierten Unternehmen. Mit Sachsen hält das Land den Spitzenplatz bei den Patentanmeldungen im Osten. Die optische Industrie und Mikroelektronik in Jena sowie die Automobilcluster in Erfurt/Eisenach konnten sich zu einer bedeutenden Forschungs- und Technologieregion Europas entwickeln. Künftige Wachstumsfelder sind IuK, Life Sciences, Energie- und Umwelttechnik. Die neue Richtlinie zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft orientiert sich unter anderem an guter Qualität bei der Beschäftigung. Eine zentrale Herausforderung bleibt, den Fachkräftemangel auszugleichen, auch wenn sich der Binnenwanderungssaldo positiv entwickelt. Bundesweit einmalig sind die hohen Investitionen des Landes in die Bildung. Trotz vieler Erfolge reicht die Wirtschaftskraft des Landes noch nicht aus, um einen selbsttragenden wirtschaftlichen Aufholprozess in Gang zu halten. Dies ist ein wichtiger Faktor für die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse. Im Mittelpunkt eines Gespräches des Projektteams am 18. März 2015 mit dem Thüringer Wirtschaftsminister Tiefensee stand das Thema „Demografische Entwicklung“. Dabei stellte Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, die IG Metall-Fachkräfteinitiative vor. Darüber hinaus wurden die politischen Initiativen der Thüringer Landesregierung bezüglich weiterer Angleichungsschritte und die Möglichkeiten einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und IG Metall thematisiert. Wandel mitgestalten“, „Industrie- und Strukturpolitische Konzepte entwickeln“ und „Gute Arbeit im Betrieb umsetzen“ einnehmen. Neben den aktuellen Schwerpunkten des IG Metall-Projekts „Zukunft Ost“ werden erste Ergebnisse aus zwei Studien der Otto-Brenner-Stiftung zur Mitbestimmung in Betrieben mit Betriebsräten in Ostdeutschland sowie zur gewerkschaft- lichen Organisationsmacht in den neuen Bundesländern vorgestellt und diskutiert. Die Konferenz richtet sich hauptsächlich an Betriebsräte, Jugend- und Auszubildendenvertretungen sowie an hauptamtliche Kolleginnen und Kollegen. ➤Weitere Informationen und Anmeldungen zu dieser Konferenz über die zuständige IG Metall Verwaltungsstelle. TERMINE Betriebsrätekonferenz Ost am 6. Mai 2015 in Halle Die Betriebsrätekonferenz findet am 6. Mai 2015 in der Georg-Friedrich-Händel-Halle in Halle an der Saale statt. Einen breiten Raum werden erfolgreiche Beispiele und Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis zu Themen wie „Durchsetzungsfähigkeit stärken“, „Tarifbindung ausbauen“, „Demografischen Konferenz „25 Jahre Deutsche Einheit – Bilanz und Perspektiven aus gewerkschaftspolitischer Sicht“ am 24. September 2015 in Berlin Bei der Veranstaltung steht die Frage im Mittelpunkt, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West erreicht werden können. Dabei soll – ein Viertel Jahrhundert nach der Vollendung der politischen Einheit Deutschlands – nicht nur auf das Erreichte zurückgeblickt werden. Vielmehr steht die Diskussion notwendiger wirtschafts- und 4 industriepolitischer Weichenstellungen im Fokus, um weitere Angleichungsschritte zu erzielen. Es werden Ansätze aus Politik und Wissenschaft vorgestellt. Anschließend gibt es Gelegenheit, mit Politikern, Wissenschaftlern und Betriebsräten über das Thema zu diskutieren. ➤Weitere Informationen zur Veranstaltung über: Astrid Knüttel, Leiterin des IG Metall-Projekts „Zukunft Ost“, [email protected] IMPRESSUM Herausgeber: IG Metall Vorstand, 60329 Frankfurt/Main Verantwortlich: Wolfgang Lemb Redaktion: Astrid Knüttel, Michael Jung Textbearbeitung, Satz und Layout: Agentur WAHLE & WOLF, 56479 Elsoff Fotos: IG Metall Archiv Kontakt und Bestellung: [email protected] Datum: 4/2015
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