16 TZ-SPEZIAL | MONTAG, 27. APRIL 2015 Impressionen vom Elbe Day 2015 Stillgestanden am Fahnenmonument Schüler überbrachten den hochrangigen Diplomaten eine musikalischen Friedensbotschaft. Wunderschön, so ein Elbe Day. TORGAU. Rudolf Süptitz war es am Samstag ein Bedürfnis, am Denkmal der Begegnung den Reden und Kranzniederlegungen beizuwohnen. Auf den Tag genau vor 70 Jahren musste er aus seinem Heimatort Falkenberg fliehen. Dass Authausen lediglich für einen Tag seine neue Heimat werden sollte, konnte er damals freilich nicht wissen. Schnell konnte er wieder zurück, doch die Erinnerung an den Schrecken des Kriegs lässt den Falkenberger bis heute nicht los. Rein zufällig kam Süptitz nach dem offiziellen Part mit Katharina Hessel ins Gespräch. Dabei erlebte er die Begeisterung der eigens aus Chemnitz angereisten Frau. „Ich habe mich gefragt, ob ich noch weitere zehn Jahre warten soll, um wenigstens ein Mal in Torgau an das Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern“, begründete sie ihr Erscheinen. Bereut habe sie ihre Entscheidung auf keinen Fall. Süptitz wie Hessel hatten zuvor den Worten von Staatssekretär Erhard Weimann (er vertrat Ministerpräsident Stanislaw Tillich), des russischen Botschafters Wladimir Michailowitsch Grinin (er nutzte die Gelegenheit, um zu betonen, dass es in Rußland nach wie vor ein großes Interesse gäbe, mit den USA zu kooperieren und das partnerschaftliche Verhältnis zu Deutschland auszubauen) sowie des amerikanischen Botschafters John Bonnell Schülerwünsche für Botschafter John Bonnell Emerson und Ehefrau Kimberly. R. Süptitz aus Falkenberg Fotos: TZ/C. Wendt Emerson zugehört. Ebenso verfolgten unter anderem Jeff Thau und dessen Ehefrau Rina die Geschehnisse rund ums Denkmal und Fahnenmonument. „Großartig“, kommentierten beide das Gesehene und Gehörte. Thau war hoher Offizier in der U.S. Air Force. Das Kuriose: Sein Vater diente als gebürtiger Pole in der sowjetischen Armee und ist einer jener Soldaten, die auf dem um die Welt gegangenen Torgauer Handschlagsfoto zu sehen sind. Dr. Tilo Lehnert Dass das Medieninteresse am Elbe Day auch in China sehr groß ist, bestätigten die Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Xinhua. Gleichmäßig verteilt auf beiden Seiten der Elbe nutzten sie vor allem die Panzerüberfahrt für symbolträchtige Bilder. Korrespondentin Yujing Feng vom Xinhua-Büro in Berlin sprach von einem bewegenden Moment. Nicht ganz so weit her kam ein Quintett, gekleidet in Rotarmisten-Uniformen. Mitglieder des Vereins Mitteldeutsche Militärgeschichte hatten mit ihrem GAZ 67 leichtes Spiel. Die Anreise aus Mügeln war für den durstigen Wagen ein Kinderspiel. Gemeinsam mit Besuchern aus Moskau (von hier kamen die drei Vereine „Geist der Elbe“, „Patriot“ und „DOSAAF“, nach Moskau wurde live übertragen) wurde auf ostelbischer Seite begeistert gefachsimpelt, soweit man sich eben gibt’s Weitere Bilder uerzeitung.com a rg o .t w w w f u a Per Lasershow wurde an den 70. Jahrestag der Begegnung an der Elbe erinnert. Da schien die Bespannung noch relativ heil zu sein. Wenig später klaffte ein riesiges Loch. mit Wortfetzen verständigen konnte. Bei all den offiziellen, symbolträchtigen Programmpunkten hatte es das bunte Showprogramm auf drei Bühnen allerdings recht schwer, die Besucher auf sich aufmerksam zu machen. Vor allem nach der Panzerüberfahrt ließ das Interesse spürbar nach. Dennoch sorgten beispielsweise Solisten des russischen Alexandrow-Ensembles als Opener auf den Elbwiesen für Kurzweil und gute Unterhaltung vor allem vieler Torgauer mit Migrationshintergrund. Nahtlos daran schloss sich der Auftritt der Folkloregruppen des Vereins Zusammenleben an. Gegen die russische Seele mussten sich überlappend die Dixielanders aus Jena einen Steinwurf nur entfernt behaupten. Doch nicht jedem schien dieser ungewohnte akustische Eintopf zu schmecken – sei‘s drum, musikalisch gab‘s für viele Geschmäcker etwas. Stellvertretend sei hier nur Carlama Orchestar aus den Niederlanden erwähnt, die mit einer explosiven Saxophon-Mischung