Nr. 210 21. April 2015 ver.di fordert: Betriebliche Altersversorgung nicht zum Nachteil der gesetzlichen Rente Mit den Rentenreformen des Jahres 2001 wurde der Abschied von der lebensstandardsichernden gesetzlichen Rente eingeleitet. Die entstehende Sicherungslücke sollte durch private und betriebliche Vorsorge geschlossen werden. Dazu wurde – neben der Riester-Rente in der 3. Säule – in der 2. Säule der Alterssicherung, der betrieblichen Altersversorgung (bAV), ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung eingeführt (§ 1a BetrAVG). Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass ein Teil ihres Bruttoentgelts – bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG)[1] – für die bAV umgewandelt wird. Der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung steht unter Tarifvorbehalt – Entgeltumwandlung ist nur möglich, wenn ein Tarifvertrag dies vorsieht. Vor- und Nachteile sind vielschichtig: Vorteile. Es sparen Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen zum Zeitpunkt der Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge: Für umgewandelte Beträge in Höhe von max. 2.904 € jährlich müssen keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Dies sind immerhin bis zu 580 € jeweils für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen. Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundesverwaltung Paula-Thiede-Ufer 10 10179 Berlin Ressort 5 Verantwortlich: Eva M. Welskop-Deffaa Mitglied des Bundesvorstandes Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Migration und Teilhabepolitik Telefon: 030 / 6956–2400 [email protected] [email protected] Dr. Judith Kerschbaumer Bereichsleitung Sozialpolitik Arbeitnehmer/innen sparen in der Einzahlungsphase auch Steuern – zusätzlich zum sozialversicherungsfreien Entgeltumwandlungsbetrag bis zu 1800 €. Wenn Sie wünschen, in den Verteiler dieses Redaktionsdienstes aufgenommen zu werden, schreiben Sie bitte eine Mail an: [email protected] Nachteile. In der Rentenphase trägt der/die Betriebsrentner/in den vollen Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung, der auf die Betriebsrentenleistung fällig wird, alleine. www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de Die gesetzliche Rente des umwandelnden Beschäftigten fällt niedriger aus, da die Beiträge auf den umgewandelten Betrag fehlen. Arbeitgeber/innen haben die Möglichkeit, die Ersparnis, die sich für sie aus der Sozialversicherungsfreiheit der für die baV umgewandelten Beträge ergibt, an die Beschäftigten weiterzugeben. Davon macht die Mehrheit der Arbeitgeber/innen keinen oder nur geringen Gebrauch. 1/2 sopoaktuell Nr. 210 · 21. April 2015 2/2 Vor- und Nachteile im Detail Wird heute ein unter 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze liegender Betrag umgewandelt, der höher liegt als 2904 €, sind für den über 2904 € liegenden Teil regulär Sozialversicherungsbeiträge fällig. In steuerlicher Hinsicht profitieren Arbeitnehmer/innen von der Steuerfreiheit in der Erwerbsphase. Die nachgelagerte Besteuerung bewirkt, dass die Steuerschuld aufgeschoben ist („Stundungseffekt“). Ein weiterer Vorteil ergibt sich dadurch, dass die zu versteuernden Beträge in der Rentenphase regelmäßig geringer sind als die Einkünfte in der Erwerbsphase. Andererseits erhöhen Betriebsrenten das Alterseinkommen und bewirken möglicherweise, dass Steuern zu zahlen sind. Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht das Zusammenspiel von Verbeitragung und Versteuerung bei den Aufwendungen zu einer Entgeltumwandlung: Arbeits-/ Beitragsphase Rentenphase bis 4 % BBG (2015: 2.904 €) zusätzlich bis 1.800 € darüber Sozialversicherung frei Steuer frei pflichtig frei pflichtig volle Verbeitragung in der KV und PflV pflichtig nachgelagerte Besteuerung Quelle: eigene Darstellung, JK, April 2015 Die Beitragsfreiheit führt zu einer Reduzierung der eigenen gesetzlichen Rentenanwartschaften. Dabei wirkt die Entgeltumwandlung – indirekt über die Rentenanpassungsformel – auf den aktuellen Rentenwert und senkt auf diese Weise das Rentenniveau ab.[2] Der GRV werden jährlich rd. 1,5 Mrd. € an Beitragsmitteln entzogen. [1] [2] [3] Eine weitere Wirkung der Entgeltumwandlung ist das Einsparen der hälftigen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung beim Arbeitgeber. Dem Grundsatz „bAV nicht zum Nachteil der GRV“ entsprechend ist die Forderung nach Beibehaltung der Rentenversicherungspflicht bei sonstiger Sozialversicherungsfreiheit bei Entgeltumwandlung Beschlusslage in ver.di. Darüber hinaus fordert ver.di: Die bei Entgeltumwandlung vom Arbeitgeber eingesparten Sozialversicherungsbeiträge muss dieser vollständig zugunsten der bAV der Beschäftigten weitergeben. Dies muss gesetzlich verpflichtend geregelt werden. Der Aufbau einer bAV dient der Kompensation der Sicherungslücke in der GRV. Unsinnig ist es eine Systematik zuzulassen, die Sicherungslücken auf der einen Seite zwar zum Teil ausgleicht, sie auf der anderen Seite jedoch vergrößert. Seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2004 muss von den Betriebsrentner/innen im Rentenalter alleine der volle Beitragssatz in der Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet werden, das sind heute rd. 20 Prozent der Betriebsrente. Das Beitragsvolumen 2013 betrug bei der Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes bei den versicherungspflichtigen Rentner/innen rd. 5,22 Mrd. € in der Krankenversicherung und 694 Mio. € in der Pflegeversicherung.[3] Diese Regelung trägt nicht zur Attraktivität der bAV bei. Aus diesem Grund sollte der Gesetzgeber zur hälftigen Verbeitragung zurückkehren. Werte in 2015: BBG jährlich: 72.600 €, 4 % betragen 2.904 € jährlich, entspricht monatlich 242 €. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion „Die Linke“, BT-Drucks. 18/4362, Antworten auf die Fragen 1. und 7. Angaben der Vertreterin des Spitzenverband Bund der Krankenkassen anl. der Anhörung zur bAV in der CDU/CSU-Fraktion am 12.1.2015 im Deutschen Bundestag.
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