aus Balkan-, Ska- und Jazz-Elementen schon vor der Laser- und Feuerwerkshow für Furore sorgten. Letztere war der krönende Abschluss des Tages, auch wenn eine Windböe der Laserprojektionsfläche übel mitspielte. Bedenken, die noch vor Anker liegende „River Allegro“ könnte dem Zuschauerspaß ein Schnippchen schlagen, wurden kurzerhand aus dem Weg geräumt. Das Schiff sollte eigentlich schon 20 Uhr seine Fahrt fortsetzen. Allerdings hatte man sich kurzentschlossen für einen längeren Halt entschieden. Nach einem Gespräch mit der Schiffsbesatzung dauerte es dann nicht lange, bis die Zuschauer die freie Sicht genießen konnten. Allein zur Panzerüberfahrt wurde die Zuschauerzahl von der Stadtverwaltung auf etwa 5000 Leute geschätzt (übrigens: auch der Elbeschwimmer Helmut Schlee aus Finsterwalde hatte sich am Zufahrtsweg des GSP 55 Schwimmpanzers in die Elbe fernab der Zuschauermassen auf ostelbischer Seite eingefunden. Stilecht hatte er eine Deutschlandfahne, eine sowjetische sowie eine amerikanische Flagge in Ufernähe schwimmend befestigt). Am Abend wurde die 5000 sogar noch bei weitem überschritten. 8500 Menschen sollen sich am Festplatz Pestalozziweg eingefunden haben. Die Wartezeit für ein Getränk konnte so schon mal die halbe Stunde knacken. Über das Wochenende verteilt wurde die Besucherzahl auf mindestens 15000 geschätzt. „Ein hervorragendes Er- gebnis“, zeigte sich Torgaus Oberbürgermeisterin Andrea Staude gestern beeindruckt. Nach Torgau hatte es auch Engländer verschlagen – und das in Uniformen, mit der hier wohl niemand so richtig rechnet. So mimte beispielsweise John Gibbon aus Newcastle on Tyne einen Hauptfeldwebel der Roten Armee. Gibbon ist Mitglied des 13th Guards „Poltavskaya“. „Bei uns wollen alle eigentlich nur Engländer, Amerikaner und Franzosen spielen“, fand Gibbon seine persönliche Nische. Immer mit Videokamera dabei war am Festwochenende Dr. Tilo Lehnert. Der Straußberger war einst Panzergrenadier und marschierte am 24. Mai 1945 durch Torgau. Ziel war Berlin. Allerdings kam die Truppe nur bis Jüterbog. Lehnert hat mittlerweile viele Freundschaften zu alliierten Veteranen geschlossen. Videos sowie viele Aufnahmen früherer Elbe Days sind im Netz unter www.69th-infantry-division.com (Media-Reiter) zu sehen. Dem Laternenumzug wohnten am Samstagabend gut 300 Menschen bei. Bei all der Begeisterung gab es allerdings auch Kritik: In einem gemeinsamen Pressestatement der Bundestagsabgeordneten Susanna Karawanskij (DIE LINKE) und Monika Lazar (Grüne), der Landtagsabgeordneten Luise Neuhaus-Wartenberg (DIE LINKE) sowie Peter Hettlich (Grünen) anlässlich der Festveranstaltung heißt es: „Der 70. Jahrestag ist ein zentraler Anlass des Gedenkens an den Sieg über Nazideutschland, insbesondere des Gedenkens an die Abermillionen Toten, die dieser menschenverachtenden Diktatur zum Opfer fielen und der Millionen im Krieg gegen die Nazis Gefallenen und Verwundeten. Es ist ein Armutszeugnis, dass sowohl die Bundesregierung als auch die Sächsische Landesregierung diese bedeutsame Festveranstal- Die Elbwiesen waren fest in russischer Hand. Zusammenleben – zusammen tanzen Am Denkmal der Begegnung wurde der Millionen Tote gedacht. Dichtes Gedränge auch bei den Kranzniederlegungen am Fahnenmonument. Probelauf fürs Hissen der Flagge Schinkenschnittchen wurden zur Begrüßung gereicht. tung nicht durch eine angemessene personelle Vertretung gewürdigt haben. Es ist schlichtweg unbegreiflich, dass weder die Bundesregierung noch die Sächsische Staatsregierung mit entsprechender personeller Präsenz dieser Festveranstaltung und damit den Feierlichkeiten beigewohnt haben. Einzig der sächsische Staatssekretär Weimann war als Repräsentant anwesend. Anscheinend ist der historische Tag der Handreichung der Alliierten an der zerstörten Elbbrücke in Torgau für Ministerpräsident Tillich nur von nachgeordneter Priorität – ein schwerwiegendes politisches Versäumnis.“ cw Carlama Orchestar machte gehörig Stimmung. Dixielanders Russland trifft auf Mügeln.
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